Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VG 5836/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2006/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1940 geborene Antragsteller (Ast.) verfolgt das Ziel, den Antragsgegner (Ag.) durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm Vorschüsse auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu zahlen.
Der Ast. wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit Opfer einer Straftat. Er wurde von einem Geschäftspartner niedergeschossen und erlitt dabei schwere Verletzungen.
Mit Bescheid vom 27.11.1998 stellte der Ag. unter Aufhebung des Vorbehaltsbescheids vom 26.11.1997 Schädigungsfolgen nach dem OEG fest und bewilligte dem Ast. ab Juli 1996 Grundrente nach einer MdE um 100 v. H., Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V, ab März 1997 Pflegezulage nach Stufe I und die halbe Ausgleichsrente, Kinderzuschlag sowie ab Juli 1997 Ehegattenzuschlag (Gesamtbetrag ab 01.07.1997: 3.186,00 DM). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Ag. mit der Begründung zurück, Anspruch auf Pflegezulage bestehe nur nach der Stufe I. Hinsichtlich der begehrten vollen Ausgleichsrente und des Berufsschadensausgleichs sei der Widerspruch unzulässig, weil hierüber noch nicht habe entschieden werden können (Widerspruchsbescheid vom 14.03.2000). Die hiergegen erhobene Klage S 6 VG 2246/00 wies das Sozialgericht Stuttgart (SG) mit Urteil vom 12.12.2003 ab, ebenso die hierzu verbundene Klage S 6 VG 2883/02 mit welcher der Ast. die Erstattung seiner zur privaten Krankenversicherung gezahlten Beiträge sowie der ab Januar 2002 gezahlten Selbstbeteiligung begehrt hatte.
Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BG) anerkannte den Angriff auf den Kläger am 30.07.1996 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und gewährte dem Ast. aufgrund dieses Versicherungsfalls ebenfalls Leistungen. Mit Bescheid vom 01.12.2000 bewilligte die BG dem Ast. Pflegegeld nach § 44 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab 14.03.1997 unter Berücksichtigung der Zeit der stationären Behandlung. Daraufhin erließ der Ag. gegenüber dem Ast. den Bescheid vom 17.01.2001, mit dem das von der BG gezahlte Pflegegeld auf die nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG gezahlte Pflegezulage angerechnet wurde. Mit Bescheid vom 03.04.2001 bewilligte die BG dem Ast. ab 27.01.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 100 v. H. auf unbestimmte Zeit. Der Ag. hob daraufhin mit den Bescheiden vom 12.04. und 08.05.2001 den Bescheid vom 27.11.1998 und alle Folgebescheide insoweit auf, als die Zahlung der Versorgungsbezüge für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 (Bescheid vom 08.05.2001) und für die Zeit ab 01.06.2001 (Bescheid vom 12.04.2001) unter Anrechnung der von der BG gezahlten Verletztenrente berechnet und der Bescheid vom 27.11.1998 sowie die Folgebescheide insoweit abgeändert wurden. Die gegen die Bescheide vom 12.04. und 08.05.2001 eingelegten Widersprüche des Ast. wies der Ag. mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.08.2001 zurück.
Nachdem die BG die Leistungen aus der Unfallversicherung mit Bescheid vom 15.11.2001 für die Zeit ab 30.07.1996 nach Vorliegen der hierfür benötigten Einkommensnachweise erstmals endgültig festgestellt hatte, erteilte der Ag. den Bescheid vom 26.11.2001, mit dem u. a. die mit Bescheid der BG vom 15.11.2001 festgestellte höhere Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG/BVG angerechnet wurde. Im Zeitraum von Januar 1998 bis Dezember 2001 sei eine Überzahlung von 33.890,00 DM entstanden, die von der BG zu erstatten sei. Für die Zeit ab 01.01.2002 ruhe der Anspruch nach dem OEG gem. § 65 BVG in voller Höhe.
Den Antrag des Ast. vom 29.10.2001, von einer Anrechnung gem. § 65 BVG abzusehen, lehnte der Ag. mit Bescheid vom 13.02.2002 (bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 09.04.2002) ab.
Mit Urteil vom 13.05.2005 änderte der 8. Senat des Landessozialgerichts (LSG) das Urteil des SG vom 12.12.2003 ab und verurteilte den Ag., dem Ast. ab 01.03.1997 Pflegezulage nach der Stufe II zu gewähren. Soweit der Ast. beantragt hatte, ihm Pflegezulage mindestens nach Stufe III sowie die volle Ausgleichsrente zu gewähren, den Beginn der Heil- und Krankenbehandlung auf den 30.07.1996 festzusetzen, ihm seine Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab August 1996 und die von ihm gezahlten Selbstbeteiligungen für die Jahre 2002 bis 2005 zu erstatten und die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage sowie die weiteren Geldleistungen zur Auszahlung zu bringen, wurde die Berufung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG mit Beschluss vom 29.08.2005 - B 9a VG 11/05 B als unzulässig.
