Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 6402/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1297/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2005 aufgehoben, soweit darin der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 27. Juli bis 30. November 2005 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 455,00 Euro mo- natlich zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm entstandenen außerge- richtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die sich gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung richtende, zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
Unschädlich ist, dass der Antragsteller – veranlasst durch den Beschluss des Sozialgerichts – als Beschwerdegegner das Land Berlin bezeichnet hat. Er hat seinen beim Sozialgericht gestellten Antrag zu Recht gegen die unter der Bezeichnung "Jobcenter Tempelhof-Schöneberg" auftretende, gemäß § 44 b Abs. 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) gebildete Arbeitsgemeinschaft gerichtet. Diese ist ungeachtet dessen, dass sie keine volle Rechtsfähigkeit besitzt, mit eigenen Rechten ausgestattet, insbesondere berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen (§ 44 b Abs. 3 Satz 3 SGB II), und im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (§ 70 Nr. 2 SGG). Dies ist – soweit ersichtlich – inzwischen einhellige Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vorläufig für den in der Beschlussformel genannten Zeitraum insgesamt 455,00 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Danach sind dem Antragsteller als "Leistungen für Unterkunft und Heizung" die ihm für die Nutzung der von ihm gemieteten Räume entstandenen Aufwendungen in Höhe von 455,00 Euro (und nicht nur 375,00 Euro) monatlich zu erbringen. Seine Angabe, diese Räume ausschließlich als Wohnung zu nutzen (zuletzt Beschwerdeschrift vom 10. November 2005, S. 9) wird nicht dadurch entkräftet, dass er sie (ursprünglich?) als Gewerberäume gemietet hat und er sie nach § 8 Abs. 1 des Mietvertrages vom 18./19. Dezember 2002 nur als "Büro" nutzen darf, und schon gar nicht dadurch, dass in diesem Mietvertrag ein Teil als "Bürofläche" und ein anderer – nicht selbständig kündbarer – Teil (für den ein geringerer Mietzins zu zahlen ist) als "Lagerfläche" bezeichnet ist. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Ob und gegebenenfalls mit welchen Folgen der Antragsteller durch eine Nutzung der "als Gewerberäume" gemieteten Räume als Wohnung seine Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt, ist für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II ohne Belang. Im Übrigen hätte die Antragsgegnerin dann aus ihrer Sicht folgerichtig gar keine Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligen dürfen. Allerdings lässt auch ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände sie meint annehmen zu können, gerade der im Mietvertrag als "Lagerfläche" bezeichnete Teil der Räume würde nicht als Wohnung genutzt.
Dafür, dass der Antragssteller diese (möglicherweise ursprünglich allerdings als Gewerberäume gemieteten) Räume – jetzt – als Wohnung nutzt, spricht zudem, dass er sich – erst – im November 2003 unter dieser Anschrift "polizeilich" gemeldet hat, augenscheinlich nachdem er sich von seiner Frau getrennt und die frühere Ehewohnung in der Mstraße verlassen hat. Jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür, dass er diese Räume nicht oder nur teilweise als Wohnung nutzt, weder seinem Vorbringen noch dem der Antragsgegnerin zu entnehmen. Sollten sich entsprechende Zweifel ergeben, wäre diesen im Hauptsacheverfahren nachzugehen.
Der Höhe der von der Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen steht für den hier streitbefangenen Zeitraum nicht entgegen, dass die Höhe der dem Kläger entstehenden Aufwendungen unangemessen sein dürfte. Ob und inwieweit Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (noch) angemessen oder unangemessen sind, ist eine auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beantwortende Frage. Auch mit Blick auf die Regelung in § 22 Abs. 2 SGB II ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen deshalb regelmäßig Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern und gegebenenfalls "durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken", bevor Leistungen nicht mehr in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden. Dass die Höhe der dem Antragsteller entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht angemessen sei, hat die Antragsgegnerin jedoch erstmals in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2005 gemeint. Vorher hatte der Antragsteller keine Veranlassung, diese Aufwendungen in der beschriebenen Weise zu senken. Jedenfalls bis zum Ende des hier streitbefangenen Zeitraumes sind Leistungen deshalb in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen zu erbringen.
Eine einstweilige Anordnung erscheint auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig (sog. Anordnungsgrund – § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über andere Einkünfte oder Vermögen verfügen würde, so dass er im Stande wäre, seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag auch ohne diese Anordnung zumindest vorläufig zu erfüllen. Insbesondere ergibt sich aus den seiner Widerspruchsbegründung vom 26. August 2005 beigefügten Zusammenstellungen seiner laufenden Ausgaben, seiner Verpflichtungen und seiner Rückstände nicht, dass er überhaupt entsprechende Zahlungen leistet, geschweige denn, dass ihnen Einnahmen gegenüber stünden.
Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil Rückstände noch nicht entstanden sind und noch nicht unmittelbar der Verlust der Wohnung droht. Besteht – wie hier – der geltend gemachte Anordnungsanspruch jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit, sind hinsichtlich des Anordnungsgrundes keine gesteigerten Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich hat jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch darauf, dass ihm die ihm von Gesetzes wegen zustehenden Leistungen so rechtzeitig erbracht werden, dass er in der Lage ist, seine vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere gegenüber dem Vermieter von Wohnraum, rechtzeitig zu erfüllen. Das Risiko einer Kündigung von Wohnraum oder eines Prozesses wegen verspäteter Zahlung des Mietzinses (mit der damit verbundenen Kostenfolge) ist ihm in aller Regel nicht zuzumuten.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Über die gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2005 gerichtete Beschwerde ist ebenso wie über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gesondert zu entscheiden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die sich gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung richtende, zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Beschwerde des Antragstellers ist begründet.
