Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 SO 190/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 28/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage der Kostenträgerschaft für den Aufenthalt des Hilfeempfängers H. F. (HE) im E.-Haus, P.platz, A. , in der Zeit vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 gemäß § 72 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. § 67 Satz 1, § 68 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1967 geborene HE lebte 1990 in B. , verließ 1991 die Bundesrepublik Deutschland und hielt sich längere Zeit im Ausland auf, unterbrochen durch Inhaltsaufenthalte, etwa vom 18.01.1999 bis 30.04.1999 im B.-Haus, M ... Ab Juli 2002 bis 06.11.2002 befand sich der HE in Auslieferungshaft in Österreich, von wo er am 06.11.2002 in die Justizvollzugsanstalt M. , S. Str., M. , wechselte. Dort hielt er sich bis zum 24.08.2004 auf. In der Folgezeit vom 24.08.2004 bis zum 31.01.2005 war er im E.-Haus, A. , untergebracht.
Der HE beantragte hierfür die Kostenübernahme am 04.08.2004 über den Sozialdienst der Haftanstalt beim Beklagten. Der leitete den Antrag auf Kostenübernahme an den Kläger weiter, wo dieser am 06.08.2004 einging. Der Kläger erklärte gegenüber dem HE am 11.08.2005 die vorläufige Kostenübernahme für die Unterbringung.
Bereits mit Schreiben vom 07.09.2004 bat der Kläger den Beklagten um Bearbeitung des Hilfefalles in eigener Zuständigkeit. Der Beklagte sandte die Antragsunterlagen mit Antwortschreiben vom 17.09.2004 an den Kläger zurück. Die Aufnahme des HE in einer oberpfälzer Einrichtung sei nur möglich geworden, weil der Kläger eine vorläufige Kostenzusage abgegeben habe. Die Auffassung des Klägers hätte zur Folge, dass Insassen oberbayerischer Justizvollzugsanstalten nicht mehr in oberpfälzer Einrichtungen aufgenommen werden könnten.
Der Kläger bewilligte "in Vorleistung gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)" dem HE mit Bescheid vom 14.10.2004 Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 72 BSHG für die Zeit vom 24.08.2004 bis vorerst 30.11.2004. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Mit Schreiben vom gleichen Tag bat er den Beklagten um Kostenanerkenntnis. Örtlich zuständig sei der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der HE tatsächlich aufhalte. Der Beklagte verwies den Kläger mit Antwortschreiben vom 21.10.2004 auf seine unter dem 17.09.2004 geäußerte Rechtsauffassung, an der er festhalte. Gegenüber dem HE erklärte der Kläger am 28.12.2004 die Verlängerung der Kostenübernahme für die Zeit vom 01.12.2004 bis vorerst 28.02.2005 und bewilligte die Hilfe für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 04.01.2005.
Am 17.03.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.08.2005 an das Sozialgericht München (SG) verwies. Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihm die für den HE in der Zeit vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 erbrachten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 8.323,17 EUR zuzügl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten. Der Beklagte sei der zuständige Kostenträger. Aus der Tatsache, dass der HE sich zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich noch in M. aufgehalten habe, könne eine örtliche Zuständigkeit des Klägers nicht hergeleitet werden. § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umfasse auch Fälle, in denen ein Leistungsträger bei ungeklärter Zuständigkeit leiste, um einer Benachteiligung des Leistungsberechtigten vorzubeugen.
Der Beklagte stimmt mit dem Kläger dahin überein, dass der HE vor der Aufnahme in die Einrichtung am 24.08.2004 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet habe. Der HE habe unmittelbar im Anschluss an seine Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt M. der Unterbringung in einer Einrichtung zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bedurft.
Mit Urteil vom 25.10.2005 verpflichtete das SG den Beklagten, an den Kläger 8.323,17 EUR zuzügl. Zinsen in Höhe von 5 vH über dem Basiszinssatz ab 17.03.2005 zu zahlen. Dem Kläger stehe ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 SGB X zur Seite. Der Beklagte sei seinerzeit für den Hilfefall örtlich zuständig gewesen. Die örtliche Zuständigkeit richte sich vorliegend nach § 97 Abs 1 BSHG und § 98 Abs 1 SGB XII.
