S 81 KR 1/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger(innen) tragen die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 42.681,42 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die Kläger(innen) erbrachten zugunsten mehrerer Versicherter der Beklagten in der Zeit vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 1999 Leistungen der häuslichen Krankenpflege. In dieser Zeit waren zwischen ihnen und der Beklagten die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege aufgrund einer am 6. Dezember 1999 getroffenen Vereinbarung geregelt. Diese Vereinbarung sah vor, dass der vor dem Sozialgericht Berlin am 1. Oktober 1999 in dem Verfahren S 75 KR 737/99 ER geschlossene Vergleich auch zwischen ihnen Geltung beanspruchen solle. Dieser Vergleich hatte folgenden Wortlaut:

"1. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die umfassende Versorgung der Versicherten der BKK das Landes Berlin durch die Antragstellerin weiterhin sichergestellt wird. 2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin setzen die Versorgung der Versicherten fort auf der Basis beider Rahmenverträge (Rahmenvertrag vom 1. Oktober 1994 und Vertragsangebot der BKK Berlin vom 1. September 1999) und wenden die übereinstimmenden Vertragsteile an, wodurch die Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. 3. Die inhaltlichen Abweichungen und Differenzen in der Höhe des Leistungsentgelts werden gesondert verhandelt, wobei die Antragsgegnerin sich bereit erklärt, vorläufig ab 1. September 1999 die Vergütung auf der Grundlage des BKK-Vertrages vom 1. September 1999 zu zahlen, und wobei sich die Antragstellerin mit dieser vorläufigen Regelung einverstanden erklärt. 4. Ein gegebenenfalls erzieltes Verhandlungsergebnis wird rückwirkend ab 1. September 1999 anerkannt. 5. Diese Vereinbarung hat Gültigkeit bis 31. März 2000. 6. [ ] 7. [ ]."

Die erbrachten Leistungen rechneten die Kläger(innen) gegenüber der Beklagten auf der Grundlage des mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung zum 1. September 1999 gemäß § 132a SGB V geschlossenen Vertrages ab. Die Beklagte zahlte auf die Abrechnungen jeweils nur die im so genannten BKK-Vertrag vereinbarte Vergütung.

Den Abschluss dieses Vertrages hatte die Beklagte auch den Kläger(innen) angeboten. Diese hatten das Angebot jedoch zurückgewiesen, weil es eine um rund 20 % geringere Vergütung als der mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung zum 1. September 1999 geschlossene Vertrag vorsah.

Mit ihrer am 2. Januar 2002 erhobenen Klage machen die Kläger(innen) die Beträge geltend, um die die Beklagte die Abrechnungen gekürzt hat. Sie sind der Auffassung, dass sie von der Beklagten diese Differenzbeträge aus ungerechtfertigter Bereicherung fordern könnten. Die Forderungen seien nicht verjährt, weil sich die Verjährungsfrist nach § 45 SGB I bestimme und zudem die Verjährung nach § 203 BGB in der ab 1. Januar 2002 gültigen Fassung aufgrund der in der Vereinbarung vom 6. Dezember 1999 beschlossenen Verpflichtung, Verhandlungen zu führen, jedenfalls bis zum 31. März 2000 gehemmt gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2006 hat der Bevollmächtigte der Kläger(innen) die Klage bezüglich der Klägerinnen zu 9) und 15) zurückgenommen. Ferner hat er die Klage bezüglich der Zinsforderung zum Teil zurückgenommen.

Die Kläger(innen) beantragen nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 927,92 EUR, an den Kläger zu 2) 3668,34 EUR, an die Klägerin zu 3) 1302,52 EUR, an den Kläger zu 4) 988,34 EUR, an die Klägerin zu 5) 755,53 EUR, an die Klägerin zu 6) 838,70 EUR, an die Klägerin zu 7) 939,01 EUR, an die Klägerin zu 8) 934,16 EUR, an den Kläger zu 10) 901,22 EUR, an die Klägerin zu 11) 847,82 EUR, an die Klägerin zu 12) 479,48 EUR, an die Klägerin zu 13) 51,72 EUR, an den Kläger zu 14) 955,14 EUR, an die Klägerin zu 16) 88,22 EUR, an die Klägerin zu 17) 1653,57 EUR, an den Kläger zu 18) 355,54 EUR, an die Klägerin zu 19) 318,69 EUR, an die Klägerin zu 20) 13,96 EUR, an die Klägerin zu 21) 1238,01 EUR, an die Klägerin zu 22) 1659,95 EUR, an den Kläger zu 23) 810 EUR, an den Kläger zu 24) 2915,24 EUR, an den Kläger zu 25) 1349,22 EUR, an die Klägerin zu 26) 1086,57 EUR, an die Klägerin zu 27) 427,80 EUR, an die Klägerin zu 28) 217,26 EUR, an die Klägerin zu 29) 510,31 EUR, an den Kläger zu 30) 1916,62 EUR, an die Klägerin zu 31) 818,77 EUR, an die Klägerin zu 32) 921,30 EUR, an den Kläger zu 33) 915,80 EUR, an die Klägerin zu 34) 298,40 EUR, an die Klägerin zu 35) 947,95 EUR, an die Klägerin zu 36) 1470,54 EUR, an die Klägerin zu 37) 693,86 EUR, an den Kläger zu 38) 214,99 EUR, an die Klägerin zu 39) 1624,38 EUR, an die Klägerin zu 40) 1655,83 EUR, an die Klägerin zu 41) 384,01 EUR, an die Klägerin zu 42) 1411,01 EUR und an die Klägerin zu 43) 809,75 EUR jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie ist der Meinung, dass eine Verjährungsfrist von zwei Jahren gelte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Es kann dahinstehen, ob der von den Kläger(innen) nach Maßgabe der §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB geltend gemachte Anspruch entstanden ist. Denn selbst wenn er entstanden wäre, wäre er nicht durchsetzbar, weil die Beklagte berechtigt ist, die Leistung gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBG iVm § 214 Abs. 1 BGB in der seit 2. Januar 2002 gültigen Fassung zu verweigern.