Mit Bescheid vom 05.08.2005 führte der Ag. das Urteil des LSG vom 13.05.2005 aus. Danach ergab sich im Hinblick auf die Ruhensvorschrift des § 65 BVG eine Nachzahlung an Pflegegeld nur für den Zeitraum von März bis August 1997. Mit Bescheid vom 30.09.2005 stellte der Ag. fest, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich seien dem Grunde nach ab 01.07.1996 gegeben. Zur Höhe dieser Leistungen wurde eine Entscheidung nur für den Zeitraum vom 01.07.1996 bis 31.12.2001 getroffen. Anspruch auf die volle Ausgleichsrente ergab sich danach erst ab Juli 2000. Für den Zeitraum vom 01.08.1996 bis 30.06.2000 errechnete sich im Hinblick auf § 65 BVG kein Zahlbetrag.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 anerkannte der Ag. auf den entsprechenden Antrag des Ast. eine weitere Schädigungsfolge, lehnte jedoch die Bewilligung einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage (nach Stufe VI) weiterhin ab. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 12.04.2006 wies der Ag. ferner die Widersprüche des Ast. gegen den Ausführungsbescheid vom 05.08.2005 und gegen den Bescheid vom 30.09.2005, mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 ferner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.03.2006 (betreffend die Schwerstbeschädigtenzulage) zurück.
Im Berufungsverfahren L 8 VG 1018/04 hatte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 18.01.2005 beantragt, dem Beklagten aufzugeben, gem. § 42 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) Vorschüsse in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR monatlich zu zahlen auf die ihm zustehenden Leistungen des Berufsschadensausgleichs, der Grundrente, der Pflegezulage nach Stufe III oder IV, der vollen Ausgleichsrente sowie der Erstattung seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung. Das "Trödeln" bei der Entscheidung über den Berufsschadenausgleich, aber auch bei den anderen gesetzlichen Leistungen sei unverantwortlich und könne nicht länger hingenommen werden. Er legte den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.01.2005 - 6 K 9/04 vor und trug vor, über seine Eigentumswohnung sei die Zwangsversteigerung angeordnet. Wegen seiner Schwerstbeschädigung und der zurückgehaltenen Zahlungen des Ag. könne er die monatlichen Abzahlungen von ca. 1.000,00 EUR nicht leisten. Auch im Hinblick auf zwei aufwändige (zahn-)ärztliche Behandlungsmaßnahmen zeichne sich eine wirtschaftliche Notlage ab. In seinem Schriftsatz vom 31.03.2005 wiederholte der Ast. seinen Antrag auf eine "Eilentscheidung des Senats".
Nach Anhörung des Ast. erklärte sich das LSG mit Beschluss vom 19.05.2005 (L 8 VG 1315/05 ER) für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als instanziell nicht zuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG.
Der Ast. trug weiter vor, der Landkreis B. habe ihm "Sozialhilfeleistungen" mit der Begründung versagt, dass zwar die Grundrente nach dem BVG (ebenso OEG) nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Dagegen müsse die Verletztenrente in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt werden.
Der Ag. trat dem Antrag entgegen. U. a. trug er vor, die Hauptfürsorgestelle habe dem Ast. ein Darlehen in Höhe von 35.000,00 EUR bewilligt, mit dem sichergestellt werden solle, dass weiterhin die Pflege im häuslichen Umfeld erhalten bleibe. Hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen sei bis zum Bescheid vom 30.09.2005 keine Entscheidung, auch nicht dem Grunde nach, möglich gewesen, da der Ast. die erforderlichen Angaben trotz mehrmaliger Erinnerung nicht gemacht habe. Aus den selben Gründen könne über den Anschlusszeitraum ab 01.01.2002 bis jetzt nicht entschieden werden.
Mit Beschluss vom 28.02.2006 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. In den Gründen legte es dar, der Ast. habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargelegt.
