L 12 AL 10/04-14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AL 4398/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 10/04-14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 1.074,56 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Haftung des Klägers für Winterbau-Umlage.

Am 26. Juni 1995 gründete D W durch notarielle Urkunde die Firma W GmbH, deren Gegens-tand die Durchführung sämtlicher Hoch- und Tiefbauarbeiten sowie die Vermittlung derartiger Aufträge an Dritte sein sollte. Nach der Gründungsurkunde sollte er sämtliche 50 Einlagen zu je 1.000,-DM übernehmen, als Geschäftsführer wurde R W bestellt. Noch am selben Tag schloss D W mit H Z, dem Kläger und R W einen notariellen "Treuhandvertrag", der ihn als Treuhänder und die anderen drei als Treugeber bezeichnete. D W, der die Gesellschaftsteile treuhänderisch für die drei Treugeber halten sollte, übertrug in dem Vertrag die Gesellschafts-anteile an die drei Treugeber, und zwar in Höhe von jeweils 17.000,- DM an den Kläger und H Z sowie in Höhe von 16.000,- DM an R W. Die drei Treugeber sollten dem Treuhänder die Stammeinlage erstatten bzw. zur Verfügung stellen. Am 30. Juni 1995 meldete der Geschäfts-führer R W die Gesellschaft beim Amtsgericht Charlottenburg zur Eintragung ins Handelsre-gister an und versicherte, dass die 50.000.- DM Stammkapital eingezahlt und nicht durch Schulden belastet seien.

Am 8. August 1995 zeigte R W als Geschäftsführer beim Amt Hoppegarten die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit (Handel mit Baustoffen, Vertrieb von Fertigteilhäusern, Vermitt-lung von Bauleistungen und Baustoffen) durch die W GmbH i.G. mit einem Betriebssitz in W zum 1. August 1995 an. Von November 1995 an wurden Arbeitnehmer beschäftigt, darunter auch D W (bis Mai 1996). Das Gewerbe wurde zum 15. Mai 1996 wieder abgemeldet, angeb-lich wegen Verlegung des Betriebs nach Berlin. In einem Verfahren wegen Konkursausfallgel-des gab der Geschäftsführer R W gegenüber der Beklagten an, dass die betriebliche Tätigkeit am 30. Juli 1996 geendet habe.

Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte durch Beschluss vom 6. März 1996 die Eintragung der W GmbH in das Handelsregister ab, nachdem es vergeblich durch Schreiben vom 13. Oktober 1995 einen Nachweis über die Zahlung der Einlagen und durch Schreiben vom 14. November 1995 eine aktuelle Gesellschafterliste verlangt hatte. Es wies in seinem Beschluss darauf hin, dass auch der für die Eintragung erforderliche Gerichtskostenvorschuss nicht eingezahlt wor-den sei. R W als Geschäftsführer der W GmbH i.G. legte nunmehr mit Schreiben vom 11. Au-gust 1996 das Treuhandverhältnis gegenüber dem Amtsgericht offen und erklärte, dass der Treuhänder D W dieses Verhältnis mit Schreiben vom 10. April 1996 gegenüber den Treuge-bern gekündigt habe. Weder der Kläger noch Herr Z hätten ihre Einlagen in Höhe von jeweils 17.000,- DM eingezahlt.

Die Beklagte hatte von der W GmbH i. Gr. durch Bescheide vom 28. Mai 1996 und 15. Juli 1996 Wintergeld-Umlage in Höhe von insgesamt 4.925,50 DM für die Zeit von November 1995 bis Mai 1996 verlangt. Die Umlagebeträge beruhten auf Schätzungen, da noch keine Meldungen eingereicht worden seien. Mit weiterem Bescheid vom 31. Dezember 1996 wurde ein Säumniszuschlag festgesetzt, eine Umlage für Juni 1995 berechnet und insgesamt 5.310,50 DM als Sollstellung ausgewiesen. Zusätzliche Säumniszuschläge in Höhe von jeweils 294,- DM setzte die Beklagte gegen die GmbH i.Gr. durch Bescheide vom 23. September 1997 und 6. Mai 1998 fest. Vollstreckungsversuche gegen die W GmbH i.Gr. blieben erfolglos.