Unschädlich ist, dass der Antragsteller – veranlasst durch den Beschluss des Sozialgerichts – als Beschwerdegegner das Land Berlin bezeichnet hat. Er hat seinen beim Sozialgericht gestellten Antrag zu Recht gegen die unter der Bezeichnung "Jobcenter Tempelhof-Schöneberg" auftretende, gemäß § 44 b Abs. 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) gebildete Arbeitsgemeinschaft gerichtet. Diese ist ungeachtet dessen, dass sie keine volle Rechtsfähigkeit besitzt, mit eigenen Rechten ausgestattet, insbesondere berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen (§ 44 b Abs. 3 Satz 3 SGB II), und im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (§ 70 Nr. 2 SGG). Dies ist – soweit ersichtlich – inzwischen einhellige Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vorläufig für den in der Beschlussformel genannten Zeitraum insgesamt 455,00 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Danach sind dem Antragsteller als "Leistungen für Unterkunft und Heizung" die ihm für die Nutzung der von ihm gemieteten Räume entstandenen Aufwendungen in Höhe von 455,00 Euro (und nicht nur 375,00 Euro) monatlich zu erbringen. Seine Angabe, diese Räume ausschließlich als Wohnung zu nutzen (zuletzt Beschwerdeschrift vom 10. November 2005, S. 9) wird nicht dadurch entkräftet, dass er sie (ursprünglich?) als Gewerberäume gemietet hat und er sie nach § 8 Abs. 1 des Mietvertrages vom 18./19. Dezember 2002 nur als "Büro" nutzen darf, und schon gar nicht dadurch, dass in diesem Mietvertrag ein Teil als "Bürofläche" und ein anderer – nicht selbständig kündbarer – Teil (für den ein geringerer Mietzins zu zahlen ist) als "Lagerfläche" bezeichnet ist. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Ob und gegebenenfalls mit welchen Folgen der Antragsteller durch eine Nutzung der "als Gewerberäume" gemieteten Räume als Wohnung seine Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt, ist für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II ohne Belang. Im Übrigen hätte die Antragsgegnerin dann aus ihrer Sicht folgerichtig gar keine Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligen dürfen. Allerdings lässt auch ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände sie meint annehmen zu können, gerade der im Mietvertrag als "Lagerfläche" bezeichnete Teil der Räume würde nicht als Wohnung genutzt.
Dafür, dass der Antragssteller diese (möglicherweise ursprünglich allerdings als Gewerberäume gemieteten) Räume – jetzt – als Wohnung nutzt, spricht zudem, dass er sich – erst – im November 2003 unter dieser Anschrift "polizeilich" gemeldet hat, augenscheinlich nachdem er sich von seiner Frau getrennt und die frühere Ehewohnung in der Mstraße verlassen hat. Jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür, dass er diese Räume nicht oder nur teilweise als Wohnung nutzt, weder seinem Vorbringen noch dem der Antragsgegnerin zu entnehmen. Sollten sich entsprechende Zweifel ergeben, wäre diesen im Hauptsacheverfahren nachzugehen.
Der Höhe der von der Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen steht für den hier streitbefangenen Zeitraum nicht entgegen, dass die Höhe der dem Kläger entstehenden Aufwendungen unangemessen sein dürfte. Ob und inwieweit Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (noch) angemessen oder unangemessen sind, ist eine auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beantwortende Frage. Auch mit Blick auf die Regelung in § 22 Abs. 2 SGB II ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen deshalb regelmäßig Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern und gegebenenfalls "durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken", bevor Leistungen nicht mehr in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden. Dass die Höhe der dem Antragsteller entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht angemessen sei, hat die Antragsgegnerin jedoch erstmals in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2005 gemeint. Vorher hatte der Antragsteller keine Veranlassung, diese Aufwendungen in der beschriebenen Weise zu senken. Jedenfalls bis zum Ende des hier streitbefangenen Zeitraumes sind Leistungen deshalb in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen zu erbringen.
Eine einstweilige Anordnung erscheint auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig (sog. Anordnungsgrund – § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über andere Einkünfte oder Vermögen verfügen würde, so dass er im Stande wäre, seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag auch ohne diese Anordnung zumindest vorläufig zu erfüllen. Insbesondere ergibt sich aus den seiner Widerspruchsbegründung vom 26. August 2005 beigefügten Zusammenstellungen seiner laufenden Ausgaben, seiner Verpflichtungen und seiner Rückstände nicht, dass er überhaupt entsprechende Zahlungen leistet, geschweige denn, dass ihnen Einnahmen gegenüber stünden.
Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil Rückstände noch nicht entstanden sind und noch nicht unmittelbar der Verlust der Wohnung droht. Besteht – wie hier – der geltend gemachte Anordnungsanspruch jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit, sind hinsichtlich des Anordnungsgrundes keine gesteigerten Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich hat jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch darauf, dass ihm die ihm von Gesetzes wegen zustehenden Leistungen so rechtzeitig erbracht werden, dass er in der Lage ist, seine vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere gegenüber dem Vermieter von Wohnraum, rechtzeitig zu erfüllen. Das Risiko einer Kündigung von Wohnraum oder eines Prozesses wegen verspäteter Zahlung des Mietzinses (mit der damit verbundenen Kostenfolge) ist ihm in aller Regel nicht zuzumuten.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Über die gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2005 gerichtete Beschwerde ist ebenso wie über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gesondert zu entscheiden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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