Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 1638/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2938/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten der Unterkunft; Angemessenheit
Eine Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII setzt voraus, dass hierdurch die Wohnung nicht nur vorübergehend erhalten werden kann. Daran fehlt es, wenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen sind.
Die angemessenen Unterkunftskosten bestimmen sich im Rahmen des § 29 Abs. 1 SGB XII wie bei der Anwendung von § 22 SGB II nach dem jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt. Ausgangspunkt sind die abstrakt zu ermittelnde, personenzahlabhängige Wohnungsgröße und der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietzins pro Quadratmeter.
Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche kann an den Verwaltungsvorschriften zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau orientiert werden. Danach beträgt die angemessene Wohnfläche für eine Einzelperson in Baden-Württemberg derzeit 45 m².
Eine Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII setzt voraus, dass hierdurch die Wohnung nicht nur vorübergehend erhalten werden kann. Daran fehlt es, wenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen sind.
Die angemessenen Unterkunftskosten bestimmen sich im Rahmen des § 29 Abs. 1 SGB XII wie bei der Anwendung von § 22 SGB II nach dem jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt. Ausgangspunkt sind die abstrakt zu ermittelnde, personenzahlabhängige Wohnungsgröße und der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietzins pro Quadratmeter.
Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche kann an den Verwaltungsvorschriften zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau orientiert werden. Danach beträgt die angemessene Wohnfläche für eine Einzelperson in Baden-Württemberg derzeit 45 m².
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme von Mietrückständen im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn es fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung im Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwärtigen Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr für die Rechtsposition muss objektiv bestehen, subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Antragstellers genügen grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 - (Juris) m.w.N.). Nach telefonischer Mitteilung von Rechtsanwalt B. , F. , der die Antragstellerin in dem Kündigungs- und Räumungsrechtsstreit vor dem Amtsgericht Freiburg (AG) (3 C 148/06) vertritt, wurde zwischen den Vertragsparteien am 26. Juli 2006 ein gerichtlicher Vergleich des Inhalts geschlossen, dass die von der Vermieterin ausgesprochenen Kündigungen gegenstandslos sind und die Antragstellerin die Mietrückstände, die einschließlich einer Rest-Mietkaution auf insgesamt 850,- Euro festgelegt wurden, in monatlichen Raten von 50,- Euro, beginnend ab dem August 2006, abbezahlen kann. Aufgrund dieses Vergleichs ist das Verfahren vor dem AG beendet und die Antragstellerin kann in ihrer Wohnung bleiben; eine Zwangsräumung bzw. eine Wohnungslosigkeit droht ihr nicht mehr. Damit ist aber eine vorläufige Regelung zur Sicherung der Unterkunft derzeit nicht geboten, zumal der Antragstellerin eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich ca. 780,- Euro zur Verfügung steht, mit welcher sie unter normalen Umständen ihren Lebensunterhalt, einschließlich der Sicherung einer (angemessenen) Unterkunft, bestreiten kann. Dass mit diesem Einkommen kein Auskommen möglich wäre, ist von der Antragstellerin weder glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich. Somit kommt es auf die weiteren Voraussetzungen der begehrten einstweiligen Anordnung, also auch auf das Vorliegen des vom SG eingehend geprüften Anordnungsanspruchs nicht an. Allerdings sieht sich der Senat anlässlich des vorliegenden Verfahrens veranlasst, auf die gesetzliche Konzeption des § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) hinzuweisen. Nach dessen Satz 1 können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach Satz 3 können Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Mit diesem Wortlaut stellt der Gesetzgeber sowohl bei dem Ermessenstatbestand des Satz 1 als auch bei der Soll-Vorschrift des Satz 2 die Schuldübernahme unter das Primat, dass diese zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage "gerechtfertigt" sein muss. Bei dieser Formulierung handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal der Norm (vgl. entsprechend zur Vorgängervorschrift des § 15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), OVG Lüneburg, FEVS 47, 360). An einer Rechtfertigung der Schuldübernahme in diesem Sinne kann es aber unter Anderem dann fehlen, wenn Mietschulden dadurch entstanden sind - und möglicherweise nachhaltig wieder zu entstehen drohen -, dass der Leistungsberechtigte trotz Belehrung durch den Träger in einer unangemessen teuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten nicht aufgebracht hat (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. März 1999 - 4 M 756/99 - (juris); vgl. auch Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 34 Randnr. 7). Insoweit kann die aus § 34 SGB XII folgende Einstandspflicht des Trägers der Sozialhilfe, die ausnahmsweise auch Schulden des Leistungsberechtigten aus der Vergangenheit umfasst, jedenfalls nicht dauerhaft über die aus §§ 27, 29 SGB XII folgende Verpflichtung, die angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft fortlaufend zu übernehmen, hinausgehen. Denn ungeachtet seines Charakters als Notmaßnahme erweitert § 34 SGB XII im Grundsatz lediglich den zeitlichen Rahmen, nicht aber den inhaltlichen Umfang der Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers. Ein Anspruch auf Schuldenübernahme besteht daher grundsätzlich nur dann, wenn mit der Leistung die Unterkunft auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, erhalten werden kann, woran es beispielsweise fehlt, wenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen hoch sind.