Gegen den ihm am 13.03.2006 zugestellten Beschluss hat der Ast. am 21.03.2006 Beschwerde bei dem SG eingelegt, das ihr nicht abgeholfen, sondern die Akten dem LSG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Der Ast. trägt vor, § 65 Abs. 1 BVG schließe den Anspruch auf OEG-Entschädigungsleistungen nicht grundsätzlich aus. Dies gelte jedenfalls für die Grundrente einschließlich der Schwerstbeschädigtenzulage, deren "Sonderform als Genugtuungsfunktion" das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 14.03.2000 ausdrücklich bestätigt habe. Dies ergebe sich bereits aus § 76 BSHG i.V.m. dem Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 GG. Wenn bei Sozialhilfeempfängern die Grundrente nach dem BVG/OEG nicht als Einkommen angerechnet werde, also neben der Sozialhilfe ausgezahlt werde, so könne die Grundrente bei Gewaltopfern, die gleichzeitig einen Arbeitsunfall erlitten hätten, wegen der Unfallversicherungsentschädigung nicht einfach wegfallen. Das Darlehen der Hauptfürsorgestelle sei zwar hilfreich und dringend notwendig gewesen, habe aber nur eine vorübergehende Entlastung gebracht. Mehr als die Hälfte davon sei inzwischen durch Verrechnung mit den Nachzahlungen (Berufsschadensausgleich bis 2001, Versorgungskrankengeld) wieder zurückgeführt worden. Die Unfallleistungen, die das SG in den Vordergrund gestellt habe, reichten nicht aus, um die Pflege im häuslichen Umfeld sicher zu stellen. Wesentliche Nachteile in gesundheitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht seien offensichtlich.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.02.2006 aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, ihm Vorschüsse in angemessenem Umfang auf die beantragten OEG-Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG kann, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt - was hier nicht der Fall ist, weil weder die aufschiebende Wirkung noch die Aufhebung oder Anordnung eines Sofortvollzugs im Streit ist - , das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da § 86 b Abs. 2 SGG der Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entspricht und die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 86 b SGG in Vornahmesachen einstweiligen Rechtsschutz in analoger Anwendung von § 123 VwGO gewährt hat, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegt (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der materiell-rechtliche Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. Binder, HK-SGG, Randnr. 32 zu § 86 b).
Hier fehlt es schon an einem Anordnungsanspruch, weil nicht wahrscheinlich ist, dass der Kläger Ansprüche auf die Zahlung von Vorschüssen gem. § 42 Abs. 1 SGB I hat, deren er sich berühmt. Nach der genannten Vorschrift kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt. Im vorliegenden Fall steht jedoch aufgrund des Urteils des 8. Senats des LSG vom 13.05.2000 - L 8 VG 1018/04 - fest, dass die in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide nur insofern rechtswidrig waren, als dem Ast. Pflegezulage lediglich nach Stufe I anstelle der ihm zustehenden Stufe II bewilligt worden ist. Pflegezulage mindestens nach Stufe III steht ihm dagegen nicht zu. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Erstattung der an das private Krankenversicherungsunternehmen gezahlten Beiträge und des jährlichen Selbstbehalts. Ferner wurde entschieden, dass der Bescheid vom 27.11.1998 auch insoweit rechtmäßig ist, als darin im Hinblick auf die Vorschrift des § 33 Abs. 4 BVG, wonach lediglich Empfänger einer Pflegezulage von mindestens Stufe III stets die volle Ausgleichsrente erhalten, und im Hinblick darauf, dass über die einkommensabhängigen Leistungen, zu denen auch die volle Ausgleichsrente gehört, noch nicht entschieden war, lediglich die Hälfte der Ausgleichsrente bewilligt worden ist. Schließlich hat der 8. Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.11.1993 - 9/9a RVg 2/92) die Anwendung des § 65 Abs. 1 BVG für rechtmäßig erachtet. Zutreffend hat er ausgeführt, soweit der Ast. einwende, dass die Grundrente nach dem BVG aufgrund ihrer Genugtuungsfunktion nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürfe, gelte dies lediglich für Leistungen, die Bedürftigkeit voraussetzen. Insoweit dürfe die Grundrente nicht als eigenes Einkommen des Beschädigten bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Davon ist jedoch der in § 65 BVG geregelte Sachverhalt zu unterscheiden. Aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 4 OEG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII bestehen bei Arbeitsunfällen dem Grunde nach sowohl Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung als auch nach dem OEG, wenn der betreffende Sachverhalt auch die Voraussetzungen des § 1 OEG erfüllt. § 65 BVG stellt aber klar, dass auch Opfer von Straftaten nicht Leistungen aus beiden Systemen nebeneinander erhalten können. Nur soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurückbleiben, sind aus diesem rein steuerfinanzierten System zusätzliche Leistungen zu erbringen. Seit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss des BSG vom 29.08.2005 ist das Urteil des 8. Senats des LSG rechtskräftig. Ob der Kläger deswegen Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt hat, ist für den Senat schon deshalb unerheblich, weil er § 65 BVG ebenso wie der 8. Senat des LSG für verfassungsmäßig hält.
Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtungsweise kann der Senat ferner nicht erkennen, dass der Bescheid vom 30.09.2005, mit dem der Ag. erstmals über die einkommensabhängigen Leistungen (volle Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich) für den Zeitraum vom 01.07.1996 bis 31.12.2001 entschieden hat, Rechtsfehler aufweist. Dass der Beklagte wiederum die Ruhensvorschrift des § 65 BVG angewandt hat, ist nach den obigen Darlegungen nicht zu beanstanden. Die Ausgleichrente wurde erstmals nach §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 und 2 BVG i.V.m. mit der Ausgleichsrentenverordnung festgestellt. Dabei ergab sich, dass dem Ast. für den Zeitraum von Juli 2000 bis Dezember 2001 Ausgleichsrente in einer Höhe zusteht, die der vollen Ausgleichsrente nahe kommt. Bei der Feststellung des Berufsschadensausgleichs hat der Beklagte zu Recht einen außerordentlichen beruflichen Erfolg bereits berücksichtigt und die Einstufung in das Vergleichseinkommen nach § 6 Abs. 3 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) vorgenommen.
Für den Zeitraum ab 01.01.2002 konnte der Ag. noch keine Entscheidung treffen. Die Gründe hierfür liegen zum Teil im Verhalten des Ast., der seiner Mitwirkungspflicht jedenfalls nicht in der bestmöglichen Weise nachgekommen ist. Ob sich bei der Feststellung der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 unter Berücksichtigung der Ruhensregelung des § 65 Abs. 1 BVG ein Zahlbetrag ergeben wird, ist völlig offen. In einer derartigen Konstellation können nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des §§ 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht bejaht werden. Zwar fordert diese Vorschrift bei wörtlicher Auslegung lediglich, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass sich auf jeden Fall ein Zahlbetrag ergeben wird und dass lediglich dessen Höhe noch nicht bestimmbar ist. Auch hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 fehlt es deshalb an einem Anordnungsanspruch, wobei offen bleiben kann, ob dem Vortrag des Ag. im Schriftsatz vom 01.02.2006 gefolgt werden kann, ein Anspruch bestehe dem Grunde nach erst dann, wenn er durch Verwaltungsakt festgestellt sei.
Ob das Regionale Jobcenter L. in dem vom Ast. vorgelegten Bescheid vom 15. 07.2005 zurecht die Verletztenrente aus der Unfallversicherung bei der Entscheidung über Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt hat, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Hiergegen vorzugehen war dem Ast. unbenommen, wie er der beigefügten Rechtsmittelbelehrung entnehmen konnte. Jedenfalls kann daraus kein Argument für die Ansicht des Ast. gewonnen werden, in seinem Fall müsse entgegen der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG von der Anwendung des § 65 BVG abgesehen werden.
In Übereinstimmung mit dem SG verneint der Senat hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 auch einen Anordnungsgrund. Aufgrund der oben skizzierten Regelung des § 3 Abs. 4 OEG befindet sich der Kläger in der Situation, dass er dem Grunde nach Leistungen aus zwei Systemen erhält. Allein dieser Umstand sollte das Auftreten existentieller Notlagen weitgehend ausschließen. Zwar hat die BG mit Bescheid vom 06.02.2006 von dem Kläger zu Unrecht erbrachte Leistungen in Höhe von 25.082,88 EUR zurückgefordert. Seit 01.03.2006 werden von der Verletztenrente des Klägers monatliche Raten von 250,00 EUR einbehalten, sodass ihm noch ein monatlicher Verletztenrentenbetrag in Höhe von 2.490,89 EUR verbleibt. Diese Rückforderung hat der Kläger jedoch - bei der gebotenen summarischen Betrachtungsweise - schuldhaft dadurch notwendig gemacht, dass er über seinen Prozessbevollmächtigten und seine Ehefrau im Jahr 2001 erklärt hat, überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen. Die Rückforderungsraten von 250,00 EUR monatlich können deshalb nach Auffassung des Senats bei der Prüfung des Anordnungsgrundes nicht berücksichtigt werden. Der aktenkundigen Auskunft der BG vom 17.01.2005 ist außerdem zu entnehmen, dass der Kläger ab 01.07.2004 Anspruch auf 818,38 EUR Pflegegeld hatte. Zusammen mit der Verletztenrente von monatlich 2.740,89 EUR ergeben sich damit Gesamtleistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von mindestens 3.559,27 EUR. In diesem Zusammenhang kann auch das dem Kläger gewährte Darlehen in Höhe von 35.000,00 EUR nicht unberücksichtigt bleiben. Dem Schriftsatz des Ag. vom 01.02.2006 entnimmt der Senat, dass dieser Kredit die Pflege im häuslichen Umfeld sicherstellen sollte. Hiermit wurde offensichtlich dem Vortrag des Klägers schon Rechnung getragen, die Unfallleistungen reichten hierzu nicht aus.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1940 geborene Antragsteller (Ast.) verfolgt das Ziel, den Antragsgegner (Ag.) durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm Vorschüsse auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu zahlen.