Hiergegen hat der Beklagte beim Bayer. Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er sei zur Kostenerstattung weder nach § 105 Abs 1 SGB X noch nach einer anderen Erstattungsbestimmung verpflichtet. Er sei für die Hilfeleistung auch nicht örtlich zuständig. § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG verweise, falls ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht zu ermitteln ist, auf die Zuständigkeit nach § 97 Abs 1. Damit scheide auch die Anwendbarkeit des § 105 SGB X aus.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des SG München vom 25.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger begehrt, die Berufung zurückzuweisen.
Vor der Aufnahme in die Einrichtung am 24.08.2004 habe kein zu deckender Sozialhilfebedarf bestanden, für den es auf den tatsächlichen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt M. angekommen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Erörterungstermins vom 14.03.2006 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG anstelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die Beteiligten haben zudem im Erörterungstermin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das SG zu Recht den Beklagten zur Erstattung der Kosten für die Unterbringung des HE vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 im E.-Haus in der geltend gemachten Höhe verurteilt hat.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X sind, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, erfüllt.
Der Kläger hat die Leistungen für den hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum in der geltend gemachten Höhe erbracht. Der Beklagte stellt das nicht in Frage.
Es liegt auch kein Fall des § 102 Abs 1 SGB X vor, weil § 43 SGB I nicht greift. Der Kläger war nicht der zuerst angegangene Leistungsträger. Ebenso wenig greift die Zweckvereinbarung der bayer. Bezirke über die Sozialhilfe für Nichtsesshafte in Bayern (Bayreuther Vereinbarung) vom 28.12.1976, zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 26.05.2004 (AllMBl S 233), weil das E.-Haus, A. , nicht zu den anerkannten Einrichtungen gemäß § 3 Abs 1 dieser Zweckvereinbarung gehört und auch nicht unter die dazu gehörigen Richtlinien nach § 7 der Zweckvereinbarung fällt. Eine vorläufige Leistung nach § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG, bzw. ab dem 01.01.2005 nach § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII, hat der Kläger ausweislich seiner Bescheide an den HE nicht erbracht. Eine solche vorläufige Leistung im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit müsste nach außen erkennbar erklärt worden sein (vgl. dazu: von Wulffen, SGB X, 5.Aufl 2005, § 102 Rdnr 6 mit Hinw. auf BSG SozR 1300 § 102 Nr 1 und Schellhorn in GK-SGB X, § 102 Rdnr 16). Das ist hier nicht der Fall.
Der Kläger hat die Unterbringungskosten für den HE im streitgegenständlichen Zeitraum als unzuständiger Leistungsträger i.S. des § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X erbracht, weil er nicht örtlich zuständig war.
Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der gegenüber dem § 97 Abs 1 BSHG vorrangigen Regelung der Sonderzuständigkeit für Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung in § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG. Anders als in der bis zum 26.06.1993 geltenden Fassung des § 98 BSHG (a.F.) ist durch die Worte "aufgehalten haben" in § 97 Abs 5 BSHG klargestellt, dass die Orte mit Strafanstalten auch bei anschließenden Hilfefällen in Einrichtungen den Schutz der Anstaltsorte genießen. Das bedeutet, dass gemäß § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG - als Regelung der besonderen örtlichen Zuständigkeit - der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in das E.-Haus, A. , maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt - das war der 24.08.2004 - hatte der Hilfeempfänger keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weil der Strafvollzug gemäß § 97 Abs 5, § 109 BSHG auch in dieser Fallgestaltung in den sog. "Schutzbereich der Anstaltsorte" fällt. Dasselbe gilt auch für den Zweimonatszeitraum, den § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG umfasst (so Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16.Aufl. 2002, § 97 Rdnr 27). Da sich der unter § 109 BSHG fallende Aufenthalt des HE in der Justizvollzugsanstalt M. über den gesamten Zweimonatszeitraum des § 97 Abs 2 Satz 1 erstreckt, bestimmt sich die Zuständigkeit nach § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG (vgl. dazu: Schellhorn/ Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 27). Ein Übertritt nach § 97 Abs 2 Satz 2 BSHG liegt schon deshalb nicht vor, weil Strafanstalten keine Einrichtungen i.S. des § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG sind (§ 97 Abs 4 BSHG).
