L 9 B 97/06 EG PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 24/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 97/06 EG PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 29.12.2005 aufgehoben.
II. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B. T. beigeordnet.

Gründe:

I.

Die 1985 geborene Klägerin ist die Mutter des 2002 geborenen Kindes T ... Sie lebte nach der Geburt zusammen mit ihrem Sohn in der R.straße in K. und übte keine Erwerbstätigkeit aus.

Auf Antrag vom 14.08.2002 (abgegeben am 19.08.2002 von der Mutter und gesetzlicher Vertreterin der Klägerin sowie ihres Enkels) bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.09.2002 Erziehungsgeld vom 18.07.2002 bis 17.07.2003 für das Kind T. (monatlich 307,00 EUR). Im Bescheid war darauf hingewiesen, dass die Klägerin verpflichtet sei, jede wesentliche Änderung in den für den Anspruch auf Erziehungsgeld und seine Zahlung maßgeblichen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen. Eine Mitteilungspflicht bestehe insbesondere, wenn das Recht auf Personensorge entzogen werde, das Kind nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebe, das Kind nicht mehr selbst betreut und erzogen werde.

Für das zweite Lebensjahr des Kindes beantragte zunächst die Mutter der Klägerin Erziehungsgeld, nahm den Antrag jedoch zurück; gleichzeitig beantragte die Klägerin am 10.07.2003 Erziehungsgeld, das ihr mit Bescheid vom 14.07.2003 für die Zeit vom 18.07.2003 bis 17.07.2004 gewährt wurde (monatlich 307,00 EUR). Erneut war, wie bereits im Bescheid vom 02.09.2002, auf die Mitteilungspflichten hingewiesen worden.

Am 12.07.2004 beantragte die Klägerin Landeserziehungsgeld und gab an, das Kind werde in der Bezugszeit vom 25. bis 36. Lebensmonat des Kindes in ihrem Haushalt leben und von ihr selbst betreut und erzogen werden. Mit Bescheid vom 13.07.2004 bewilligte der Beklagte Landeserziehungsgeld für die Zeit vom 18.07.2004 bis 17.01.2005. Auf die Mitteilungspflichten wurde erneut hingewiesen.

Am 08.06.2005 sprach der leibliche Vater des Kindes T. beim Amt für Versorgung und Familienförderung in A. vor und erklärte, die Klägerin habe den Sohn seit ca. Anfang 2003 zur Vollzeitpflege in eine Pflegefamilie gebracht. Seit 06.05.2005 lebe das Kind bei ihm. Das Landratsamt A. teilte dem Beklagten auf Nachfrage mit, das Kind T. sei seit 03.11.2003 bis 12.05.2005 in Vollzeitpflege untergebracht gewesen. Mit zwei Schreiben vom 23.06.2005 hörte der Beklagte die Klägerin zu seiner Absicht an, die Bescheide vom 14.07.2003 sowie den Bescheid vom 13.07.2004 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bzw. 45 SGB X aufzuheben und die Klägerin zur Erstattung der erbrachten Leistungen nach § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X zu verpflichten. Frist zur Äußerung wurde bis 01.07.2005 eingeräumt.

Mit Bescheid vom 11.07.2005 (zur Post gegeben am 25.07.2005) stellte der Beklagte fest, dass der Klägerin ab 18.11.2003 kein Erziehungsgeld mehr zustehe, der überzahlte Betrag in Höhe von 2.456,00 EUR sei zu erstatten. Die Überzahlung werde bei dem (2005) geborenen Kind P. einbehalten. Am 25.07. ging die Stellungnahme der Bevollmächtigten der Klägerin zum Schreiben vom 23.06.2005 ein. Die Klägerin habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unvollständige oder falsche Angaben gemacht. Sie habe ihr Kind regelmäßig im streitigen Zeitraum bis einschließlich April 2004 jedes Wochenende und in den Ferien betreut. Ab April 2004 habe die Betreuung mit dem Vater abgewechselt. Die Klägerin sei davon ausgegangen, nachdem die über vier Tage dauernden Aufenthalte ihres Sohnes ebenfalls Aufwendungen in Form von Essen, Windeln etc. erfordert hätten, dass ihr das Geld zustehe. Von Seiten der Pflegemutter sei stets geäußert worden, sie brauche kein Erziehungsgeld. Auch von Seiten des bezüglich des Sorgerechts involvierten Jugendamtes sei die Klägerin nicht darauf hingewiesen worden, dass ihr das Erziehungsgeld nicht zustehe. Sie habe das Geld für die Betreuung des Kindes verbraucht. Sie sei nicht in der Lage, eine Rückzahlung zu leisten. Die Angaben wurden durch eine vom Amtsvormund (beim Landratsamt A. , Wirtschaftliche Jugendhilfe, Vormundschaftswesen) erstellte Liste belegt. Am 09.08.2005 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.07.2005.