Was unter angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu verstehen ist, wird indessen in §§ 27, 29 SGB XII nicht definiert. Die zum Bundessozialhilferecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit als maßgeblich angesehen, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwGE 97, 110, 112; 101, 194, 197 f.). Erscheinen dem Träger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, darf er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Besteht eine derartige Unterkunftsalternative nicht, ist also die vom Hilfebedürftigen bewohnte Unterkunft die in dem maßgeblichen räumlichen Umkreis und Bedarfszeitraum einzig verfügbare, sind die Aufwendungen für diese Wohnung angemessen und deshalb vom Leistungsträger (zunächst) zu übernehmen (BVerwG, NVwZ 2005, 1197).
Die sozialgerichtliche Judikatur hat sich diese Rechtsprechung bereits für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu eigen gemacht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Beschluss vom 27. März 2006 - L 8 AS 626/06 ER-B - (juris) m.w.N.). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die genannten Grundsätze entsprechend auf die Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. §§ 27, 29 SGB XII übertragungsfähig. Dies gilt auch für die Frage, in welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem für die Prüfung maßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind. Die Angemessenheit in diesem Sinne bemisst sich anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen (vgl. BVerwG, NJW 2005, 310). Für die Berechnung der angemessenen Höhe der Unterkunftskosten ist dabei nicht isoliert von Größe und Mietzins je Quadratmeter der konkret bewohnten Unterkunft auszugehen. Ausgangspunkt für die angemessene Höhe von Unterkunftskosten ist die - abstrakt zu ermittelnde - personenzahlabhängige Wohnungsgröße, so dass sich die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter bestimmt (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 15/04-).
Hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Wohnfläche orientiert sich die zum SGB II ergangene sozialgerichtliche Judikatur - in Anlehnung an die frühere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 97, 110,112; vgl. auch VGH Kassel, FEVS 52, 468) - bereits an den Verwaltungsvorschriften zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau (vgl. LSG, a.a.O.; dazu auch Berlit, NDV 2006, S. 5 ff.). Im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung gleich gelagerter Sachverhalte sieht der erkennende Senat diese Verwaltungsvorschriften, die hinsichtlich der zuzubilligenden Wohnfläche und anzuerkennenden Raumzahl nach der Zahl der zum Familienhaushalt rechnenden Personen differenzieren, auch im Rahmen der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten im Bereich des Sozialhilferechts (vgl. §§ 27, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII) grundsätzlich als taugliche Orientierungshilfe an. Danach ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende grundsätzlich eine Wohnfläche von 45 qm als angemessen anzusehen (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo - vom 12. Februar 2002 (GABl S. 240) i.d.F. der VwV vom 22. Januar 2004 (GABl S. 248)).