Durch Bescheid vom 13. Mai 1998 verlangte die Beklagte von D W 6.392,50 DM für Winter-bau-Umlage. Er werde als Gesellschafter der nicht zur Eintragung in das Handelsregister ge-kommenen W GmbH i.Gr. in Anspruch genommen. D W erhob Widerspruch und machte gel-tend, dass er das Treuhandverhältnis im April 1996 gekündigt und offen gelegt habe. Die Be-klagte half dem Widerspruch durch Bescheid vom 28. Januar 1999 ab. D W habe seine Gesell-schaftsanteile durch notariellen Vertrag vom 26. Juni 1995 an den Kläger, H Z und R W über-tragen.

Durch Bescheid vom 20. April 1999 verlangte die Beklagte nunmehr vom Kläger (ebenso wie von H Z und R W) die Zahlung von 6.392,50 DM. Er werde als ehemaliger Inhaber in Höhe der Gesamtschuld für Umlagebeträge in Anspruch genommen, die von der Firma W GmbH i. Gr. nicht abgeführt worden seien. 5.902,50 DM seien bereits festgesetzt, hinzu komme eine Pauschale für Mehraufwendungen in Höhe von 490,- DM. Ein Widerspruch sei nur hinsichtlich der Pauschale zulässig, nicht aber bezüglich der anderen Teilforderungen, da insoweit bereits bestandskräftige Leistungsbescheide vorliegen würden. Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, dass er keine früheren Leistungsbescheide oder Schreiben erhalten habe. Er sei zu keiner Zeit Geschäftsführer der W GmbH gewesen und habe den Treuhandvertrag am 17. April 1996 gekündigt, da die zur Gründung notwendigen Handlungen nicht durchgeführt worden seien. Einen Rechtsschein nach außen hätten nur R W und dessen Sohn D W gesetzt. Die Be-klagte reduzierte die Forderung durch Bescheid vom 23. November 2001 auf 2.101,65 DM, nachdem ihr der ehemalige Geschäftsführer R W eine Prüfung der Lohnunterlagen ermöglicht hatte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002). Der Kläger sei durch Übernahme von Anteilen Gesellschafter einer nicht zur Entste-hung gelangten GmbH geworden. Für deren Schulden hafte er entsprechend den §§ 705 BGB ff gesamtschuldnerisch und in unbegrenzter Höhe. Die Kündigung des Treuhandvertrages än-dere nichts an der Gesellschafterstellung. Der Höhe nach ergebe sich der Betrag aus der im November 1999 erfolgten Prüfung der Lohnlisten.

Mit der am 27. September 2002 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass an sei-ner Stelle die Vorgesellschaft und der jeweils für sie Handelnde haften müsse. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 25. November 2003 die angefochtenen Bescheide (Bescheid vom 10. April 1999 in der Gestalt des Bescheides vom 23. November 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002) aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls im Außenverhältnis nicht Schuldner der Umlageforderungen gegen die W GmbH i.Gr. sei. Nach der Rechtsprechung des BGH (Hinweis auf BGHZ 134, 133), der sich die Kammer anschließe, sei die Verlustdeckungshaftung einer Vorgesellschaft als reine Innenhaftung ausgestaltet. Eine unmittelbare persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter komme nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, beispielsweise bei Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH, in Betracht, die hier aber nicht vorlägen. Deswegen könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger als verdeckter Treu-geber überhaupt wie ein Gesellschafter hafte.