Mit Bescheid vom 12.07.2005, abgesandt am 25.07.2005, stellte der Beklagte fest, dass der Klägerin ab 18.07.2004 kein Landeserziehungsgeld mehr zustehe. Der erbrachte Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR sei zu erstatten. Er werde von der Erziehungsgeldzahlung für P. einbehalten. Gegen diesen Bescheid wurde seitens der Klägerin am 09.08.2005 ebenfalls Widerspruch erhoben. Mit Bescheid vom 26.09.2005 wurden die Widersprüche gegen die Bescheide vom 11.07.2005 und 12.07.2005 zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bestehe für die Zeit vom 18.11.2003 bis 17.07.2004 nicht; ebenso wenig stehe der Klägerin Erziehungsgeld nach dem Landeserziehungsgeldgesetz in der Zeit vom 18.07.2004 bis 17.01.2005 zu. Die Klägerin habe in dieser Zeit nicht mit dem Kind in einem Haushalt gelebt und dieses Kind nicht selbst betreut und erzogen. Die seit 03.11.2003 begründete Vollzeitpflege schließe einen gemeinsamen Haushalt ab diesem Zeitpunkt aus. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin auf Grund von § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X nicht berufen, da sie zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Das Vorbringen der Klägerin (zeitweise Betreuung und Ausgaben für Essen, Windeln etc.) schließe die grobe Fahrlässigkeit nicht aus. Ob im fraglichen Zeitraum die Klägerin überhaupt das Personensorgerecht für das Kind innegehabt habe, könne dahingestellt bleiben, da allein auf Grund des fehlenden gemeinsamen Haushaltes kein Anspruch bestehe. Es sei zumindest grob fahrlässig unterlassen worden, die Aufnahme des Kindes in eine Vollzeitpflege mitzuteilen. Auch die Angaben im Landeserziehungsgeldverfahren bezüglich des gemeinsamen Haushaltes hätten bezüglich der tatsächlichen Gegebenheiten zumindest entsprechende Erläuterungen notwendig gemacht.

Mit der Klage vom 28.10.2005 zum Sozialgericht Augsburg verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der Bescheide vom 11.07.2005 und 12.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 weiter. Am 17.11.2005 stellte sie Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin B. T ... Hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird auf die Anlage dieses Beschlusses verwiesen.

Das Sozialgericht Augsburg lehnte mit Beschluss vom 29.12.2005 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Es stehe ihr ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht zu, da es an der Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs.1 Nr.2 und 3 BErzGG fehle (Leben in einem Hausalt und Betreuung und Erziehung des Kindes durch die Klägerin persönlich); nicht ausreichend sei die regelmäßige Betreuung am Wochenende und in den Ferien.

Mit der Beschwerde vom 03.02.2006 trägt die Klägerin vor, sie sei in ihrem Vertrauen auf die erlassenen Verwaltungsakte im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X geschützt. Es sei ihr der Unterschied zwischen einer Betreuung eines dauernd im Haushalt lebenden Kindes und der Betreuung in regelmäßig wiederkehrenden Abständen und auch bei längeren Zeiträumen nicht bewusst gewesen. Die Bevollmächtigte weist darauf hin, dass die Klägerin in der Entwicklung im Vergleich zu Gleichaltrigen zurückgeblieben sei. Die Betreuungszeiten im Zeitraum vom 08.11.2003 bis 02.05.2005 wurden durch eine von der Pflegemutter gefertigte Aufstellung im Einzelnen belegt. Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt, § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs.2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 172 Abs.1, 173, 176 SGG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach § 114 ZPO, der wie alle Vorschriften über die Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG entsprechend auf das Sozialgerichtsverfahren anzuwenden ist, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere kann die Klägerin die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen, wie sich aus der Anlage zu diesem Beschluss ergibt. Die Anlage ist Bestandteil des Beschlusses und darf dem Beklagten nur mit Zustimmung der Klägerin zugänglich gemacht werden (§ 127 Abs.1 Satz 3 ZPO).

