S 12 KA 20/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 20/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, der zugleich Facharzt für Allgemeinmedizin ist und in einem Krankenhaus als Chefarzt angestellt und dort nach eigenen Angaben eine Abteilung Diabetologie im Umfang von bis zu 13 Wochenstunden leitet, kann wegen einer Interessen- und Pflichtenkollision (§ 20 Abs. 2 Ärzte-ZV) nicht zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen werden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin in A-Stadt.

Der 1951 geb. und jetzt 55-jährige Kläger ist Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Badearzt, Sportmedizin, Arzt für Naturheilverfahren und Rehabilitationswesen. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft verlieh ihm 1997 die "ärztliche Qualifikation" als "Diabetologe DDG". Er ist seit dem Jahr 2000 Chefarzt der Physikalischen und Rehabilitativen Abteilung am Klinikzentrum M. in A-Stadt. Mit Zeugnis vom 31.12.2004 verlieh ihm die Landesärztekammer die Bezeichnung "Facharzt für Allgemeinmedizin".

Am 18.02.2005 beantragte der Kläger die Zulassung als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit Praxissitz in A-Stadt ab 01. Juli 2005. Er erklärte, sein Beschäftigungsverhältnis als Chefarzt, Diabetologe, Vollzeit, werde er nur noch zu 33 % (13 Stunden/Woche) weiterführen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der gab dem Antrag mit Beschluss vom 26.04.2005 (Beschlussausfertigung am 20.07.2005) statt. In der Begründung heißt es, Zulassungsbeschränkungen seien nicht angeordnet. Aufgrund der Reduzierung des Beschäftigungsverhältnisses werde der Kläger ausreichend für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehen. Eine Interessen- und Pflichtenkollision sei zu verneinen.

Hiergegen legte die Beigeladene zu 1) am 22.07.2005 Widerspruch ein. Sie führte aus, die zulässige Grenze von 13 Wochenstunden werde überschritten. Auch sei die Chefarzttätigkeit nicht vereinbar mit der vertragsärztlichen Tätigkeit aufgrund einer Interessen- und Pflichtenkollision. Der Kläger reichte zum Nachweis seiner eingeschränkten Chefarzttätigkeit in der Abteilung für Diabetologie einen Chefarztvertrag vom 01.07.2005 vor. Er trug vor, danach müsse er sich nur 13 Stunden in der Woche seiner chefärztlichen Tätigkeit widmen und könne er sich diese Zeit frei einteilen. Es handele sich nur noch um eine Nebentätigkeit. Eine Interessen- und Pflichtenkollision liege nicht vor, da er nicht vorrangig patientenbezogen tätig sei. Er betreue bereits seit November 2003 keine Patienten mehr im stationären Bereich des Klinikzentrums. Seine Tätigkeit als Chefarzt beschränke sich auf konsiliarische und nichtärztliche, organisatorische Tätigkeiten. Außerdem werde er als Chefarzt der Abteilung für Diabetologie in einem Schwerpunktgebiet tätig sein, das zum Fachgebiet der Inneren Medizin gehöre. Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung möchte er hingegen als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin tätig sein. Auch sei der Einzugsbereich der Klinik das gesamte Bundesgebiet. Die Patienten kämen von außerhalb der Gemeinde und Umgebung.

Die Beigeladene zu 1) erwiderte hierauf, nach dem Chefarztvertrag seien Überstunden nicht ausgeschlossen. Auch sei schwer nachvollziehbar, wie der Kläger mit 2,5 Stunden pro Tag seinen umfangreichen Aufgaben nach dem Chefarztvertrag nachkommen wolle. Entgegen seiner Einlassung oblägen dem Kläger auch die stationäre Behandlung aller Kranken und weitere patientenbezogene Aufgaben. Nach dem Internetauftritt sei der Kläger auch als Chefarzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin tätig. Eine telefonische Nachfrage habe dies bestätigt.