Gegen das ihr am 19. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 18. Februar 2004. Sie macht geltend, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Vermö-genslosigkeit der Vorgesellschaft, von der im Übrigen hier auszugehen sei, nicht der einzig mögliche Grund eines Haftungsdurchgriffs sei. Eine unmittelbare Außenhaftung trete auch dann ein, wenn die Geschäftstätigkeit nicht sofort eingestellt werde, nachdem der Antrag auf Eintragung in das Handelsregister zurückgewiesen worden sei (Hinweis auf BGH, Urteil vom 4. November 2002, NJW 2003, 429). Die W GmbH i.Gr. habe ihre Geschäftstätigkeit bis Au-gust 1996 fortgeführt, ohne dass der Versuch unternommen worden sei, Eintragungshindernis-se zu beseitigen, welche bereits in dem Schreiben des Amtsgerichts vom 13. Oktober 1995 aufgeführt worden seien. Auf das Wissen des Klägers von der Aufnahme der Geschäftstätigkeit komme es nicht an, weil schon das Einverständnis mit dem Eingehen von Verbindlichkeiten durch den Geschäftsführer ausreiche. Der Kläger habe von dem Beginn und dem Gegenstand des Unternehmens Kenntnis gehabt. Der Treuhänder sei zu eigenmächtigen Handlungen nicht berechtigt gewesen. Die Forderung sei dem Kläger jedenfalls durch den inhaltlich hinreichend bestimmten Bescheid vom 20. April 1999 bekannt gegeben worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 25. November 2003 aufzuheben und die Klage abzu-weisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die von der Beklagten nunmehr in Bezug genommene Rechtsprechung des BGH betreffe ihn nicht, weil er nur Treugeber und nicht Gesellschafter gewesen sei. Nach Kenntniserlangung vom Scheitern der Eintragung habe er unverzüglich reagiert und am 17. April 1996 die ihm gebliebene Möglichkeit der Kündigung des Treuhandverhältnisses genutzt. Eine Unterbrechung der Verjährung durch den Bescheid vom 20. April 1999 erscheine fraglich, weil die Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid falsch erteilt und die geltend gemachte Forderung dem Kläger nicht bekannt gewesen sei. Der Zugang anderer Bescheide sei nicht nachgewiesen.

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwal-tungsakten der Beklagten (betreffend Winterbau-Umlage und Konkursausfallgeld) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die mit der Klage angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Bescheide sind nicht rechtswidrig, weil die Beklagte mit Recht von dem Kläger Zahlung verlangt.

Die Leistungsbescheide verstoßen nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit gegen § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 8. Dezember 1999 – B 12 KR 18/99 R = BSGE 85, 200 ) dürfen Haftungsbescheide auf eine anderweitig erfolgte Festsetzung der geschuldeten Beträge Bezug nehmen und müssen nur re-geln, warum gerade der Adressat des Haftungsbescheides in Anspruch genommen wird. Diesen Anforderungen genügt bereits der Bescheid vom 20. April 1999. Ihm ist zu entnehmen, dass Verbindlichkeiten der W GmbH i.Gr. geltend gemacht werden, die bereits festgesetzt worden sind und für die der Kläger als ehemaliger Inhaber haften soll. Eine fehlerhafte Rechtsbehelfs-belehrung führt nach § 66 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu einer Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist, hat aber keine sonstigen Folgen (von Wulffen/Engelmann, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 36 Rdnr. 15). Deswegen kann der Kläger nichts daraus herleiten, dass sich der Hinweis auf die Möglichkeit eines Widerspruchs in dem Bescheid vom 20. April 1999 auf die Pauscha-le beschränkt.