Auch kann bei der im Rahmen der bei Entscheidung über die Prozesskostenhilfe gebotenen prognostischen und überschlägigen Betrachtungsweise eine hinreichende Aussicht auf mindestens teilweisen Erfolg der Klage nicht verneint werden. Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtstandpunkt der Beteiligten auf Grund der Sachverhaltschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, wobei eine summarische Prüfung vorzunehmen ist. Die Erfolgsaussicht kann in der Regel nicht verneint werden, wenn weitere Beweiserhebungen von Amts wegen für notwendig gehalten werden (Meyer-Ladewig, SGG, Rdnrn.7a, b zu § 73a SGG). Ein Rechtsschutzbegehren hat insbesondere in aller Regel hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, soweit die Erfolgschance nicht nur eine ganz entfernte ist (BVerfGE 81, 347, 356 ff., BVerfG in NJW 1997, S.2103).

Unter diesen Prämissen kann der Klage eine für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausreichende zumindest teilweise Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden.

Es bestehen vor allem Zweifel, ob der Beklagte die Bewilligung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 18.11.2003 bis 17.07.2004 und vom 18.07.2004 bis 17.01.2005 zu Recht für die Vergangenheit aufgehoben und die Überzahlung zurückgefordert hat. Dabei ist insbesondere zu klären, ob als maßgebliche Grundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Erziehungsgeld ab 18.11.2003 tatsächlich allein § 48 SGB X herangezogen werden kann oder ob - und wenn ja, inwieweit - diese Vorschrift durch § 22 Abs.4 BErzGG modifiziert wird. Was die Aufhebung der Bewilligung von Erziehungsgeld nach dem LErzGG angeht, so erscheint insbesondere fraglich, ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X gegeben sind und ob der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat.

Was die Aufhebung der Bewilligung des Erziehungsgeldes nach dem BErzGG angeht, so spricht viel dafür, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs.1 Nrn.2 und 3 BErzGG ab 03.11.2003 entfallen sind. Ab dieser Zeit befand sich der Sohn T. der Klägerin in Vollzeitpflege bei einer Pflegefamilie, so dass Bedenken bestehen, ob von einem Leben in einem Haushalt und Betreuung und Erziehung durch die Klägerin selbst gesprochen werden kann. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Klägerin das Kind in den Ferien und auch zumindest an jedem zweiten Wochenende selbst betreut hat. Ob trotz dieses Umstands das Leben in einem Haushalt sowie die persönliche Betreuung und Erziehung vollständig beendet waren, ist zu prüfen, zumindest sind Überlegungen anzustellen, ob die Aufnahme in der Pflegefamilie von Anfang an auf Dauer angelegt war oder ggf. nur eine Unterbrechung beabsichtigt war, so dass § 1 Abs.5 BErzGG ggf. zur Anwendung kommen könnte. Dabei ist von Bedeutung, dass nicht jede räumliche Trennung zur Aufgabe eines gemeinsamen Haushalts führt, vielmehr entscheidend die Frage ist, ob ein ortsbezogener Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen bestehen bleibt oder in absehbarer Zeit wiederhergestellt wird (Buchner-Bäcker, Mutterschutzgesetz, Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Auflage, § 1 BErzGG Rdnr.58, BSG vom 18.12.1993 in SozR 3-5870 § 2 Nr.22). Inwieweit im Fall der Klägerin im Hinblick auf die Betreuung im eigenen Haushalt an den Wochenenden und den Ferien und den damit verbundenen Kosten ein ortsbezogener Mittelpunkt gemeinsamer Lebensinteressen weiter bestanden hat, wie und für welche Zeit die Vollpflege geregelt war, wird vom Sozialgericht zu klären sein.

Aber selbst wenn unterstellt wird, das Leben in einem Haushalt und Betreuung und Erziehung durch Klägerin selbst seien ab 03.11.2003 beendet gewesen und es sei somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, besteht hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage. Denn in diesem Fall stellt sich die Frage des Verhältnisses von § 48 SGB X und § 22 Abs.4 BErzGG. Nach § 22 Abs.4 BErzGG ist bei wesentlichen Veränderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die für den Anspruch erheblich sind, über das Erziehungsgeld in der Regel mit Beginn des nächsten Lebensmonats nach der wesentlichen Änderung der Verhältnisse durch Aufhebung oder Änderung des Bescheides neu zu entscheiden. Diese Vorschrift stellt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs.14/3553 S.23/24) eine § 70 Abs.2 EStG vergleichbare Spezialvorschrift zur Beseitigung der Rechtsunsicherheiten zwischen den Besonderheiten im Erziehungsgeldrecht und den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen des § 48 SGB X dar. Damit stellt sich die Frage, ob die in § 48 Abs.1 SGB X getroffene Differenzierung zwischen gebundener Entscheidung für die Zukunft und - unter bestimmten Voraussetzungen - Ermessensentscheidung für die Vergangenheit noch relevant ist (vgl. Buchner/Bäcker, Mutterschutzgesetz/Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Auflage, Rdnr.14 zu § 22 BErzGG). Sollte es im Hinblick auf § 22 Abs.4 BErzGG tatsächlich nicht mehr auf das Vorliegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Mitteilungspflichtverletzung gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X ankommen, so stellt sich die Frage, ob jedenfalls im Rahmen des § 22 Abs.4 BErzGG zu prüfen wäre, ob nicht bei Eintreten eines Härtefalls nach pflichtgemäßem Ermessen eine sachliche Korrektur des bisherigen Ergebnisses ausnahmsweise nicht erforderlich sein könnte (BT-Drs.14/3553 S.24).

