L 15 B 1054/05 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 SO 3416/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 1054/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Da die Antragstellerin eine Veränderung des bislang leistungslosen Zustandes erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung – ZPO -; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2003, § 86 b Rdnr. 31 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Erhebliche Zweifel an einem Anordnungsanspruch wie auch an einem Anordnungsgrund ergeben sich bereits daraus, dass nach Lage der Akten Anlass zu der Annahme besteht, dass die Antragstellerin über beträchtliches Vermögen verfügt, während die von ihr begehrten Leistungen der Sozialhilfe aber in jedem Fall Bedürftigkeit voraussetzen. Die Antragstellerin hat ausweislich ihrer beigezogenen Ausländerakte im Zusammenhang mit der Beantragung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde im Dezember 2004 zwei Kontoauszüge einer schottischen Bank vorgelegt, die beträchtliche Festgeldguthaben ausweisen. Der Aufforderung im vorliegenden Beschwerdeverfahren, über Bestand und gegebenenfalls Verwendung dieser Gelder Auskunft zu geben, ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Sie ist deshalb nochmals mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass sie zunächst ihre eigenen Mittel einzusetzen hat, bevor sie in Deutschland staatliche Unterstützung beantragt.

Aber selbst wenn bei der Antragstellerin die von ihr behauptete Bedürftigkeit vorliegen sollte, könnte sie mit ihrem hier gegen den Antragsgegner geltend gemachten Begehren keinen Erfolg haben. Grundsätzlich gilt, dass sich die Antragstellerin wegen der von ihr beanspruchten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorrangig an das JobCenter zu halten hat. Die von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen und ihre eigene Schilderung diverser Leiden ist nicht ausreichend, um die Zuständigkeit des Antragsgegners wegen der behaupteten mangelnden Erwerbsfähigkeit zu begründen, denn nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage hat gemäß § 44 a Sozialgesetzbuch – SGB – II zunächst die Agentur für Arbeit festzustellen, ob ein Hilfesuchender erwerbsfähig ist. Auf die zutreffenden rechtlichen Hinweise des Antragsgegners und des Sozialgerichts wird in soweit Bezug genommen.

Allerdings werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 5) wie auch Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII (vgl. § 22 SGB XII), für die der Antragsgegner zuständig wäre, grundsätzlich nicht an Personen erbracht, die eine Ausbildung betreiben, welche dem Grunde nach im Rahmen den Bundesausbildungsförderungsgesetzes – BAföG – förderungsfähig ist. Das ist bei der Antragstellerin der Fall, da sie an der Technischen Universität Berlin regulär im Studiengang Chemie immatrikuliert ist. Das die 1949 geborene Antragstellerin die persönlichen Voraussetzungen für ein Stipendium nach diesem Gesetz schon wegen Überschreitens der Altersgrenze (vgl. § 10 BAföG) nicht erfüllt, berührt die dem Grunde nach bestehende Förderungsfähigkeit ihres Studiums nicht, auf die die genannten Vorschriften des SGB II und XII abstellen. Ein besonderer Härtefall, in dem nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Hilfe zum Lebensunterhalt ausnahmsweise als Beihilfe oder als Darlehen geleistet werden kann, haben der Antragsgegner und das Sozialgericht zu Recht verneint. Auch unter Berücksichtigung des schweren Lebensschicksals der Antragstellerin und ihrer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen erscheint ein gegebenenfalls erforderlicher Abbruch ihrer Ausbildung nicht als übermäßig hart und unzumutbar. Die Antragstellerin ist seit dem Jahre 1986 bemüht, an der Technischen Universität B. ein Chemiestudium zu absolvieren, nachdem ihre im Ausland abgelegten Examina ihren Angaben zu Folge in Deutschland nicht oder nur teilweise anerkannt worden sind. Es fehlt bei der gebotenen realistischen Betrachtung an jeglichen konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die Antragstellerin, die inzwischen das sechsundfünfzigste Lebensjahr vollendet hat und im dreiundreizigsten Hochschulsemester steht, angesichts ihrer offenbar auch aktuell erheblichen gesundheitlichen Schwierigkeiten ihr Studium in absehbarer Zeit erfolgreich abschließen und sodann mit dem erworbenen Abschluss ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit dauerhaft sichern kann. Der Leistungsausschluss nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst die neben der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt auch ihre laufenden Krankenversicherungsbeiträge sowie den allgemeinen Ausbildungsbedarf, wie zum Beispiel Lernmittel, Bücher und die von ihr ausdrücklich geltend gemachten Rückmeldegebühren (vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 26 Bundessozialhilfegesetz Brühl in Lehr- und Praxiskommentar LPK-BSHG, 2003 Rdnr. 17 zu § 26 m. w. N.).

Die von der Antragstellerin begehrten Leistungen kommen auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach §§ 53 ff. SGB XII in Betracht. Zwar sieht § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII auch eine Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuches einer Hochschule vor. Dabei ist jedoch grundsätzlich nur Aufgabe der Eingliederungshilfe, behinderungsbedingte Hindernisse und Erschwernisse auszuräumen, die der Aufnahme und Durchführung des Studiums entgegenstehen, nicht jedoch die hier in Rede stehenden Leistungen für den Lebensunterhalt, die Krankenversicherung und die Semesterrückmeldung zu übernehmen, die auch ein nicht behinderter Student in gleichem Maße aufzuwenden hätte. Ob unter besonderen Umständen auch Leistungen zum Lebensunterhalt während eines Studiums als Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht kommen können (vgl. OVG Lüneburg FEVS 52, 262, 264) bedarf hier keiner Prüfung, weil das von der Antragstellerin betriebene Studium schon deshalb nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe zu fördern ist, weil jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu erwarten ist, dass es geeignet und notwendig ist, um der Antragstellerin eine Existenzgrundlage zu ermöglichen.

Hinsichtlich der von der Antragstellerin darüber hinaus noch begehrten jährlichen Mitgliedsbeiträge beim P.-Sportverein B. ist nicht erkennbar, dass insoweit eine einstweilige Regelung des Gerichts erforderlich wäre, um einen gegenwärtigen, wesentlichen Nachteil von der Antragstellerin abzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung vom § 193 SGG.

Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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