L 11 B 310/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 130/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 310/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 12.04.2006 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob dem Antragsteller für die Monate März bis Mai 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Alg II) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen sind.

Der 1953 geborene, dauernd getrennt lebende Antragsteller bezieht Alg II. Er übt eine selbstständige Tätigkeit als Paketzusteller aus. Ende 2005 hat er sich einen Opel Combo angeschafft, für den er sein bisheriges Fahrzeug (VW Polo) in Zahlung gab und den Restkaufpreis über einen Kredit finanzierte. Auf Fortzahlungsantrag vom 30.01.2006 hin bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.03.2006 bis 31.05.2006 in Höhe von 560,58 EUR (Bescheid vom 28.02.2006). Dabei berücksichtigte sie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 306,00 EUR sowie ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 250,42 EUR und einen befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 160,00 EUR. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Gleichzeitig hat der Antragsteller beim Sozialgericht Würzburg Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend gestellt, ab 27.03.2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch und eine ggf. zu erhebende Klage Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung lediglich eines Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 109,76 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, bei dem angeschafften Opel Combo handele es sich um ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Fahrzeug, das steuerlich mit 268,75 EUR monatlich absetzbar sei. Zudem zahle er monatlich Kreditkosten in Höhe von 19,36 EUR. Hierwegen sowie wegen der nach dem SGB II zustehenden Freibeträge sei das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit durchschnittlich mit 202,73 EUR anzusetzen. Den Nachweis, dass das für das Fahrzeug aufgenommene Darlehen für eine selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt sei und in welchem Umfang das Fahrzeug betrieblich genutzt werde, hat der Antragsteller trotz Aufforderung durch die Antragsgegnerin nicht erbracht.

Mit Beschluss vom 12.04.2006 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Dass der Antragsteller lediglich über geringe Geldmittel verfüge, sei nicht glaubhaft.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Antragsgegnerin habe die Leistungen um mehr als 109,76 EUR gekürzt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet. Lediglich im Ergebnis zutreffend - die Begründung ist in keiner Weise nachvollziehbar - hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2002, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236).

Vorliegend fehlt es bereits am Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Streitig sind dabei im Wesentlichen die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit. Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wird jedoch zudem zu klären sein, ob die Kosten für Unterkunft und insbesondere Heizung zutreffend von der Antragsgegnerin berücksichtigt worden sind.

Bezüglich des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit hat die Antragsgegnerin die gesetzlich vorgesehenen Abzugsbeträge zutreffend berücksichtigt. Dabei hat sie gemäß § 2a Abs 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Alg II/Sozialgeld - Alg II/Sozialgeld-Verordnung - (Alg II-V) zutreffend als Einkommen einen Betrag angesetzt, der sich auf der Grundlage früherer Betriebsergebnisse und unter Berücksichtigung der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr bereits erzielten Einnahmen und geleisteten notwendigen Ausgaben sowie der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr noch zu erwartenden Einnahmen und notwendigen Ausgaben errechnet. Nicht zu berücksichtigen ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mangels entsprechenden Nachweises die vom Antragsteller geltend gemachte Abschreibung für Abnutzung des erworbenen Kfz Opel Combo, bei dem es sich nicht um ein mit einem Mercedes Sprinter vergleichbares Fahrzeug handelt. Nachdem der Kläger auch sein bisheriges Fahrzeug (VW Polo) hierfür in Zahlung gegeben hat, kann nicht von vornherein von einer rein betrieblichen Nutzung dieses neu erworbenen Fahrzeuges ausgegangen werden. Dem Kläger steht es jedoch frei, im Rahmen des Hauptsacheverfahrens einen entsprechenden Nachweis (zB durch Vorlage eines Fahrtenbuches) zu führen. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ist dann auch zu entscheiden, ob solche Abschreibungen als notwendige Ausgaben iS des SGB II zu berücksichtigen sind (vgl hierzu Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, § 11 Rdnr 27, Stand Oktober 2005).

Die Beschwerde hat nach alledem keinen Erfolg.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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