Sollte es trotz der Regelung des § 22 Abs.4 SGB X noch auf die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X ankommen (was im Rahmen der summarischen Prüfung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht ausgeschlossen werden kann), spräche jedenfalls für die Klägerin, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit auch eine subjektive Komponente beinhaltet (BSG vom 23.07.1996, Az.: 7 RAr 104/95). Es ist hierbei auch subjektiv ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Eine erhebliche verminderte Einsichtsfähigkeit oder ein Irrtum des Betroffenen, der nicht selbst auf grober Fahrlässigkeit beruht, schließt die Annahme grober Fahrlässigkeit aus (von Wulffen, SGB X, Rdnr.24 zu § 45 SGB X; Hauck/Noftz, Rdnr.18 zu § 48 SGB X). In der vorliegenden Fallgestaltung kann jedenfalls im Rahmen der PKH nicht mit genügender Sicherheit angenommen werden, ein Irrtum der Klägerin, sie betreue und erziehe ihr Kind trotz Vollzeitpflege in einem Haushalt weiter, da das Kind an den Wochenenden und in den Ferien bei ihr lebe, sei als grob fahrlässig zu bewerten. Dass diese Problematik nicht so eindeutig und klar zu beantworten ist, zeigt sich im Urteil des BSG vom 08.12.2003 SozR 3-5870 § 2 Nr.22 und 28.02.1996, Az.: 14 REg 3/95. Im Übrigen zeigt auch eine Telefonnotiz vom 22.07.2005 in der Erziehungsgeldakte betreffend das Kind P. , dass der bei der Klägerin gegebene Sachverhalt jedenfalls Zweifel an der Beendigung des Lebens in einem Haushalt und Betreuung des Kindes nahe legte. Der Vermerk betrifft ein Gespräch eines Bediensteten des Beklagten mit der Rechtsberatungsstelle des Amtsgerichts. Darin wird dem Vorbringen der Klägerin, sie habe das Kind an den Wochenenden und in den Ferien immer selbst betreut, durchaus Bedeutung beigemessen, da angeregt wird, dies durch das Jugendamt bzw. die Pflegefamilie bestätigen zu lassen und ggf. Widerspruch zu erheben. Dies zeigt, dass der von der Klägerin angegebene Irrtum jedenfalls nicht abwegig war. Von grober Fahrlässigkeit kann demnach zumindest im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht mit Sicherheit ausgegangen werden.

Bereits aus diesem Grund hat auch die Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2005 betreffend Aufhebung der Bewilligung des Landeserziehungsgeldes hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinzukommt hier allerdings, dass der Bescheid vom 12.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 nicht erkennen lässt, inwieweit der Beklagte die Voraussetzungen des § 45 SGB X geprüft und insbesondere das ihm eingeräumte Ermessen ausgeübt hat, so dass insofern bereits aus diesem Grund Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 bestehen und damit Erfolgsaussicht der Klage im Sinn des § 114 ZPO zu bejahen ist.

Bei diesem Sachverhalt kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 24 SGB X eingehalten worden sind.

Schließlich hält der Senat auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs.2 ZPO für erforderlich. Dies kann grundsätzlich nicht allein unter Bezugnahme auf den im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Amtsermittlungsgrundsatz verneint werden (siehe Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.02.1997 - 1 BvR 1640/96 in SozSich 97, 275). Die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auch im sozialgerichtlichen Verfahren entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers (vgl. § 73a SGG). Dies bedeutet zwar nicht, dass grundsätzlich in jedem sozialgerichtlichen Verfahren eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheinen muss, vielmehr ist diese Frage jeweils gesondert zu prüfen. Dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und die wirtschaftliche Bedeutung der Streitsache zu berücksichtigen. Im Falle der Klägerin weist die Streitsache überdurchschnittliche Schwierigkeiten auf. Aus einer bisherigen Berufstätigkeit lässt sich die Fähigkeit der Klägerin nicht ableiten, das Verfahren eigenverantwortlich in angemessener Weise zu führen. Die Streitsache besitzt für die Klägerin auch eine ausreichend erhebliche Bedeutung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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