Der Ast. wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit Opfer einer Straftat. Er wurde von einem Geschäftspartner niedergeschossen und erlitt dabei schwere Verletzungen.
Mit Bescheid vom 27.11.1998 stellte der Ag. unter Aufhebung des Vorbehaltsbescheids vom 26.11.1997 Schädigungsfolgen nach dem OEG fest und bewilligte dem Ast. ab Juli 1996 Grundrente nach einer MdE um 100 v. H., Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V, ab März 1997 Pflegezulage nach Stufe I und die halbe Ausgleichsrente, Kinderzuschlag sowie ab Juli 1997 Ehegattenzuschlag (Gesamtbetrag ab 01.07.1997: 3.186,00 DM). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Ag. mit der Begründung zurück, Anspruch auf Pflegezulage bestehe nur nach der Stufe I. Hinsichtlich der begehrten vollen Ausgleichsrente und des Berufsschadensausgleichs sei der Widerspruch unzulässig, weil hierüber noch nicht habe entschieden werden können (Widerspruchsbescheid vom 14.03.2000). Die hiergegen erhobene Klage S 6 VG 2246/00 wies das Sozialgericht Stuttgart (SG) mit Urteil vom 12.12.2003 ab, ebenso die hierzu verbundene Klage S 6 VG 2883/02 mit welcher der Ast. die Erstattung seiner zur privaten Krankenversicherung gezahlten Beiträge sowie der ab Januar 2002 gezahlten Selbstbeteiligung begehrt hatte.
Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BG) anerkannte den Angriff auf den Kläger am 30.07.1996 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und gewährte dem Ast. aufgrund dieses Versicherungsfalls ebenfalls Leistungen. Mit Bescheid vom 01.12.2000 bewilligte die BG dem Ast. Pflegegeld nach § 44 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab 14.03.1997 unter Berücksichtigung der Zeit der stationären Behandlung. Daraufhin erließ der Ag. gegenüber dem Ast. den Bescheid vom 17.01.2001, mit dem das von der BG gezahlte Pflegegeld auf die nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG gezahlte Pflegezulage angerechnet wurde. Mit Bescheid vom 03.04.2001 bewilligte die BG dem Ast. ab 27.01.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 100 v. H. auf unbestimmte Zeit. Der Ag. hob daraufhin mit den Bescheiden vom 12.04. und 08.05.2001 den Bescheid vom 27.11.1998 und alle Folgebescheide insoweit auf, als die Zahlung der Versorgungsbezüge für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 (Bescheid vom 08.05.2001) und für die Zeit ab 01.06.2001 (Bescheid vom 12.04.2001) unter Anrechnung der von der BG gezahlten Verletztenrente berechnet und der Bescheid vom 27.11.1998 sowie die Folgebescheide insoweit abgeändert wurden. Die gegen die Bescheide vom 12.04. und 08.05.2001 eingelegten Widersprüche des Ast. wies der Ag. mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.08.2001 zurück.
Nachdem die BG die Leistungen aus der Unfallversicherung mit Bescheid vom 15.11.2001 für die Zeit ab 30.07.1996 nach Vorliegen der hierfür benötigten Einkommensnachweise erstmals endgültig festgestellt hatte, erteilte der Ag. den Bescheid vom 26.11.2001, mit dem u. a. die mit Bescheid der BG vom 15.11.2001 festgestellte höhere Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG/BVG angerechnet wurde. Im Zeitraum von Januar 1998 bis Dezember 2001 sei eine Überzahlung von 33.890,00 DM entstanden, die von der BG zu erstatten sei. Für die Zeit ab 01.01.2002 ruhe der Anspruch nach dem OEG gem. § 65 BVG in voller Höhe.
Den Antrag des Ast. vom 29.10.2001, von einer Anrechnung gem. § 65 BVG abzusehen, lehnte der Ag. mit Bescheid vom 13.02.2002 (bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 09.04.2002) ab.
Mit Urteil vom 13.05.2005 änderte der 8. Senat des Landessozialgerichts (LSG) das Urteil des SG vom 12.12.2003 ab und verurteilte den Ag., dem Ast. ab 01.03.1997 Pflegezulage nach der Stufe II zu gewähren. Soweit der Ast. beantragt hatte, ihm Pflegezulage mindestens nach Stufe III sowie die volle Ausgleichsrente zu gewähren, den Beginn der Heil- und Krankenbehandlung auf den 30.07.1996 festzusetzen, ihm seine Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab August 1996 und die von ihm gezahlten Selbstbeteiligungen für die Jahre 2002 bis 2005 zu erstatten und die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage sowie die weiteren Geldleistungen zur Auszahlung zu bringen, wurde die Berufung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG mit Beschluss vom 29.08.2005 - B 9a VG 11/05 B als unzulässig.
