L 9 AL 279/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 Al 114/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 279/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Juli 1997 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Augsburg vom 6. Oktober 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1996 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend. Streitig ist dabei, ob er die Anwartschaftszeit erfüllt hat, insbesondere ob er vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer oder Selbständiger tätig war.

Am 20.11.1984 wurde die Firma "E. GmbH" in A. gegründet. Gegenstand des Unternehmens sollte nach § 3 des Gesellschaftsvertrages "der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Möbel und Einrichtungsgegenstände aller Art, insbesondere auch Textilien und Teppichböden" sein. Vom Stammkapital von 300.000,- DM hielten der Architekt U. B. sowie dessen Ehefrau H. B. jeweils 75.000,- DM, der Kläger, Schreinermeister und Einrichtungsberater, 50.000,- DM, sowie die Einrichtungsberater R. und W. gleichfalls jeweils 50.000,- DM. Zum alleinigen Geschäftsführer war U. B. bestellt.

Über die gesetzlichen Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnisse hinaus bedurften der oder die Geschäftsführer nach § 10 Ziff.2 des Gesellschaftsvertrages der vorherigen Zustimmung durch Gesellschaftsbeschluss für

"a) die Errichtung oder Aufhebung von Zweigniederlassungen, b) den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, c) den Erwerb oder die Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben,

d) alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen sowie e) alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären".

Die Vertretungsbefugnis war in § 11 des Gesellschaftsvertrages geregelt. War ein Geschäftsführer bestellt, so sollte dieser danach die Gesellschaft allein vertreten. Beim Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer sollte die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten werden.

Für Gesellschafterbeschlüsse sah § 13 des Gesellschaftsvertrages vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Regelungen die einfache Mehrheit vor, wobei je Hundert DM eines Geschäftsanteiles je eine Stimme gewährten. Die Beschlüsse der Gesellschafter konnten in Versammlungen oder auch außerhalb von Versammlungen, soweit nicht zwingend gesetzlich anders vorgeschrieben, durch schriftliche, fernschriftliche, telegraphische oder mündliche (auch fernmündliche) Abstimmung gefasst werden.

Ausschüttungsfähige Gewinne waren nach § 14 Ziff.3 des Gesellschaftsvertrages voll an die Geselllschafter auszuschütten, sofern die Gesellschafter nicht einstimmig anderes beschlössen.

Am 16.12.1985 übernahm der Kläger die Geschäftsanteile des U. B. in Höhe von 75.000,- DM, der Mitgesellschafter W. die Geschäftsanteile der H. B., so dass der Kläger und W. jeweils Anteile in Höhe von 125.000,- DM hielten sowie R. weiterhin 50.000,- DM. Zu Geschäftsführern wurden nunmehr der Kläger und W. bestellt, die die GmbH gemeinschaftlich oder jeweils mit einem Prokuristen vertraten. Die Firma wurde in "E. GmbH" umbenannt.

Am 14.11.1990 wurde der Gesellschafter/Geschäftsführer W. mit den Stimmen des Klägers und von R. als Geschäftsführer abberufen. Am 28.12.1990 veräußerte W. seine Geschäftsanteile von 125.000,- DM gegen einen Betrag von 312.000,- DM an den Handelsfachwirt W. H., der an Stelle von W. zum Mit-Geschäftsführer bestellt wurde. Der Gesellschafter R. erhielt Prokura. Die bis dahin bestehende Befreiung des Klägers von den Beschränkungen des § 181 BGB entfiel.

Am 01.04.1993 schloss die GmbH mit den Gesellschafter/Geschäftsführern B. (dem Kläger) und H. einen jeweils gleichlautenden Geschäftsführervertrag.

Nach § 1 Abs.2 des Geschäftsführervertrages hatte der Kläger die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und der Bestimmungen der Gesellschafterversammlung zu führen und seine gesamte Arbeitskraft für die Tätigkeit für die Gesellschaft einzusetzen. Er verpflichtete sich, während der Dauer des Vertrages weder mittelbar noch unmittelbar zur Gesellschaft in Konkurrenz zu treten.

Der auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Geschäftsführervertrag konnte nach § 2 Abs.3 von jeder Partei mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden, eine Kündigung aus wichtigem Grund war nach Abs.4 jederzeit möglich.

Als Vergütung sah der Vertrag ein Jahresgehalt von 102.000,- brutto vor, welches in monatlichen Raten zu zahlen war.

