L 3 R 5144/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 7114/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 5144/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 4.4.1951 geborene Klägerin verfügt nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt als angelernte Näherin versicherungspflichtig beschäftigt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Aktenteil 25 der Rentenakte Bezug genommen).

Nach bestandskräftiger Ablehnung eines ersten Rentenantrags vom Dezember 1997 (Bescheid vom 4.2.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.1998 und Rücknahme der beim Sozialgericht Stuttgart [SG] im Verfahren S 11 RJ 1597/98 erhobenen Klage) und Durchführung einer stationären Heilbehandlung vom 21.2. bis 3.3.2000 im Zentrum für ambulante Rehabilitation in Stuttgart, aus der sie als arbeitsunfähig, aber mit der Leistungsbeurteilung entlassen worden war, sowohl die bisherige Tätigkeit, als auch mittelschwere Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden, beantragte die Klägerin am 6.6.2000 erneut die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Nach Durchführung einer internistisch/sozialmedizinischen Begutachtung durch Dr. S. (Gutachten vom 22.9.2000 mit dem Ergebnis eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 5.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 ab.

Dagegen hat die Klägerin am 25.12.2000 beim SG Klage erhoben, mit der sie ihr Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat in die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten der erteilten Auskünfte bzw. vorgelegten Bescheinigungen wird auf Blatt 27/33, 41/42, 67/69, 80, 94/95 sowie 153/159 der SG-Akte Bezug genommen).

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. C. vom 18.6.2003. Diagnostiziert worden ist eine Somatisierungsstörung sowie ein Analgetikamissbrauch. Eine wesentliche qualitative oder quantitative Leistungseinschränkung sei nicht nachweisbar, zumal auch nach einer ca. fünf Stunden dauernden Untersuchung ein agiles Spontanverhalten sowie eine gute Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit bestanden hätten. Festgestellt worden ist eine deutliche Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung bei nicht ausgeschlossener Aggravation. Leichte Tätigkeiten könnten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen und einer stufenweise Wiedereingliederung vollschichtig verrichtet werden. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 29.10.2003 hat der Sachverständige unter Berücksichtigung der Einwendungen insbesondere des behandelnden Nervenarztes an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.

Vom SG eingeholt worden ist ferner das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. B. vom 26.8.2003. Erhoben worden sind Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule bei radiologisch unauffälligem Befund und klinisch freier Beweglichkeit ohne Nervenwurzelreizzeichen, Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule bei geringen degenerativen Veränderungen und leichter Seitabweichung der Wirbelsäule ohne momentane Funktionseinschränkung und Nervenwurzelreizsymptomatik, Schmerzen im Bereich der linken Hüfte bei Innenrotation mit geringer Randzackenbildung im Bereich der Pfannendächer, die das altersentsprechende Ausmaß nicht überschritten, ein Spreizfuß beidseits mit deutlicher vermehrter Beschwielung sowie eine deutliche psychische Überlagerung bei bekannter Depression. Die Leistungseinschränkung hat im Wesentlichen dem Vorgutachten entsprochen.

Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 2.12.2003 abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Klägerin die ihr damit noch zumutbaren unbenannten leichten Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Gefolgt werde den eingeholten Sachverständigengutachten und nicht den Einschätzungen der behandelnden Ärzte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 8.12.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.12.2003 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren im Wesentlichen gestützt auf eine gutachterliche Stellungnahme des behandelnden Psychiaters Dr. L. und der Hausärztin Dr. A. (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 24/25 und 27 der LSG-Akte) weiterverfolgt hat.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. P. vom 15.3.2005. Wegen des im Rahmen der Begutachtung erhobenen Tagesablaufs und des Sozialverhaltens der Klägerin sowie deren gutachterlichen Würdigung wird auf Blatt 46/47, 51/52 und 59 der LSG-Akte Bezug genommen. Der Sachverständige erhebt eine Somatisierungsstörung bei ängstlicher Persönlichkeit mit asthenischen und passiven Zügen ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Es bestehe eine Aggravation. Leichte Tätigkeiten könnten bei Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden.

Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des weiteren nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. U. vom 25.11.2005. Wegen der von diesem Sachverständigen erhobenen Tagesstruktur wird insbesondere auf Blatt 85/87 der LSG-Akte Bezug genommen. Dieser Sachverständige erhebt auf nervenärztlichem Gebiet eine langjährig chronifizierte ängstlich-neurotische-depressive Fehlentwicklung bei retentiv-histrionischer Persönlichkeitsstörung, multiple Gelenk- und Muskelschmerzen, die auf eine rheumatische Erkrankung bzw. ein Fibromyalgiesyndrom zurückzuführen seien und durch eine somatoforme Schmerzstörung und eine Polyneuropathie überlagert und verstärkt würden. Ferner bestehe eine Dyssomnie mit Tagesmüdigkeit. Selbst Leichte Tätigkeiten könnten nur noch bis zu zwei Stunden am Tag verrichtet werden.

Letzterer Leistungseinschätzung tritt die Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 3.1.2006 entgegen. Darin wird u. a. auf die Abweichungen zu den Vorgutachten hinsichtlich der Tagesstruktur, des Sozialverhaltens und der Interessenlage sowie der kognitiven Beeinträchtigung hingewiesen und angemerkt, dass testdiagnostische Untersuchungen nur sehr bedingt verwertbar seien, da sie ganz entscheidend von der Mitarbeit abhängig seien.

Schließlich hat der Senat noch das nervenärztliche Sachverständigengutachten von Prof. Dr. T. vom 13.3.2006 eingeholt. Hinsichtlich Tagesablauf und Sozialverhalten wird insbesondere auf Blatt 159/161, hinsichtlich des Ergebnisses der testpsychologischen Untersuchung und deren Würdigung auf Blatt 173/174 und hinsichtlich der Würdigung der körperlichen und nervenärztlichen Befunde auf Blatt 176 der LSG-Akte Bezug genommen. Psychiatrischerseits bestünden keine Störungen. Der psychopathologische Befund lasse nicht den Schluss auf eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit zu. Leichte Tätigkeiten, eine Pförtnertätigkeit und die zuletzt verrichtete Tätigkeit könnten vollschichtig verrichtet werden. Es bestehe Wegefähigkeit.

Zuletzt hat der Senat im Hinblick auf das von der Klägerin geltend gemachte Auftreten einer "neuen Erkrankung" die behandelnde Ärztin Dr. A. befragt, die unter dem 7.7.2006 über eine etwa seit Anfang 2006 aufgetretene polytope Tendomyopathie, Fingerpolyarthrose und somatisierte Depression mit chronischen Schmerzzuständen berichtet.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2000 zu verurteilen, ihr Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung, weil sie nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).

Nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen und auch unter Berücksichtigung der vom Senat zuletzt eingeholten Auskunft von Dr. A. ist das berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin entscheidend geprägt durch das Vorliegen multipler und psychisch überlagerter Gelenk- und Muskelbeschwerden. Offen bleiben kann, ob vorliegend von einer Somatisierungsstörung, somatoformen Schmerzstörung oder einer Fibromyalgie auszugehen ist. Allein entscheidend ist, welche Befunde bzw. Funktionseinschränkungen vorliegen und welche Rückschlüsse auf das berufliche Restleistungsvermögen diese zulassen. Im Einzelnen ist bei Krankheitsbildern der vorliegenden Art Folgendes zu beachten:

Die sozialmedizinische Beurteilung bei Somatisierungsstörungen erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).

Hinsichtlich der Auswirkungen von Schmerzen auf die Erwerbsfähigkeit ist zu beachten, dass je nach Ausprägung der Schmerzsymptomatik die Konzentration deutlich beeinträchtigt sein kann, es können auch kognitive Störungen auftreten. Antriebstörungen, Störungen der Vitalgefühle und weitere depressive Symptome sind häufig vorhanden, bei entsprechendem Schweregrad auch suizidale Tendenzen. Chronische Schmerzen können die Möglichkeit der Betroffenen an Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen beeinträchtigen. Es kann zu einem zunehmenden sozialen Rückzug kommen, da die Betroffenen gegebenenfalls ihre körperlichen Aktivitäten einschränken, gewissermaßen ihre gesamte Lebensgestaltung dem chronischen Schmerz unterordnen.

