Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 22 AS 289/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 350/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. April 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die von der Antragstellerin am 13. März 2006 erhobene Klage gegen den Bescheid der An-tragsgegnerin vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 15. Februar 2006 aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für die Verfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskos-tenhilfe gewährt und Rechtsanwalt W. K. beigeordnet, Raten aus dem Einkommen oder Vermögen sind nicht zu zahlen.
Gründe:
I.
Streitig ist die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Rückforderungsbe-scheid.
Die 1984 geborene Antragstellerin beantragte am 1. November 2004 für sich und den mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden T M sowie den gemeinsamen 2004 geborenen Sohn L A Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegnerin bewilligte durch Bescheid vom 29. November 2004 Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 949,94 EUR. Auf den am 9. Juni 2005 gestellten Antrag auf Fortzahlung der Leistungen bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Juni 2005 Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 1103,94 EUR. Auf erneuten Fortzahlungsantrag vom 7. November 2005 bewilligte sie durch Be-scheid vom 18. November 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2006 Leistungen wieder in Höhe von monatlich 949,94 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 18. November 2005 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung vom 23. Juni 2005 teilweise auf und setzte die für Dezember 2005 zustehenden Leistungen auf 949,94 EUR fest. Mit Schreiben vom selben Tage hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass sie die Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monat-lich 154 EUR überzahlt habe, da Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt worden sei. Die Antragstellerin habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, sie jedoch erkennen können. Nachdem die Antragstellerin erklärt hatte, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei und das Geld verbraucht habe, hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 8. Dezember 2005 die Bewilli-gung der Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monatlich 154 EUR teilweise auf. Zur Begründung verwies sie auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X). Die Antragstellerin habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt habe. Die Überzahlung in Höhe von 770 EUR sei zu erstatten. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und beantragte, die sofortige Vollziehbar-keit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides auszusetzen.
Die Antragstellerin wies durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 den Widerspruch und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Rücknahme des Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X rechtmäßig sei. Die Antragstellerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil höhere Leistungen bewilligt worden seien, ohne dass eine Änderung der persönlichen oder finanziellen Verhältnisse vorgelegen habe. Deswegen habe offensichtlich Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden. Die überzahlten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Auch der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei unbe-gründet. Nach § 39 SGB II hätten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwal-tungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung entscheide, keine aufschiebende Wirkung. Besondere Umstände, die trotz des vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollten Vorrangs des Vollziehungsinteresses eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
Dagegen hat die Antragstellerin am 13. März 2006 Klage erhoben und die Aussetzung der so-fortigen Vollziehbarkeit des Rückforderungsbetrages beantragt. Das Sozialgericht Cottbus hat durch Beschluss vom 10. April 2006 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der auf-schiebenden Wirkung der Klage sowie den auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Bei-ordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstat-tungsbescheides vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 bestünden. § 45 SGB X rechtfertige die Rücknahmeentscheidung. Die Antrag-stellerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihr höhere Leistungen ohne jede Verände-rung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der zur Bedarfsgemeinschaft ge-hörenden Personen gewährt worden seien.
Gegen den ihr am 24. April 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der An-tragstellerin vom 27. April 2004. Sie weist darauf hin, dass sie nicht durch falsche Angaben zur Überzahlung beigetragen habe. Sie sei nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide auf ihre Rich-tigkeit zu überprüfen. Die Erhöhung des Zahlbetrages habe sich auch als Folge einer Rechtsän-derung ergeben können.
Die Antragstellerin beantragt (nach dem Sinn ihres Vorbringens),
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. April 2006 aufzuhe-ben und festzustellen, dass ihre Anfechtungsklage vom 13. März 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 aufschieben-de Wirkung hat, ferner
ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes W K zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus für zutreffend. § 39 SGB II ordne die sofor-tige Vollziehbarkeit aufhebender Entscheidungen auch in Bezug auf Rückzahlungsansprüche an.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht es abgelehnt, die auf-schiebende Wirkung der Anfechtungsklage festzustellen. Nach § 86 b Abs. 1 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und (3.) in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wieder herstellen. Obwohl nicht ausdrücklich genannt, beinhaltet der einstweilige Rechtsschutz auch die Möglichkeit, die bereits kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung von Wider-spruch und Anfechtungsklage ausdrücklich festzustellen, wenn eine Behörde die gegebene Rechtslage nicht beachtet (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 15). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Widerspruchsbescheid die auf § 50 SGB X gestützte Rück-forderung ausdrücklich für sofort vollziehbar erklärt, obwohl die dagegen von der Antragstelle-rin erhobene Anfechtungsklage kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich auf-schiebende Wirkung. Diese entfällt nach § 86 a Abs. 2 SGG (1.) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten, (2.) in Angelegenheiten des sozialen Entschä-digungsrechtes und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (3.) für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabset-zen, (4.) in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, und (5.) in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Be-teiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu ent-scheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Einer dieser Fälle liegt nicht vor, insbesondere wird die sofortige Vollziehbarkeit nicht durch ein Bundesgesetz angeordnet.
Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin insoweit auf § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Rück-nahmebescheid der Antragsgegnerin enthält zwei Verwaltungsakte, nämlich den über die Auf-hebung der Bewilligung von Leistungen gemäß § 45 SGB X sowie den über die Rückforderung gemäß § 50 Abs.1 SGB X. Nur der erste Verwaltungsakt entscheidet über Leistungen, indem er ihre Bewilligung für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft aufhebt. In-soweit mag die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin unmittelbar vollziehbar sein, was beispielsweise auch die Aufhebung der bereits bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Leistungen für Dezember 2005 durch den Bescheid vom 18. November 2005 betrifft. Streitig ist vorliegend aber zusätzlich die Rückforderung von 770 EUR für den Zeitraum von Juli bis No-vember 2005. Dieser Rückforderungsanspruch kann sich nicht unmittelbar aus der Aufhebung der Bewilligung, sondern erst aus § 50 SGB X ergeben. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass § 39 Nr. 1 SGB II auch die sofortige Vollziehbarkeit solcher Erstattungsforderungen an-ordnet. Ausdrücklich genannt sind Erstattungsforderungen in der Vorschrift nicht. Systemati-sche Gründe sprechen gegen ihre Einbeziehung. Denn im Allgemeinen haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Erstattungsforderung im Sozialrecht aufschiebende Wirkung, und es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit diesem Grundsatz gerade im Recht des SGB II brechen wollte (vgl. im Einzelnen Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Mai 2006, L 5 B 77/06 ER AS, veröffentlicht in JURIS). Der vom Antragsgegner für seine Rechtsauffassung angeführte Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (v. 20. März 2006 – L 8 AS 369/06 ER-B -, veröffentlicht in JURIS) überzeugt den Senat nicht, weil dort zwischen Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Leistungen nicht unter-schieden wird.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragstellerin der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage festzustellen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Da die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht tragen kann, ist der Beschluss des Sozialgerichts auch insoweit auf-zuheben und der Antragstellerin nach den §§ 73 a SGG, 114 der Zivilprozessordnung Prozess-kostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu gewähren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Rückforderungsbe-scheid.
Die 1984 geborene Antragstellerin beantragte am 1. November 2004 für sich und den mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden T M sowie den gemeinsamen 2004 geborenen Sohn L A Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Die Antragsgegnerin bewilligte durch Bescheid vom 29. November 2004 Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 949,94 EUR. Auf den am 9. Juni 2005 gestellten Antrag auf Fortzahlung der Leistungen bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Juni 2005 Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 1103,94 EUR. Auf erneuten Fortzahlungsantrag vom 7. November 2005 bewilligte sie durch Be-scheid vom 18. November 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Mai 2006 Leistungen wieder in Höhe von monatlich 949,94 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 18. November 2005 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung vom 23. Juni 2005 teilweise auf und setzte die für Dezember 2005 zustehenden Leistungen auf 949,94 EUR fest. Mit Schreiben vom selben Tage hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass sie die Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monat-lich 154 EUR überzahlt habe, da Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt worden sei. Die Antragstellerin habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, sie jedoch erkennen können. Nachdem die Antragstellerin erklärt hatte, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei und das Geld verbraucht habe, hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 8. Dezember 2005 die Bewilli-gung der Leistungen vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von monatlich 154 EUR teilweise auf. Zur Begründung verwies sie auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X). Die Antragstellerin habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt habe. Die Überzahlung in Höhe von 770 EUR sei zu erstatten. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und beantragte, die sofortige Vollziehbar-keit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides auszusetzen.
Die Antragstellerin wies durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 den Widerspruch und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Rücknahme des Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X rechtmäßig sei. Die Antragstellerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil höhere Leistungen bewilligt worden seien, ohne dass eine Änderung der persönlichen oder finanziellen Verhältnisse vorgelegen habe. Deswegen habe offensichtlich Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden. Die überzahlten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Auch der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei unbe-gründet. Nach § 39 SGB II hätten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwal-tungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung entscheide, keine aufschiebende Wirkung. Besondere Umstände, die trotz des vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollten Vorrangs des Vollziehungsinteresses eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
Dagegen hat die Antragstellerin am 13. März 2006 Klage erhoben und die Aussetzung der so-fortigen Vollziehbarkeit des Rückforderungsbetrages beantragt. Das Sozialgericht Cottbus hat durch Beschluss vom 10. April 2006 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der auf-schiebenden Wirkung der Klage sowie den auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Bei-ordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstat-tungsbescheides vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 bestünden. § 45 SGB X rechtfertige die Rücknahmeentscheidung. Die Antrag-stellerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihr höhere Leistungen ohne jede Verände-rung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der zur Bedarfsgemeinschaft ge-hörenden Personen gewährt worden seien.