Abgesehen davon, dass die Bescheide vom 28. Mai 1996 und 15. Juli 1996 mit ihren die Zah-lungspflicht der W GmbH beinhaltenden Regelungen bestandskräftig geworden sind, geht die Beklagte auch zutreffend davon aus, dass für die Zeit von November 1995 bis Mai 1996 An-sprüche gegen die W GmbH i.Gr. wegen Winterbau-Umlage in Höhe von 2.101,65 DM ent-standen sind. Die Umlage für das Wintergeld war im Zeitraum von November 1995 bis Mai 1996 noch in § 186a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 1 der Wintergeld-Umlageverordnung (vom 13. Juli 1972) geregelt. Voraussetzung für die Zahlungspflicht ist nach § 1 der Wintergeld-Umlageverordnung, dass es sich bei der W GmbH i.Gr. um einen Be-trieb handelte, in dem die ganzjährige Beschäftigung durch die Erbringung von Wintergeld zu fördern war. Das sind nach § 76 Abs. 2 AFG iVm § 1 der Baubetriebe-Verordnung (vom 28. Oktober 1980) die Betriebe, die überwiegend Bauleistungen erbringen. Auf der Grundlage des Prüfprotokolls vom 2. November 1999 ist der Senat davon überzeugt, dass die W GmbH i.Gr. überwiegend bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 33 der Baubetriebe-Verordnung (Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten), nämlich Spachtelarbeiten im Trockenbau erbracht hat. Da-nach entstand kraft Gesetzes (§ 186a AFG iVm § 1 Wintergeld-Umlageverordnung) die Ver-pflichtung zur Zahlung von Winterbau-Umlage in Höhe von 2 Prozent der Bruttoarbeitsentgel-te in der Zeit bis 31. Dezember 1995 und 1,7 Prozent bis 31. Mai 1996. Ausgehend von den im Rahmen der Prüfung festgestellten Bruttoentgelten für die von November 1995 bis Mai 1996 bei der W GmbH i.Gr. beschäftigten Arbeiter (14.640,- DM im November 1995, 22.642,53 DM im Dezember 1995, 25.676,71 DM im Januar 1996, 19.128,- DM im Februar 1996, 4.000,- DM im April 1996 und 2.116,68 DM im Mai 1996) ergibt sich daraus für die Zeit von Novem-ber 1995 bis Mai 1996 ein Betrag von 1.611,31 DM. Gemäß § 6 der Wintergeld-Umlageverordnung ist eine Pauschale für Mehraufwendungen in Höhe von 10% auf die Umla-gebeträge zu erheben, da die Umlagen von der W GmbH i.Gr. nicht über eine gemeinsame Einrichtung (§ 186a Abs. 2 AFG iVm § 2 Wintergeld-Umlageverordnung) abgeführt worden sind. Zu den 1.611,31 DM Umlageforderung sind deswegen 161,14 DM zu addieren. Säumnis-zuschläge sind entsprechend § 3 Abs. 2 der Wintergeld-Umlageverordnung iVm § 179 Satz 1 AFG, § 24 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch (SGB IV) zu entrichten, sie betragen 1 Prozent des rückständigen (auf hundert DM abgerundeten) Betrags je angefangenem Monat der Säum-nis. Fällig waren die Umlagebeiträge nach § 3 der Wintergeld-Umlageverordnung jeweils am 15. des Monats, der auf den Monat folgte, für den Lohn zu zahlen war. Die Beklagte hat Säumniszuschläge von 320,- DM für den nicht gezahlten Umlagebetrag von 1.611,31 DM be-rechnet, was den Kläger jedenfalls nicht benachteiligt. Seit dem 16. Juni 1995 waren für den bis dahin fällig gewordenen Gesamtumlagebetrag von 1.611,31 DM, der auf 1.600,- DM abzu-runden ist, monatlich ein Prozent als Säumniszuschlag zu entrichten, und die W GmbH i.Gr ist (mehr als) 20 Monate säumig gewesen. Rechtsgrundlage der Berechnung von Gebühren für die mit Bescheiden vom 28. Mai 1996 und 15. Juli 1996 erfolgten Mahnungen ist § 19 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, der über § 66 Abs. 1 SGB X Anwendung findet. Danach ist für jede Mahnung eine Gebühr in Höhe von einem Prozent von dem Betrag bis zu 100,- DM und von 0,5 Prozent für den darüber hinausgehenden Betrag anzusetzen und auf volle 10 Pfen-nig aufzurunden. Die Mahnung vom 28. Mai 1996 bezieht sich auf den Zeitraum von Novem-ber 1995 bis Januar 1996, die vom 15. Juli 1996 auf den von Februar 1996 bis Juni 1996. Für den ersten Zeitraum werden 1.182,15 DM berechnet, für den zweiten 492,16. Dem entsprechen Mahngebühren von 6,50 DM und 2,70 DM. Die gegen die W GmbH i.Gr. erhobene Forderung ist danach nach Grund oder Höhe nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Recht eine Haftung des Klägers für die Schulden der W GmbH i.Gr. angenommen. Die W ist als GmbH gegründet worden und hat ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen, ohne dass es zu ihrer Eintragung in das Handelsregister gekommen ist. Zwar beschränkt die höchstrichterliche Rechtsprechung – wie das Sozialgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat - die Haftung der Gesellschafter für die Schulden einer GmbH in Gründung durch Anwendung des Gesellschaftsrechts auch schon für Zeiträume vor der Eintragung (BGH v. 27. Januar 1997 – II ZR 123/94 = BGHZ 134, 133; BSG Urt. v. 8. Dezember 1999 – B 12 KR 10/98 R = BSGE 85, 192-; BFH v. 7. April 1998 – VII R 82/97 = BFHE 185, 356- ; BAG Urt. v. 15. Dezember 1999, - 10 AZR 165/98 = BAGE 93, 151- ). Dies gilt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. Die Beschränkung der Haftung auf das Innen-verhältnis der Gesellschafter mit der GmbH i.Gr. setzt voraus, dass die GmbH i.Gr. noch be-steht und ihre Eintragung weiter betrieben wird, oder dass sie zwar insolvent, aber nicht masse-los geworden ist. Sind diese Voraussetzungen nicht (mehr) gegeben, haften die Gesellschafter unmittelbar nach außen, aber beschränkt nach dem Verhältnis ihrer Anteile. In subjektiver Hin-sicht reicht dafür aus, dass ein Gesellschafter die Aufnahme der Geschäfte nicht verhindert hat (BSG Urt. v. 8. Dezember 1999, B 12 KR 10/98 R = BSGE 85, 192).