Für die Leistungsbeurteilung ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, dass der Gutachter die Entwicklung der Schmerzsymptomatik und ihre Auswirkungen insbesondere auf dem Bereich der sozialen Möglichkeiten und Aktivitäten bei dem Probanden differenziert erfragt. Eine exakte Erhebung und Darstellung der medikamentösen Therapie (unter Umständen einer vorhandenen Medikamentenabhängigkeit) ist ebenso erforderlich wie die Einsichtnahme in ein eventuell vorhandenes Schmerztagebuch. Erfragt werden muss differenziert der Tagesablauf des Probanden, weil sich hier unter Umständen Hinweise auf Partizipationsstörungen ergeben. Das Fehlen einer objektiven Messmethode zur Quantifizierung des Schmerzes erschwert die Leistungsbeurteilung dieser Probanden, auch die Verwendung entsprechender Schmerzskalen in der Leistungsbeurteilung ist nicht zielführend, sodass der Gutachter nur durch eine umfassende und auch zeitlich umfangreiche Befragung des Probanden eine nachvollziehbare und zutreffende Beurteilung abgeben kann. Zu beurteilen sind neben dem Ausmaß der psychopathologischen Auffälligkeiten und dem eventuell bestehenden Ausmaß einer schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderung die Fragen nach einer eventuell stattgefundenen Adaption an die Symptomatik bzw. nach bisher vom Probanden eingeschlagenen Coping-Strategien (Empfehlung für die sozialmedizinische Beurteilung bei chronischen Schmerzsyndromen DRV-Schriften, Band 30, S. 51/52).

Auch bei einem Fibromyalgiesyndrom liegt nicht automatisch Erwerbsunfähigkeit vor. So bleibt in vielen Fällen von Versicherten mit einem Fibromyalgiesyndrom eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten erhalten. Maßgeblich für die deshalb auch in Fällen von Fibromyalgie notwendige Beurteilung der Restleistungsfähigkeit nach den vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen sind zunächst z. B. der Nachweis von vegetativen Zeichen von Seiten des Herzens und des Darms - wie sie typischerweise mit dem Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms einhergehen - und das Vorliegen von nervenärztlicherseits zu beurteilenden Befunden (z. B. einer depressiven Störung) und deren Schweregrad (der sich im Wesentlichen wiederum nach dem Umfang einer Leistungsreduktion im Bereich häuslicher Aufgaben und im Bereich persönlicher Verrichtungen sowie des sozialen Umfelds beurteilt) sowie das Vorhandensein zusätzlicher Faktoren (sogenannter Konvergenzfaktoren). Ferner kommt es auf den Schweregrad des Fibromyalgiesyndroms an (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 22.1.2003 - L 3 RJ 1400/00 mwN).

Die Würdigung des sonach ganz entscheidenden Freizeit- und Sozialverhaltens der Klägerin sowie deren Tagesstruktur, aber auch des Leistungsverhaltens während der Begutachtung ergibt hier nach Auffassung des Senats sicherlich gewisse Einschränkungen sowohl im Bereich von Tagesaktivitäten und Partizipation als auch im Bereich von Konzentration und Durchhaltevermögen, jedoch sind dieser Einschränkungen zur Überzeugung des Senats nicht derart weitgehend, dass hier im oben beschriebenen Sinne von einer vita minima bzw. z. B. davon gesprochen werden könnte, dass die Klägerin ihre gesamte Lebensgestaltung nur noch dem chronischen Schmerzgeschehen unterordnet.