Mit Bescheid vom 05.08.2005 führte der Ag. das Urteil des LSG vom 13.05.2005 aus. Danach ergab sich im Hinblick auf die Ruhensvorschrift des § 65 BVG eine Nachzahlung an Pflegegeld nur für den Zeitraum von März bis August 1997. Mit Bescheid vom 30.09.2005 stellte der Ag. fest, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich seien dem Grunde nach ab 01.07.1996 gegeben. Zur Höhe dieser Leistungen wurde eine Entscheidung nur für den Zeitraum vom 01.07.1996 bis 31.12.2001 getroffen. Anspruch auf die volle Ausgleichsrente ergab sich danach erst ab Juli 2000. Für den Zeitraum vom 01.08.1996 bis 30.06.2000 errechnete sich im Hinblick auf § 65 BVG kein Zahlbetrag.
Mit Bescheid vom 27.03.2006 anerkannte der Ag. auf den entsprechenden Antrag des Ast. eine weitere Schädigungsfolge, lehnte jedoch die Bewilligung einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage (nach Stufe VI) weiterhin ab. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 12.04.2006 wies der Ag. ferner die Widersprüche des Ast. gegen den Ausführungsbescheid vom 05.08.2005 und gegen den Bescheid vom 30.09.2005, mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 ferner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.03.2006 (betreffend die Schwerstbeschädigtenzulage) zurück.
Im Berufungsverfahren L 8 VG 1018/04 hatte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 18.01.2005 beantragt, dem Beklagten aufzugeben, gem. § 42 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) Vorschüsse in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR monatlich zu zahlen auf die ihm zustehenden Leistungen des Berufsschadensausgleichs, der Grundrente, der Pflegezulage nach Stufe III oder IV, der vollen Ausgleichsrente sowie der Erstattung seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung. Das "Trödeln" bei der Entscheidung über den Berufsschadenausgleich, aber auch bei den anderen gesetzlichen Leistungen sei unverantwortlich und könne nicht länger hingenommen werden. Er legte den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.01.2005 - 6 K 9/04 vor und trug vor, über seine Eigentumswohnung sei die Zwangsversteigerung angeordnet. Wegen seiner Schwerstbeschädigung und der zurückgehaltenen Zahlungen des Ag. könne er die monatlichen Abzahlungen von ca. 1.000,00 EUR nicht leisten. Auch im Hinblick auf zwei aufwändige (zahn-)ärztliche Behandlungsmaßnahmen zeichne sich eine wirtschaftliche Notlage ab. In seinem Schriftsatz vom 31.03.2005 wiederholte der Ast. seinen Antrag auf eine "Eilentscheidung des Senats".
Nach Anhörung des Ast. erklärte sich das LSG mit Beschluss vom 19.05.2005 (L 8 VG 1315/05 ER) für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als instanziell nicht zuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG.
Der Ast. trug weiter vor, der Landkreis B. habe ihm "Sozialhilfeleistungen" mit der Begründung versagt, dass zwar die Grundrente nach dem BVG (ebenso OEG) nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Dagegen müsse die Verletztenrente in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt werden.
Der Ag. trat dem Antrag entgegen. U. a. trug er vor, die Hauptfürsorgestelle habe dem Ast. ein Darlehen in Höhe von 35.000,00 EUR bewilligt, mit dem sichergestellt werden solle, dass weiterhin die Pflege im häuslichen Umfeld erhalten bleibe. Hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen sei bis zum Bescheid vom 30.09.2005 keine Entscheidung, auch nicht dem Grunde nach, möglich gewesen, da der Ast. die erforderlichen Angaben trotz mehrmaliger Erinnerung nicht gemacht habe. Aus den selben Gründen könne über den Anschlusszeitraum ab 01.01.2002 bis jetzt nicht entschieden werden.
Mit Beschluss vom 28.02.2006 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. In den Gründen legte es dar, der Ast. habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargelegt.