Weitergehend haften die Gesellschafter, die einverständlich den Geschäftsbetrieb aufgenom-men haben, ohne den Schutz des Gesellschaftsrechts entsprechend den §§ 718, 427, 431 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. bei vollkaufmännischen Umfang nach den §§ 123 Abs. 2, 128 des Handelsgesetzbuchs persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch, wenn sie von vornherein nicht die Absicht hatten, eine Eintragung herbeizuführen oder den Eintra-gungsantrag nicht ernsthaft weiter betrieben haben, indem bestehende Eintragungshindernisse nicht beseitigt oder Eintragungsunterlagen nicht unverzüglich beschafft wurden (sog. unechte Vor-GmbH). Dies gilt auch für auf Gesetz beruhende Verpflichtungen (BFH, Urt. v. 7. April 1998 VII R 82/97 = BFHE 185, 356 m.weit.Nachw. ).

Die W GmbH i.Gr. ist unechte Vor-GmbH in diesem Sinne gewesen. Die Eintragung der Ge-sellschaft in das Handelsregister ist von Anfang an nicht mit dem gehörigen Nachdruck betrie-ben worden, was sich bereits daraus ergibt, dass die 500,- DM Gerichtskostenvorschuss trotz Anforderung (§ 8 Kostenordnung) nie eingezahlt worden sind. Weiter ist auf die entsprechen-den Anfragen des Registergerichts hin weder die Zahlung der Einlagen nachgewiesen noch eine aktualisierte Gesellschafterliste vorgelegt worden. Gleichwohl hat die W GmbH i.Gr. ih-ren Geschäftsbetrieb aufgenommen, was sich an der Einstellung von Arbeitnehmern zeigt. Es besteht daher keine Veranlassung, den Gesellschaftern den Schutz des Gesellschaftsrechts zu gewähren. Für die Schulden der GmbH i.Gr. haften die Gesellschafter demnach bei Kenntnis von der Geschäftsaufnahme persönlich, unmittelbar und gesamtschuldnerisch.

Der Kläger ist durch den mit D W geschlossenen Vertrag (Mit-)Gesellschafter der W GmbH i.Gr. geworden, und nicht nur wie er meint – Treugeber. Zwar können vor Eintragung einer GmbH in das Handelsregister ihre Gesellschaftsanteile nicht durch Abtretung übertragen wer-den, ist für einen Wechsel der Gesellschafter vielmehr eine Änderung des Gesellschaftsvertra-ges erforderlich (BGH, Urt. v. 16. Februar 1959 – II ZR 170/57 = BGHZ 29, 300 ; Urt. v. 27. Januar 1997 – II ZR 123/94 = BGHZ 134, 133 ). An dem Vorliegen einer solchen Änderung besteht hier aber kein Zweifel. Dem zwischen dem Kläger, H Z und R W auf der einen und D W auf der anderen Seite geschlossenen sogenannten "Treuhandvertrag" ist zu entnehmen, dass die Gesellschaftsanteile von D W auf den Kläger, H Z und R W übergehen sollten. Der Vertrag erfüllt auch die formellen Voraussetzungen für eine Änderung des Vertrages der ursprünglich allein von D W errichteten Gesellschaft.

