L 7 SO 3529/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 4385/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3529/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller erhält laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) von der Antragsgegnerin. Am 19. Juni 2006 stellte er beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dahingehend, die Antragsgegnerin solle verpflichtet werden, sofort von weiteren medizinischen Untersuchungen abzusehen sowie davon, in sein Rentenkonto Einsicht zu nehmen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens formulierte der Antragsteller, er beantrage, die Stadt Stuttgart zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Leben in Unabhängigkeit und Freiheit ermöglichten.

Mit Beschluss vom 5. Juli 2006 wies das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Antrag hinsichtlich medizinischer Untersuchungen durch den Rentenversicherungsträger unzulässig sei. Bei dem zugrunde liegenden Ersuchen der Antragsgegnerin an die Deutsche Rentenversicherung Bund vom 8. März 2006, mit welchem die bislang zugrunde gelegte Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers überprüft werden solle, handle es sich um eine Verfahrenshandlung, die grundsätzlich nicht anfechtbar sei. In der Sache sei das Ersuchen nicht zu beanstanden. Es entspreche der maßgeblichen Vorschrift des § 45 Abs. 1 SGB XII.

Der Antrag hinsichtlich der Maßnahmen, die ein Leben in Unabhängigkeit und Freiheit ermöglichen sollten, könne keinen Erfolg haben, weil es jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehle. Es sei auch nicht ansatzweise aufgezeigt worden, welches Tätigwerden zur Abwendung welcher Nachteile erforderlich sein solle.

Gegen diesen, am 8. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 14. Juli 2006 beim SG Beschwerde eingelegt, der dieses nicht abgeholfen hat. Auf Anfrage des Senats nach dem konkreten Rechtsschutzziel hat der Antragsteller schriftlich erklärt, er halte an einer Aufklärung verschiedener Umstände fest und beantrage festzustellen, dass das Verhalten der Antragsgegnerin rechtswidrig gewesen sei. Außerdem bitte er darum, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sich schriftlich zu offen stehenden Fragen, Vorwürfen und Argumenten zu äußern.

II.

Die rechtzeitig schriftlich erhobene Beschwerde (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein summarisches, bei dem eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist.

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B -(juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).

Das SG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen in dem angefochtenen Beschluss zu Recht verneint. Das Ersuchen an die Deutsche Rentenversicherung Bund entspricht den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB XII. Auch der Antragsteller geht ersichtlich davon aus, dass er weiterhin erwerbsunfähig ist. Dies muss aber nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB XII vom zuständigen Träger der Rentenversicherung festgestellt werden. Zu diesem Zweck ist die Antragsgegnerin dazu berechtigt und verpflichtet, ein entsprechendes Ersuchen an den Rentenversicherungsträger zu richten. Diese gesetzlichen Vorschriften gelten auch für den Antragsteller.

Hinsichtlich des zweiten beim SG gestellten und des weiteren im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags hat die Beschwerde deshalb keinen Erfolg, weil insoweit ein konkretes Rechtsschutzziel nicht erkennbar ist. Auch im einstweiligen Anordnungsverfahren ist der Rechtsschutzsuchende gehalten, dem Gericht ein nachprüfbares Begehren zu unterbreiten. Daran fehlt es trotz der umfangreichen Ausführungen des Antragstellers. Zwar ist das Gericht nach § 123 SGG verpflichtet, das Begehren eines Beteiligten richtig zu verstehen und ist dabei nicht an die Fassung der Anträge gebunden. Das entbindet den Rechtsschutzsuchenden aber nicht von der Obliegenheit, sein Ziel in nachvollziehbarer Weise darzulegen. Daran fehlt es. Der Antragsteller erwähnt eine Fülle von - teilweise lange zurückliegenden - Begebenheiten, die z.T. nicht einmal seine Person betreffen und bringt zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung die Antragsgegnerin für seine derzeitige berufliche und private Situation verantwortlich sei. Damit wird kein justiziabler Sachverhalt beschrieben. Gerade das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient nicht der Überprüfung eines Sozialrechtsverhältnisses im Allgemeinen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, sondern der Abwendung einer akuten Notlage. Eine solche besteht nicht, da der Antragsteller die gesetzlichen Leistungen nach dem SGB XII derzeit laufend erhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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