Hiervon ausgehend übersteigen die tatsächlichen Unterkunftskosten der Antragstellerin die Schwelle der Angemessenheit deutlich und nachhaltig. Zwar liegt die Kaltmiete pro Quadratmeter nicht über dem vom Antragsgegner für den Bereich seiner örtlichen Zuständigkeit als angemessen angesehenen - und von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen - Betrag von 5,11 Euro. Die Größe der 3-Zimmer-Wohnung der Antragstellerin überschreitet aber mit 81 qm deutlich die für eine Einzelperson grundsätzlich angemessene Gesamtwohnfläche von bis zu 45 qm. Hieraus resultieren monatliche Unterkunftskosten von 374,- Euro (Kalt-) Miete - anstatt 229,95 Euro bei einer Wohnungsgröße von 45 qm - zuzüglich 15,34 Euro für die Miete eines KFZ-Stellplatzes sowie 76,- bis 78,- Euro monatlicher Mietnebenkosten. Mit diesen Kosten wird der Bereich der Angemessenheit - auch unter Zugrundelegung möglicher mit Blick auf die Schwerbehinderung der Antragstellerin sich ergebender Toleranzen - bei Weitem überschritten. Zu weiteren Ausführungen sieht der Senat angesichts des Umstandes, dass die Beschwerde nicht begründet wurde, keine Veranlassung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme von Mietrückständen im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn es fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung im Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwärtigen Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr für die Rechtsposition muss objektiv bestehen, subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Antragstellers genügen grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 - (Juris) m.w.N.). Nach telefonischer Mitteilung von Rechtsanwalt B. , F. , der die Antragstellerin in dem Kündigungs- und Räumungsrechtsstreit vor dem Amtsgericht Freiburg (AG) (3 C 148/06) vertritt, wurde zwischen den Vertragsparteien am 26. Juli 2006 ein gerichtlicher Vergleich des Inhalts geschlossen, dass die von der Vermieterin ausgesprochenen Kündigungen gegenstandslos sind und die Antragstellerin die Mietrückstände, die einschließlich einer Rest-Mietkaution auf insgesamt 850,- Euro festgelegt wurden, in monatlichen Raten von 50,- Euro, beginnend ab dem August 2006, abbezahlen kann. Aufgrund dieses Vergleichs ist das Verfahren vor dem AG beendet und die Antragstellerin kann in ihrer Wohnung bleiben; eine Zwangsräumung bzw. eine Wohnungslosigkeit droht ihr nicht mehr. Damit ist aber eine vorläufige Regelung zur Sicherung der Unterkunft derzeit nicht geboten, zumal der Antragstellerin eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich ca. 780,- Euro zur Verfügung steht, mit welcher sie unter normalen Umständen ihren Lebensunterhalt, einschließlich der Sicherung einer (angemessenen) Unterkunft, bestreiten kann. Dass mit diesem Einkommen kein Auskommen möglich wäre, ist von der Antragstellerin weder glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich. Somit kommt es auf die weiteren Voraussetzungen der begehrten einstweiligen Anordnung, also auch auf das Vorliegen des vom SG eingehend geprüften Anordnungsanspruchs nicht an. Allerdings sieht sich der Senat anlässlich des vorliegenden Verfahrens veranlasst, auf die gesetzliche Konzeption des § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) hinzuweisen. Nach dessen Satz 1 können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach Satz 3 können Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Mit diesem Wortlaut stellt der Gesetzgeber sowohl bei dem Ermessenstatbestand des Satz 1 als auch bei der Soll-Vorschrift des Satz 2 die Schuldübernahme unter das Primat, dass diese zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage "gerechtfertigt" sein muss. Bei dieser Formulierung handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal der Norm (vgl. entsprechend zur Vorgängervorschrift des § 15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), OVG Lüneburg, FEVS 47, 360). An einer Rechtfertigung der Schuldübernahme in diesem Sinne kann es aber unter Anderem dann fehlen, wenn Mietschulden dadurch entstanden sind - und möglicherweise nachhaltig wieder zu entstehen drohen -, dass der Leistungsberechtigte trotz Belehrung durch den Träger in einer unangemessen teuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten nicht aufgebracht hat (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. März 1999 - 4 M 756/99 - (juris); vgl. auch Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 34 Randnr. 7). Insoweit kann die aus § 34 SGB XII folgende Einstandspflicht des Trägers der Sozialhilfe, die ausnahmsweise auch Schulden des Leistungsberechtigten aus der Vergangenheit umfasst, jedenfalls nicht dauerhaft über die aus §§ 27, 29 SGB XII folgende Verpflichtung, die angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft fortlaufend zu übernehmen, hinausgehen. Denn ungeachtet seines Charakters als Notmaßnahme erweitert § 34 SGB XII im Grundsatz lediglich den zeitlichen Rahmen, nicht aber den inhaltlichen Umfang der Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers. Ein Anspruch auf Schuldenübernahme besteht daher grundsätzlich nur dann, wenn mit der Leistung die Unterkunft auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, erhalten werden kann, woran es beispielsweise fehlt, wenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen hoch sind.