Der Treuhandvertrag begnügt sich nicht mit der Vereinbarung, dass der Kläger im Innenver-hältnis zu D W wirtschaftlicher Inhaber eines Gesellschaftsanteils werden sollte (§ 1 des Ver-trages), sondern überträgt (§ 4 des Vertrages) die Geschäftsanteile von D W an den Kläger (und H Z sowie R W). Das ist gleichbedeutend mit einer Auswechselung des bisherigen Ge-sellschafters. Der rechtliche Erfolg, den die Beteiligten mit dem Vertrag gewollt haben, ist folglich die Änderung der Gesellschafterstellung gewesen, auch wenn er nur über den Weg einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zu erreichen war. Der Vertrag verließ damit zwar den üblichen Regelungsbereich eines Treuhandvertrages. Denn es wurden nicht (nur) schuld-rechtliche Rechtsbeziehungen zwischen Treuhänder und Treugeber begründet, die einen Aus-gleich dafür bewirken sollen, dass dem Treuhänder sachenrechtlich ein Überschuss an Rechts-macht eingeräumt worden ist. Die Rechtsstellung von D W als Gesellschafter wurde vielmehr auch formal beendet. Seine Stellung als "Treuhänder" sollte sich offenbar darin erschöpfen, dass er nach außen hin als Gesellschafter auftrat, obwohl er es nicht (mehr) war. Das ändert indessen nichts an der ausdrücklich vereinbarten Übertragung der Gesellschaftsanteile, deren Wirksamkeit durch andere Bestimmungen des Vertrages nicht berührt wird, selbst wenn diese unwirksam sein sollten (§ 7 Abs. 2 des Treuhandvertrages). Da der bisherige alleinige Gesell-schafter der W GmbH i.Gr. zusammen mit den neuen Gesellschaftern dem Vertrag zugestimmt hat und eine notarielle Beurkundung erfolgt ist, besteht auch kein Zweifel an der Formwirk-samkeit der Änderung des Gesellschaftsvertrages (vgl. § 8 des ursprünglichen Gesellschafts-vertrages, § 2 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes). Die falsche Bezeichnung als "Treuhandvertrag" ist ohne Belang.

Die Gesellschafterhaftung für die Schulden der W GmbH i.Gr. konnte der Kläger nicht da-durch abwenden, dass er das Treuhandverhältnis kündigte. Die Kündigung, deren mögliche Wirkung sich ohnehin auf die Zukunft beschränkt, beendete nicht seine Gesellschafterstellung. Auf eine sofortige Einstellung der Geschäfte nach Ablehnung der Eintragung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 4. November 2002 – II ZR 204/00 = NJW 2003, S. 430 ) kommt es hier deswegen nicht an, weil die Eintragung schon vorher nicht mit der erforderlichen Sorgfalt betrieben wor-den ist. Die Gesellschafter der W GmbH i.Gr. waren von Anfang an nicht durch Anwendung der für eine eingetragene Gesellschaft geltenden Haftungsbeschränkungen zu privilegieren, deswegen steht nicht in Frage, ob eine solche Privilegierung auch für Zeiten nach Ablehnung der Eintragung erhalten geblieben ist. Auch ist nicht erheblich, ob der Kläger selbst davon wusste, dass R W als Geschäftsführer Arbeitnehmer einstellte und die Geschäfte der GmbH aufnahm. Abgesehen davon, dass die genaue Kenntnis der einzelnen Geschäfte ohnehin nicht erforderlich ist (BGH, Urt. v. 4. November 2002 – II ZR 204/00 = NJW 2003, S. 430 ), hat der Kläger D W die Verwaltung seines Gesellschaftsanteils anvertraut (§ 1 Abs. 4 des Treuhand-vertrages). Dessen Kenntnisse muss er sich entsprechend § 166 Abs. 1 BGB daher zurechnen lassen. D W kann die Aufnahme der Geschäftstätigkeit aber bereits deswegen nicht verborgen geblieben sein, weil er nach seinen Angaben bis Mai 1996 bei der W GmbH i.Gr. beschäftigt war.

Schließlich war die Forderung bei Erlass des Bescheides vom 28. April 1999 auch noch nicht verjährt. Gemäß §§ 179 AFG, 25 SGB IV, 3 Abs. 2 Wintergeld-Umlageverordnung tritt Ver-jährung vier Jahre nach Ablauf des Jahres ein, in dem die Umlagebeträge fällig geworden sind. Die für 1995 geschuldete Winterbau-Umlage wäre demnach erst mit Ablauf des Jahres 1999 verjährt gewesen. Der Bescheid vom 28. April 1999 hemmt aber nunmehr die Verjährung (§ 52 Abs. 1 SGB X).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichts-ordnung, da der Kläger nicht als Versicherter oder sonstiger Leistungsempfänger an dem Ver-fahren beteiligt war.

Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Der Streitwert wird auf 1.074,56 Euro festgesetzt (entsprechend 2.101,65 DM).
Rechtskraft
Aus
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