Die Ansprüche der Kläger(innen) sind verjährt. Beginn und Ende der Verjährung sowie die Verjährungsfrist sind vorliegend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu entnehmen. Dies ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und den Krankenkassen bis zum 1. Januar 2000 dem Privatrecht zuzuordnen waren (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R; Fischer, NZS 2003, S. 301 [304].). § 45 Abs. 1 SGB I ist bereits dem Tatbestand nach nicht einschlägig, weil die Klägerinnen keine Ansprüche auf Sozialleistungen geltend machen. Auch als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes kann die Vorschrift nicht zur Anwendung gelangen, weil auf Rechtsgrundsätze oder Rechtsprinzipien nur zurückgegriffen werden darf, wenn eine spezialgesetzliche Regelung fehlt (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 426 f.). Das ist hier nicht der Fall.

Zu Unrecht berufen sich die Kläger(innen) auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12. Mai 2005, B 3 KR 32/04 R. Denn diese Entscheidung betrifft allein die Frage, ob für die Zeit nach dem 1. Januar 2000 gemäß § 69 S. 3 SGB V auf die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Rückgriff genommen werden darf. Vorliegend werden indes allein Forderungen aus dem Jahre 1999 geltend gemacht. Da die Beziehungen zwischen den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und den Krankenkassen bis zum 1. Januar 2000 dem Privatrecht zuzuordnen waren (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R.), sind die Vorschriften des Zivilrechts anwendbar (vgl. auch BSG, SozR 33-2500 § 125 Nr. 5.).

Für die Ansprüche der Kläger(innen) galt die Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F. (vgl. Fischer, NZS 2003, S 301 [307].). Die Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F. wird gemäß Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB nicht durch § 195 BGB n. F. verdrängt. Denn dieser bestimmt eine längere Frist als § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F.

Die Voraussetzungen des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F. sind hier erfüllt. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F. verjähren in zwei Jahren die Ansprüche derjenigen, welche, ohne zu den in § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. bezeichneten Personen zu gehören, die Leistung fremder Dienste gewerbsmäßig betreiben, wegen der ihnen aus dem Gewerbebetriebe gebührenden Vergütungen.

Die Kläger(innen) besorgen gewerbsmäßig die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.1996, B 3 RK 11/95; Fischer, NZS 2003, S. 301 [307].). Dass sie ihre Ansprüche auf Bereicherungsrecht stützen, ist unerheblich. Denn unter die kurze Verjährung des § 196 BGB a. F. fallen alle Ansprüche, die ein Äquivalent für die erbrachte Leistung darstellen, mithin auch Bereicherungsansprüche (Palandt, 61. Aufl. 2002, § 196 Rn. 11, § 195 Rn. 7; MünchKomm-Grothe, 4. Aufl. 2001, § 195 Rn. 19.).

Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB iVm §§ 198 S. 1, 201 S. 1 BGB a. F. begann die Verjährungsfrist für die von den Kläger(innen) geltend gemachten Ansprüche – die zum Zeitpunkt der Vermögensverschiebung (vgl. Palandt, 61. Aufl. 2002, § 818 Rn. 3.), also zum Zeitpunkt der Leistungserbringung, entstanden sind – spätestens am 31. Dezember 1999 zu laufen und endete gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F. in zwei Jahren, also spätestens am 31. Dezember 2001. Erhoben haben die Klägerinnen ihre Klage erst am 2. Januar 2002.

Die Verjährung war nicht gemäß § 203 BGB gehemmt. Diese Vorschrift, die erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt wurde, ist nicht anwendbar. Denn Gegenstand der Klage sind Forderungen aus dem Jahre 1999. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB bestimmt sich indes die Hemmung der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung kannte eine dem § 203 BGB n. F. vergleichbare generelle Regelung nicht. Lediglich die §§ 639 Abs. 2, 651g Abs. 2 S. 3, 852 Abs. 2 BGB a. F. enthielten eine zu § 203 BGB n. F. ähnliche Regelung.

Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Klägerinnen zu 9) und 15) auf § 197a Abs. 1 SGG iVm §§ 155 Abs. 2, 159 S. 1 VwGO iVm § 100 Abs. 1 ZPO und bezüglich der übrigen Kläger(innen) auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO iVm § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 und 2 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung.
Rechtskraft
Aus
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