L 6 R 626/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 677/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 626/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a/5 R 496/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Änderung einer rechtskräftigen Rentenablehnung.

Der Kläger ist 1949 geboren und arbeitete zunächst nach Abschluss einer entsprechenden Lehre kurz als Former. Nach verschiedenen nichtqualifizierten Tätigkeiten wurde er im Rahmen einer Umschulung 1983/84 erfolgreich zum Mechaniker ausgebildet. Nach einer kurzen Arbeitslosigkeit war er von 1985 bis 1998 als Entgrater beschäftigt. Die Arbeitsstelle, an der er bis Februar 1997 beschäftigt war, verlor er durch Kündigung des Arbeitgebers, die nach Angaben des Klägers betriebsbedingt war. Vom 17.02.1997 bis 31.08.1998 war der Kläger bei der Firma H.Technologie wiederum als Entgrater mit dem Entgraten von Getriebeteilen beschäftigt. Nach Auskunft des Arbeitgebers vom 15.12.1999 handelte es sich um eine ungelernte Tätigkeit, für die ein Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse eine Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten benötigte. Er war in Lohngruppe V des Tarifvertrages für das Metallhandwrek in Bayern eingestuft. Diese Einstufung liegt eine Stufe über der Lohngruppe, die eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt. Nach Auskunft des Arbeitgebers muss ein Arbeitnehmer in der Regel eine mehrjährige Berufserfahrung aufweisen, um in diese Tarifgruppe eingestuft zu werden. Auch in diesem Beschäftigungsverhältnis wurde dem Kläger gekündigt, er ist seither arbeitslos.

Der Kläger leidet im Wesentlichen an einer seit 1992 aktenkundigen Osteoporose und deren Folgen. Sein Leistungsvermögen seit Antragstellung wurde von den gehörten Sachverständigen im Wesentlichen gleich eingeschätzt (Dr.K. für die Beklagte mit Gutachten vom 27.03.1998; Dr.D. , Facharzt für Orthopädie, für das Sozialgericht im ersten Klageverfahren im Gutachten vom 31.03.2000; der Facharzt für Orthopädie Dr.S. für das Sozialgericht im zweiten Klageverfahren mit Gutachten vom 09.07.2003; der Orthopäde Dr.G. für den Senat mit Gutachten vom 02.08.2005; der vom Senat gehörte Neurologe und Psychiater Dr.B. kommt in seinem Gutachten vom 07.10.2005 zu keinen Leistungseinschränkungen auf seinem Fachgebiet.) Danach konnte und kann der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten verrichten, ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, nicht im Akkord oder im Freien und nicht unter Einfluss von Zugluft und Nässe und nur noch in einem selbst bestimmbaren Wechselrhythmus von Sitzen, Gehen und Stehen.

Am 08.02.1998 stellte er einen Rentenantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.1998 ablehnte. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.1998 als unbegründet zurück. Die anschließende Klage nahm der Kläger am 25.05.2000 zurück.

Am 03.11.2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Überprüfung der Rentenablehnung, weil die Entscheidungen zu Unrecht davon ausgegangen seien, dass er keinen Berufsschutz habe. Im Wesentlichen macht der Kläger geltend, als Entgrater sei er wenigstens auf einem Teilgebiet eines Facharbeiters tätig gewesen und habe diesen Beruf krankheitsbedingt aufgeben müssen. Er könne nicht auf andere Berufe verwiesen werden.

Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 20.02.2001 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2001 als unbegründet zurück.

Das Sozialgericht hat die Klage, gerichtet sowohl auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit als auch wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit, mit Urteil vom 09.07.2003 als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger weiter noch in der Verweisungstätigkeit eines Pförtners vollschichtig tätig sein könne.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht.

Am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2006 beantragt der Kläger, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 09.07.2003 sowie des Bescheides vom 20.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 zu verurteilen, ihm gemäß § 44 SGB X unter Berücksichtigung des am 03.02.1998 gestellten Rentenantrags Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten, hilfsweise Vertagung der mündlichen Verhandlung und Beiziehung der Personalakte des Klägers von seinem letzten Arbeitgeber sowie Einvernahme der Auskunftsperson der Firma H ...

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rentenanspruch hat.

Die Beklagte hat ihren Bescheid vom 04.05.1998 nicht nach § 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch (SGB) X zurückzunehmen, denn sie hat bei ihrer Entscheidung weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat.

Auf den Rentenanspruch des Klägers, der für eine Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird, sind die §§ 43, 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 43 Abs.1 SGB VI in dieser Fassung hatten Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie u.a. berufsunfähig waren. Nach Abs.2 der Vorschrift waren Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken war. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen war, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprachen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnten. Berufsunfähig war nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben konnte; dabei war die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit war danach der bisherige Beruf. Das ist die zuletzt und auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung.

