L 14 R 567/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 843/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 567/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene, in Österreich lebende Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung durchlaufen. Nach verschiedenen angelernten Tätigkeiten als Laborhilfskraft, Plastarbeiterin und Anlagenfahrerin in der früheren DDR sowie einer kurzen Tätigkeit als Verkäuferin arbeitete sie zuletzt zwischen Januar 1992 und Juni 1995 als Produktionsarbeiterin in der Fertigung (Elektroindustrie).

Nachdem zwei bei der Beklagten wie bei der zuständigen Stelle der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in G. (PVA) gestellten Rentenanträge erfolglos geblieben waren (ablehnender Bescheid der PVA vom 29.10.1998; ablehnender Bescheid der Beklagten vom 12.11.1998/zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 09.02.1999; ablehnender Bescheid der PVA vom 03.03.2000, ablehnender Bescheid der Beklagten vom 27.03.2000 /zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 01.08.2000, Klagerücknahme im anschließenden Klageverfahren S 25 RJ 1599/00 nach Gutachten auf orthopädischem und allgemeinärztlichem Gebiet am 12.03.2002), stellte die Klägerin am 25.03.2002 über die PVA erneut Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit "Beschwerden des Stützapparates, Migräne und Gehör" begründete.

Nach erneuter Ablehnung des Antrags durch die PVA (Bescheid vom 10.06.2002) lehnte auch die Beklagte den Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28.10.2002 ab, weil die Klägerin trotz Beeinträchtigung durch "degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie, Tendopathie linkes Schultergelenk, Tinnitus" noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Grundlage hierfür waren Gutachten auf orthopädischem und internistischem Gebiet in der Begutachtungsstelle der PVA in G. durch Dr.S. und Dr.R. im Mai bzw. August 2002, die keine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Vorgutachten erbracht hatten.

Der Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich gegenüber der Beklagten auf eine Vielzahl von nicht ausreichend berücksichtigten Gesundheitsstörungen berief, blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 17.02.2003). Die Klägerin sei nach ihrem Berufsbild auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem sie leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten und ohne viel Bücken noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie übersandte ärztliche Unterlagen über in den Jahren 2000 bis 2003 erfolgte ärztliche Untersuchungen auf orthopädischem, radiologischem, internistischem und ohrenärztlichem Gebiet.

Während des Klageverfahrens lehnte die PVA mit Bescheid vom 20.09.2004 einen erneuten Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Invalidenpension nach internistischer Begutachtung durch Dr.K. vom 26.08.2004 ab, da sie nicht invalid sei.

Das SG erhob Beweis durch Einholung von Gutachten auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet.

Der Chirurg Prof. Dr.K. erhob in seinem Gutachten vom 22.10.2003 die Gesundheitsstörungen: 1. Chronisches Zervikal-Syndrom mit Bewegungsbeeinträchtigungen und muskulärem Hartspann bei Nachweis von Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten C3/C4, C4/C5 und C5/C6 mit Erniedrigung des Bandscheibenraumes in diesen Etagen. Keine peripheren radikulären neurologischen Defizite. 2. Chronisches BWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen im Bereich Th10/Th11 mit Bandscheibenprolaps in diesem Segment sowie degenerativen Veränderungen im Segment L4/L5 mit subligamentärem medianem Bandscheibenprolaps. Einschränkung der Beweglichkeit mit eingeschränkter Entfaltung der BWS und LWS, jedoch ohne neurologisches Defizit. 3. Senk-Spreizfüße beidseits. 4. Zustand nach endoskopischer Cholezystektomie ohne jetzt nachweisbare Funktionsstörungen. 5. Zustand nach mehrfachen laparoskopischen gynäkologischen Operationen und Gebärmutterexstirpation ohne nachweisbare Funktionsbeeinträchtigung. Er vertrat die Auffassung, die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche und in begrenztem Umfang auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung bei regelmäßigem Wechsel der Körperhaltung nach etwa 20 Minuten vollschichtig zu verrichten; Überkopfarbeiten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Bücken, ferner Fließbandarbeiten, Kälte, Nässe und extreme Zugluft seien dabei zu vermeiden.