Gegen den ihm am 13.03.2006 zugestellten Beschluss hat der Ast. am 21.03.2006 Beschwerde bei dem SG eingelegt, das ihr nicht abgeholfen, sondern die Akten dem LSG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Der Ast. trägt vor, § 65 Abs. 1 BVG schließe den Anspruch auf OEG-Entschädigungsleistungen nicht grundsätzlich aus. Dies gelte jedenfalls für die Grundrente einschließlich der Schwerstbeschädigtenzulage, deren "Sonderform als Genugtuungsfunktion" das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 14.03.2000 ausdrücklich bestätigt habe. Dies ergebe sich bereits aus § 76 BSHG i.V.m. dem Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 GG. Wenn bei Sozialhilfeempfängern die Grundrente nach dem BVG/OEG nicht als Einkommen angerechnet werde, also neben der Sozialhilfe ausgezahlt werde, so könne die Grundrente bei Gewaltopfern, die gleichzeitig einen Arbeitsunfall erlitten hätten, wegen der Unfallversicherungsentschädigung nicht einfach wegfallen. Das Darlehen der Hauptfürsorgestelle sei zwar hilfreich und dringend notwendig gewesen, habe aber nur eine vorübergehende Entlastung gebracht. Mehr als die Hälfte davon sei inzwischen durch Verrechnung mit den Nachzahlungen (Berufsschadensausgleich bis 2001, Versorgungskrankengeld) wieder zurückgeführt worden. Die Unfallleistungen, die das SG in den Vordergrund gestellt habe, reichten nicht aus, um die Pflege im häuslichen Umfeld sicher zu stellen. Wesentliche Nachteile in gesundheitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht seien offensichtlich.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.02.2006 aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, ihm Vorschüsse in angemessenem Umfang auf die beantragten OEG-Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG kann, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt - was hier nicht der Fall ist, weil weder die aufschiebende Wirkung noch die Aufhebung oder Anordnung eines Sofortvollzugs im Streit ist - , das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da § 86 b Abs. 2 SGG der Vorschrift des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entspricht und die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 86 b SGG in Vornahmesachen einstweiligen Rechtsschutz in analoger Anwendung von § 123 VwGO gewährt hat, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegt (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund). Ein Anordnungsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der materiell-rechtliche Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. Binder, HK-SGG, Randnr. 32 zu § 86 b).
Hier fehlt es schon an einem Anordnungsanspruch, weil nicht wahrscheinlich ist, dass der Kläger Ansprüche auf die Zahlung von Vorschüssen gem. § 42 Abs. 1 SGB I hat, deren er sich berühmt. Nach der genannten Vorschrift kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt. Im vorliegenden Fall steht jedoch aufgrund des Urteils des 8. Senats des LSG vom 13.05.2000 - L 8 VG 1018/04 - fest, dass die in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide nur insofern rechtswidrig waren, als dem Ast. Pflegezulage lediglich nach Stufe I anstelle der ihm zustehenden Stufe II bewilligt worden ist. Pflegezulage mindestens nach Stufe III steht ihm dagegen nicht zu. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Erstattung der an das private Krankenversicherungsunternehmen gezahlten Beiträge und des jährlichen Selbstbehalts. Ferner wurde entschieden, dass der Bescheid vom 27.11.1998 auch insoweit rechtmäßig ist, als darin im Hinblick auf die Vorschrift des § 33 Abs. 4 BVG, wonach lediglich Empfänger einer Pflegezulage von mindestens Stufe III stets die volle Ausgleichsrente erhalten, und im Hinblick darauf, dass über die einkommensabhängigen Leistungen, zu denen auch die volle Ausgleichsrente gehört, noch nicht entschieden war, lediglich die Hälfte der Ausgleichsrente bewilligt worden ist. Schließlich hat der 8. Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.11.1993 - 9/9a RVg 2/92) die Anwendung des § 65 Abs. 1 BVG für rechtmäßig erachtet. Zutreffend hat er ausgeführt, soweit der Ast. einwende, dass die Grundrente nach dem BVG aufgrund ihrer Genugtuungsfunktion nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürfe, gelte dies lediglich für Leistungen, die Bedürftigkeit voraussetzen. Insoweit dürfe die Grundrente nicht als eigenes Einkommen des Beschädigten bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Davon ist jedoch der in § 65 BVG geregelte Sachverhalt zu unterscheiden. Aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 4 OEG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII bestehen bei Arbeitsunfällen dem Grunde nach sowohl Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung als auch nach dem OEG, wenn der betreffende Sachverhalt auch die Voraussetzungen des § 1 OEG erfüllt. § 65 BVG stellt aber klar, dass auch Opfer von Straftaten nicht Leistungen aus beiden Systemen nebeneinander erhalten können. Nur soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurückbleiben, sind aus diesem rein steuerfinanzierten System zusätzliche Leistungen zu erbringen. Seit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss des BSG vom 29.08.2005 ist das Urteil des 8. Senats des LSG rechtskräftig. Ob der Kläger deswegen Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt hat, ist für den Senat schon deshalb unerheblich, weil er § 65 BVG ebenso wie der 8. Senat des LSG für verfassungsmäßig hält.
Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtungsweise kann der Senat ferner nicht erkennen, dass der Bescheid vom 30.09.2005, mit dem der Ag. erstmals über die einkommensabhängigen Leistungen (volle Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich) für den Zeitraum vom 01.07.1996 bis 31.12.2001 entschieden hat, Rechtsfehler aufweist. Dass der Beklagte wiederum die Ruhensvorschrift des § 65 BVG angewandt hat, ist nach den obigen Darlegungen nicht zu beanstanden. Die Ausgleichrente wurde erstmals nach §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 und 2 BVG i.V.m. mit der Ausgleichsrentenverordnung festgestellt. Dabei ergab sich, dass dem Ast. für den Zeitraum von Juli 2000 bis Dezember 2001 Ausgleichsrente in einer Höhe zusteht, die der vollen Ausgleichsrente nahe kommt. Bei der Feststellung des Berufsschadensausgleichs hat der Beklagte zu Recht einen außerordentlichen beruflichen Erfolg bereits berücksichtigt und die Einstufung in das Vergleichseinkommen nach § 6 Abs. 3 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) vorgenommen.
Für den Zeitraum ab 01.01.2002 konnte der Ag. noch keine Entscheidung treffen. Die Gründe hierfür liegen zum Teil im Verhalten des Ast., der seiner Mitwirkungspflicht jedenfalls nicht in der bestmöglichen Weise nachgekommen ist. Ob sich bei der Feststellung der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 unter Berücksichtigung der Ruhensregelung des § 65 Abs. 1 BVG ein Zahlbetrag ergeben wird, ist völlig offen. In einer derartigen Konstellation können nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des §§ 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht bejaht werden. Zwar fordert diese Vorschrift bei wörtlicher Auslegung lediglich, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass sich auf jeden Fall ein Zahlbetrag ergeben wird und dass lediglich dessen Höhe noch nicht bestimmbar ist. Auch hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 fehlt es deshalb an einem Anordnungsanspruch, wobei offen bleiben kann, ob dem Vortrag des Ag. im Schriftsatz vom 01.02.2006 gefolgt werden kann, ein Anspruch bestehe dem Grunde nach erst dann, wenn er durch Verwaltungsakt festgestellt sei.
Ob das Regionale Jobcenter L. in dem vom Ast. vorgelegten Bescheid vom 15. 07.2005 zurecht die Verletztenrente aus der Unfallversicherung bei der Entscheidung über Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt hat, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Hiergegen vorzugehen war dem Ast. unbenommen, wie er der beigefügten Rechtsmittelbelehrung entnehmen konnte. Jedenfalls kann daraus kein Argument für die Ansicht des Ast. gewonnen werden, in seinem Fall müsse entgegen der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG von der Anwendung des § 65 BVG abgesehen werden.
In Übereinstimmung mit dem SG verneint der Senat hinsichtlich der einkommensabhängigen Leistungen ab 01.01.2002 auch einen Anordnungsgrund. Aufgrund der oben skizzierten Regelung des § 3 Abs. 4 OEG befindet sich der Kläger in der Situation, dass er dem Grunde nach Leistungen aus zwei Systemen erhält. Allein dieser Umstand sollte das Auftreten existentieller Notlagen weitgehend ausschließen. Zwar hat die BG mit Bescheid vom 06.02.2006 von dem Kläger zu Unrecht erbrachte Leistungen in Höhe von 25.082,88 EUR zurückgefordert. Seit 01.03.2006 werden von der Verletztenrente des Klägers monatliche Raten von 250,00 EUR einbehalten, sodass ihm noch ein monatlicher Verletztenrentenbetrag in Höhe von 2.490,89 EUR verbleibt. Diese Rückforderung hat der Kläger jedoch - bei der gebotenen summarischen Betrachtungsweise - schuldhaft dadurch notwendig gemacht, dass er über seinen Prozessbevollmächtigten und seine Ehefrau im Jahr 2001 erklärt hat, überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen. Die Rückforderungsraten von 250,00 EUR monatlich können deshalb nach Auffassung des Senats bei der Prüfung des Anordnungsgrundes nicht berücksichtigt werden. Der aktenkundigen Auskunft der BG vom 17.01.2005 ist außerdem zu entnehmen, dass der Kläger ab 01.07.2004 Anspruch auf 818,38 EUR Pflegegeld hatte. Zusammen mit der Verletztenrente von monatlich 2.740,89 EUR ergeben sich damit Gesamtleistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von mindestens 3.559,27 EUR. In diesem Zusammenhang kann auch das dem Kläger gewährte Darlehen in Höhe von 35.000,00 EUR nicht unberücksichtigt bleiben. Dem Schriftsatz des Ag. vom 01.02.2006 entnimmt der Senat, dass dieser Kredit die Pflege im häuslichen Umfeld sicherstellen sollte. Hiermit wurde offensichtlich dem Vortrag des Klägers schon Rechnung getragen, die Unfallleistungen reichten hierzu nicht aus.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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