Bei kritischer Würdigung insbesondere der in den Sachverständigengutachten erhobenen Befunde ist hier vielmehr noch von ausreichend erhaltenen Aktivitäten insbesondere im Bereich von Haushalt und Hobbys und weder von allgemeiner Interesselosigkeit noch von deutlichen bzw. rentenrechtlich relevanten Einschränkungen im Bereich von Konzentration und Aufmerksamkeit auszugehen. Die Klägerin pflegt auch noch Kontakte. Insbesondere unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens von Dr. T. ist zu Überzeugung des Senats jedenfalls auch ausgeschlossen, dass bei der Klägerin eine schwerwiegendere Depression besteht. Auch Dr. P. hat eine tiefgreifende depressive Herabstimmung verneint.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass die Begutachtungen Aggravation und Diskrepanzen zwischen der Eigen- und Fremdbeurteilung erbracht haben. Selbst Dr. U., der zwar eine plump-massive Aggravation ausgeschlossen hat, spricht von einer - verständlichen - Verdeutlichungstendenz. Im Ergebnis ist danach jedenfalls eine solche Verdeutlichungstendenz zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, weshalb den Beschwerdeangaben der Klägerin und ihren Schilderungen deswegen bestehender Einschränkungen, also ihrer Selbsteinschätzung, jedenfalls nicht der volle Beweiswert zukommen kann. Nur eingeschränkt verwertbar sind deshalb auch gezeigte Defizite bei testpsychologischen Untersuchungen wie z. B. den von Dr. U. vermutenden Leistungsabfall nach 10 Minuten oder die von der Klägerin anlässlich seiner Untersuchung gezeigten - gegenüber den anderen Gutachten - weiter gehenden Einschränkungen im Bereich von Beschäftigung und Selbstversorgung. Das von Dr. U. festgestellte Fehlen sozialer Kontakte ist vor dem Hintergrund der in den anderen Gutachten getroffenen Feststellungen ohnehin nicht haltbar.

Eine gesteigerte Bedeutung kommt demgegenüber z. B. dem Umstand zu, dass Dr. C. auch nach einer ca. fünf Stunden dauernden Untersuchung noch ein agiles Spontanverhalten sowie eine gute Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit feststellen konnte. Es kam zu keiner wesentlichen körperlichen oder psychischen Erschöpfung. Herausgestellt wurden eine hohe Vigilanz und eine geradezu "kämpferische" Art, ihr Anliegen zu vertreten. Dr. P. konnte ebenfalls keine sich im Rahmen einfacher leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts negativ auswirkende Störung zum Beispiel der Auffassungsfähigkeit und der Redaktionsbereitschaft feststellen. Auch Prof. Dr. T. hat hervorgehoben, dass Konzentration und Aufmerksamkeit trotz der Untersuchungsdauer nicht wesentlich vermindert gewesen seien. Er hat eine durchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit sowie ein durchschnittliches Leistungsprofil erhoben. Schließlich hat sogar Dr. U. zusammenfassend lediglich Hinweise auf mäßige kognitive Leistungsstörungen sowohl im Bereich des Frischgedächtnisses als auch des Konzentrationsvermögens erhoben.

Nicht zuletzt hat Prof. Dr. T. anlässlich der Untersuchung weder eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit noch schmerzbedingte Schonhaltungen oder Einschränkungen beobachtet. Dem entsprechend versorgt sich die Klägerin - mit Einschränkungen - im Wesentlichen noch selbst. Mit der weitgehend problemlosen Wahrnehmung z. T. räumlich erheblich entfernter Untersuchungstermine hat die Klägerin auch eine ausreichende Mobilität unter Beweis gestellt. Sie wurde von Dr. P. außerhalb der Untersuchungssituation ausdrücklich als wesentlich weniger beeinträchtigt beobachtet als von der Klägerin in der Untersuchungssituation gezeigt.

Im Ergebnis folgt der Senat damit den Leistungsbeurteilungen in den Sachverständigengutachten von Dr. C., Dr. B., Dr. P. und Prof. Dr. T ... Danach bedingen die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach den Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von diesen Sachverständigen vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes aus den dargelegten Gründen für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch Dr. U. und die behandelnden Ärzte erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt. Nach Auffassung des Senats hat Dr. U. den gezeigten Verdeutlichungstendenzen zu wenig Bedeutung beigemessen und hat vor diesem Hintergrund insbesondere die Selbsteinschätzung der Klägerin (u. a.: sie erreiche im Alltagsleben nur noch ca. 20 Prozent der vollen Funktionsfähigkeit) zu unkritisch in seine Leistungsbeurteilung eines nur noch zweistündigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts übernommen. Entgegen der von Dr. U. vorgenommenen Einschätzung und der Beurteilung der übrigen Sachverständigen folgend verneint der Senat aus den selben Gründen auch das Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Wegefähigkeit.