Wie sich zuletzt aus dem hier nicht einschlägigen § 103 Abs 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs 5 BSHG ergibt, verknüpft sich somit die Vorschrift der örtlichen Zuständigkeit mit der endgültigen Kostentragungspflicht.
Für die Hilfe ab dem 01.01.2005 gilt Entsprechendes gemäß § 98 Abs 4, § 98 Abs 2 Satz 1, § 109, § 106 Abs 1 SBG XII.
Mithin ist der Beklagte für die hier streitgegenständliche Hilfeleistung gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig. Es kann dabei offen bleiben, ob in diesem Fall, der Kläger hatte vor seinen Anstaltsunterbringungen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (vgl. dazu Bräutigam in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2.Aufl 2003, § 97 Rdnr 13), die Vorschrift des § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG analog heranzuziehen ist oder nicht. Denn auch unter Heranziehung dieser Bestimmung kommt man zur örtlichen Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Wie das SG zutreffend ausführt, aktualisiert sich die Zuständigkeit nach § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG, § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII in diesem Fall beim Überschreiten der Zuständigkeitsgrenze des Hilfeträgers. Sie besteht schon deshalb nicht nach § 97 Abs 1 Satz 2 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII fort, weil diese Bestimmungen nur die ambulanten und teilstationären Leistungen betreffen (Schoch in LPK-BSHG, § 97 Rdnr 19; Zeitler in Megler/Zink, BSHG, § 97 Rdnr 25a; Grube/Wiebendorf, SGB XII, § 98 Rdnr 4; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16.Aufl 2002, § 97 Rdnr 18).
Abzustellen ist mithin auf den tatsächlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Eintrittes des sozialhilferechtlichen Bedarfs (siehe dazu Schellhorn/Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 14), also auf den 24.08.2004. Vorher bestand kein Bedarf auf Sozialhilfe, so dass sich ein solcher Bedarf auch nicht "fortsetzen" kann, wie der Beklagte im Ergebnis meint. Aus Sicht des Klägers bleibt festzuhalten, dass eine erst in Zukunft (neu) eintretende Hilfebedürftigkeit keine örtliche Zuständigkeit auslösen kann, die im Sinne des § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII auf einen vorherigen tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Hilfeträgers abstellt (so ausdrücklich Schellhorn/Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 19).
Die Erstattungspflicht des Beklagten ist auch nicht i.S. des § 105 Abs 1 Satz 1 2.HS SGB X ausgeschlossen, weil dieser an den HE keine Leistungen erbracht hat.
Die vom Beklagtenvertreter vorgebrachte Sorge, Hilfeempfänger könnten auf diesem Wege "verschoben werden", teilt das Gericht nicht, weil es sich hier um den wohl seltenen Fall des Zuzugs aus dem Ausland in eine Haftanstalt gemäß § 97 Abs 5 BSHG handelt, in dessen Anschluss unmittelbar die Unterbringung in eine stationäre Einrichtung erfolgte. Stellte man, wie der Beklagte, dementgegen auf den tatsächlichen Aufenthalt vor der Unterbringung in das E.-Haus, A. , ab, wäre der Schutz des Anstaltsortes nach § 97 Abs 5 BSHG bzw. § 98 Abs 4 SGB XII ausgehebelt.
Die Höhe der zu erstattenden Kosten ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht nach § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) an.
