L 10 KA 19/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 128/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KA 19/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen.

Der 1951 geborene Kläger ist Dipl.-Psychologe und -Sozialpädagoge. Bis zum 31.12.1998 nahm er aufgrund der ihm unter dem 24.04.1996 mit Wirkung vom 16.04.1996 erteilten Abrechnungsgenehmigung der Bezirksstelle L der Beklagten im Rahmen des Delegationsverfahrens an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

"Antrag auf Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie im Wege der Delegation durch einen berechtigten Arzt

Sehr geehrter Herr N

wir bestätigen Ihnen, dass Sie nach den uns vorgelegten Unterlagen die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Ausübung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen im Wege der Delegation durch einen berechtigten Arzt erfüllen.

Ihre Abrechnungsnummer lautet: 1

Mit freundlichem Gruß ... Anlage"

Unter demselben Datum hatte die Bezirksstelle der Hauptstelle der Beklagten die Abrechnungsnummer des "Analytischen Kindertherapeuten ..." mitgeteilt und außerdem ausgeführt "Herr N1 N wurde von uns über die Aufnahme in die Liste der Analytischen Kindertherapeuten unterrichtet".

Im Januar 1999 wurden ihm sowohl die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut als auch die als Kinder- und Jugendlichentherapeut erteilt. Die Eintragungen als Psychologischer Psychotherapeut und als Kinder- und Jugendlichentherapeut in das Psychotherapeuten-Register erfolgten im Mai 1999. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte - Psychotherapie - vom 20.05.1999 und Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte - Psychotherapie - für den Bezirk der Beklagten vom 13.10.1999 wurde der Kläger als Psychologischer Psychotherapeut in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Im Juni 2000 erteilte ihm die Beklagte die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Kindern und Jugendlichen nach den Nrn. 860, 861, 866, 868, 870, 871, 872 und 877 EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab).

Die Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen lehnte die Bezirksstelle L der Beklagten mit Bescheid vom 27.03.2002 ab. Gem. § 16 Abs. 1 der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Vereinbarung) behielten Psychologische Psychotherapeuten und analytische Kinder- und Jugendlichentherapeuten, die bis zum 31.12.1998 am Delegationsverfahren teilgenommen hätten, die ihnen erteilte Abrechnungsgenehmigung im gleichen Umfang, sofern sie eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erhielten. Ihm sei mit Wirkung vom 16.04.1996 die Genehmigung erteilt worden, als analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut im Wege der Delegation durch einen berechtigten Arzt tätig zu werden. Eine Abrechnungsgenehmigung für die Behandlung von Erwachsenen gem. § 16 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung könne somit nicht erteilt werden.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten treffe § 16 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung lediglich eine Feststellung zum Mindestumfang dessen, was einem Delegationstherapeuten an Abrechnungsmöglichkeiten erhalten bleiben solle. Es sei der Vorschrift nicht zu entnehmen, dass die Abrechnungsmöglichkeit ausschließlich auf die im Delegationsverfahren verrichtete Tätigkeit zu beschränken sei. Nach § 16 Abs. 2 Psychotherapie-Vereinbarung sei eine Abrechnungsgenehmigung für mehr als ein Verfahren dann zu erteilen, wenn gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung die Erfüllung der Anforderungen nachgewiesen würden, die dem Zulassungsausschuss hätten nachgewiesen werden müssen, um eine entsprechende Zulassung zu erhalten. Er habe diese Anforderungen erfüllt. Ihm sei sowohl die Approbation als Kinder- und Jugendlichentherapeut als auch die als Psychologischer Psychotherapeut erteilt worden. Die Beklagte habe selbst die Fachkunde geprüft, als sie ihn sowohl als Kinder- und Jugendlichentherapeut als auch als Psychologischen Psychotherapeuten in das Psychotherapeutenregister eingetragen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheides zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 02.07.2003 Klage erhoben und im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Er hat erneut darauf hingewiesen, dass er nicht nur als Kinder- und Jugendlichentherapeut, sondern auch als Psychologischer Psychotherapeut in das Psychotherapeutenregister eingetragen sei. Der dafür erforderliche Fachkundenachweis sei also erbracht. § 16 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung treffe lediglich eine Sicherstellung des bereits im Delegationsverfahren vorhandenen Status quo. Der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass darüber hinaus keine weitere Abrechnungsgenehmigung zu erteilen sei. Das ergebe sich aus § 16 Abs. 3 Psychotherapie-Vereinbarung. Dieser Vorschrift lasse sich entnehmen, dass eine Abrechnungsgenehmigung für mehr als ein Verfahren dann zu erteilen sei, wenn gegenüber der KV die Erfüllung der Anforderungen nachgewiesen werde, die dem Zulassungsausschuss hätten nachgewiesen werden müssen, um eine entsprechende Zulassung zu erhalten. Den Fachkundenachweis habe er erbracht. Diesen habe die Beklagte bei seiner Eintragung als Psychologischer Psychotherapeut in das Arztregister geprüft.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Bezirksstelle L der Beklagten vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Vorstandes der Beklagten vom 03.06.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytische Psychotherapie bei Erwachsenen zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von tiefenpsychologisch fundierter und analytische Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen zu. Weder seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 noch die der § 16 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 2 Psychotherapie-Vereinbarung erfüllt.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 02.03.2005 die Beklagte zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen verurteilt. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 16 Abs2 Satz 1 Psychotherapie-Vereinbarung, weil er - als Psychotherapeut approbiert und zur Behandlung Erwachsener als Psychologischer Psychotherapeut zugelassen - eingehende Kenntnisse und Erfahrungen für die Verfahren tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie Erwachsener gegenüber dem Zulassungsausschuss nachgewiesen habe.