Im Rahmen der der Klägerin zugemuteten leichten Tätigkeiten ist keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. keine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu beachten, die dazu zwingen würde, unter diesem Gesichtspunkt eine konkrete Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu benennen, die die vollschichtig arbeitsfähige Klägerin noch verrichten kann, bzw. zu prüfen, inwiefern derartige Arbeitsplätze überhaupt vorhanden sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 75, 81, 90, 104, 117, 136).

Nur ausnahmsweise u.a. in diesen Fällen ist nämlich auch für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten mit vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist (BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 50). In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O. mwN), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr muss eine Verweisungstätigkeit erst benannt werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger und außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Tätigkeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen, und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den wesentlichen qualitativen Einschränkungen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. Die übrigen qualitativen Einschränkungen engen das Arbeitsfeld der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darüber hinaus nicht in ungewöhnlicher Weise weiter ein.

Zwar verneint der Senat damit das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. oben), verkennt dabei aber nicht, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in mehrfacher Hinsicht qualitativ eingeschränkt ist. Gleichwohl ist ihr der allgemeine Arbeitsmarkt deshalb nicht verschlossen. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist nämlich nicht ersichtlich, warum die Klägerin nicht mehr fähig sein soll, beispielsweise Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und/oder Etikettierarbeiten vollschichtig zu verrichten. Derartige Tätigkeiten erfordern kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg, sind in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung nach dem individuellen Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen ausführbar und werden in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt (vgl. Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg [LSG] vom 28.08.2001 - L 9 RJ 2798/00 - und - L 9 RJ 1657/01 - mwN).

Ferner kommt z.B. die vom Senat in das Verfahren eingeführte Verweisungstätigkeit einer Pförtnerin an einer Nebenpforte in Betracht, im Rahmen derer die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen Berücksichtigung finden. Dies hat Prof. Dr. T. ausdrücklich bestätigt.

Entsprechende Tätigkeiten sind im Lohngruppenverzeichnis i.d.F. des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom 22.3.1991 des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter der Länder II der Lohngruppe 2 (Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist - Ziff. 1.9) zugeordnet.

Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitarbeiter passieren zu lassen (vgl. BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 - und Urteil des 2. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte erfordern auch keine besonderen sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen.

Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Die Klägerin könnte deshalb in einem Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Pförtnertätigkeiten eignen sich auch für Personen, deren Hebe- und Tragefähigkeit eingeschränkt ist, weil derartige Einschränkungen sich - je nach konkretem Arbeitsplatz - berücksichtigen lassen (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger und in der Schlüsselverwaltung Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -, gestützt auf entsprechende berufskundliche Feststellungen des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg). Es gibt nach Feststellungen des Berufsverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. sogar Tätigkeiten im Pfortenbereich, die lediglich im Sitzen ausgeführt werden können und bei denen der Pförtner nur auf ein Klingelzeichen hin die Tür öffnen muss. Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass selbst eine erhebliche Beeinträchtigung mit einer dadurch bedingten eingeschränkten Beweglichkeit und der Unfähigkeit, Lasten von mindestens 5 kg zu heben oder zu tragen, ihrer Art nach selbst bei Eintritt einer Verschlimmerung einer Pförtnertätigkeit der beschriebenen Art nicht entgegensteht (Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.2004 - L 3 RJ 1120/03 -).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht über die für die Tätigkeit als Pförtner notwendige Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit verfügt, sind aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht ersichtlich. Z. B. Dr. P. hat ausdrücklich tiefgreifende Auffassungs-, Einstellungs - oder Umstellungserschwernisse verneint.

Arbeitsplätze als Pförtner sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl vorhanden und sind nicht nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten, sondern werden auch mit Bewerbern vom freien Arbeitsmarkt besetzt (vgl. Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -). Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass die Klägerin möglicherweise keinen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und vom 21.7.1992 - 3 RA 13/91 -). Ebenso ist nicht festzustellen, ob die Klägerin aus der genannten Verweisungstätigkeit die "erforderliche Lohnhälfte" seines bisherigen Bruttoeinkommens erzielen kann, denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass Versicherte, die - wie die Klägerin- eine ihnen zumutbare Verweisungstätigkeit vollschichtig und regelmäßig verrichten können, damit auch in der Lage sind, die gesetzliche Lohnhälfte zu verdienen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 60 und BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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