Der Kostenentscheidung liegen § 197a SGG und § 154 Abs 2 VwGO zugrunde.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage der Kostenträgerschaft für den Aufenthalt des Hilfeempfängers H. F. (HE) im E.-Haus, P.platz, A. , in der Zeit vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 gemäß § 72 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. § 67 Satz 1, § 68 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1967 geborene HE lebte 1990 in B. , verließ 1991 die Bundesrepublik Deutschland und hielt sich längere Zeit im Ausland auf, unterbrochen durch Inhaltsaufenthalte, etwa vom 18.01.1999 bis 30.04.1999 im B.-Haus, M ... Ab Juli 2002 bis 06.11.2002 befand sich der HE in Auslieferungshaft in Österreich, von wo er am 06.11.2002 in die Justizvollzugsanstalt M. , S. Str., M. , wechselte. Dort hielt er sich bis zum 24.08.2004 auf. In der Folgezeit vom 24.08.2004 bis zum 31.01.2005 war er im E.-Haus, A. , untergebracht.
Der HE beantragte hierfür die Kostenübernahme am 04.08.2004 über den Sozialdienst der Haftanstalt beim Beklagten. Der leitete den Antrag auf Kostenübernahme an den Kläger weiter, wo dieser am 06.08.2004 einging. Der Kläger erklärte gegenüber dem HE am 11.08.2005 die vorläufige Kostenübernahme für die Unterbringung.
Bereits mit Schreiben vom 07.09.2004 bat der Kläger den Beklagten um Bearbeitung des Hilfefalles in eigener Zuständigkeit. Der Beklagte sandte die Antragsunterlagen mit Antwortschreiben vom 17.09.2004 an den Kläger zurück. Die Aufnahme des HE in einer oberpfälzer Einrichtung sei nur möglich geworden, weil der Kläger eine vorläufige Kostenzusage abgegeben habe. Die Auffassung des Klägers hätte zur Folge, dass Insassen oberbayerischer Justizvollzugsanstalten nicht mehr in oberpfälzer Einrichtungen aufgenommen werden könnten.
Der Kläger bewilligte "in Vorleistung gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)" dem HE mit Bescheid vom 14.10.2004 Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 72 BSHG für die Zeit vom 24.08.2004 bis vorerst 30.11.2004. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Mit Schreiben vom gleichen Tag bat er den Beklagten um Kostenanerkenntnis. Örtlich zuständig sei der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der HE tatsächlich aufhalte. Der Beklagte verwies den Kläger mit Antwortschreiben vom 21.10.2004 auf seine unter dem 17.09.2004 geäußerte Rechtsauffassung, an der er festhalte. Gegenüber dem HE erklärte der Kläger am 28.12.2004 die Verlängerung der Kostenübernahme für die Zeit vom 01.12.2004 bis vorerst 28.02.2005 und bewilligte die Hilfe für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 04.01.2005.
Am 17.03.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.08.2005 an das Sozialgericht München (SG) verwies. Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihm die für den HE in der Zeit vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 erbrachten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 8.323,17 EUR zuzügl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten. Der Beklagte sei der zuständige Kostenträger. Aus der Tatsache, dass der HE sich zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich noch in M. aufgehalten habe, könne eine örtliche Zuständigkeit des Klägers nicht hergeleitet werden. § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umfasse auch Fälle, in denen ein Leistungsträger bei ungeklärter Zuständigkeit leiste, um einer Benachteiligung des Leistungsberechtigten vorzubeugen.
Der Beklagte stimmt mit dem Kläger dahin überein, dass der HE vor der Aufnahme in die Einrichtung am 24.08.2004 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet habe. Der HE habe unmittelbar im Anschluss an seine Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt M. der Unterbringung in einer Einrichtung zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bedurft.
Mit Urteil vom 25.10.2005 verpflichtete das SG den Beklagten, an den Kläger 8.323,17 EUR zuzügl. Zinsen in Höhe von 5 vH über dem Basiszinssatz ab 17.03.2005 zu zahlen. Dem Kläger stehe ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 SGB X zur Seite. Der Beklagte sei seinerzeit für den Hilfefall örtlich zuständig gewesen. Die örtliche Zuständigkeit richte sich vorliegend nach § 97 Abs 1 BSHG und § 98 Abs 1 SGB XII.
Hiergegen hat der Beklagte beim Bayer. Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er sei zur Kostenerstattung weder nach § 105 Abs 1 SGB X noch nach einer anderen Erstattungsbestimmung verpflichtet. Er sei für die Hilfeleistung auch nicht örtlich zuständig. § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG verweise, falls ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht zu ermitteln ist, auf die Zuständigkeit nach § 97 Abs 1. Damit scheide auch die Anwendbarkeit des § 105 SGB X aus.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des SG München vom 25.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger begehrt, die Berufung zurückzuweisen.
Vor der Aufnahme in die Einrichtung am 24.08.2004 habe kein zu deckender Sozialhilfebedarf bestanden, für den es auf den tatsächlichen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt M. angekommen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Erörterungstermins vom 14.03.2006 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG anstelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die Beteiligten haben zudem im Erörterungstermin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das SG zu Recht den Beklagten zur Erstattung der Kosten für die Unterbringung des HE vom 24.08.2004 bis 31.01.2005 im E.-Haus in der geltend gemachten Höhe verurteilt hat.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X sind, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, erfüllt.
Der Kläger hat die Leistungen für den hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum in der geltend gemachten Höhe erbracht. Der Beklagte stellt das nicht in Frage.
Es liegt auch kein Fall des § 102 Abs 1 SGB X vor, weil § 43 SGB I nicht greift. Der Kläger war nicht der zuerst angegangene Leistungsträger. Ebenso wenig greift die Zweckvereinbarung der bayer. Bezirke über die Sozialhilfe für Nichtsesshafte in Bayern (Bayreuther Vereinbarung) vom 28.12.1976, zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 26.05.2004 (AllMBl S 233), weil das E.-Haus, A. , nicht zu den anerkannten Einrichtungen gemäß § 3 Abs 1 dieser Zweckvereinbarung gehört und auch nicht unter die dazu gehörigen Richtlinien nach § 7 der Zweckvereinbarung fällt. Eine vorläufige Leistung nach § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG, bzw. ab dem 01.01.2005 nach § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII, hat der Kläger ausweislich seiner Bescheide an den HE nicht erbracht. Eine solche vorläufige Leistung im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit müsste nach außen erkennbar erklärt worden sein (vgl. dazu: von Wulffen, SGB X, 5.Aufl 2005, § 102 Rdnr 6 mit Hinw. auf BSG SozR 1300 § 102 Nr 1 und Schellhorn in GK-SGB X, § 102 Rdnr 16). Das ist hier nicht der Fall.
Der Kläger hat die Unterbringungskosten für den HE im streitgegenständlichen Zeitraum als unzuständiger Leistungsträger i.S. des § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X erbracht, weil er nicht örtlich zuständig war.
Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der gegenüber dem § 97 Abs 1 BSHG vorrangigen Regelung der Sonderzuständigkeit für Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung in § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG. Anders als in der bis zum 26.06.1993 geltenden Fassung des § 98 BSHG (a.F.) ist durch die Worte "aufgehalten haben" in § 97 Abs 5 BSHG klargestellt, dass die Orte mit Strafanstalten auch bei anschließenden Hilfefällen in Einrichtungen den Schutz der Anstaltsorte genießen. Das bedeutet, dass gemäß § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG - als Regelung der besonderen örtlichen Zuständigkeit - der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in das E.-Haus, A. , maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt - das war der 24.08.2004 - hatte der Hilfeempfänger keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weil der Strafvollzug gemäß § 97 Abs 5, § 109 BSHG auch in dieser Fallgestaltung in den sog. "Schutzbereich der Anstaltsorte" fällt. Dasselbe gilt auch für den Zweimonatszeitraum, den § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG umfasst (so Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16.Aufl. 2002, § 97 Rdnr 27). Da sich der unter § 109 BSHG fallende Aufenthalt des HE in der Justizvollzugsanstalt M. über den gesamten Zweimonatszeitraum des § 97 Abs 2 Satz 1 erstreckt, bestimmt sich die Zuständigkeit nach § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG (vgl. dazu: Schellhorn/ Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 27). Ein Übertritt nach § 97 Abs 2 Satz 2 BSHG liegt schon deshalb nicht vor, weil Strafanstalten keine Einrichtungen i.S. des § 97 Abs 2 Satz 1 BSHG sind (§ 97 Abs 4 BSHG).