Gegen das am 21.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 23.05.2005, Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG ergebe sich der Anspruch des Klägers nicht aus § 16 Abs. 2 Satz 1 Psychotherapie-Vereinbarung, weil unter diese Regelung lediglich diejenigen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten fielen, die bis zum 31.12.1998 nicht am Delegationsverfahren teilgenommen hätten. Der Kläger habe jedoch als Kinder- und Jugendlichentherapeut am Delegationsverfahren teilgenommen. Selbst wenn § 16 Abs. 2 Satz 1 Psychotherapie-Vereinbarung auf die sogenannten Delegationspsychotherapeuten anzuwenden sei, habe der Kläger entgegen der Auffassung des SG nicht den Nachweis eingehender Kenntnisse und Erfahrungen für die Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen gegenüber dem Zulassungsausschusses geführt. Im Zulassungsverfahren sei lediglich geprüft worden, ob der gem. § 12 Abs. 1 Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) approbierte Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens des PsychThG berechtigt gewesen sei, im Delegationsverfahren nach dem Psychotherapie-Richtlinien mitzuwirken und im Rahmen dessen seinerzeit den Fachkundenachweis erbracht habe. Da der Kläger vor Inkrafttreten des PsychThG im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut im Richtlinienverfahren der analytischen und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie teilgenommen habe, habe er auch nur insoweit den Nachweis erbracht. Deshalb hätte er gem. § 12 Abs. 1 PsychThG lediglich eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erhalten und als solcher zugelassen werden dürfen. Insoweit stehe ihr ein eigenständiges Prüfungsrecht zu. Ebenso wenig erfülle der Kläger die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 2 Psychotherapie-Vereinbarung. Denn mit dem Begriff "Verfahren" seien nicht nur die drei Richtlinienverfahren gemeint, sondern es müsse auch zwischen einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Erwachsenen und einer solchen Genehmigung bei Kindern und Jugendlichen unterschieden werden. Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen, ihr sei auf Nachfrage bei der Bezirksstelle in L, ob es sich bei der unter dem 24.04.1996 erteilten Abrechnungsgenehmigung um eine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen oder bei Kindern und Jugendlichen gehandelt habe, mitgeteilt worden, diese habe sich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bezogen; das sei aus der Zahl 71 in der erteilten Abrechnungsnummer zu ersehen, die Kinder- und Jugendlichentherapeuten zugeordnet seien.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2005 zurückzuweisen.

Er hat im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, die Bedeutung der Abrechnungsnummer sei ihm weder damals noch heute bekannt. Auf den Hinweis des Senats, dass der 1996 erteilten Abrechnungsgenehmigung möglicherweise eine Anlage beigefügt gewesen sei und es sich dabei um das Schreiben gleichen Datums der Bezirksstelle an die Hauptstelle der Beklagten gehandelt haben könnte, hat der Kläger erklärt, seines Wissens sei ihm die Genehmigung ohne Anlage zugegangen. Seine Prozessbevollmächtigte versicherte, dass sich in ihren Unterlagen diese Anlage nicht befände. Der Kläger hat sich im übrigen auf die angefochtene Entscheidung des SG berufen.

