S 9 AS 59/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 59/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 27/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechnung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB II aufgrund des Bescheides vom 17.11.2004 in Höhe von monatlich 227,92 EUR (Bewilligungszeitraum 01.01. bis 31.07.2005). Bei der Berechnung ist der Regelbedarf des Klägers und der mit ihm zusammenlebenden Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft, F-N berücksichtigt (je 311,- EUR), sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 524,07 EUR, der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft wurde mit 1.146,07 EUR errechnet. Unter Anrechnung eines bereinigten monatlichen Einkommens der Partnerin des Klägers von 918,15 EUR verblieb der o. a. Zahlbetrag von 227,92 EUR.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Das anzurechnendende Einkommen sei nicht nachvollziehbar. Die Anrechnung sei verfassungswidrig. Seine Partnerin zahle außerdem 150,- EUR Unterhalt an ihrem Sohn. Der volljährige Sohn wolle keinen Titel über den Unterhalt erwirken. Hierzu könne ihn seine Partnerin auch nicht zwingen.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 27.06.2005). Von dem Bruttoeinkommen der Partnerin des Klägers von 1.726,40 EUR seien Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (537,44 EUR), der Pauschbetrag für Versicherungen (§ 3 Alg-II-Verordnung), die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung (30,55 EUR), die Werbungskostenpauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II (15,33 EUR) und eine monatliche Wegstreckenpauschale (1,82 EUR, 1 km Entfernung zum Arbeitsplatz) abzusetzen. Unter Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages nach § 30 SGB II von 193,11 EUR ergebe sich das anzusetzende Erwerbseinkommen von 918,15 EUR. Unterhaltszahlungen seien nicht abzusetzen, da diese nicht tituliert seien. Von der Verfassungswidrigkeit der Anrechnung des Einkommens der Partnerin als eheähnlicher Gemeinschaft sei nicht auszugehen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Nachdem das Gericht in Abstimmung mit den Beteiligten den Leistungszeitraum ab 01.06.2005 zur gesonderten Entscheidung abgetrennt hat (weitere Kürzung der Kosten der Unterkunft, Bescheide vom 20.05. und 06.06.2005), beantragt der Kläger sinngemäß nunmehr,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2005 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis einschließlich 31.05.2005 höhere Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide. Ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Sohnes sei weder dem Grunde noch der Höhe nach dargelegt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Höhere Leistungen stehen dem Kläger in der Zeit vom 01.01. bis 31.05.2005 nicht zu.

Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II setzt Hilfebedürftigkeit voraus (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen nicht sichern kann (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehört, wer als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit diesem in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II). Die Berücksichtigung des Einkommens des Partners aus eheähnlicher Gemeinschaft ist nicht verfassungswidrig (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.05.2005, L 9 B 18/05 AS). Somit war das Einkommen der nach Angabe des Klägers mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partnerin zu berücksichtigen.

Dies hat die Beklagte auch unter zutreffender Berücksichtigung der Absetzungsbeträge nach § 11 Abs. 2 und 3 SGB II getan. Wegen der insoweit nicht streitigen Einzelheiten der Berechnung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides, denen die Kammer nach eigener Prüfung ausdrücklich folgt - § 136 Abs. 3 SGG – Bezug genommen. Zutreffend hat die Beklagte dabei die nicht titulierten Unterhaltszahlungen der Partnerin des Klägers unberücksichtigt gelassen.

§ 11 SGB II regelt die Berücksichtigung von Einkommen im Wesentlichen wie im Sozialhilferecht (BTDrs 15/1516, Seite 53). Wie dort ist auch in § 11 Abs. 2 SGB II nicht vorgesehen, Unterhaltsansprüche, denen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ausgesetzt ist, vom Einkommen abzuziehen (vgl. zu § 76 des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG – Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – Urteil vom 15.12.1977, V C 35.77). In Kenntnis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat der Gesetzgeber anlässlich der Schaffung des SGB II im Rahmen der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe Unterhaltsverpflichtungen weiterhin nicht ausdrücklich in die abschließende (LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2005, L 9 B 1/05 AS ER) Aufzählung der vom anzurechnenden Einkommen abzusetzenden Posten aufgenommen.

Die Kammer geht deshalb davon aus, dass sich der Rechtszustand seit dem 01.01.2005 insoweit nicht verändert hat. Dann mindert die Pfändung von Einkommen zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen zwar nicht das anrechenbare Einkommen im Sinne von § 11 SGB II, beeinflusst jedoch die tatsächliche Lage des Einkommensbeziehers in dem Sinne, dass er nicht in der Lage ist, seinen notwendigen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu beschaffen (BVerwG, a. a. O.). Eine Pfändung liegt nicht vor, jedoch ist nach der wohl zutreffenden Auffassung der Beklagten ein Titel, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwirft, dem gleichzustellen, so dass titulierte Unterhaltsforderungen vom Einkommen abzuziehen sind. Für eine weitergehende einkommensmindernde Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen fehlt eine gesetzliche Grundlage (Sozialgericht Aachen S 9 AS 22/05, Urteil vom 17.11.2005; Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 02.06.2005, S 1 AS 89/05). Die Einkommens- und Vermögensberücksichtigung nach § 9 Abs. 2 SGB II ist eine Regelung allein des öffentlichen Rechts, die nicht an bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflichten anknüpft (Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, Rdnr. 27 zu § 9). Die Übernahme von Verpflichtungen des Anspruchstellers gegenüber Dritten ist im Leistungsrecht des SGB II und SGB XII nur in besonders geregelten Ausnahmefällen vorgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved