L 8 AL 2740/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 787/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2740/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 18.05.2001 bis zum 14.02.2002.

Der am 1960 geborene Kläger bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs zum 17.05.2001 Arbeitslosengeld. Mit einem am 25.04.2001 beim Arbeitsamt Heidelberg eingegangenen Schreiben vom 23.04.2001 beantragte er, ihm "ein angemessenes Auskommen zu sichern in Höhe der BAT-Zahlungen oder eine Arbeitsstelle zu vermitteln". Einen Erhalt von Arbeitslosenhilfe erwarte er nicht, da er 1996 bei seiner Entlassung von der staatlichen Telekom AG ein "Schmerzensgeld" in Höhe von 36.000,- DM erhalten habe. Am 08.10.2001 ging ein weiteres Schreiben des Klägers beim Arbeitsamt Heidelberg ein. Darin führte er aus, er verfüge über keine Einnahmen und beantrage hiermit Alhi. Die Sperrzeiten für seinen geringen Wohlstand seien abgelaufen. Im Dezember 2001 meldete er sich dann persönlich beim Arbeitsamt und gab an, über Anteile an einem geschlossenen Immobilienfond mit einem Kurswert von 44 000,- DM sowie über Aktien im Wert von 17 130,26 DM (Stand 18.05.2001) zu verfügen. Mit Bescheid vom 07.12.2001 und Widerspruchsbescheid vom 04.02.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 18.05.2001 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger verfüge über ein Vermögen in Höhe von 61 130,26 DM, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 8 000, DM verblieben 53 130,26 DM. Dieser Betrag sei bei der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1 340,-DM) ergebe sich, dass er für einen Zeitraum von 39 Wochen (d.h. bis zum 14.04.2002) nicht bedürftig sei. Klage gegen diese Bescheide wurde nicht erhoben. Ab 15.02.2002 bezog der Kläger wieder Alhi.

Den streitgegenständlichen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 07.12.2001 stellte der Kläger am 28.12.2004. Er machte geltend, bei der Bedürftigkeitsprüfung sei sein Bankdepot und eine Immobilienbeteiligung als zu verwertendes Kapital angerechnet worden. Er habe das Depot aufgelöst und die Immobilienbeteiligung abgetreten. Dies sei auf Druck der Beklagten geschehen und stelle eine Enteignung dar. Inzwischen habe er eine Patentanmeldung getätigt und benötige nun Geld. Die Ermittlung des Wertes seines Vermögens habe auf einer Selbstauskunft beruht. Damit sei er gegenüber Personen, die diese Angaben verschweigen, benachteiligt. Er verlange nun, dass seine damaligen Angaben für Bedürftigkeitsprüfung nicht angerechnet werden dürften und fordere das Kapital in Höhe von 27 000,- EUR zurück. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.01.2005 und Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005 ab mit der Begründung, im Bescheid vom 07.12.2001 sei weder das Recht unrichtig angewandt worden noch sei die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

Am 17.03.2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtbescheid vom 01.06.2005, dem Kläger zugestellt am 04.06.2005, abgewiesen.

Mit einem am 28.06.2005 beim SG eingegangenen Schreiben hat der Kläger Berufung eingelegt. Er fordere weiterhin die Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2001 und die Rückzahlung von 27 000,- EUR mit Zinsen. Die Zahlung von Alhi sei ihm aufgrund der §§ 190 und 193 SGB III verweigert worden, diese Vorschriften seien seit dem 01.01.2005 aufgehoben. Die aufhebende Wirkung sei auf seine Bedürftigkeitsprüfung auszudehnen. Auch fordere er einen finanziellen Ausgleich.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juni 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Dezember 2001 Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 18. Mai 2001 bis zum 14. Februar 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG und die Beklagte haben einen Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2001 zu Recht abgelehnt.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Ergibt sich allerdings im Rahmen eines Antrages gemäß § 44 SGB X nichts, was für die Unrichtigkeit der vorherigen Entscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen und Erkenntnisse vorgetragen oder neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung berufen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 33). Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht.

Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2001 liegen nicht vor. Der Kläger hat schon keine neuen Tatsachen und Erkenntnisse vorgetragen, sodass sich die Beklagte zu Recht auf die Bindungswirkung des bestandskräftig gewordenen Bescheides berufen hat. Unabhängig davon ist der Bescheid vom 07.12.2001 rechtmäßig. Maßgeblich ist dabei die zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung maßgebliche Rechtslage. Die Aufhebung der §§ 190 bis 206 SGB III ab 01.01.2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) kann nicht - wie dies der Kläger verlangt - auf die im Jahr 2001 durchgeführte Bedürftigkeitsprüfung "ausgedehnt" werden.

Entscheidend bleibt deshalb weiterhin, ob der Kläger in der Zeit vom 18.05.2001 bis zum 14.02.2002 bedürftig iSd § 193 SGB III in der damals geltenden Fassung war. Dies ist zu verneinen. Bei der Berücksichtigung des Vermögens ist nach § 8 Satz 1 AlhiV vom 07.08.1974 idF des Art 38 des Gesetzes vom 21.12.2000 - BGBl I S. 1983 - AlhiV 1974 - der Verkehrswert ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Alhi gestellt wird (§ 8 Satz 2 AlhiV 1974. Nach § 9 AlhiV 1974 besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet. Die Bedeutung des § 9 AlhiV 1974 liegt insbesondere darin, dass im Gegensatz zu der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen AlhiV 2002 nach Ablauf des nach § 9 AlhiV 1974 berechneten Zeitraums das vorhandene Vermögen unabhängig davon als verbraucht gilt, ob es später noch ganz oder teilweise vorhanden ist ( BSGE 88, 252 ff = SozR 3-4300 § 193 Nr. 2) und der Anfall des Vermögens als solcher bereits unabhängig davon, ob es erst später "versilbert" wird, die Bedürftigkeit entfallen lässt, wenn Verwertbarkeit vorliegt und die Verwertung zumutbar ist (BSG SozR 4100 § 138 Nr. 25 S 139).

Allein mit dem Wert seiner Anteile an einem Immobilienfond, der noch im Dezember 2001 nach den eigenen Angaben des Klägers 44 000,- DM betrug, und einem Depot über Aktien im Wert von 17 130,26 DM (Stand 18.05.2001) war eine Bedürftigkeit des Klägers für den von der Beklagten errechneten Zeitraum zu verneinen. Ihm stand nur ein Freibetrag in Höhe von 8 000,- DM zu (§ 1 Abs. 1 AlhiV 1974). Die Pflicht zum Einsatz des eigenen Vermögens stellt auch keinen Verstoß gegen Grundrechte des Klägers dar. Dies hat das SG zutreffend dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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