L 11 B 360/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 126/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 360/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 11.04.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Antragsgegnerin (Ag) eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft, der Umzugskosten und der Mietkaution gemäß § 22 Abs 2, Abs 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erteilen hat.

Der Antragsteller (ASt) ist selbstständig und bezieht daneben seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II). Er lebt in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin und zuletzt zwei Kindern. Nach Kündigung seiner bisherigen Wohnung durch den Vermieter beantragte er die Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft in E. , U ... Er legte hierzu eine Bescheinigung des Vermieters vom 20.02.2006 über eine 100,40 m² große 5-Zimmer-Wohnung zu 600,00 EUR Kaltmiete (ohne Nebenkosten und ohne Heizungskosten) vor. Mit Bescheid vom 20.02.2006 lehnte die Beklagte die begehrte Zusicherung der Übernahme der Unterkunftskosten ab, da diese unangemessen seien.

Am 21.02.2006 legte der Kläger eine weitere Bescheinigung über diese Wohnung vor, wobei jetzt lediglich vier Zimmer mit einer Kaltmiete von 400,00 EUR angemietet würden. Für zwei Kellerräume und den Carport habe er zusammen 200,00 EUR Miete im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit zu zahlen.

Die Ag bestätigte daraufhin mit Bescheid vom 24.02.2006 ihre bisherige Ablehnung. Das Mietobjekt sei sowohl von der tatsächlichen Größe her (ca. 140 m²) - selbst unter Abzug der gewerblich genutzten Räume - wie auch hinsichtlich der Kaltmiete unangemessen. Die Aufteilung der Mietkosten in einen privaten und gewerblichen Teil entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen.

Seinen Widerspruch hiergegen begründete der ASt damit, der reine Wohnraum ohne Küche, Bad, Dusche, Flur und Abstellraum umfasse lediglich 86 m². Die bisherige Wohnung sei wesentlich teurer gewesen und eine Wohnung in E. sei aus persönlichen und beruflichen Gründen erforderlich.

Nach den der Ag vorliegenden Wohnflächenberechnungen umfasst das Mietobjekt im Erdgeschoss zumindest 97,41 m² und im Dachgeschoss 33,06 m², also insgesamt 130,47 m².

Die Ag wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006 zurück. Weder die Übernahme der gesamten Unterkunftskosten noch der Kosten des Umzugs und der Kosten für die Mietkaution werde zugesichert. Ein Umzug sei zwar erforderlich, bei dem Mietobjekt handele es sich aber um ein sowohl von der Größe wie auch von den Kosten her unangemessenes Objekt. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass die angemessene Miete nicht nur unerheblich überschritten werde. Ein Schulwechsel der Kinder werde auch bei einer anderen Wohnung nicht zwingend erforderlich und das selbstständige Gewerbe des ASt sei auch von anderen Orten aus auszuüben.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und gleichzeitig Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend gestellt, die Ag zu verpflichten, die Kosten der Unterkunft U. sowie die Umzugskosten und die Kaution in Höhe von 1.200,00 EUR zu übernehmen. Der Umzug sei erforderlich und die Aufwendungen für die Unterkunft seien angemessen. Die Kaltmiete belaufe sich nicht auf 600,00 EUR, sondern lediglich auf 400,00 EUR. Weitere 200,00 EUR seien für zwei Kellerräume und den Carport - beides gewerblich genutzt - zu zahlen. Die reine Wohnfläche betrage 86 m² ohne Küche, Bad, Dusche, Abstellraum und Flur. Aus familiären und beruflichen Gründen sei ein Umzug in einen anderen Ort nicht zumutbar. Die von der Ag festgelegte Mietobergrenze von 395,00 EUR sei zu beanstanden. In der Stadt S. sei diese ab 01.01.2006 auf 510,00 EUR erhöht worden. Auch von der Ag angebotene Wohnungen wären teurer gewesen. Die gewerbliche Nutzung der Wohnung sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden, wobei ein Raumbedarf für ein Büro von mehr 15 m² bestehe. Für die Fahrtätigkeit des ASt liege die Wohnung sehr günstig.

Das SG hat mit Beschluss vom 11.04.2006 den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden, wobei die Aufteilung der Gesamtmiete in Höhe von 600,00 EUR in einen gewerblichen Teil zu einem Drittel und einen privaten Teil ebenso wenig nachvollziehbar sei wie die Berechnung der reinen Wohnfläche durch den ASt. Auf die persönlichen Umstände des ASt sei im Widerspruchsbescheid eingegangen worden. Die Mietkosten inklusive kalter Nebenkosten ohne Heizung übersteigen auf jeden Fall deutlich die im Zuständigkeitsbereich der Ag vorgesehene Mietobergrenze.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Beschwerde hat der ASt vorgetragen, ein Umzug sei wegen Kündigung durch den ehemaligen Vermieter erforderlich gewesen. Für seine berufliche Tätigkeit seien mehr als 15 m² Bürofläche erforderlich. Ein Umzug in einer andere Ortschaft sei nicht zumutbar, denn die Wohnung liege verkehrsgünstig. Zwischenzeitlich sei der Umzug durchgeführt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Streitig ist dabei nicht nur die Zusicherung bezüglich der Unterkunftskosten selbst, sondern auch die Übernahme der Kautionskosten und der Umzugskosten durch die Ag, nachdem zwar im Bescheid vom 20.02.2006 und 24.02.2006 nicht hierüber entschieden worden ist, im Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006 jedoch auch hierzu eine Ermessenentscheidung ergangen ist.

Bei den angegriffenen Bescheiden handelt es sich um Bescheide zur Frage der Zusicherung zur Übernahme dieser Kosten, nicht jedoch um die Bewilligung der Kosten selbst. Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung -ZPO-; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236).

Vorliegend fehlt es bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Nachdem der ASt bereits umgezogen ist, sind sowohl die Umzugskosten als auch die Kaution bereits angefallen. Es ist damit dem ASt zuzumuten, die Übernahme dieser Kosten durch die Ag im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens klären zu lassen. Die Eilbedürftigkeit ist damit nicht mehr erkennbar und vom ASt nicht glaubhaft gemacht worden.

Unabhängig davon hat der ASt auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die von ihm bezogene Wohnung ist selbst ohne Berücksichtigung der von ihm als gewerblich genutzt angegebenen Kellerräume sowohl von der Wohnfläche her - zu dieser zählen natürlich auch Küche, Bad, Dusche, Flur und Abstellräume - als auch von der Miethöhe her - auf diese allein ist bei der Prüfung der Angemessenheit abzustellen - nicht angemessen. Selbst bei der vom ASt angegebenen Aufteilung der Mietkosten in einen privaten und gewerblichen Teil übersteigt die von ihm für die Wohnung zu erbringende Miete (400,00 EUR ohne Nebenkosten und ohne Heizung) die für den Zuständigkeitsbereich der Ag anzusetzende Mietobergrenze in Höhe von 395,00 EUR für Unterkunft einschließlich Nebenkosten ohne Heizung bei weitem. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Ag festgesetzte Mietobergrenze unzutreffend sei, sind im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vom ASt nicht dargelegt worden. Eine Bezugnahme auf die Mietobergrenze in der Stadt S. genügt hierzu nicht. Auch die für die persönlichen und beruflichen Verhältnisse des ASt günstige Lage der Wohnung macht diese allein hierwegen nicht zu einer angemessenen Wohnung.

Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes wie auch eines Anordnungsanspruches ist die Beschwerde des ASt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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