Abs.2 des § 3 legte eine Gewinnbeteiligung fest in Höhe von 12,5 % des Jahresüberschusses der Handelsbilanz vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschafts- und Gewerbesteuer, wobei die Bemessungsgrundlage nicht um die Gewinnanteile stiller Gesellschafter, um die Gewinnbeteiligung selbst und um andere gewinnabhängige Aufwendungen der Gesellschaft zu kürzen war.

Für den Fall einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit oder aus einem anderen vom Kläger nicht zu vertretenden Grunde sah § 4 eine Fortzahlung der Bezüge für 6 Wochen vor.

Nach § 5 hatte der Kläger einen Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.

Auf Anfrage der GmbH erklärte die AOK A. mit Bescheid vom 22.02.1993 die Tätigkeit des Klägers für sozialversicherungspflichtig und teilte die Barmer Ersatzkasse mit Schreiben vom 12.07.1994 mit, dass auch die Mitgesellschafter H. und R. beitragspflichtig seien.

Mit Schreiben vom 18.11.1994 übersandte die GmbH dem Arbeitsamt A. den "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter/Geschäftsführern einer GmbH mit einem Kapital/Stimmanteil von weniger als 50 v.H.". Mit Schreiben vom 18.11.1994 und 15.02.1995 an die GmbH verneinte das Arbeitsamt die Beitragspflicht des Klägers und des Mit-Gesellschafter/Geschäftsführers H. zur Arbeitslosenversicherung, wohingegen es die Beitragspflichtigkeit der Tätigkeit des R. bejahte. Die Gesamtumstände sprächen gegen eine Arbeitnehmertätigkeit des Klägers und von H. Der Kläger und H. arbeiteten bei der jeweils vergleichsweise hohen Beteiligung von 41,66 % nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen und trügen ein vergleichsweise hohes Unternehmerrisiko. Sie teilten sich die Leitung des Betriebes. Damit seien beide als Selbständige anzusehen.

Am 18.05.1995 und 26.06.1995 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung der GmbH zum 31.12.1995, die Durchführung des Räumungsverkaufs im Zeitraum vom 01.09.1995 bis 28.09.1995 und die Kündigung oder Auflösung sämtlicher Dienstverträge zum 30.09.1995.

Am 21.09.1995 meldete sich der Kläger ab 01.10.1995 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In der Arbeitsbescheinigung heißt es, dem Kläger sei am 26.06. zum 30.09.1995 gekündigt worden. Er habe seit etwa 1990 ein regelmäßiges Bruttoentgelt von 8.500,- DM im Monat erzielt. Es habe keine tariflich geregelte Arbeitszeit bestanden. Der Kläger habe regelmäßig zwischen 50 und 60 Stunden in der Woche gearbeitet.

Das Arbeitsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.10.1995 ab. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Er habe in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestes 360 Kalendertage eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die GmbH habe den Gesellschafter/ Geschäftsführern gesellschaftsintern keine Einzelzeichnungsbefugnis zugestanden. Er sei nicht vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit gewesen. Als Geschäftsführer sei er den Weisungen der Gesellschafterversammlung hinsichtlich Zeit, einschließlich Urlaubs, Dauer, Art und Ort seiner Tätigkeit unterworfen gewesen. Mit lediglich 41,66 % Beteiligung habe er keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH nehmen können; es habe sich daraus nach dem Gesellschaftsvertrag auch keine Sperrminorität ergeben. Er habe eine monatlich gleich bleibende Vergütung erhalten, somit kein volles Unternehmerrisiko zu tragen gehabt. Auch sei er für den Krankheitsfall durch die sechswöchige Lohnfortzahlung abgesichert gewesen. In seiner dienstvertraglichen Stellung als Geschäftsführer habe ihm ordentlich gekündigt werden können.

Das Arbeitsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.1996 als unbegründet zurück. Aus der hohen Kapitalbeteiligung sowie der im Geschäftsführervertrag vereinbarten Gewinnbeteiligung habe sich ein erhebliches eigenes Interesse des Widerspruchsführers am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ergeben. Der Widerspruchsführer sei in hohem Maße eigenverantwortlich tätig gewesen. Zwar habe er seine Verantwortung nicht alleine wahrnehmen können; die Existenz eines zweiten gleichberechtigten Gesellschafter/Geschäftsführers sei aber nicht gleichzusetzen mit der Über-/Unterordnung, die ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis kennzeichne. Aus der gemeinsamen Leitung des Betriebes habe sich zwar die Notwendigkeit verschiedener Absprachen ergeben, z.B. hinsichtlich Urlaubs- oder täglicher Arbeitszeit. Dabei habe es sich aber nicht um Weisungen gehandelt, die seitens der Gesellschafterversammlung oder seitens des weiteren Geschäftsführers erteilt worden wären. Bei Beschlüssen der Gesellschafterversammlung habe der Widerspruchsführer mit seinem Anteil zwar weder Beschlüsse herbeiführen noch verhindern können, sei aber in jedem Fall an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen. Auch wenn ihn die Gesellschafterversammlung bei bestimmten Entscheidungen möglicherweise überstimmmt habe, habe dies keine konkrete Abhängigkeit bei der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit zur Folge gehabt.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.

Er hat vor dem SG die Einkommenssteuerfestsetzungen von 1992 bis 1995 vorgelegt. Die Besteuerungsgrundlagen lagen nur für 1993 und 1994 bei, nicht für 1992 und 1995. 1993 und 1994 sind nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und (Negativ-)Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgeführt. Der Steuerfestsetzung für 1992 lässt sich aufgrund der Absetzung der Kapitalertragssteuer und der Körperschaftssteuer entnehmen, dass 1992, wenn auch in geringem Umfang, Gewinn ausgeschüttet wurde.

Der Kläger erklärte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.07.1997: Die drei Gesellschafter, nämlich er selbst, H. und R. (früher W. statt H.) seien im Wesentlichen im Verkauf tätig gewesen. Daneben habe es noch ein Auslieferungsteam gegeben. Die Buchführung sei über eine Steuerkanzlei abgewickelt worden, ansonsten anfallende Verwaltungsarbeiten als Nebentätigkeit durch H. Die wesentlichen Entscheidungen seien von der Gesellschafterversammlung getroffen worden. So z.B., als sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert habe, die Untervermietung von Flächen an eine Arztpraxis sowie an die Küchenfirma D ... So habe man auch über die Einkäufe gemeinsam entschieden und sei zur Vorbereitung gemeinsam zu den Messen gefahren, gemeinsam habe man auch über Reklamationen und Preisnachlässe entschieden. In Einzelfällen sei einmal einer der Gesellschafter überstimmt worden. Da aber alle ihr Geld im Betrieb gehabt hätten, sei man immer um einvernehmliche Entscheidungen bemüht gewesen. Die Abwicklung der Verkäufe, die jeder Gesellschafter getätigt habe, habe der betreffende Gesellschafter alleine besorgt. Die Arbeitszeit sei von den Ladenöffnungszeiten vorgegeben gewesen.

Der Zeuge H., Mit-Gesellschafter/Geschäftsführer, erklärte im selben Termin: Er sei seit 1986 angestellter Einrichtungsberater der GmbH gewesen und habe dann 1991 die Geschäftsanteile und Funktionen des Mit-Gründungsgesellschafters W. übernommen. Die Gesellschafter seien alle im Verkauf tätig gewesen, daneben habe es ein Auslieferungsteam gegeben. Er habe noch als vergleichsweise geringfügige Nebentätigkeit die anfallenden übergreifenden kaufmännischen Arbeiten erledigt. Die wesentlichen Entscheidungen seien "permanent im Team" getroffen worden. So z.B. die Entscheidung darüber, welche Verkaufsausstellung aufzubauen sei, welchem Einrichtungstrend man folgen wolle sowie Ein- und Ausstellungen beim Auslieferungsteam. Der Urlaub sei gegenseitig abgestimmt worden. Es habe die Grundzielrichtung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung durch ein gemeinsames Management bestanden, entsprechend seien auch die Gesellschafterbeschlüsse einvernehmlich getroffen worden. Die Gesellschafter hätten auch in etwa einheitliche Einstellungen gehabt. Anders hätte man einen Betrieb dieser Art gar nicht führen können. Keiner habe irgendwie allein die Geschicke der Gesellschaft bestimmt.

Der Zeuge R., Mit-Gesellschafter und Prokurist, hat erklärt: Die wesentlichen Entscheidungen, Einkaufsgestaltung der Verkaufsräume, Umdekoration, seien in der Regel einvernehmlich getroffen worden. Dadurch, dass die drei Gesellschafter immer zusammen gewesen seien, habe man anstehende Probleme mit dem entsprechenden Vorlauf ausbesprechen können, so dass es in der Regel zu einstimmigen Entscheidungen gekommen sei. Wenn einer im Urlaub gewesen sei, seien die beiden anderen eingesprungen. Die Öffnungszeiten seien gemeinsam abgedeckt worden.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 15.07.1997 verurteilt, dem Kläger ab 01.10.1995 Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Anwartschaftszeit sei erfüllt, da der Kläger in der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Tätigkeit des Klägers bei der GmbH sei die eines Arbeitnehmers gewesen.

Der Kläger habe weniger als die Hälfte der Anteile an der GmbH besessen. Eine Sperrminorität sei im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen gewesen. Keiner der Gesellschafter - auch der Kläger - habe weisungsfrei agieren können. Die Tätigkeit des Geschäftsführers sei nach der tatsächlichen Ausgestaltung von den Entscheidungen der Gesellschafter abhängig gewesen. Die Gesellschafter der GmbH hätten die grundsätzlichen unternehmerischen Entscheidungen zusammen getroffen. Dem Gesellschafter/Geschäftsführer sei als Einzelnem nur - wie in einem Beschäftigungsverhältnis - die Abwicklung der Kundenaufträge verblieben. Ansonsten seien die Gesellschafter/Geschäftsführer eng in die Vorgaben bzw. Entscheidungen der Gesellschaftergesamtheit eingebunden gewesen. Die sei nur deswegen nicht so deutlich gewesen, weil die Gesellschafter immer um Teamlösungen bemüht gewesen seien.

Die Beklagte beanstandet in der Berufung, dass das SG den Begriff der Weisungsgebundenheit missverstanden habe. Soweit die Gesellschafter die Geschäfte der GmbH in ihrer Gesamtheit geleitet hätten, sei der Kläger an der Entscheidungsfindung maßgeblich mitbeteiligt worden. Die Gesellschafter hätten nach dem Ergebnis der Ermittlungen stets Einvernehmlichkeit angestrebt und fast ausnahmslos erreicht. Bei dieser Praxis könne man nicht davon sprechen, dass die Gesellschaftergesamtheit dem Kläger Weisungen wie einem Arbeitnehmer erteilt habe. Vielmehr müsse man ihn wie auch den Mit-Gesellschafter/Geschäftsführer H. als Mitunternehmer ansehen. Die Notwendigkeit der Absprachen beim Urlaub, die Arbeitszeiten, deren Dauer, der Ort und die Art der Arbeitsausführung hätten sich aus den gegebenen Sachzwängen ergeben, nicht aus Weisungen, die die Gesellschaftergesamtheit den einzelnen Gesellschafter/Geschäftsführern erteilt habe. Als Mit-Gründungsgesellschafter, der auch im Folgenden an grundlegenden Entscheidungen beteiligt gewesen sei, sei der Kläger lediglich in die von ihm mitgegebene Ordnung des Betriebes eingebunden gewesen. Durch seine hohe Kapitalbeteiligung und seine hohe Gewinnbeteiligung habe der Kläger auch ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko getragen. Ausdruck hierfür sei auch die Gewährung eines Darlehens in Höhe von DM 20.000,- DM an die GmbH im Jahr 1989.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.07.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Auffassung des Sozialgerichts für zutreffend. Dass die Gesellschafter die wesentlichen Entscheidungen in der Leitung des Betriebes gemeinsam getroffen hätten und sich - soweit nicht ohnehin Sachzwänge vorgelegen hätten - auch im Übrigen wie etwa beim Urlaub wechselseitig abgestimmt hätten, spräche eben gerade dafür, dass der jeweilige Gesellschafter/Geschäftsführer in Ausführung der Weisungen der Gesamtgesellschaft gehandelt habe. Ein Beispiel für das Überstimmtwerden eines Gesellschafters sei, dass der vormalige Gesellschafter/Geschäftsführer W. 1990 durch Beschluss der Gesellschaft gegen seinen Willen als Geschäftsführer abberufen worden sei. Eine Gewinnbeteiligung in der Höhe wie beim Kläger sei auch bei Arbeitnehmern nicht ungewöhnlich. Dies gelte auch für das Darlehen im Jahre 1989, das der Kläger später wieder zurückerhalten habe.

Der Senat hat die Akten des SG und der Beklagten beigezogen und hat im Erörterungs- und Beweistermin vom 25.06.1999 nochmals den Mit-Gesellschafter/Geschäftsführer H. uneidlich als Zeugen angehört. Wegen des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.06.1999 verwiesen, im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Urteil des SG war aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht abgelehnt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 21.09.1995 hin Arbeitslosengeld zu gewähren.

Der Kläger hat anläßlich dieses Antrags keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Er hat nicht die notwendige Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt, da er in der dreijährigen Rahmenfrist vom 01.10.1992 bis zum 30.09.1995 nicht 360 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden hat (§§ 100, Abs.1, 104 des im Fall des Klägers noch anzuwendenden AFG).

Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs.1 AFG Personen, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt sind. Beschäftigung ist nach § 7 Abs.1 SGB IV, auf den in § 173 a AFG verwiesen wird, die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine selbständige Tätigkeit nicht unter den Begriff der Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs.1 SGB IV und damit auch nicht unter den Tatbestand der Beitragspflichtigkeit nach § 168 Abs.1 AFG fällt.

Die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter/Geschäftsführer der "E. GmbH" war nach dem sich aus den Ermittlungen ergebenden Gesamtbild nicht die eines Arbeitnehmers, sondern die eines Selbständigen.

Nach der Definition des BSG ist versicherungspflichtiger Arbeitnehmer, "wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht - vor allem bei Diensten höherer Art - erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen" (BSG vom 08.12.1994 SozR 3.4100 § 168 AFG Nr.18 S.44, wortgleich BSG vom 18.04.1991 SozR 3-4100 § 168 Nr.5, S.8, s.a. BSG vom 11.02.1993 USK 9347 S.223, vom 30.01.1997 SozR 3-4100 § 141 b Nr.17, S.78, vom 30.06.1999 Az.: B 2 U 35/98 R., S.7).

Das BSG räumt dem Rechtsunterworfenen damit keine formale Gestaltungsoption ein, gibt dem Rechtsanwender aber auch keine aus dem Abwägen der Notwendigkeiten einer staatlich veranstalteten Risikovorsorge gegen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit entwickelte Abgrenzung von beitragspflichtiger und selbständiger Tätigkeit an die Hand. Vielmehr bevorzugt es mit der oben zitierten Definition eine phänomenologisch-typologische Begriffsbildung, deren einzelne Merkmale und zahlreiche Untermerkmale (vgl. Niesel-Brandt, Rdz.14, 20 zu § 25 SGB III) mehr oder weniger unverbunden nebeneinander koexistieren und verweist den Rechtsanwender letztlich auf eine sämtlichen Gegebenheiten des jeweils einzelnen Falles Rechnung tragende Gesamtschau in Gestalt eines additiven, nicht aber irgendwie sinnhaft strukturierten Abwägungsvorgangs. Eine derartige, im Wesentlichen phänomenologisch-typologische Begriffsbildung hat zwar den Vorzug der Flexibilität, vermag aber die vielgestaltige und in ständigem Wandel begriffene soziale bzw. ökonomische Wirklichkeit allein kaum mehr ausreichend konsistent zu strukturieren.

Dies wird besonders am Dreh- und Angelpunkt der vom BSG vorgenommenen Abgrenzung deutlich, nämlich der sogenannten persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers, die sich gegenbildlich aus der Definition des Handelsvertreters in § 84 Abs.1 HGB herleitet. Die Gegenüberstellung des "Freien" und des "Abhängigen" rührt noch aus der ständisch verfassten Gesellschaft, in welcher der der Rechtsfigur des Selbständigen einerseits und des Arbeitnehmers bzw. abhängig Beschäftigten andererseits zugrunde liegende "soziologische Grundsachverhalt" (BSG 16, 289/294) weitgehend mit dessen äußerlich signifikanten Erscheinungsformen gleichgesetzt werden konnte, mit anderen Worten das äußerliche Erscheinungsbild einer Tätigkeit und die Sachentscheidungsmacht einander in aller Regel entsprachen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich der Notwendigkeit der Anpassung an die Fortentewicklung der sozialen und ökonomischen Gegebenheiten nicht verschlossen. Sie hat dabei aber - weitgehend - an der den Arbeitnehmer kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit von einem Arbeitgeber als Ausgangspunkt der vorzunehmenden Abgrenzung festgehalten sowie daran, dass diese sich irgendwie, wenn auch in erweiterter und gleichsam verdünnter Form in der äußeren Gestaltung einer Tätigkeit manifestieren müsse (s.u.a. BSG vom 29.10.1986 "Die Beiträge" 87,17/21, vom 11.02.1993 USK 9347, 221/223 f., zu den Grenzen dieser Betrachtungsweise s. z.B. BSG vom 25.02.1995 "Die Beiträge" 95, 296/300; zur Gesamtproblematik ausführlich SG München vom 23.09.1987 Breithaupt 88, 854 sowie vom 15.02.1990, Az.: S 34 AL 702/89).

Besondere Schwierigkeiten bereitet in aller Regel die Beurteilung der Arbeitnehmer- oder Selbständigeneigenschaft des (Minderheits)Gesellschafter/Geschäftsführers der GmbH. Dieser ist aus sozialrechtlicher Perspektive von Haus aus als eine Mischform von Arbeitnehmer und Selbständigem angelegt. Er vereint Merkmale des Kapitaleinlegers, des selbständig Tätigen und des Arbeitnehmers in sich, insofern als er Geschäftsanteile an der GmbH hält und deren Geschäfte führt, dabei aber den Anordnungen der Gesellschafterversammlung unterliegt, bei deren Willensbildung er andererseits auch mitbestimmen kann. Die weitgehend von der Rechtsprechung bevorzugte phänomenologisch-typologische Merkmalsabfragung in Rahmen einer letztlich fallbezogenen Gesamtschau hat hier zum Teil zu einer erheblichen Spannbreite in der Gewichtung der für die Abgrenzung des Arbeitnehmers vom Selbständigen als maßgeblich angesehenen einzelnen Merkmale geführt (vgl. z.B. die unterschiedliche Gewichtung der in Geschäftsführerverträgen vielfach enthaltenen Klausel, dass der Geschäftsführer seine Arbeitskraft in vollem Umfang in den Dienst der Gesellschaft zu stellen habe, sowie der Weisungsfreiheit bzgl. Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im BSG vom 08.08.1990 SozR 3-2400 § 7 Nr.4 einerseits und BSG vom 30.06.1999 Breithaupt 99, 1033 andererseits).

In der Literatur wird anläßlich der derzeit wieder auflebenden Diskussion über die sogenannte Scheinselbständigkeit unter Bezugnahme auf eine 1988 erschienene Habilitationsschrift "Arbeitnehmer und Selbständige" von Rolf Wank darüber diskutiert, ob die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen von der den Selbständigen kennzeichnenden spezifischen Verbindung von unternehmerischem Risiko und unternehmerischen Chancen her erfolgen soll (s. z.B. Brandt in NZS 97, 552, Reinecke NZA 99, 129; ausführlilch Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht - Preis, insbesondere Rdz.60 f. zu § 611 BGB, aber auch Hromadka NZA 97, 570; s.a. bereits BSG vom 13.07.1978 SozR 2200 Nr.17 zu § 1227 RVO, vom 29.01.1981 BSG E 51, 164/170 s., vom 12.12.1990 Breithaupt 92, 71/76; in jüngerer Zeit zum Unterfrachtführer LSG Berlin vm 27.10.1993 NZS 94, 409, unentschieden BSG vom 25.02.1995 "Die Beiträge" 95, 296). Die o.g. Perspektive sollte nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls ergänzend herangezogen werden. Sie erlaubt nicht nur die Dekuvrierung sogenannter Scheinselbständiger als eigentlich abhängig Beschäftigter, sondern ermöglicht generell eine durch die Wechselbezüglichkeit eines übernommenen unternehmerischen Risikos mit einer diesem Risiko adäquaten unternehmerischen Gestaltungsmacht strukturierte Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen von der Ratio selbständiger Tätigkeit her, sei es etwa in Gestalt eines abgespaltenen unternehmerischen Freiraums bei der entgeltlichen Geschäftsbesorgung oder auch einer Mitunternehmerschaft in der GmbH (ausführlich hierzu SG München vom 23.09.1987 sowie vom 15.02.1990 a.a.O.).

Stellt man darauf ab, ob für die Tätigkeit des Klägers für die GmbH die den Arbeitnehmer kennzeichnende persönliche Abhängigkeit kennzeichnend war und fragt, ob die Tätigkeit des Klägers nach Zeit, Dauer, Umfang, Art und Ort im Wesentlichen "frei bestimmt" war, so ergibt sich das Dilemma, dass sich dies zwar nicht bejahen lässt, dem Kläger aber insoweit auch keine laufenden Weisungen erteilt wurden.

Nach den Ausführungen des Zeugen H. sowohl vor dem Senat wie dem SG wie auch des Zeugen R. vor dem SG, wie auch des Klägers selbst, haben die Gesellschafter die wesentlichen betrieblichen bzw. unternehmerischen Sachentscheidungen - Festsetzung der Einrichtungslinie, Einkäufe, Festsetzung der Preise, Gestaltung der Verkaufsräume, Ein- und Ausstellen von Personal - gemeinsam getroffen. Entscheidungen über Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgingen, wurden § 10 Nr.2 d des Gesellschaftsvertrages entsprechend demnach nicht von einem Geschäftsführer allein, sondern von den Gesellschaftern gemeinsam getroffen, wobei auch der Minderheitsgesellchafter und bloße Prokurist R. einbezogen wurde. Dies fiel umso leichter, als die Gesellschafter ohnehin in täglichem laufenden Kontakt miteinander standen.

Demgegenüber enthält weder der Gesellschaftsvertrag noch enthalten die Geschäftsführerverträge mit dem Kläger und dem Zeugen H. (oder eine Geschäftsordnung) Maßgaben über die Ausführung der geschäftlichen Entscheidungen, bzw. über die Tätigkeit der Geschäftsführer im Einzelnen. Dies gilt auch für die Arbeitszeit bis auf die Vereinbarung eines Jahresurlaubs von 30 Arbeitstagen. Der Zeuge H. hat hierzu vor dem Senat angegeben, dass auch de facto jeder der Gesellschafter die laufenden Alltagsgeschäfte in eigener Verantwortung besorgt habe. Deren Abwicklung habe sich aus der Natur der Sache ergeben d.h. aus der Art des Geschäfts als Möbeleinzelhandel, also insbesondere aus der Notwendigkeit der Anwesenheit in den Verkaufsräumen während der Ladenöffnungszeiten. In der jeweiligen Arbeit habe man einander nicht hineingeredet. Es habe auch jeder der drei Gesellschafter ohne Probleme einmal weggehen zu können, um etwas zu erledigen. Er habe die anderen lediglich davon unterrichtet. Bezüglich des Urlaubs habe man sich miteinander abgesprochen. Es lässt sich auch nicht ersatzweise sagen, dass der Kläger in eine ihm "von fremder Seite auferlegte Ordnung des Betriebes eingegliedert" war. Man wird dies jedenfalls nicht allein schon aufgrund der Beteiligungsverhältnisse bejahen können, wenn anders die Rechtsprechung des BSG, wonach auch der (Minderheits)Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH frei von persönlicher Abhängigkeit sein kann, einen Sinn haben soll (BSG vom 24.06.1982 USK 82160, 727, vom 29.10.1986" die Beiträge "87, 17, vom 08.08.1990 SozR 3-2400 § 7 Nr.4, vom 11.02.1993 USK 9347, 221). Gegen die Annahme, der Kläger sei in eine ihm von fremder Seite auferlegte Ordnung des Betriebes eingebunden gewesen, spricht hingegen, dass er selbst zu den Gründungsgesellschaftern der GmbH zählt.

Allerdings hat nach Angabe des Zeugen H. über 90 % der Tätigkeit der Gesellschafter im Verkauf bestanden, wobei sich der Kläger als Nebentätigkeit noch um die Auslieferung gekümmert habe. Man könnte daher einwenden, dass die alltägliche Tätigkeit des Klägers soweit es nicht um wesentliche unternehmerische Entscheidungen gegangen sei, sich kaum von derjenigen eines Verkäufers in Vertrauensstellung unterschieden habe. Dies trifft allerdings nicht auf die Arbeitszeit zu. Anders als im Geschäftsführervertrag der GmbH mit dem Kläger hätte der Dienstvertrag mit einem Angestellten mit Sicherheit Angaben über die Arbeitszeit enthalten. Bei einem Unternehmen dieser kleinen bis mittleren Größenordnung hat ein Verkäufer, soweit er nicht Familienangehöriger ist, in aller Regel auch de facto eine geregelte Arbeitszeit, nicht aber eine Arbeitszeit von 50 bis 60 Stunden ohne Überstundenausgleich, wie sie sich beim Kläger aus den Ladenöffnungszeiten bzw. zum Teil noch darüber hinausgehenden Gesprächen mit Kunden sowie notwendigen Auslieferungen ergab. Ein derartiger zeitlicher Einsatz ist vielmehr typisch für einen Geschäftsinhaber bzw. Mitinhaber, der auch an den erhofften Gewinnen des Unternehmens partizipiert. Dies gilt im Übrigen auch für die Klausel in § 1 Abs.2 des Geschäftsführervertrages, wonach dcer Kläger seine gesamte Arbeitskraft für die Tätigkeit in der GmbH einzusetzen habe und zu dieser nicht in Konkurrenz treten dürfe. Diese für den GmbH-Geschäftsführer typische Verpflichtung, die sich ohnehin bereits aus seiner Organstellung ergibt (Baumbach/Hueck GmbH Gesetz Rdz.19 ff. zu § 35), macht aus seiner Tätigkeit weder inhaltlich noch in der Art ihrer Ausführung eine abhängige Tätigkeit. Vielmehr wird damit dem GmbH-Geschäftsführer ein Teil des unternehmerischen Risikos auferlegt.