Wie sich zuletzt aus dem hier nicht einschlägigen § 103 Abs 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs 5 BSHG ergibt, verknüpft sich somit die Vorschrift der örtlichen Zuständigkeit mit der endgültigen Kostentragungspflicht.
Für die Hilfe ab dem 01.01.2005 gilt Entsprechendes gemäß § 98 Abs 4, § 98 Abs 2 Satz 1, § 109, § 106 Abs 1 SBG XII.
Mithin ist der Beklagte für die hier streitgegenständliche Hilfeleistung gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig. Es kann dabei offen bleiben, ob in diesem Fall, der Kläger hatte vor seinen Anstaltsunterbringungen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (vgl. dazu Bräutigam in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2.Aufl 2003, § 97 Rdnr 13), die Vorschrift des § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG analog heranzuziehen ist oder nicht. Denn auch unter Heranziehung dieser Bestimmung kommt man zur örtlichen Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Wie das SG zutreffend ausführt, aktualisiert sich die Zuständigkeit nach § 97 Abs 2 Satz 3 BSHG, § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII in diesem Fall beim Überschreiten der Zuständigkeitsgrenze des Hilfeträgers. Sie besteht schon deshalb nicht nach § 97 Abs 1 Satz 2 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII fort, weil diese Bestimmungen nur die ambulanten und teilstationären Leistungen betreffen (Schoch in LPK-BSHG, § 97 Rdnr 19; Zeitler in Megler/Zink, BSHG, § 97 Rdnr 25a; Grube/Wiebendorf, SGB XII, § 98 Rdnr 4; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16.Aufl 2002, § 97 Rdnr 18).
Abzustellen ist mithin auf den tatsächlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Eintrittes des sozialhilferechtlichen Bedarfs (siehe dazu Schellhorn/Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 14), also auf den 24.08.2004. Vorher bestand kein Bedarf auf Sozialhilfe, so dass sich ein solcher Bedarf auch nicht "fortsetzen" kann, wie der Beklagte im Ergebnis meint. Aus Sicht des Klägers bleibt festzuhalten, dass eine erst in Zukunft (neu) eintretende Hilfebedürftigkeit keine örtliche Zuständigkeit auslösen kann, die im Sinne des § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII auf einen vorherigen tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Hilfeträgers abstellt (so ausdrücklich Schellhorn/Schellhorn, aaO, § 97 Rdnr 19).
Die Erstattungspflicht des Beklagten ist auch nicht i.S. des § 105 Abs 1 Satz 1 2.HS SGB X ausgeschlossen, weil dieser an den HE keine Leistungen erbracht hat.
Die vom Beklagtenvertreter vorgebrachte Sorge, Hilfeempfänger könnten auf diesem Wege "verschoben werden", teilt das Gericht nicht, weil es sich hier um den wohl seltenen Fall des Zuzugs aus dem Ausland in eine Haftanstalt gemäß § 97 Abs 5 BSHG handelt, in dessen Anschluss unmittelbar die Unterbringung in eine stationäre Einrichtung erfolgte. Stellte man, wie der Beklagte, dementgegen auf den tatsächlichen Aufenthalt vor der Unterbringung in das E.-Haus, A. , ab, wäre der Schutz des Anstaltsortes nach § 97 Abs 5 BSHG bzw. § 98 Abs 4 SGB XII ausgehebelt.
Die Höhe der zu erstattenden Kosten ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht nach § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) an.
Der Kostenentscheidung liegen § 197a SGG und § 154 Abs 2 VwGO zugrunde.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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