Der Internist Dr.S. und die Assistenzärzte Dr.F. und Dr.M. diagnostizierten im Gutachten vom 28.10.2003 auf internistischem Gebiet: 1. Verdacht auf Gastritis, Zustand nach Ulcus duodeni 1997, Zustand nach Eradikationstherapie. 2. Kein Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung. 3. Kein atherogenes Risikoprofil. 4. Bekannte Atopie bei bekanntem atopischen Ekzem, Allergie gegen Penicillin, Kräuterpollen, Hundehaare, Nickel und nicht näher bezeichnete Kosmetika. 5. Nephrolithiasis, Zustand nach extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie links 1996, im I.v.-Urogramm im Februar 2003 asymptomatischer Nierenstein rechts. 6. Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose, derzeit keine venöse Insuffizienz. 7. Zustand nach Cholecystektomie bei chronischer Cholecystitis und im Rahmen einer Cholecystolithiasis. 8. Verdacht auf Fibromyalgie. Fachfremd wurden außerdem die Diagnosen "geringe linksbetonte Hypakusis, Ohrgeräusche bds., Cervicocephalgien, bekannte Migräne, Verdacht auf somatisierte Depression" aufgeführt und daneben auf die Beschwerden des orthopädischen Fachgebiets verwiesen.

Die Gutachter stellten fest, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seit März 2002 nicht wesentlich verschlechtert. Der vorbeschriebene Bandscheibenvorfall L4/L5 sei im CT vom März 2003 tendenziell eher rückläufig. Sie vertraten die Auffassung, die Klägerin könne aus internistischer Sicht leichte und mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperposition vollschichtig verrichten; Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen und am Fließband sollten "wenn möglich" vermieden werden.

Das SG wies die auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gerichtete Klage mit Urteil vom 12.01.2005 ab. Es stützte sich auf die Gutachten des Prof.Dr.K. und des Dr.S. und nahm ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für zumindest leichte körperliche Arbeiten an. Weiter hieß es, die Klägerin habe auf Grund der zuletzt ausgeübten Arbeiten als Fertigungskraft keine berufsgeschützte Tätigkeit verrichtet, sie könne auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und verweist auf zwei in der Entscheidung des SG nicht aufgeführte ärztliche Unterlagen (Bericht des Allgemeinarztes Dr.U. vom 01.04.2004 sowie des Orthopäden Dr.Z. vom 08.06.2004). Ferner legt sie einen Röntgenbefund beider Unterarme vom 11.11.2004 und einen radiologischen Befund (MR der LWS) vom 15.07.2005 vor.

Auf Rückfragen des Senats nach einer inzwischen erfolgten MRT-Untersuchung wegen Unterarmbeschwerden übersandte die Klägerin neben bereits bekannten Befunden einen Mammografie-Befund vom 19.04.2005, eine Knochendichtemessung vom 23.12.2005 sowie einen radiologischen Befund vom 29.11.2004 (MR des linken Handgelenks) mit dem Ergebnis einer Rhizarthrose ("sonst o.B.").

Die Beklagte nahm durch ihren Ärztlichen Dienst dazu dahingehend Stellung, dass die genannten Befunde, soweit nicht als Befunde älteren Datums bereits berücksichtigt, mit vollschichtiger Arbeitsfähigkeit vereinbar seien. Auch die Rhizarthrose bedinge keine quantitativen Belastungsminderungen.

Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2006 darauf hingewiesen, dass sich aus den übersandten Unterlagen eine wesentliche Änderung des verbliebenen Leistungsvermögens nicht ergebe und daher kein Anlass für eine erneute Beweisaufnahme bestehe. Er hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gehört.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 12.01.2005 und des Bescheides vom 28.10.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2003 zu verpflichten, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), erweist sich aber nicht als begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat auch weiterhin keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und Abs.2 SGB VI oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Sie ist nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI) bzw. mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI) erwerbstätig zu sein. Ebenso besteht keine Berufsunfähigkeit, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin noch nicht wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit - hier im Hinblick auf die langjährige letzte Beschäftigung der als Fabrikarbeiterin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätigen Versicherten - auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs.2 Satz 1 SGB VI).

Die Klägerin verfügt nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Ermittlungen, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, noch über ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen täglich für leichtere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zwar bestehen nicht unbedeutende qualitative Leistungseinschränkungen: Wegen des chronischen Zervikalsyndroms und auch wegen chronischen BWS- und LWS-Syndroms jeweils mit eingeschränkter Beweglichkeit (aber ohne neurologisches Defizit) sind nur mehr leichte und in begrenztem Umfang mittelschwere Tätigkeiten möglich, schweres Heben und Tragen (über 10 kg), häufige Überkopfarbeiten und häufiges Bücken müssen unterbleiben; letztere Bedingungen sind auch wegen des Verdachts auf Fibromyalgie zu vermeiden. Zeitliche Leistungseinschränkungen sehen die Gutachter aber ausdrücklich nicht.

Die Gutachten des Prof.Dr.K. und des Dr.S. sind nach Auffassung des Senats in der Befunderhebung, Diagnosestellung und in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung schlüssig und nachvollziehbar begründet. Es handelt sich insoweit auch noch um eine ausreichend zeitnahe und gründliche Beweisaufnahme; erneute Begutachtungen in der Berufungsinstanz erscheinen nicht geboten, dies auch nicht im Hinblick auf die im internistischen Gutachten beschriebene, nur leichte depressive Grundstimmung.

Die in der Berufungsinstanz noch vorgelegten ärztlichen Unterlagen geben ebenfalls keinen Anlass, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten. Die bescheinigten Beschwerden (u.a. rezidivierendes vertebragenes Beschwerdesyndrom, diffuse Beschwerdesymptomatik "auch" im Rahmen eines Fibromyalgiesyndroms) sind weitgehend bekannt und mit den von den behandelnden Ärzten empfohlenen medikamentösen und physikalischen Maßnahmen zu lindern. Sie waren - wie der Ärztliche Dienst der Beklagten ausgeführt hat - im Wesentlichen von den Vorgutachten mit abgedeckt bzw. bedingen keine weiteren Leistungsminderungen. Eine eindeutige Verschlechterung ergibt sich insoweit nicht und wird auch von der Klägerin nicht thematisiert. Durch die aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen werden die wesentlichen Beschwerden auch weiterhin ausreichend berücksichtigt. Dies gilt auch, soweit sich im bildgebenden Verfahren (MR vom 06.02.2004) offenbar erstmals eine knöcherne Foramenstenose C3/C4 sowie C4/C5 ergab und soweit durch eine weitere MR-Untersuchung eine Rhizarthrose links festgestellt wurde.

Diese Einschätzung wird letztlich auch bestätigt durch die während des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte weitere Untersuchung der Klägerin durch die Gutachterin Dr.K. in G. , welche von seit Jahren gleichbleibenden HWS- und LWS-Beschwerden der bei ihrer Untersuchung dysthym gestimmten, aber affektiv ausreichend schwingungsfähigen Klägerin berichtete. Sie erhob im Übrigen einen unbehandelten, aber therapierbaren Hypertonus und hielt die Klägerin in leichten und überwiegend auch in mittelschweren Arbeiten für vollschichtig leistungsfähig.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Anstelle eines Urteils mit vorausgehender mündlicher Verhandlung konnte - nach Anhörung der Beteiligten - ein Beschluss ergehen, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielt (§ 153 Abs.4 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung des Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved