Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 7 SO 4/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 159/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt Dr. M N, W, B, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der im März 1997 geborene Antragsteller leidet an einer beidseitigen Sehschwäche und einer komplexen Entwicklungsverzögerung. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 90 anerkannt sowie die Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G und H festgestellt. Seit dem 9. August 2004 besucht der Antragsteller die BSfBuSK W und ist dort von Montag bis Freitag in dem der Schule angeschlossenen Internat untergebracht. Der Wohnort der gesetzlichen Vertreter der Antragsteller ist ungefähr 50 Kilometer von dieser Schule entfernt; die Fahrzeit beträgt ca. 44 Minuten pro Strecke. Aufgrund eines Betreuungsvertrages mit dem Internatsträger wird von den Eltern als Antragstellers neben einem - hier nicht streitgegenständlichen - Anteil an den Verpflegungskosten in Höhe von 75 Euro monatlich ein Elternbeitrag für die Unterbringung und Betreuung des Antragstellers im Internat in Höhe von monatlich 120 Euro gefordert. Diesen Elternbeitrag haben die Eltern seit August 2005 nicht entrichtet. Mit Mahnungen vom 10. Februar 2006 und 17. Februar 2006 wurde die Zahlung unter Fristsetzung und Berufung auf ein Kündigungsrecht des Betreuungsvertrages bei den gesetzlichen Vertretern angemahnt.
Einen Antrag auf stationäre Eingliederungshilfe lehnt der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. November 2005 mit der Begründung ab, bei Kostenträgerschaft durch das Schulverwaltungsamt des Landeskreises Dahme-Spreewald bestehe kein Wahlrecht, sondern die Subsidiarität der Sozialhilfe greife ein, so dass eine Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe nicht in Betracht komme. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 6. Dezember 2005 ist bisher nicht entschieden worden.
Am 11. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme des Eigenbetrages von monatlich 120 Euro an den Unterbringungskosten im Internat ab 1. Januar 2006 für zunächst drei Monate begehrt und vorgetragen, er werde wegen einer erheblichen Sehminderung und sonderpädagogischen Förderbedarfs bedarfsgerecht an der Schule für Blinde und Sehbehinderte beschult. Wegen des behinderungsbedingten Bedarfs und der weiten Entfernung zwischen Wohn- und Schulort sei er von Montag bis Freitag im Internat untergebracht. Zu dem ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – zu gewährenden Hilfebedarf gehöre auch die Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte. Der entsprechende Antrag auf Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe sei abgelehnt worden. Gegen die Leistungspflicht des Antragsgegners spreche auch nicht, dass der Schulträger nach dem Brandenburgischen Schulgesetz – BbgSchlG – ein Wohnheim oder ein Internat bereitzustellen habe, wenn wegen der Wohnortentfernung eine tägliche Anreise nicht zugemutet werde könne. Dieses ergebe sich aus einem Rundschreiben des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg – Landessozialamt – vom 21. Juli 2004. Der Einrichtungsträger habe die Zahlung der ausstehenden Unterbringungskosten unter Fristsetzung angemahnt. Im stehe aus dem abgeschlossenen Betreuungsvertrag ein Kündigungsrecht dann zu, wenn trotz dreimaliger Mahnung der Elternbeitrag nicht gezahlt werde.
Der Antragsteller hat erstinstannzlich beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, die für die Unterbringung und Betreuung des Antragstellers entstehenden laufenden Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in K W in der Trägerschaft der SFZ Sächsisches Förderzentrum C gGmbH ab dem Monat 2006 in Höhe von mo- natlich EUR 120,00 für zunächst drei Monate zu übernehmen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b SGG abzu- weisen.
Er hat u. a. geltend gemacht, die Kosten der Internatsunterbringung des Antragstellers würden vollumfänglich durch den Landkreis Dahme-Spreewald getragen. Die gesetzlichen Vertreter des Antragstellers würden lediglich auf der Grundlage des Brandenburgischen Schulgesetzes zu einer Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Verpflegung herangezogen. Bei dieser Kostenbeteiligung handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung, die im Rahmen des Betreuungsvertrages durch den Internatsträger gegen die Eltern geltend gemacht werde. Der Antragsteller selbst sei nicht Schuldner dieser Forderung. Für eine Übernahme der von den Eltern geschuldeten Kostenbeteiligung im Rahmen der Eingliederungshilfe sei kein Raum.
Mit Beschluss vom 26. Mai 2006 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller Eingliederungshilfe durch die Übernahme der Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in KW in Höhe von monatlich 120 Euro ab dem Monat Januar 2006 für drei Monate zu gewähren.
Gegen den ihm am 8. Juni 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 5. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 6. Juli 2006).
Er macht geltend, der Antragsteller habe schon einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der angegebene Zahlungsverzug bestehe seit August 2005, ohne dass der Einrichtungsträger dies zum Anlass genommen habe, den Internatsvertrag zu kündigen. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten für die Monate Januar 2006 bis März 2006 führe nur zu einer teilweisen Befriedigung der Ansprüche des Einrichtungsträgers mit der Folge, dass diesem wegen des weiter bestehenden Zahlungsrückstandes ein Kündigungsrecht verbliebe. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, weil er den täglichen Schülertransport nutzen könne.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. MN zu gewähren.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Antragsteller hat eine Rechnung des S F gGmbH KW vom 31. August 2006 zur Gerichtsakte gereicht und ergänzend vorgetragen, dass im Jahr 2006 noch keine Zahlungen erfolgt seien. Der Internatsträger habe den Betreuungsvertrag noch nicht gekündigt, diese Gefahr bestehe aber weiterhin. Es sei beabsichtigt, die Zwangsvollstreckung vor Abschluss des hiesigen Verfahrens zu betreiben.
Der Senat hat eine Auskunft des Internatsträgers vom 11. September 2006 eingeholt, wonach für die Zeit von August 2005 bis einschließlich August 2006 noch Elternbeiträge in Höhe von 1560 Euro zu leisten sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der erstrebten Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, nicht glaubhaft gemacht. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtung seiner Interessen aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b, Anmerkung 28). Des Weiteren muss die angestrebte Regelung zur Abwendung einer vorgetragenen drohenden Notlage geeignet sein. Ein Anordnungsgrund muss auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidungen im Beschwerdeverfahren vorliegen (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 976, OVG Bautzen, Sächsische Verwaltungsblätter 994, 114, Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, § 24 Anm. 480). Die begehrte Anordnung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch dringlich sein und geeignet sein, wesentliche Nachteile abzuwenden. Ausgehend vom ausdrücklich von dem Bevollmächtigten des Antragstellers gestellten Antrag liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
Der Antragsteller begehrt ausdrücklich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Internatskosten für die Monate Januar bis einschließlich März 2006. Streitgegenstand sind danach keine laufenden Leistungen. Mit der begehrten Anordnung kann daher nicht die laufende Leistung des Elternbeitrages sichergestellt werden; der Antragsteller ist gehalten, den Anspruch auf die Übernahme der Elternbeiträge für die streitgegenständlichen Monate im Hauptsacheverfahren zu klären. Auch aus dem Vortrag, dem Einrichtungsträger stehe bei Nichtzahlung der Elternbeiträge für die streitgegenständlichen Monate ein Recht zur Kündigung des Unterbringungs- und Betreuungsvertrages zu, folgt nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Die begehrte Anordnung ist nämlich nicht geeignet, eine solche Kündigung abzuwenden, wenn sie denn überhaupt vom Einrichtungsträger beabsichtigt sein sollte.
Die Eltern des Antragstellers haben seit August 2005 die ihnen vom Träger des Internats in Rechnung gestellten 120 Euro monatlich nicht gezahlt, sodass - da Mahnungen der Eigenbeträge für die Monate ab August bis Dezember 2005 und für die Beiträge in 2006 bereits vorliegen - die vorgetragene Notlage (drohende Kündigung des Betreuungsvertrages wegen Zahlungsverzugs) durch Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Monate nicht abgewendet werden könnte, weil der Zahlungsverzug für die Monate August bis Dezember 2005 den Einrichtungsträger weiterhin zur Kündigung berechtigen würde.
Wie dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist, spricht der Internatsträger offensichtlich keine Kündigungen der Betreuungsverträge wegen rückständiger Eigenbeiträge aus und verfolgt damit sein ihm aus dem Vertrag zustehendes Recht bei mangelnder Vertragstreue der Eltern nicht zu Lasten der von ihm im Internat betreuten Schüler. Ob dies dem Umstand geschuldet ist, dass zwischen dem Schulverwaltungsamt und dem Einrichtungsträger Abmachungen dahingehend bestehen, dass für den Fall der Erfolglosigkeit der Einziehung des Schulgeldes bzw. des Eigenbetrages das Schulverwaltungsamt für die Schüler eintrete und damit die weitere Internatsunterbringung auch finanziell abgesichert ist, worauf in einem beim Senat anhängigen Rechtsstreit zum Aktenzeichen L 23 B 38/06 SO ER seitens des dortigen Antragsgegners hingewiesen worden ist, brauchte der Senat nicht zu klären, da jedenfalls eine Kündigung offensichtlich nicht droht. Ebenfalls brauchte der Senat mangels Glaubhaftmachung drohender Nachteile nicht zu klären, ob eine nach § 114 Abs. 4 Satz 2 BbgSchulG angemessene Kostenbeteiligung erhoben wird und ob ein Zuschuss nach § 115 Satz 3 Nr. 2 BbgSchulG beantragt worden ist.
Soweit nunmehr vorgetragen wird, dass eine Zwangsvollstreckung wegen der ausstehenden Eigenbeiträge drohe, resultiert aus diesem Vortrag keine für den Antragsteller drohende Notlage bezüglich seiner Unterbringung im Internat, da die Zwangsvollstreckung nicht die Unterbringung berührt.
Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, an dessen Vorliegen Zweifel bestehen, nicht an. Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wäre ggf. zu klären, ob die Unterbringung im Internat - und nicht der Schulbesuch an der SchfBuSdessen Kosten nicht in Rede stehen -behinderungsbedingt erfolgt oder dem Umstand geschuldet ist, dass die gewählte Schulart nicht wohnortnah gelegen ist. Für letzteren Umstand sieht § 115 Satz 3 Nr. 2 BbgSchulG jedenfalls Hilfen vor. Soweit der Antragsteller zur Begründung des vorgetragenen Anspruchs gegen den Antragsgegner auf das Rundschreiben des Landessozialamtes Nr. 10/2004 abstellt, geht dies fehl. Dieses Rundschreiben betrifft die Kostenübernahme im Rahmen der Berufsausbildung bzw. die Berufsvorbreitung für sinnesbehinderte Schüler und gilt für den Personenkreis des Klägers nicht, da seine Vollzeitschulpflicht nicht beendet ist.
Für den Fall, dass der Kläger die Unterbringung und Betreuung im Internat als Leistung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII beanspruchen kann, dürfte ebenfalls kein Anspruch auf Übernahme der streitgegenständlichen Eigenbeiträge nach § 114 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG bestehen. Wie sich bereits aus dem geschlossenen Betreuungsvertrag ergibt, werden diese dann nicht geschuldet (Ziff. 5.1 des Betreuungsvertrages). Der Antragsgegner wäre im Falle eines Anspruchs nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zur Vergütung der Leistungen gegenüber dem Einrichtungsträger nach den mit diesem auf der Grundlage der §§ 75 ff. SGB XII geschlossenen Vergütungsvereinbarungen verpflichtet. Zur Leistungspflicht gehörte nicht die Freistellung von einer von den Eltern gegenüber dem Einrichtungsträger nicht geschuldeten Eigenbeteiligung (vergl. zum Verhältnis der ebenfalls eine Sachleistung zu gewährenden Krankenkasse zum Leistungserbringer bezogen auf den Anspruch auf Kostenerstattung des Leistungsberechtigten: BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500, § 13 Nr. 25).
Dem Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73 a Abs. 1 SGG, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei kommt es auf die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung nicht an, da er in erster Instanz obsiegt und der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs.1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Der im März 1997 geborene Antragsteller leidet an einer beidseitigen Sehschwäche und einer komplexen Entwicklungsverzögerung. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 90 anerkannt sowie die Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G und H festgestellt. Seit dem 9. August 2004 besucht der Antragsteller die BSfBuSK W und ist dort von Montag bis Freitag in dem der Schule angeschlossenen Internat untergebracht. Der Wohnort der gesetzlichen Vertreter der Antragsteller ist ungefähr 50 Kilometer von dieser Schule entfernt; die Fahrzeit beträgt ca. 44 Minuten pro Strecke. Aufgrund eines Betreuungsvertrages mit dem Internatsträger wird von den Eltern als Antragstellers neben einem - hier nicht streitgegenständlichen - Anteil an den Verpflegungskosten in Höhe von 75 Euro monatlich ein Elternbeitrag für die Unterbringung und Betreuung des Antragstellers im Internat in Höhe von monatlich 120 Euro gefordert. Diesen Elternbeitrag haben die Eltern seit August 2005 nicht entrichtet. Mit Mahnungen vom 10. Februar 2006 und 17. Februar 2006 wurde die Zahlung unter Fristsetzung und Berufung auf ein Kündigungsrecht des Betreuungsvertrages bei den gesetzlichen Vertretern angemahnt.
Einen Antrag auf stationäre Eingliederungshilfe lehnt der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. November 2005 mit der Begründung ab, bei Kostenträgerschaft durch das Schulverwaltungsamt des Landeskreises Dahme-Spreewald bestehe kein Wahlrecht, sondern die Subsidiarität der Sozialhilfe greife ein, so dass eine Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe nicht in Betracht komme. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 6. Dezember 2005 ist bisher nicht entschieden worden.
Am 11. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme des Eigenbetrages von monatlich 120 Euro an den Unterbringungskosten im Internat ab 1. Januar 2006 für zunächst drei Monate begehrt und vorgetragen, er werde wegen einer erheblichen Sehminderung und sonderpädagogischen Förderbedarfs bedarfsgerecht an der Schule für Blinde und Sehbehinderte beschult. Wegen des behinderungsbedingten Bedarfs und der weiten Entfernung zwischen Wohn- und Schulort sei er von Montag bis Freitag im Internat untergebracht. Zu dem ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – zu gewährenden Hilfebedarf gehöre auch die Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte. Der entsprechende Antrag auf Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe sei abgelehnt worden. Gegen die Leistungspflicht des Antragsgegners spreche auch nicht, dass der Schulträger nach dem Brandenburgischen Schulgesetz – BbgSchlG – ein Wohnheim oder ein Internat bereitzustellen habe, wenn wegen der Wohnortentfernung eine tägliche Anreise nicht zugemutet werde könne. Dieses ergebe sich aus einem Rundschreiben des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg – Landessozialamt – vom 21. Juli 2004. Der Einrichtungsträger habe die Zahlung der ausstehenden Unterbringungskosten unter Fristsetzung angemahnt. Im stehe aus dem abgeschlossenen Betreuungsvertrag ein Kündigungsrecht dann zu, wenn trotz dreimaliger Mahnung der Elternbeitrag nicht gezahlt werde.
Der Antragsteller hat erstinstannzlich beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, die für die Unterbringung und Betreuung des Antragstellers entstehenden laufenden Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in K W in der Trägerschaft der SFZ Sächsisches Förderzentrum C gGmbH ab dem Monat 2006 in Höhe von mo- natlich EUR 120,00 für zunächst drei Monate zu übernehmen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b SGG abzu- weisen.
Er hat u. a. geltend gemacht, die Kosten der Internatsunterbringung des Antragstellers würden vollumfänglich durch den Landkreis Dahme-Spreewald getragen. Die gesetzlichen Vertreter des Antragstellers würden lediglich auf der Grundlage des Brandenburgischen Schulgesetzes zu einer Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Verpflegung herangezogen. Bei dieser Kostenbeteiligung handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung, die im Rahmen des Betreuungsvertrages durch den Internatsträger gegen die Eltern geltend gemacht werde. Der Antragsteller selbst sei nicht Schuldner dieser Forderung. Für eine Übernahme der von den Eltern geschuldeten Kostenbeteiligung im Rahmen der Eingliederungshilfe sei kein Raum.
Mit Beschluss vom 26. Mai 2006 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller Eingliederungshilfe durch die Übernahme der Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in KW in Höhe von monatlich 120 Euro ab dem Monat Januar 2006 für drei Monate zu gewähren.
Gegen den ihm am 8. Juni 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 5. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 6. Juli 2006).
Er macht geltend, der Antragsteller habe schon einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der angegebene Zahlungsverzug bestehe seit August 2005, ohne dass der Einrichtungsträger dies zum Anlass genommen habe, den Internatsvertrag zu kündigen. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten für die Monate Januar 2006 bis März 2006 führe nur zu einer teilweisen Befriedigung der Ansprüche des Einrichtungsträgers mit der Folge, dass diesem wegen des weiter bestehenden Zahlungsrückstandes ein Kündigungsrecht verbliebe. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, weil er den täglichen Schülertransport nutzen könne.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. MN zu gewähren.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Antragsteller hat eine Rechnung des S F gGmbH KW vom 31. August 2006 zur Gerichtsakte gereicht und ergänzend vorgetragen, dass im Jahr 2006 noch keine Zahlungen erfolgt seien. Der Internatsträger habe den Betreuungsvertrag noch nicht gekündigt, diese Gefahr bestehe aber weiterhin. Es sei beabsichtigt, die Zwangsvollstreckung vor Abschluss des hiesigen Verfahrens zu betreiben.
Der Senat hat eine Auskunft des Internatsträgers vom 11. September 2006 eingeholt, wonach für die Zeit von August 2005 bis einschließlich August 2006 noch Elternbeiträge in Höhe von 1560 Euro zu leisten sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der erstrebten Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, nicht glaubhaft gemacht. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtung seiner Interessen aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b, Anmerkung 28). Des Weiteren muss die angestrebte Regelung zur Abwendung einer vorgetragenen drohenden Notlage geeignet sein. Ein Anordnungsgrund muss auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidungen im Beschwerdeverfahren vorliegen (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 976, OVG Bautzen, Sächsische Verwaltungsblätter 994, 114, Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, § 24 Anm. 480). Die begehrte Anordnung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch dringlich sein und geeignet sein, wesentliche Nachteile abzuwenden. Ausgehend vom ausdrücklich von dem Bevollmächtigten des Antragstellers gestellten Antrag liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
Der Antragsteller begehrt ausdrücklich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Internatskosten für die Monate Januar bis einschließlich März 2006. Streitgegenstand sind danach keine laufenden Leistungen. Mit der begehrten Anordnung kann daher nicht die laufende Leistung des Elternbeitrages sichergestellt werden; der Antragsteller ist gehalten, den Anspruch auf die Übernahme der Elternbeiträge für die streitgegenständlichen Monate im Hauptsacheverfahren zu klären. Auch aus dem Vortrag, dem Einrichtungsträger stehe bei Nichtzahlung der Elternbeiträge für die streitgegenständlichen Monate ein Recht zur Kündigung des Unterbringungs- und Betreuungsvertrages zu, folgt nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Die begehrte Anordnung ist nämlich nicht geeignet, eine solche Kündigung abzuwenden, wenn sie denn überhaupt vom Einrichtungsträger beabsichtigt sein sollte.
Die Eltern des Antragstellers haben seit August 2005 die ihnen vom Träger des Internats in Rechnung gestellten 120 Euro monatlich nicht gezahlt, sodass - da Mahnungen der Eigenbeträge für die Monate ab August bis Dezember 2005 und für die Beiträge in 2006 bereits vorliegen - die vorgetragene Notlage (drohende Kündigung des Betreuungsvertrages wegen Zahlungsverzugs) durch Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Monate nicht abgewendet werden könnte, weil der Zahlungsverzug für die Monate August bis Dezember 2005 den Einrichtungsträger weiterhin zur Kündigung berechtigen würde.
Wie dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist, spricht der Internatsträger offensichtlich keine Kündigungen der Betreuungsverträge wegen rückständiger Eigenbeiträge aus und verfolgt damit sein ihm aus dem Vertrag zustehendes Recht bei mangelnder Vertragstreue der Eltern nicht zu Lasten der von ihm im Internat betreuten Schüler. Ob dies dem Umstand geschuldet ist, dass zwischen dem Schulverwaltungsamt und dem Einrichtungsträger Abmachungen dahingehend bestehen, dass für den Fall der Erfolglosigkeit der Einziehung des Schulgeldes bzw. des Eigenbetrages das Schulverwaltungsamt für die Schüler eintrete und damit die weitere Internatsunterbringung auch finanziell abgesichert ist, worauf in einem beim Senat anhängigen Rechtsstreit zum Aktenzeichen L 23 B 38/06 SO ER seitens des dortigen Antragsgegners hingewiesen worden ist, brauchte der Senat nicht zu klären, da jedenfalls eine Kündigung offensichtlich nicht droht. Ebenfalls brauchte der Senat mangels Glaubhaftmachung drohender Nachteile nicht zu klären, ob eine nach § 114 Abs. 4 Satz 2 BbgSchulG angemessene Kostenbeteiligung erhoben wird und ob ein Zuschuss nach § 115 Satz 3 Nr. 2 BbgSchulG beantragt worden ist.
Soweit nunmehr vorgetragen wird, dass eine Zwangsvollstreckung wegen der ausstehenden Eigenbeiträge drohe, resultiert aus diesem Vortrag keine für den Antragsteller drohende Notlage bezüglich seiner Unterbringung im Internat, da die Zwangsvollstreckung nicht die Unterbringung berührt.
Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, an dessen Vorliegen Zweifel bestehen, nicht an. Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wäre ggf. zu klären, ob die Unterbringung im Internat - und nicht der Schulbesuch an der SchfBuSdessen Kosten nicht in Rede stehen -behinderungsbedingt erfolgt oder dem Umstand geschuldet ist, dass die gewählte Schulart nicht wohnortnah gelegen ist. Für letzteren Umstand sieht § 115 Satz 3 Nr. 2 BbgSchulG jedenfalls Hilfen vor. Soweit der Antragsteller zur Begründung des vorgetragenen Anspruchs gegen den Antragsgegner auf das Rundschreiben des Landessozialamtes Nr. 10/2004 abstellt, geht dies fehl. Dieses Rundschreiben betrifft die Kostenübernahme im Rahmen der Berufsausbildung bzw. die Berufsvorbreitung für sinnesbehinderte Schüler und gilt für den Personenkreis des Klägers nicht, da seine Vollzeitschulpflicht nicht beendet ist.
Für den Fall, dass der Kläger die Unterbringung und Betreuung im Internat als Leistung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII beanspruchen kann, dürfte ebenfalls kein Anspruch auf Übernahme der streitgegenständlichen Eigenbeiträge nach § 114 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG bestehen. Wie sich bereits aus dem geschlossenen Betreuungsvertrag ergibt, werden diese dann nicht geschuldet (Ziff. 5.1 des Betreuungsvertrages). Der Antragsgegner wäre im Falle eines Anspruchs nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zur Vergütung der Leistungen gegenüber dem Einrichtungsträger nach den mit diesem auf der Grundlage der §§ 75 ff. SGB XII geschlossenen Vergütungsvereinbarungen verpflichtet. Zur Leistungspflicht gehörte nicht die Freistellung von einer von den Eltern gegenüber dem Einrichtungsträger nicht geschuldeten Eigenbeteiligung (vergl. zum Verhältnis der ebenfalls eine Sachleistung zu gewährenden Krankenkasse zum Leistungserbringer bezogen auf den Anspruch auf Kostenerstattung des Leistungsberechtigten: BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500, § 13 Nr. 25).
Dem Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73 a Abs. 1 SGG, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei kommt es auf die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung nicht an, da er in erster Instanz obsiegt und der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs.1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
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