Mit Beschluss vom 02.11.2005, ausgefertigt am 14.12. und dem Kläger zugestellt am 15.12.2005, gab der Beklagte dem Widerspruch statt. Er hob den angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses auf und wies den Zulassungsantrag des Klägers zurück. Er führte aus, entgegen dem Vortrag und dem vorgelegten Chefarztvertrag stehe fest, dass der Kläger Chefarzt der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin im Klinikzentrum sei. Dies ergebe sich aus dem dem Zulassungsantrag beigefügten Lebenslauf mit der Angabe "2000 - Chefarzt der Physikalischen und Rehabilitativen Abteilung im Klinikzentrum M.", der telefonischen Auskunft gegenüber der Beigeladenen zu 1) und dem Internetauftritt der Klinik. Der Chefarztvertrag gebe den wahren Sachverhalt nicht wieder. Es erscheine auch unwahrscheinlich, dass ohne entsprechende Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung eine Diabetologische Abteilung übertragen werde. Die Hompage der Klinik weise auch eine Fachabteilung für Diabetologie nicht auf. Es liege eine Interessen- und Pflichtenkollision vor. Nach der BSG-Rechtsprechung reiche die abstrakte Gefahr aus. Der Kläger habe angegeben, seine Praxis würde sich 300 m vom Klinikzentrum entfernt befinden. Hiergegen hat der Kläger am 11.01.2006 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, die Abteilung Diabetologie sei allein für die Diabetespatienten der Hauptabteilungen Orthopädie, Neurologie und Innere Medizin/Kardiologie errichtet worden. Für diese Patienten sei er konsiliarisch tätig. Die Tätigkeit sei im Wesentlichen auf die im Chefarztvertrag genannten Sprechzeiten beschränkt. Er werde von einer Diätassistentin und Diätberaterin unterstützt, die die Schulungen durchführten. Er hat einen weiteren Chefarztvertrag ohne Datum vorgelegt und eine Erklärung der Geschäftsführung des Klinikzentrums über seine Tätigkeit. Der dem Beklagten vorgelegte Chefarztvertrag sei aufgehoben worden. Eine ambulante Behandlung der Klinik-Patienten führe er nicht durch. Hierzu fehle ihm die Berechtigung. Auch kämen die Patienten nicht aus dem Einzugsbereich der Praxis. Er sei auch als Chefarzt für die Abteilung Diabetologie auf der Internetseite ausgewiesen. Zu seiner Facharztangabe sei er berufsrechtlich verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Abfassung seines Lebenslaufes habe die Abteilung Diabetologie noch nicht bestanden. Zu Falschauskünften sei es in der Entwicklungsphase der Klinik durch unqualifizierte Mitarbeiter gekommen. Das spezifische Facharzterfordernis für die Zusatzbezeichnung Diabetologie sei in Hessen erst 2005 eingeführt worden. Zudem sei er Facharzt für Allgemeinmedizin. Der Beklagte habe ihn zum Vorbringen der Beigeladenen zu 1) nicht angehört. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage sei die letzte mündliche Verhandlung vor Gericht. Er verwehre sich gegen den Vorwurf, er passe vertragliche Vereinbarungen an, bis sie mit der Zulassung als vereinbar erscheinen könnten. Er habe bereits mit dem Zulassungsantrag angegeben, dass er das Beschäftigungsverhältnis im Bereich Diabetologie 13 Stunden wöchentlich fortführe.