In der letzten mündlichen Verhandlung hat der ehrenamtliche Richter Q erklärt, aus eigener Erfahrung - u.a. als Vorsitzender der Kreisstelle P - sei die Abrechnungsnummer den einzelnen Vertragsärzten und -ärztinnen nicht als differenzierte Kodierung ihrer Tätigkeit, sondern nur als Identifikationsnummer für die eigene Praxis bekannt. Dem hat der ehrenamtliche Richter C zugestimmt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge und Zulassungsakte der Beklagten sowie die Approbationsakte der Bezirksregierung L Bezug. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das SG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger die beantragte Genehmigung zu erteilen. Der angefochtene Bescheid vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2003, mit dem die Beklagte die Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Maßgeblich für die von dem Kläger begehrte Genehmigung sind die am 01.01.1999 in Kraft getreten Psychotherapie-Vereinbarungen vom 07.12.1998, die gem. § 1 Abs. 2 gem. § 1 Abs. 2 Bundesmanteltarifvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und gem. § 1 Abs. 5 des Bundesmantelvertrages Ärzte-/Ersatzkassen - (EKV-Ä) Bestandteile der Bundesmantelverträge sind und den Bundesmantelverträgen als Anlage 1 beigefügt worden sind. Vorliegend gilt die Übergangsbestimmung des § 16 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung. Danach behalten Ärzte, die aufgrund der bis zum 31.12.1998 Psychotherapie-Vereinbarung eine Abrechnungsgenehmigung erhalten haben, diese im gleichen Umfang (Abs. 1 Satz 1). Dies gilt für Psychologische Psychotherapeuten oder analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die bis zum 31.12.1998 am Delegationsverfahren teilgenommen haben, entsprechend, sofern sie eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erhalten (Abs. 1 Satz 2).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte - Psychotherapie - vom 20.05.1999 und Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte - Psychotherapie - vom 13.10.1999 als Psychologischer Psychotherapeut in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen worden und hat bis zum 31.12.1998 als Psychologischer Psychotherapeut am Delegationsverfahren teilgenommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltete die ihm am 24.04.1996 von der Bezirksstelle L erteilte Abrechnungsgenehmigung auch die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen im Wege der Delegation durch einen berechtigten Arzt und ist - solange nicht bestandkräftig geändert - gem. § 16 Abs. 1 Psychotherapie-Vereinbarung fortzuschreiben.

Die dem Kläger mit Schreiben vom 24.04.1996 erteilte Abrechnungsgenehmigung stellt nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - dar. Der Verwaltungsakt ist mit dem Inhalt wirksam geworden, mit dem er bekannt gegeben worden ist (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Sein Inhalt muss bestimmt sein (§ 33 Abs. 1 SGB X), d.h. der Verfügungssatz muss nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei sein. Der Adressat muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers sein Verhalten daran auszurichten können. Dabei ist unschädlich, dass der Betroffene den Regelungsgehalt ggf. erst durch Auslegung - etwa unter Zuhilfenahme der Begründung oder z. B. einer Anlage - ermitteln muss (BSG, Urteil vom 15.05.2002 - B 6 KA 25/01 R -, SozR 3-2500 § 85 Nr. 46). Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist überdies nicht, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist, sondern der objektive Sinngehalt der Erklärung, d.h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung der Umstände des Einzelfalles objektiv verstehen musste.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze musste der Kläger den Regelungsinhalt des an ihn gerichteten Schreibens der Beklagten vom 24.04.1996 so verstehen, dass ihm auch eine Genehmigung zur Teilnahme an der Ausübung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen erteilt worden ist. Zwar hat die Beklagte diesen Bescheid an "Herrn N1 N, Analytischer Kindertherapeut, G Straße , L" adressiert. Indessen kann hieraus nicht hergeleitet werden, daß sich die Genehmigung nur auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bezieht. Der Wortlaut des Schreibens ist eindeutig. Genehmigt wird die Behandlung von "Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen". Der in der Gesetzlichen Krankenkasse versicherte Personenkreis wird durch §§ 5 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung bestimmt und umfasst beide Gruppen, mithin sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche. Weder der "Betreff" noch die Regelung selbst enthalten ausdrückliche oder auch nur sinngemäße gegenläufige Eingrenzungen.