Was unter angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu verstehen ist, wird indessen in §§ 27, 29 SGB XII nicht definiert. Die zum Bundessozialhilferecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit als maßgeblich angesehen, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwGE 97, 110, 112; 101, 194, 197 f.). Erscheinen dem Träger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, darf er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Besteht eine derartige Unterkunftsalternative nicht, ist also die vom Hilfebedürftigen bewohnte Unterkunft die in dem maßgeblichen räumlichen Umkreis und Bedarfszeitraum einzig verfügbare, sind die Aufwendungen für diese Wohnung angemessen und deshalb vom Leistungsträger (zunächst) zu übernehmen (BVerwG, NVwZ 2005, 1197).
Die sozialgerichtliche Judikatur hat sich diese Rechtsprechung bereits für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu eigen gemacht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Beschluss vom 27. März 2006 - L 8 AS 626/06 ER-B - (juris) m.w.N.). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die genannten Grundsätze entsprechend auf die Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. §§ 27, 29 SGB XII übertragungsfähig. Dies gilt auch für die Frage, in welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem für die Prüfung maßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind. Die Angemessenheit in diesem Sinne bemisst sich anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen (vgl. BVerwG, NJW 2005, 310). Für die Berechnung der angemessenen Höhe der Unterkunftskosten ist dabei nicht isoliert von Größe und Mietzins je Quadratmeter der konkret bewohnten Unterkunft auszugehen. Ausgangspunkt für die angemessene Höhe von Unterkunftskosten ist die - abstrakt zu ermittelnde - personenzahlabhängige Wohnungsgröße, so dass sich die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter bestimmt (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 15/04-).
Hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Wohnfläche orientiert sich die zum SGB II ergangene sozialgerichtliche Judikatur - in Anlehnung an die frühere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 97, 110,112; vgl. auch VGH Kassel, FEVS 52, 468) - bereits an den Verwaltungsvorschriften zur Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau (vgl. LSG, a.a.O.; dazu auch Berlit, NDV 2006, S. 5 ff.). Im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung gleich gelagerter Sachverhalte sieht der erkennende Senat diese Verwaltungsvorschriften, die hinsichtlich der zuzubilligenden Wohnfläche und anzuerkennenden Raumzahl nach der Zahl der zum Familienhaushalt rechnenden Personen differenzieren, auch im Rahmen der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten im Bereich des Sozialhilferechts (vgl. §§ 27, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII) grundsätzlich als taugliche Orientierungshilfe an. Danach ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende grundsätzlich eine Wohnfläche von 45 qm als angemessen anzusehen (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo - vom 12. Februar 2002 (GABl S. 240) i.d.F. der VwV vom 22. Januar 2004 (GABl S. 248)).
Hiervon ausgehend übersteigen die tatsächlichen Unterkunftskosten der Antragstellerin die Schwelle der Angemessenheit deutlich und nachhaltig. Zwar liegt die Kaltmiete pro Quadratmeter nicht über dem vom Antragsgegner für den Bereich seiner örtlichen Zuständigkeit als angemessen angesehenen - und von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen - Betrag von 5,11 Euro. Die Größe der 3-Zimmer-Wohnung der Antragstellerin überschreitet aber mit 81 qm deutlich die für eine Einzelperson grundsätzlich angemessene Gesamtwohnfläche von bis zu 45 qm. Hieraus resultieren monatliche Unterkunftskosten von 374,- Euro (Kalt-) Miete - anstatt 229,95 Euro bei einer Wohnungsgröße von 45 qm - zuzüglich 15,34 Euro für die Miete eines KFZ-Stellplatzes sowie 76,- bis 78,- Euro monatlicher Mietnebenkosten. Mit diesen Kosten wird der Bereich der Angemessenheit - auch unter Zugrundelegung möglicher mit Blick auf die Schwerbehinderung der Antragstellerin sich ergebender Toleranzen - bei Weitem überschritten. Zu weiteren Ausführungen sieht der Senat angesichts des Umstandes, dass die Beschwerde nicht begründet wurde, keine Veranlassung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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