Der Kläger beantragt,
den Beschluss vom 02.11.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin für den Vertragsarztsitz in A-Stadt, A-Straße, Kreis-A zur vertragsärztlichen Tätigkeit zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seinen angefochtenen Beschluss und trägt weiter vor, bereits zum Zeitpunkt seiner Verhandlung sei der Vortrag des Klägers widersprüchlich gewesen. Der jetzt vorgelegte Vertrag zeige, dass die Vertragsverhältnisse so "angepasst" würden, bis sie sich mit der Zulassung als vereinbar erwiesen. Das Nachschieben von Gründen sei irrelevant. Es sei auch berufsrechtlich fraglich, ob ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin eine diabetologische Abteilung leiten könne.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie könne sich nicht des Eindrucks verwehren, dass der nunmehr vorgelegte Vertrag die tatsächlichen Verhältnisse gerade nicht widerspiegele, sondern allein zum Zweck der Zulassung des Klägers geändert worden sei. Auch nach dem neuen Vertrag bestehe ein Zulassungshindernis. Wenn nunmehr nicht alle Aufgaben aufgeführt würden und eine feste Stundenzahl fehle, so könne eine Chefarzttätigkeit nicht mit höchstens 13 Wochenstunden erledigt werden. Es bestehe weiterhin eine Interessenkollision. Mehrere Patienten aus der Umgebung seien nach den vorgelegten Unterlagen vom Kläger behandelt worden. Dem Kläger sei ihre Stellungnahme auch vor der Sitzung des Beklagten überreicht worden. Einer Vertagung habe es nicht bedurft. Der Kläger habe zunächst selbst angegeben, er werde seine Tätigkeit als Chefarzt der Physikalischen und Rehabilitativen Abteilung reduzieren. Dann habe er den Vertrag als Chefarzt der Abteilung Diabetologie vorgelegt. Danach habe er vorgetragen, er betreue seit November 2005 keine Patienten im stationären Bereich mehr.

Die Beigeladene zu 2) und 8) beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 13.01.2006 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 02.11.2005 ist rechtswidrig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zurückweisung des Widerspruchs der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26.04.2005.

Nach § 20 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung steht oder eine Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Entsprechend muss der Vertragsarzt dem Zulassungsantrag eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses vorlegen (vgl. § 18 Abs. 2 lit. d Ärzte-ZV).

Weitere ärztliche Tätigkeitsverhältnissen unterliegen damit Beschränkungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs (quantitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV) und ihres Inhalts (qualitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV). Eine Zulassung kann unter der Bedingung erfolgen, dass das Zulassungshindernis beseitigt, also die weitere Tätigkeit aufgegeben oder beschränkt wird (vgl. § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV).

Aus dem in § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV kodifizierten Merkmal des "Zurverfügungstehens in erforderlichem Maße" hat das Bundessozialgericht (BSG) abgeleitet, dass der die Zulassung anstrebende Arzt in dem Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht ganztags, sondern im dort üblichen Umfang für die ambulant zu behandelnden Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung stehen müsse. Das Bundessozialgericht (BSG) geht nunmehr davon aus, dass die zeitliche Inanspruchnahme des Zulassungsbewerbers durch ein Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich nicht mehr als ein Drittel der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit, also ca. 13 Wochenstunden, betragen darf (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = NJW 2002, 3278 = juris Rdnr. 31). Eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.09.2002 - 1 BvR 1315/02 -, zit. nach BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 = NZS 2004, 219 = juris Rdnr. 29). Diese Rechtsprechung, zunächst im Falle einer Psychologischen Psychotherapeutin ergangen, hat das BSG für eine im Krankenhaus beschäftigte Kinderärztin und Psychotherapeutin (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2002 - B 6 KA 23/01 R - SozR 3-5520 § 20 Nr. 4 = juris Rdnr. 19 ff.) und einen Anästhesisten bestätigt(vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 = NZS 2004, 219 = juris Rdnr. 29 f.).

Nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist vom BSG wiederholt als verfassungsgemäß angesehen worden (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59, 63 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = NZS 1996, 90 = juris Rdnr. 31-36; BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = MedR 1997, 515 = juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 21). Nach der Rechtsprechung des BSG will diese Vorschrift ihrem Sinn und Zweck nach ausschließen, dass bei der Zulassung eines Arztes als Vertragsarzt in dieser Eigenschaft durch eine anderweitig von ihm ausgeübte ärztliche Tätigkeit Interessen- und Pflichtenkollisionen entstehen. Solche sind u. a. dann anzunehmen, wenn sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten u. a. wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen zum anderen Bereich verlagert werden können; oder wenn nicht gewährleistet ist, dass der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen persönlichen Mittel selbst bestimmen kann (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 22). Die Rechtsprechung hat bisher u. a. als zulässig angesehen die Niederlassung eines im Krankenhaus angestellte Pathologen, da es sich um Ärzte handelt, die ihrem typischen Fachgebietsinhalt nach regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen ärztlich tätig sind, keinen direkten Kontakt zu einzelnen Patienten haben, die Behandlung nicht steuern und auch keine Leistungen Dritter veranlassen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 24-25). Lediglich rein technisch-administrative, organisatorische, dokumentarische oder publizistische Aufgaben dürfen wahrgenommen werden, wobei auch einer Psychotherapeutin gestattet sein müsste, für kurzfristig erforderlich werdende Behandlungen bzw. Kriseninterventionen in ihrer Arbeitsstelle abkömmlich zu sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 38).

Unzulässig ist in der Regel eine gleichzeitige patientenbezogene Tätigkeit in einem Krankenhaus. Unvereinbar ist die faktische Wahrnehmung der Tätigkeit eines Krankenhausarztes durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt, die nicht in den dafür zulassungsrechtlich vorgesehenen Formen wie der belegärztlichen Tätigkeit vorgenommen wird (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = juris Rdnr. 36). Im Einzelnen hat das BSG bisher entschieden, dass eine Vermischung beider Versorgungsbereiche regelmäßig in den Fällen vorliegt, in denen der die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Einzugsbereich des Krankenhauses begehrende Krankenhausarzt bei stationärem Aufenthalt von Patienten unmittelbar in deren Versorgung eingebunden ist. Es liegt nahe, dass sich z. B. Versicherte nach Beendigung der stationären Behandlung verpflichtet sehen könnten, die sich anschließende ambulante Behandlung bei dem gleichzeitig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhausarzt fortzusetzen, schon weil bei erneuter Inanspruchnahme stationärer Versorgung mit der Behandlung durch den Krankenhausarzt gerechnet werden kann. Auch die Möglichkeit, dass ein am Krankenhaus und gleichzeitig in der vertragsärztlichen Praxis tätiger Arzt aus nicht sachgerechten Gründen Behandlungsschritte bei Versicherten vom ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt verlagern kann, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = juris Rdnr. 23). Ein am Krankenhaus angestellter Anästhesist kann nicht zugleich in dessen Einzugsbereich Vertragsarzt sein. Er arbeitet sowohl bei der narkosemäßigen Versorgung von Patienten aus Anlass von Operationen als auch im Rahmen der Schmerztherapie unmittelbar patientenbezogen (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 = juris Rdnr. 31). Die vertragsärztliche Tätigkeit neben einer werksärztlichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände ist unzulässig, wenn die Praxis mit Hilfe des Personals, das von der Firma für die betriebliche Ambulanz angestellt ist, und unter Benutzung der Einrichtungen der Ambulanz geführt wird, der Arzt bei halber Arbeitszeit das volle Gehalt weiter erhält, aber 100 % der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit bis zu dem Betrag, der 50 % ihres jeweiligen Bruttogehalts entspricht, und von den darüber hinausgehenden Einnahmen 70 % abführen muss. Die vertragliche Bindung des Arztes mit der Firma als Arbeitgeber begründet die Gefahr, dass der Arzt bei der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht frei von möglichen Einflussnahmen ist bzw. sich nicht von derartigen Einflussnahmen frei fühlen kann. Es besteht die Gefahr, dass sich werksärztliche und vertragsärztliche Tätigkeit in unzuträglicher Weise vermischen und dies sich zum Nachteil der Versicherten auswirkt und dass das Rechts der freien Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) beeinträchtigt wird (vgl. BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = juris Rdnr. 16-23). Patientenbezogen ist auch die Tätigkeit der Psychiater und Psychotherapeuten (vgl. BSG, Urt. v. 25.11.1998 - B 6 KA 18/98 B – juris Rdnr. 4; BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 35).

Soweit die Gefahr von Interessen- und Pflichtenkollisionen vorliegt, kann diese nicht durch eine Selbstverpflichtungserklärung beseitigt werden (vgl. BSG v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 37).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist der angefochtene Beschluss des Beklagten nicht zu beanstanden.

Unter Zugrundelegung des mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.03.2006 als Anlage K 2 vorgelegten Anstellungsvertrages (im Folgenden: AV) bestehen bereits Bedenken, ob der Kläger tatsächlich in seiner Chefarzttätigkeit auf 13 Wochenstunden beschränkt ist. Nach § 1 Nr. 1 AV wird keine feste Arbeitszeit vereinbart, sondern wird der Umfang der Tätigkeit jeweils in gegenseitigem Einvernehmen festgelegt und erfolgt die Zurverfügungstellung der ärztlichen Tätigkeit für den Arbeitgeber im Rahmen der vom BSG mit Urteil vom 30.01.2002 (Az.: B 6 Ka 20/01) aufgestellten Grundsätze. Damit wird gerade eine zeitliche Limitierung der Arbeitszeit nicht verbindlich vorgegeben. Insbesondere aber kann nach dem Anstellungsvertrag eine Interessen- und Pflichtenkollision nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger ist in der stationären Patientenversorgung tätig. Die Abteilung Diabetologie wird für die anderen Abteilungen (Orthopädie, Neurologie und Innere Medizin/Kardiologie) vorgehalten und betreut die Patienten der anderen Abteilungen, die an Diabetes Mellitus erkrankt sind, konsiliarisch (§ 1 Nr. 2 AV). Diese patientenbezogene Betreuung obliegt dem Kläger als Chefarzt der Abteilung Diabetologie, weshalb er im Einzelnen auch Schulungen (§ 1 Nr. 2 Absatz 2 AV) und Visiten (§ 3 Nr. 3 AV) durchzuführen, die Einstellungen der Diabetespatienten vorzunehmen sowie Sprechstunden abzuhalten hat (§ 1 Nr. 2 Abs. 3 AV); daneben obliegt dem Kläger die Dokumentation der Krankengeschichte der von ihm stationär betreuten Patienten (§ 3 Nr. 5 AV) und die Mitwirkung an der Aufstellung des Dienstplans (§ 7 AV). Eine Interessen- und Pflichtenkollision kann deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Nach Abschnitt B Nr. 24 der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen aufgrund der Beschlüsse der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen vom 02. Juli 2005, veröffentlicht im Hessischen Ärzteblatt 10/2005 (s. a. www.laekh.de) gehört zu dem Weiterbildungsinhalt eines Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in
– der Rehabilitationsabklärung und Rehabilitationssteuerung
– der Klassifikation von funktionalen Gesundheitsstörungen
– der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen einschließlich der Frührehabilitation mit dem Ziel der Beseitigung bzw. Verminderung von Krankheitsfolgen, der Verbesserung und Kompensation gestörter Funktionen und der Integration in die Gesellschaft einschließlich der Langzeitrehabilitation
– den Grundlagen der Diagnostik von Rehabilitation erfordernden Krankheiten und deren Verlaufskontrolle
– der Funktionsdiagnostik, Indikationsstellung, Verordnung, Steuerung, Kontrolle und Dokumentation von Maßnahmen und Konzepten der physikalischen Medizin einschließlich der Heil- und Hilfsmittel unter kurativer und rehabilitativer Zielsetzung
– den physikalischen Grundlagen, physiologischen und pathophysiologischen Reaktionsmechanismen einschließlich der Kinesiologie und der Steuerung von Gelenk- und Muskelfunktionen, der therapeutischen Wirkung und praktischen Anwendung von Physiotherapiemethoden
– der Besonderheit von angeborenen Leiden und von Erkrankungen des Alters
– der physikalischen Therapie wie Krankengymnastik, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie, manuelle Therapie, Massagetherapie, Elektro- und Ultraschalltherapie, Hydrotherapie, Inhalationstherapie, Wärme- und Kälteträgertherapie, Balneotherapie, Phototherapie
– der Behandlung im multiprofessionellen Team einschließlich Koordination der interdisziplinären Zusammenarbeit
– den Grundlagen und der Anwendung von Verfahren zur Bewertung der Aktivitätsstörung/Partizipationsstörung einschließlich Kontextfaktoren (Assessments)
– der Erstellung von Rehabilitationsplänen einschließlich Steuerung, Überwachung und Dokumentation des Rehabilitationsprozesses im Rahmen der Sekundär-, Tertiärprävention und Nachsorge
– der Patienteninformation und Verhaltensschulung sowie in der Angehörigenbetreuung
– der gebietsbezogenen Arzneimitteltherapie
– psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen und psychosozialen Zusammenhängen
– der Bewertung der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, der Arbeitsfähigkeit, der Berufs- und Erwerbsfähigkeit sowie der Pflegebedürftigkeit.

