S 81 KR 2801/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2801/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9349,57 EUR nebst 4 % Zinsen aus 1469,49 EUR seit dem 18. September 2001, aus 2322,75 EUR seit dem 6. September 2002, nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2355,95 EUR seit dem 1. Januar 2002, aus 1052,70 EUR seit dem 1. Januar 2003, aus 118,42 EUR seit dem 1. Januar 2004, aus 1734,12 EUR seit dem 1. Januar 2005 und aus 296,14 EUR seit dem 1. April 2005 zu zahlen. 2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die Klägerin erbrachte zugunsten mehrerer Versicherter der Beklagten in der Zeit vom 1. September 1999 bis 28. Februar 2005 Leistungen der häuslichen Krankenpflege, obwohl zwischen ihr und der Beklagten die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur für die Zeit vom 1. September 1999 bis 31. März 2000 aufgrund einer am 6. Dezember 1999 getroffenen Vereinbarung geregelt waren. Diese Vereinbarung sah vor, dass der vor dem Sozialgericht Berlin am 1. Oktober 1999 in dem Verfahren S 75 KR 737/99 ER geschlossene Vergleich auch zwischen ihnen Geltung beanspruchen solle. Dieser Vergleich hatte folgenden Wortlaut:

"1. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die umfassende Versorgung der Versicherten der BKK das Landes Berlin durch die Antragstellerin weiterhin sichergestellt wird. 2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin setzen die Versorgung der Versicherten fort auf der Basis beider Rahmenverträge (Rahmenvertrag vom 1. Oktober 1994 und Vertragsangebot der BKK Berlin vom 1. September 1999) und wenden die übereinstimmenden Vertragsteile an, wodurch die Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. 3. Die inhaltlichen Abweichungen und Differenzen in der Höhe des Leistungsentgelts werden gesondert verhandelt, wobei die Antragsgegnerin sich bereit erklärt, vorläufig ab 1. September 1999 die Vergütung auf der Grundlage des BKK-Vertrages vom 1. September 1999 zu zahlen, und wobei sich die Antragstellerin mit dieser vorläufigen Regelung einverstanden erklärt. 4. Ein gegebenenfalls erzieltes Verhandlungsergebnis wird rückwirkend ab 1. September 1999 anerkannt. 5. Diese Vereinbarung hat Gültigkeit bis 31. März 2000. 6. [ ] 7. [ ]."

Die erbrachten Leistungen rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten auf der Grundlage der mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung zum 1. September 1999 gemäß § 132a SGB V geschlossenen Verträge ab. Wegen der Einzelheiten der Abrechnungen wird auf Bl. 4 – 18, 58 – 76194 – 203 GA verwiesen.

Die Beklagte zahlte auf die Abrechnungen jeweils nur die im so genannten BKK-Vertrag vereinbarte Vergütung. Den Abschluss dieses Vertrages hatte die Beklagte auch der Klägerin angeboten. Diese hatte das Angebot jedoch zurückgewiesen, weil es eine um rund 20 %, später, ab 2001, eine um rund 92 % und ab 2002 eine um rund 87 % geringere Vergütung als die mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung zum 1. September 1999 geschlossenen Verträge vorsah.

Mit ihrer am 18. September 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst nur die Beträge geltend gemacht, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Monate September 1999 bis einschließlich Dezember 1999 gekürzt hat, und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2874,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit Klagezustellung zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 6. September 2002 – Eingang bei Gericht am selben Tage – hat sie ihre Klage bezüglich der Beträge, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Monate Januar 2000 bis einschließlich Dezember 2000 gekürzt hat, erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 4542,91 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005 – Eingang bei Gericht am selben Tage – hat sie die Klage bezüglich der Beträge, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2004 gekürzt hat, erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 5261,19 EUR nebst 8 % Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2355,95 EUR seit dem 1. Januar 2002, aus 1052,70 EUR seit dem 1. Januar 2003, aus 118,42 EUR seit dem 1. Januar 2004 und aus 1734,12 EUR seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2006 – Eingang bei Gericht am 13. Januar 2006 – hat sie die Klage bezüglich der Beträge, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 28. Februar 2005 gekürzt hat, erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 296,14 EUR nebst 8 % Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2005 zu zahlen. In der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 hat sie die Klage bezüglich der Zinsforderung teilweise zurückgenommen.

