L 7 SO 3034/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1727/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3034/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme von Kosten für Umbaumaßnahmen in ihrer Altenwohnung und auf Unterlassung des Einbehalts von Grundsicherungsleistungen durch den Antragsgegner in Höhe von 30,- Euro monatlich abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn es fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung im Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwärtigen Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr für die Rechtsposition muss objektiv bestehen, subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Antragstellers genügen grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 - (Juris) m.w.N.).

Der Senat vermag die Dringlichkeit einer Kostenübernahme durch den Antragsgegner für die (sofortige) Durchführung der begehrten baulichen Veränderungen in der Altenwohnung der Antragstellerin in T. nicht zu erkennen. Was den begehrten Umbau der Dusche anbelangt, so kann dahinstehen, ob die Antragstellerin den Einbau einer Einstiegshilfe (einschließlich eines vollständigen Austauschs der sanitären Anlagen) - entsprechend dem mit dem Eilantrag beim SG eingereichten Angebot einer Sanitärfirma (vgl. Bl. 7 der SG-Akte) - begehrt oder - entsprechend dem mit der Beschwerdeschrift in Bezug genommenen Antrag vom 16. November 2005 -lediglich den Höhenausgleich der Schwelle zur Dusche durch Einbau einer Rampe. Denn der Senat vermag derzeit keinen akuten Realisierungsbedarf für jedwede bauliche Veränderung in der Altenwohnung der Antragstellerin zu erkennen und zwar weder im Bereich der Dusche noch bezüglich des Einbaus einer Rampe zum Balkon. Dies ergibt sich schon daraus, dass derzeit nicht absehbar ist, wie lange die Antragstellerin überhaupt noch in der bisherigen Altenwohnung verbleiben und sich dort selbständig versorgen kann. Dies ist derzeit Gegenstand einer vom Antragsgegner veranlassten Begutachtung der Antragstellerin durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), welche allerdings noch einige Wochen in Anspruch nehmen wird. Ein zwischenzeitliches gerichtliches Tätigwerden zur Behebung einer Notlage erscheint nicht veranlasst, da die Antragstellerin bei der erforderlichen Körperhygiene offenbar regelmäßig durch die Leistungen eines - vom Antragsgegner finanzierten - privaten Pflegedienstes unterstützt wird. Hierdurch erscheint auch gewährleistet, dass die Antragstellerin nicht bei der Benutzung der vorhandenen sanitären Anlagen ihrer Wohnung, insbesondere der Dusche, im Rahmen möglicher Stürze an Leib und Leben gefährdet wird. Hinzu kommt, dass - wie der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen hat - derzeit auch nicht klar ist, ob die gewünschten Umbaumaßnahmen im Bereich der Dusche überhaupt technisch realisierbar sind. Nicht hinreichend eilbedürftig erscheint auch der Einbau einer - wie auch immer baulich konstruierten - Rampe am Balkonausgang der Wohnung. Unabhängig davon, ob die Benutzung der begehrten Rampe möglicherweise sogar ein höheres Gefahrenpotential in sich birgt als das Überqueren der bisherigen Schwelle, ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, aus welchem Grund bzw. zur Vermeidung welcher gravierender Nachteile insoweit ein sofortiger Umbau des Balkonausgangs zwingend geboten sein sollte.

Schließlich besteht auch in Bezug auf die Einbehaltung von Grundsicherungsleistungen durch den Antragsgegner in Höhe von 30,- Euro monatlich keine Veranlassung für eine vorläufige Regelung durch den Senat. Ausweislich der bei den Akten befindlichen "Abtretungserklärung" (Bl. 36 der SG-Akte im Verfahren S 9 SO 1725/06) hat sich die Antragstellerin mit dieser Vorgehensweise zur Verrechnung mit der vom Antragsgegner verauslagten Mietkaution ihrer Wohnung einverstanden erklärt. Unabhängig davon haben die Beteiligten zwischenzeitlich der vom SG unter dem 13. Juni 2006 zur diesbezüglichen Beilegung des Rechtsstreits angeregten vergleichsweisen Regelung zugestimmt, wonach die Hälfte der einbehaltenen Beträge ausgekehrt wird. Ein Einbehalt laufender Grundsicherungsleistungen erfolgt soweit ersichtlich nicht; zudem bedürfte es auch insoweit keiner vorläufigen Regelung, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die Antragstellerin durch einen solchen Einbehalt existenziell oder sonst in unzumutbarer Weise betroffen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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