Zu den definierten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren gehören:
– Erstellung von Rehabilitationsplänen einschließlich deren epikritischer Bewertung
– spezielle Verfahren der rehabilitativen Diagnostik, z. B. sensomotorische Tests, Leistungs-, Verhaltens- und Funktionsdiagnostiktests, neuropsychologische Tests
– rehabilitative Interventionen, z. B. Rehabilitationspflege, Dysphagietherapie, neuropsychologisches Training, Biofeedbackverfahren, Musik- und Kunsttherapie, rehabilitative Sozialpädagogik, Diätetik, Entspannungsverfahren
– funktionsbezogene apparative Messverfahren, z. B. Muskelfunktionsanalyse, Stand- und Ganganalyse, Bewegungsanalyse, Algometrie, Thermometrie.

Damit kann eine Überlappung der Versorgung der Patienten aufgrund der vom Kläger geltend gemachten unterschiedlichen fachlichen Gebiete einerseits stationär und anderererseits ambulant-vertragsarztrechtlich nicht ausgeschlossen werden, da zur Behandlung eines Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin auch die Behandlung an Diabetes Mellitus erkrankter Patienten gehören kann. Gleichfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Patienten nicht auch aus dem Einzugsbereich der Praxis, die im selben Ort geplant ist, kommen.

Soweit der Kläger sich gegen den Vorwurf verwehrt, er passe vertragliche Vereinbarungen an, bis sie mit der Zulassung als vereinbar erscheinen könnten, kommt es hierauf nicht an. Von daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger neben den ausdrücklich im Vertrag geregelten Aufgaben weitere zu erfüllen hat, wie sie insbesondere nach dem ursprünglich vorgelegten Vertrag vorgesehen waren. Allerdings muss sich der Kläger entgegenhalten lassen, ohne plausible Erklärung einen rückwirkend ab 01.07.2005 geltenden (vgl. Präambel AV) Vertrag vorgelegt zu haben, der nicht datiert ist und der keine Angaben über die Vergütung enthält.

Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe ihn zum Vorbringen der Beigeladenen zu 1) nicht angehört, so trifft dies nicht zu. Der Beklagte hat das Schreiben der Beigeladenen zu 1) mit Datum v. 28.10.2005 ausweislich der Verwaltungsakte per Fax am 01.11.2005 an die seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers gesandt. Der Kläger hat ferner im Beisein seiner damaligen Prozessbevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten teilgenommen.

Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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