Sie beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie 9349,57 EUR nebst 4 % Zinsen aus 1469,49 EUR seit dem 18. September 2001, aus 2322,75 EUR seit dem 6. September 2002, nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2355,95 EUR seit dem 1. Januar 2002, aus 1052,70 EUR seit dem 1. Januar 2003, aus 118,42 EUR seit dem 1. Januar 2004, aus 1734,12 EUR seit dem 1. Januar 2005 und aus 296,14 EUR seit dem 1. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Meinung, dass zwischen ihr und der Klägerin konkludent ein Versorgungsvertrag zu den Bedingungen des BKK-Vertrages geschlossen worden sei, indem sie, die Beklagte, am 31. August 1999 angekündigt habe, die Leistungen nur noch zu den Preisen des BKK-Vertrages vergüten zu wollen, und die Klägerin sich hierauf eingelassen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der Klage ist eine Forderung von insgesamt 9349,57 EUR nebst Zinsen. Die in der Klageerweiterung vom 6. September 2002, 5. Oktober 2005 und 12. Januar 2006 liegenden Klageänderungen sind zulässig, weil sie sachdienlich ist, §§ 99 Abs. 1 und 2 SGG.

Die Klage ist zulässig begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung des oben genannten Betrages aus §§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (Zeitraum 1. September 1999 bis 31. März 2000) respektive §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt 1., 818 Abs. 2 BGB (Zeitraum 1. April 2000 bis 28 Februar 2005) beanspruchen.

§§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, S. 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB sind anwendbar. Für die vor dem 1. Januar 2000 fällig gewordenen Ansprüche ergibt sich die Anwendbarkeit aufgrund der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und den Krankenkassen zu dieser Zeit dem Privatrecht zuzuordnen waren (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R.), und für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 aufgrund der Regelung in § 69 S. 3 SGB V.

Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB liegen vor. Für das, was die Beklagte infolge der von der Klägerin in der Zeit vom 1. September 1999 bis 31. März 2000 erbrachten Leistungen – Befreiungen von Verbindlichkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R.) – erlangt hat, ist der Rechtsgrund nachträglich entfallen. Rechtsgrund dieser Leistungen war gemäß der Vereinbarung vom 6. Dezember 1999 der vor dem Sozialgericht Berlin am 1. Oktober 1999 geschlossene Vergleich. Dieser Vergleich stand unter der auflösenden Bedingung des Abschlusses einer Entgeltvereinbarung bis 31. März 2000. Dies ergibt sich aus Nr. 3 des Vergleichs, der ausdrücklich regelt, dass die Vergütung ab dem 1. September 1999 entsprechend dem so genannten BKK-Vertrag nur "vorläufig" gezahlt und von der Klägerin nur "vorläufig" akzeptiert werde.

Auch die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB liegen vor. Für das, was die Beklagte infolge der von der Klägerin in der Zeit vom 1. April 2000 bis 28. Februar 2005 erbrachten Leistungen erlangt hat, bestand von Anfang an kein Rechtsgrund.

Da die Herausgabe des Erlangten der Beklagten nicht möglich ist, ist sie nach § 818 Abs. 2 BGB der Klägerin zum Wertersatz verpflichtet. Für die Wertbestimmung nach § 818 Abs. 2 BGB ist der objektive Verkehrswert des Erlangten maßgeblich. Dieser bestimmt sich hier nach den üblicherweise, also den von der AOK Berlin und anderen Krankenkassen auf der Grundlage des so genannten AOK-Vertrages gezahlten Entgelten. Die Beklagte ist seit September 1999 nicht in der Lage, mit den Vertragspartnern des BKK-Vertrages die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege sicherzustellen (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 2. März 2005, L 9 KR 19/01.). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 S. 3 SGB V iVm §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der bis 31. Dezember 2001 gültigen Fassung sowie aus § 69 S. 3 SGB V iVm §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG in der bis 2. Januar 2002 gültigen Fassung, und zwar auch bezüglich der erst nach dem 1. Januar 2002 geltend gemachten Klageerweiterungen. Denn nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG (BGBl. I [2001] S. 2144 [2158].) gilt § 183 SGG in der alten Fassung für "Verfahren" nach § 197a SGG – und nicht etwa einen bestimmten Streitgegenstand –, die vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig waren, weiter.
Rechtskraft
Aus
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