Soweit die Beklagte dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 29.06.2000 die Genehmigung (nur) zur Ausführung und Abrechnung von tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Kindern und Jugendlichen nach den Nr. 860, 861, 866, 868, 8790, 871, 872 und 877 EBM erteilt hat, ändert dies nichts. Zum einen kann mittels einer nachgängigen Regelung dem Bescheid vom 24.04.1996 kein neuer objektiver Erklärungswert gegeben werden. Zum anderen war sich die Beklagte (Bezirkstelle L) noch im Jahre 2000 nicht im Klaren darüber, ob eine Qualifikation zur Ausführung und Abrechnung von Erwachsenenpsychotherapie mit Nachweisen zur Durchführung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erworben werden kann, hat dies dem Kläger mitgeteilt (Schreiben vom 23.08.2000) und dementsprechend die Hauptstelle um Klärung gebeten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte der Kläger bei verständiger Würdigung aller Umstände auch nicht aufgrund der ihm vergebenen Abrechnungsnummer objektiv erkennen, dass sich die erteilte Genehmigung ausschließlich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beziehen sollte. Dass Ärzten die Abrechnungsnummer lediglich als Identifikationsnummer für ihre Praxis und nicht als differenzierte Kodierung ihrer Tätigkeit bekannt ist, machen die Erklärungen der ehrenamtlichen Richter deutlich. Im übrigen wird dies durch Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin 05.07.2006 belegt. Auch ihr hat sich die Bedeutung der Abrechnungsnummer erst auf Nachfrage bei der Bezirkstelle L erschlossen.

Dass dem Bescheid vom 24.04.1996 eine Anlage - möglicherweise eine Ablichtung des unter demselben Datum an die Hauptstelle der Beklagten gerichteten Schreibens der Bezirksstelle L - beigefügt war, aus der zu erkennen gewesen wäre, dass sich die erteilte Genehmigung ausschließlich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bezieht, ist nicht nachgewiesen. Aus dem Zusatz "Anlage" folgt weder, dass tatsächlich eine Anlage beigefügt war noch worin diese ggf. bestand hat. Zudem hat der Kläger erklärt, nach seinem Wissen sei ihm der Bescheid nicht mit einer Anlage zugesandt worden. Selbst wenn es üblich gewesen wäre, den betreffenden Arzt/Psychotherapeuten eine Ablichtung der Benachrichtigung der Bezirksstelle an die Hauptstelle über den Inhalt der Genehmigung und die Abrechnungsnummer zukommen zu lassen, ließe sich daraus nicht zwingend schließen, dass auch im Fall des Klägers so verfahren worden ist. Für diese Behauptung ist die Beklagte beweispflichtig. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast geht die Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsachen zu ihren Lasten.

Bei dem an die Hauptstelle gerichteten Schreiben der Bezirksstelle vom 24.04.1996 handelt es sich im Übrigen um einen verwaltungsinternen Vorgang, der nicht geeignet ist, den Bescheid im Sinne der Beklagten auszulegen. Das gleiche gilt für die mit "Meldung" "Zur Kenntnis und Weitergabe" überschriebene Information - ebenfalls vom 24.04.1996 -, in der - u.a. den gesetzlichen Krankenkassen - mitgeteilt worden ist, dem Kläger sei die Genehmigung erteilt worden, als analytischer Kindertherapeut im Wege der Delegation tätig zu werden.

Ebenso wenig lässt der Antrag des Klägers vom 09.03.1996 die Feststellung zu, ein verständiger objektiver Erklärungsempfänger des Genehmigungsschreibens vom 24.04.1996 hätte erkennen müssen, dass die Abrechnungsgenehmigung ausschließlich für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erteilt worden ist. Der Kläger hat um Erteilung einer KV-Abrechnungsnummer gebeten. Eine Beschränkung auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen lässt sich daraus nicht entnehmen, auch nicht unter Berücksichtigung der mit dem Antrag eingereichten Unterlagen. Dass neben der Urkunde über den Erwerb des akademischen Grades des Diplom-Psychologen die Urkunde über die Qualifikation als analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut beigefügt war, lässt nämlich ebenso die Auslegung zu, dass der Kläger auch die Abrechnungsgenehmigung in Bezug auf Kinder, und Jugendliche begehrt hat. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach bei der Auslegung eines Antrages zu berücksichtigen ist, dass derjenige, der zu einem bestimmten Sachverhalt einen (Leistungs-)Antrag stellt, den Antrag umfassend verstanden haben will (BSG, Urteil vom 16.J8.1973 - 3 RK 94/72 -, BSGE 36, 120 ff.; Urteil vom 28,04.1999 - B 9 V 16/98 R -; Senatsurteile vom 11.08.1999 - L 10 V 37/98 - und vom 17.05.2000 - L 10 V 1/00 -) und wird bestätigt durch die ansonsten nicht verständliche Nachfrage des Klägers im Schreiben vom 25.07.2000, in dem er im Anschluss an den Bescheid vom 29.06.2000 um Mittelung bittet, welche EBM-Ziffern er denn nun bei Erwachsenen abrechnen dürfe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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