Den zuletzt ausgeübten Beruf des Entgraters dürfte der Kläger nach dem Ergebnis der Beweiserhebungen auf medizinischem Fachgebiet nicht mehr vollschichtig ausgeübt haben können. Er war damit jedoch noch nicht berufsunfähig. Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf durfte ein Versicherter grundsätzlich auf einen Beruf in der nach seiner Wertigkeit nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Berufsunfähigkeit im Sinne von § 43 SGB VI alter Fassung hat die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung in dieses Prüfungsmuster bestimmte die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden konnte. Die Zuweisung zu einer Berufsgruppe bestimmte sich von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hatte sowie dessen tariflicher Eingruppierung und der konkreten Eingruppierung durch den Arbeitgeber (vgl. BSG-Urteil vom 20.07.2005 Az.: B 13 RJ 19/04 R). Die beiden untersten Gruppen wurden hierbei von der des ungelernten Arbeiters und der des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) gebildet. Zumutbar war stets eine Tätigkeit in der nächstniedrigeren Berufsgruppe. Bei einer Verweisung auf die unterste Berufsgruppe bedurfte es nicht mehr der Benennung einer konkreten beruflichen Tätigkeit, die ein Versicherter mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch konkret ausüben konnte. Es genügte, wenn er noch vollschichtig einsatzfähig war, es sei denn, es hätte eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung bestanden. Letzteres liegt beim Kläger nicht vor. Der Kläger musste sich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, weil er zuletzt versicherungspflichtig als ungelernter Arbeiter tätig war. Dies ergibt sich aus der Auskunft des Arbeitgebers vom 15.12.1999. Darin wird seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als ungelernte Tätigkeit bezeichnet, die ein Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse in weniger als drei Monaten erlernen kann. Die Entlohnung des Klägers durch den Arbeitgeber, die ein Indiz für die Qualität des Berufes abgeben kann, ist im vorliegenden Fall nicht maßgeblich, denn der Kläger hat nur ungelernte Tätigkeiten ausgeübt und die Bezahlung beruht auf der langjährigen Berufserfahrung (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.71 und Nr.135). Die Behauptung des Klägers, er habe in dieser Beschäftigung Teilbereiche einer Facharbeitertätigkeit ausgeübt, ist ausweislich der Arbeitgeberauskunft nicht zutreffend. Teilbereiche einer Facharbeitertätigkeit können nicht schon solche sein, die auch ein Facharbeiter im Rahmen seiner Tätigkeiten verrichtet, sondern nur solche, für deren Verrichtung eine Facharbeiterqualifikation Voraussetzung ist. Dies trifft beim Kläger nicht zu.

Dem Antrag des Klägers auf Beiziehung der Personalakten und Einvernahme der Auskunftsperson des letzten Arbeitgebers war nicht mehr nachzukommen. Die entscheidungserheblichen Angaben sind vom Arbeitgeber bereits gemacht worden. Es ist nicht dargetan und nicht ersichtlich, dass die Angaben unrichtig oder unvollständig wären und welche weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse vom beantragten Vorgehen zu erwarten gewesen wären.

Die zuvor ausgeübte Beschäftigung als Entgrater war für die Beurteilung des Berufsschutzes nicht mehr maßgeblich. Die Beschäftigung ist aus nicht gesundheitsbedingten Gründen beendet worden und der Kläger hat sich einer anderen unbefristeten Beschäftigung zugewandt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.11 und 130).

Da der Kläger nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten konnte, war er nach § 43 SGB VI alter Fassung nicht berufsunfähig.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat auch über einen Anspruch nach § 240 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu entscheiden hatte (vgl. hierzu BSG SozR 4-2600 § 43 Nr.3; BSG Urteil vom 16.03.2006 Az.: B 4 RA 24/05 B). Die Anspruchsvoraussetzungen des § 240 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung haben sich, soweit es im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist, im Verhältnis zu § 43 SGB VI alter Fassung dadurch geändert, dass eine maßgebliche Leistungsminderung erst dann eintritt, wenn die bisherige sowie die zumutbare Tätigkeit nicht mehr wenigstens sechs Stunden täglich ausgeübt werden können und nicht wie bei der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage vollschichtig, d.h. acht Stunden täglich. Die entsprechende zeitliche Leistungseinschränkung gilt darüber hinaus seit 01.01.2001 auch für Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 SGB VI. Auch nach dem seit 01.01.2001 geltenden Recht hat der Kläger damit keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Berufung ist deshalb nicht begründet.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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