Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 648/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 61/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit im Überprüfungsverfahren.
Der 1930 geborene Kläger befand sich von Februar 1945 bis Dezember 1949 in einem Internierungslager in der damaligen Sowjetunion, wo er schwerste körperliche Arbeit im Bergbau verrichten musste. Nach seiner Freilassung war er von Februar 1950 bis 1952 im Beitrittsgebiet im Gleisbau beschäftigt. Als Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule erkannte das Versorgungsamt Berlin mit Bescheid vom 9. Februar 1998 "Wirbelgleiten des fünften Lendenwirbelkörpers gegenüber dem ersten Kreuzbeinsegment als Folge der außergewöhnlichen Belastung während der Internierung, dadurch bedingter Bandscheibenschaden zwischen dem fünften Lendenwirbelkörper und dem ersten Kreuzbeinsegment mit Irritation der Nervenwurzel S 1 bei anlagebedingter Disposition zur Spaltbildung im Wirbelbogen des fünften Lendenwirbelkörpers " an. Dem lag ein im Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin L 11 V 33/96 eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. Sc vom 31. Oktober 1997 zugrunde, der das bei dem Kläger vorliegende Erkrankungsbild der Lendenwirbelsäule als Folge der außergewöhnlichen Belastung während der Internierung angesehen hatte.
Im Februar 1994 wandte der Kläger sich erstmals an die Bergbau- Berufsgenossenschaft und machte eine Schädigung der Wirbelsäule, der Gelenke und der Lunge durch die Tätigkeit im Bergbau geltend. Die Bergbau-Berufsgenossenschaft ermittelte die Beklagte als zuständige Berufsgenossenschaft.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit ab. Die Anerkennung eines beruflich bedingten Wirbelsäulenschadens setze sowohl nach dem Recht der ehemaligen DDR als auch nach dem geltenden Berufskrankheitenrecht voraus, dass langjährige, die Wirbelsäule belastende Einwirkungen von in der Regel mindestens 10 Jahren vorlägen. Dies sei nicht der Fall, da schon im Sommer 1946 nach relativ kurzzeitiger Belastung Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule aufgetreten seien. Diese seien auf eine anlagebedingte Fehlbildung der Lendenwirbelsäule zurückzuführen.
In der Folgezeit machte der Kläger mit mehreren Schreiben geltend, dass das Versorgungsamt die Schäden an der Lendenwirbelsäule als Folge der Bergwerkstätigkeit anerkannt habe. Deshalb seien ihm auch Leistungen wegen des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten -Verordnung (BKV) zu gewähren. Die Beklagte verwies auf die Bestandskraft des Bescheides vom 27. Mai 1997. Sie verpflichtete sich in einem auf Anerkennung verschiedener Berufskrankheiten gerichteten Klageverfahren, ein Schreiben des Klägers vom 17. August 2001 als erneuten Antrag auf Gewährung von Entschädigungsleistungen u.a. wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu werten und hierüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997 ab. Es bestehe keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Selbst wenn unterstellt werde, die Tätigkeiten im Bergbau sowie im Gleisbau von Januar 1945 bis Ende 1951 würden den Gefährdungstatbestand im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 erfüllen, so scheide die Anerkennung dieser Berufskrankheit aufgrund der maßgeblichen Rückwirkungsvorschrift von vornherein aus, weil die Erkrankung erst ab dem 1. Januar 1993 neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden sei und eine Anerkennung nur möglich sei, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nach dem Stichtag aufgegeben worden sei. Der Kläger habe die belastende Tätigkeit im Jahr 1951 aufgegeben.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger auf das im Verfahren L 11 V 33/96 eingeholte Gutachten verwiesen und geltend gemacht, da er im jugendlichen Alter der erheblichen Belastung ausgesetzt gewesen sei, dürfe nicht darauf abgestellt werden, dass keine zehnjährige Tätigkeit vorliege.