Gegen den ihr am 24. April 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der An-tragstellerin vom 27. April 2004. Sie weist darauf hin, dass sie nicht durch falsche Angaben zur Überzahlung beigetragen habe. Sie sei nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide auf ihre Rich-tigkeit zu überprüfen. Die Erhöhung des Zahlbetrages habe sich auch als Folge einer Rechtsän-derung ergeben können.
Die Antragstellerin beantragt (nach dem Sinn ihres Vorbringens),
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. April 2006 aufzuhe-ben und festzustellen, dass ihre Anfechtungsklage vom 13. März 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 aufschieben-de Wirkung hat, ferner
ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes W K zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus für zutreffend. § 39 SGB II ordne die sofor-tige Vollziehbarkeit aufhebender Entscheidungen auch in Bezug auf Rückzahlungsansprüche an.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht es abgelehnt, die auf-schiebende Wirkung der Anfechtungsklage festzustellen. Nach § 86 b Abs. 1 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und (3.) in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wieder herstellen. Obwohl nicht ausdrücklich genannt, beinhaltet der einstweilige Rechtsschutz auch die Möglichkeit, die bereits kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung von Wider-spruch und Anfechtungsklage ausdrücklich festzustellen, wenn eine Behörde die gegebene Rechtslage nicht beachtet (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 15). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Widerspruchsbescheid die auf § 50 SGB X gestützte Rück-forderung ausdrücklich für sofort vollziehbar erklärt, obwohl die dagegen von der Antragstelle-rin erhobene Anfechtungsklage kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich auf-schiebende Wirkung. Diese entfällt nach § 86 a Abs. 2 SGG (1.) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten, (2.) in Angelegenheiten des sozialen Entschä-digungsrechtes und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (3.) für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabset-zen, (4.) in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, und (5.) in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Be-teiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu ent-scheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Einer dieser Fälle liegt nicht vor, insbesondere wird die sofortige Vollziehbarkeit nicht durch ein Bundesgesetz angeordnet.
Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin insoweit auf § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Rück-nahmebescheid der Antragsgegnerin enthält zwei Verwaltungsakte, nämlich den über die Auf-hebung der Bewilligung von Leistungen gemäß § 45 SGB X sowie den über die Rückforderung gemäß § 50 Abs.1 SGB X. Nur der erste Verwaltungsakt entscheidet über Leistungen, indem er ihre Bewilligung für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft aufhebt. In-soweit mag die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin unmittelbar vollziehbar sein, was beispielsweise auch die Aufhebung der bereits bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Leistungen für Dezember 2005 durch den Bescheid vom 18. November 2005 betrifft. Streitig ist vorliegend aber zusätzlich die Rückforderung von 770 EUR für den Zeitraum von Juli bis No-vember 2005. Dieser Rückforderungsanspruch kann sich nicht unmittelbar aus der Aufhebung der Bewilligung, sondern erst aus § 50 SGB X ergeben. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass § 39 Nr. 1 SGB II auch die sofortige Vollziehbarkeit solcher Erstattungsforderungen an-ordnet. Ausdrücklich genannt sind Erstattungsforderungen in der Vorschrift nicht. Systemati-sche Gründe sprechen gegen ihre Einbeziehung. Denn im Allgemeinen haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Erstattungsforderung im Sozialrecht aufschiebende Wirkung, und es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit diesem Grundsatz gerade im Recht des SGB II brechen wollte (vgl. im Einzelnen Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Mai 2006, L 5 B 77/06 ER AS, veröffentlicht in JURIS). Der vom Antragsgegner für seine Rechtsauffassung angeführte Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (v. 20. März 2006 – L 8 AS 369/06 ER-B -, veröffentlicht in JURIS) überzeugt den Senat nicht, weil dort zwischen Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Leistungen nicht unter-schieden wird.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragstellerin der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage festzustellen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Da die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht tragen kann, ist der Beschluss des Sozialgerichts auch insoweit auf-zuheben und der Antragstellerin nach den §§ 73 a SGG, 114 der Zivilprozessordnung Prozess-kostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu gewähren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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