Durch Gerichtsbescheid vom 27. September 2004 hat das Sozialgericht die auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete Klage abgewiesen. Die zeitliche Begrenzung der Anerkennungsfähigkeit bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 auf Versicherungsfälle nach dem 31. März 1988 folge aus § 6 Abs. 2 BKV. Erst mit der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen "Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992" sei der Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 2108 in die Liste der anerkennungsfähigen Berufskrankheiten aufgenommen worden. Am 1. Januar 1993 bereits bestehende Krankheiten seien nach § 6 Abs. 2 S. 1 der Verordnung nur bei einem nach dem 31. März 1988 liegenden Versicherungsfall zu entschädigen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, weil das LWS-Leiden des Klägers bereits deutlich vor dem 31. März 1988 entstanden sei. Der Kläger selbst habe angegeben, bereits seit 1946 unter LWS- Beschwerden zu leiden, zudem sei bereits 1970 eine Spondylose diagnostiziert worden. Auch sei Prof. Dr. Scholz davon ausgegangen, dass sich der LWS- Schaden bereits zeitnah zu den massiven Belastungen des Klägers gezeigt habe. Dass die Tätigkeit des Klägers im Internierungslager in der ehemaligen Sowjetunion nach den Regelungen des Fremdrentengesetzes und des Rentenüberleitungsgesetzes als in der deutschen Unfallversicherung versicherte Zeit zu berücksichtigen sei, führe nicht dazu, dass die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV nicht zu beachten sei. Über die Anerkennung des LWS-Leidens als "Verschleißkrankheit der Wirbelsäule durch langjährige mechanische Überlastungen" nach Nr. 70 der in der ehemaligen DDR geltenden Berufskrankheitenliste sei in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden worden. Sie sei deshalb nicht streitgegenständlich. Lediglich ergänzend sei deshalb darauf hingewiesen, dass eine Anerkennung nach dieser Regelung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Bergbau-BG als erstangegangener Unfallversicherungsträger vom LWS-Leiden des Klägers erstmals durch dessen Schreiben vom 3. Februar 1994, und somit nach dem 31. Dezember 1993, Kenntnis erlangt habe.
Gegen den ihm am 8. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 25. Oktober 2004, mit der er auf seine belastenden Tätigkeiten verweist.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 27. Mai 1997 zurückzunehmen und ihm unter Anerkennung seines Lendenwirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Sozialgerichts und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003, mit dem die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997 abgelehnt hat, ist rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997. Nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat zutreffend die Anerkennung der geltend gemachten Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit abgelehnt.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich gemäß § 215 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 1150 Abs. 2 RVO in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung, weil die von ihm als Berufskrankheit geltend gemachte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten ist. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten waren, als Arbeitsunfälle und Berufkrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt jedoch nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO u. a. nicht für Krankheiten, die - wie die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers - einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt wurden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. In diesem Fall muss die betreffende Krankheit die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllen (so Bundessozialgericht- BSG-, Urteil vom 4. Dezember 2001, B 2 U 35/00 R, SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1; vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks 12/405 S 116 Buchst b).
Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob die Erkrankung nach Nr. 70 BK-Liste DDR hätte anerkannt werden müssen, weil jedenfalls die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind. Wie das Sozialgericht bereits umfassend dargelegt hat, ist durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 die Anerkennung der LWS- Erkrankungen als Berufskrankheiten nicht grenzenlos rückwirkend für die Vergangenheit eingeführt worden, sondern nur für solche, in denen der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist bei dem Kläger aber bereits vor dem 31. März 1988 eingetreten. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angegriffenen Gerichtsbescheides und sieht insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung in § 6 Abs. 2 BKV. Wie das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 9. Oktober 2000 ,1 BvR 791/95, SozR 3-2200 § 551 Nr. 15) bereits entschieden hat, ist unter Berücksichtigung des weiten Einschätzungsermessens des Verordnungsgebers nicht zu erkennen, dass der Stand der Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen schwerer beruflicher Arbeit und Erkrankungen der Wirbelsäule bereits vor dem 1. April 1988 zur Anerkennung als Berufskrankheit hätte führen müssen. Es sei vielmehr denkbar, dass selbst 1992 noch fachliche Zweifel bestanden hätten, die der Verordnungsgeber aber zurückgestellt habe, um nach der Wiedervereinigung Rechtsgleichheit bei der Anerkennung von Wirbelsäulenschäden als Berufskrankheit im Bundesgebiet herzustellen.
Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht zu überprüfen.
Die dem Ergebnis in der Hauptsache folgende Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit im Überprüfungsverfahren.
Der 1930 geborene Kläger befand sich von Februar 1945 bis Dezember 1949 in einem Internierungslager in der damaligen Sowjetunion, wo er schwerste körperliche Arbeit im Bergbau verrichten musste. Nach seiner Freilassung war er von Februar 1950 bis 1952 im Beitrittsgebiet im Gleisbau beschäftigt. Als Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule erkannte das Versorgungsamt Berlin mit Bescheid vom 9. Februar 1998 "Wirbelgleiten des fünften Lendenwirbelkörpers gegenüber dem ersten Kreuzbeinsegment als Folge der außergewöhnlichen Belastung während der Internierung, dadurch bedingter Bandscheibenschaden zwischen dem fünften Lendenwirbelkörper und dem ersten Kreuzbeinsegment mit Irritation der Nervenwurzel S 1 bei anlagebedingter Disposition zur Spaltbildung im Wirbelbogen des fünften Lendenwirbelkörpers " an. Dem lag ein im Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin L 11 V 33/96 eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. Sc vom 31. Oktober 1997 zugrunde, der das bei dem Kläger vorliegende Erkrankungsbild der Lendenwirbelsäule als Folge der außergewöhnlichen Belastung während der Internierung angesehen hatte.
Im Februar 1994 wandte der Kläger sich erstmals an die Bergbau- Berufsgenossenschaft und machte eine Schädigung der Wirbelsäule, der Gelenke und der Lunge durch die Tätigkeit im Bergbau geltend. Die Bergbau-Berufsgenossenschaft ermittelte die Beklagte als zuständige Berufsgenossenschaft.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit ab. Die Anerkennung eines beruflich bedingten Wirbelsäulenschadens setze sowohl nach dem Recht der ehemaligen DDR als auch nach dem geltenden Berufskrankheitenrecht voraus, dass langjährige, die Wirbelsäule belastende Einwirkungen von in der Regel mindestens 10 Jahren vorlägen. Dies sei nicht der Fall, da schon im Sommer 1946 nach relativ kurzzeitiger Belastung Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule aufgetreten seien. Diese seien auf eine anlagebedingte Fehlbildung der Lendenwirbelsäule zurückzuführen.
In der Folgezeit machte der Kläger mit mehreren Schreiben geltend, dass das Versorgungsamt die Schäden an der Lendenwirbelsäule als Folge der Bergwerkstätigkeit anerkannt habe. Deshalb seien ihm auch Leistungen wegen des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten -Verordnung (BKV) zu gewähren. Die Beklagte verwies auf die Bestandskraft des Bescheides vom 27. Mai 1997. Sie verpflichtete sich in einem auf Anerkennung verschiedener Berufskrankheiten gerichteten Klageverfahren, ein Schreiben des Klägers vom 17. August 2001 als erneuten Antrag auf Gewährung von Entschädigungsleistungen u.a. wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu werten und hierüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997 ab. Es bestehe keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Selbst wenn unterstellt werde, die Tätigkeiten im Bergbau sowie im Gleisbau von Januar 1945 bis Ende 1951 würden den Gefährdungstatbestand im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 erfüllen, so scheide die Anerkennung dieser Berufskrankheit aufgrund der maßgeblichen Rückwirkungsvorschrift von vornherein aus, weil die Erkrankung erst ab dem 1. Januar 1993 neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden sei und eine Anerkennung nur möglich sei, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nach dem Stichtag aufgegeben worden sei. Der Kläger habe die belastende Tätigkeit im Jahr 1951 aufgegeben.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger auf das im Verfahren L 11 V 33/96 eingeholte Gutachten verwiesen und geltend gemacht, da er im jugendlichen Alter der erheblichen Belastung ausgesetzt gewesen sei, dürfe nicht darauf abgestellt werden, dass keine zehnjährige Tätigkeit vorliege.
Durch Gerichtsbescheid vom 27. September 2004 hat das Sozialgericht die auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete Klage abgewiesen. Die zeitliche Begrenzung der Anerkennungsfähigkeit bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 auf Versicherungsfälle nach dem 31. März 1988 folge aus § 6 Abs. 2 BKV. Erst mit der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen "Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992" sei der Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 2108 in die Liste der anerkennungsfähigen Berufskrankheiten aufgenommen worden. Am 1. Januar 1993 bereits bestehende Krankheiten seien nach § 6 Abs. 2 S. 1 der Verordnung nur bei einem nach dem 31. März 1988 liegenden Versicherungsfall zu entschädigen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, weil das LWS-Leiden des Klägers bereits deutlich vor dem 31. März 1988 entstanden sei. Der Kläger selbst habe angegeben, bereits seit 1946 unter LWS- Beschwerden zu leiden, zudem sei bereits 1970 eine Spondylose diagnostiziert worden. Auch sei Prof. Dr. Scholz davon ausgegangen, dass sich der LWS- Schaden bereits zeitnah zu den massiven Belastungen des Klägers gezeigt habe. Dass die Tätigkeit des Klägers im Internierungslager in der ehemaligen Sowjetunion nach den Regelungen des Fremdrentengesetzes und des Rentenüberleitungsgesetzes als in der deutschen Unfallversicherung versicherte Zeit zu berücksichtigen sei, führe nicht dazu, dass die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV nicht zu beachten sei. Über die Anerkennung des LWS-Leidens als "Verschleißkrankheit der Wirbelsäule durch langjährige mechanische Überlastungen" nach Nr. 70 der in der ehemaligen DDR geltenden Berufskrankheitenliste sei in den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden worden. Sie sei deshalb nicht streitgegenständlich. Lediglich ergänzend sei deshalb darauf hingewiesen, dass eine Anerkennung nach dieser Regelung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Bergbau-BG als erstangegangener Unfallversicherungsträger vom LWS-Leiden des Klägers erstmals durch dessen Schreiben vom 3. Februar 1994, und somit nach dem 31. Dezember 1993, Kenntnis erlangt habe.
Gegen den ihm am 8. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 25. Oktober 2004, mit der er auf seine belastenden Tätigkeiten verweist.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 27. Mai 1997 zurückzunehmen und ihm unter Anerkennung seines Lendenwirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Sozialgerichts und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2003, mit dem die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997 abgelehnt hat, ist rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 1997. Nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat zutreffend die Anerkennung der geltend gemachten Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit abgelehnt.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich gemäß § 215 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 1150 Abs. 2 RVO in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung, weil die von ihm als Berufskrankheit geltend gemachte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten ist. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten waren, als Arbeitsunfälle und Berufkrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt jedoch nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO u. a. nicht für Krankheiten, die - wie die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers - einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt wurden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. In diesem Fall muss die betreffende Krankheit die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllen (so Bundessozialgericht- BSG-, Urteil vom 4. Dezember 2001, B 2 U 35/00 R, SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1; vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks 12/405 S 116 Buchst b).
Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob die Erkrankung nach Nr. 70 BK-Liste DDR hätte anerkannt werden müssen, weil jedenfalls die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind. Wie das Sozialgericht bereits umfassend dargelegt hat, ist durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 die Anerkennung der LWS- Erkrankungen als Berufskrankheiten nicht grenzenlos rückwirkend für die Vergangenheit eingeführt worden, sondern nur für solche, in denen der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist bei dem Kläger aber bereits vor dem 31. März 1988 eingetreten. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angegriffenen Gerichtsbescheides und sieht insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung in § 6 Abs. 2 BKV. Wie das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 9. Oktober 2000 ,1 BvR 791/95, SozR 3-2200 § 551 Nr. 15) bereits entschieden hat, ist unter Berücksichtigung des weiten Einschätzungsermessens des Verordnungsgebers nicht zu erkennen, dass der Stand der Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen schwerer beruflicher Arbeit und Erkrankungen der Wirbelsäule bereits vor dem 1. April 1988 zur Anerkennung als Berufskrankheit hätte führen müssen. Es sei vielmehr denkbar, dass selbst 1992 noch fachliche Zweifel bestanden hätten, die der Verordnungsgeber aber zurückgestellt habe, um nach der Wiedervereinigung Rechtsgleichheit bei der Anerkennung von Wirbelsäulenschäden als Berufskrankheit im Bundesgebiet herzustellen.
Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht zu überprüfen.
Die dem Ergebnis in der Hauptsache folgende Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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