Letztlich lassen die äußeren Umstände der Tätigkeit des Klägers diese demnach weder überwiegend als diejenige eines Arbeitnehmers noch als diejenige eines Selbständigen beurteilen.

Hingegen erweist sich die Tätigkeit des Klägers, sofern man die den Selbständigen kennzeichnende Verbindung eines unternehmerischen Risikos mit einer dem adäquaten unternehmerischen Gestaltungsmacht als ergänzenden Beurteilungsmaßstab heranzieht, überwiegend als diejenige eines Selbständigen.

Der Kläger hat über die vertraglich eingegangene Verpflichtung einer ausschließlichen Tätigkeit für die GmbH hinaus ein ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko getragen. Dies vor allem dadurch, dass er einen für seine Verhältnisse hohen Geldbetrag, nämlich insgesamt 125.000,- DM, in die GmbH investiert hat, zum großen Teil durch Aufnahme eines Darlehens, wie er gegenüber dem Senat erklärt hat.

Der Kläger war dadurch, wie auch durch die zwischenzeitliche Gewährung eines Darlehens in Höhe von 20.000,- DM, wenn er dieses auch zurückerhalten hat, am Risiko der Firma beteiligt. Tatsächlich hat er bei der Auflösung der Firma nur einen Teil seiner Investitionen zurückerhalten. Nach Angaben des Zeugen H. vor dem Senat hat sich aus der Verwertung des Geschäftsvermögens ein positiver Saldo von etwa 150.000,- DM ergeben, der auf die Gesellschafter verteilt worden sei, was beim Kläger einen Betrag von 62.490,- DM ergeben haben müsste. Andererseits war der Kläger aufgrund seiner Geschäftsanteile von 41,66 % erheblich an einem möglichen Gewinn beteiligt. Ein solcher ist nach den Angaben des Zeugen H. auch in etwa bis zu dessen Eintritt als Gesellschafter durchaus angefallen. Dafür, dass das Einrichtungshaus zwischenzeitlich sogar sehr gut gelaufen ist, spricht auch, dass H. dem Mit-Gründungsgesellschafter W. Ende 1990 dessen Geschäftsanteile in Höhe von 125.000,- DM gegen einen Betrag von 312.000,- DM abgekauft hat.

Auch ist die dem Kläger zustehende Gewinnbeteiligung in Höhe von 12,5 % des Jahresüberschusses der Handelsbilanz vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschafts- und Gewerbesteuer keinesweges geringfügig, bzw. in dieser Höhe nicht typisch für einen Arbeitnehmer, auch wenn der Kläger seinen laufenden Lebensunterhalt und seine laufenden Verpflichtungen möglicherweise durch sein normales Monatsgehalt abdecken konnte. Ein unternehmerisches Risiko ist nicht notwendigerweise gleichzusetzen mit einem laufenden Existenzrisiko.

Im Übrigen steckt auch in der bei einem angestellten Verkäufer unüblichen Kündigungsfrist von einem halben Jahr zum Quartalsende und der 6-wöchigen Gehaltsfortzahlung für jeden Fall nicht zu vertretender Arbeitsverhinderung nach §§ 2 und 4 des Gesellschaftsvertrages auch eine Abgeltung des investiven Risikos.

Der Kläger hatte auch eine seinem eingegangenen unternehmerischen Risiko adäquate unternehmerische Gestaltungsmacht.

Nach dem Gesellschaftsvertrag hatte der Kläger allerdings keine alleinige oder dominierende unternehmerische Macht, und es wurde ihm eine solche auch nicht de facto eingeräumt.

Nach § 10 Nr.2 des Gesellschaftsvertrages bedurfte es u.a. für "alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen", der Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Die Gesellschaft konnte auch im Rahmen ihrer sogenannten Allzuständigkeit sonstige Geschäftsführungsfragen an sich ziehen (Baumbach/Hueck GmbH Gesetz Rdz.60 f. zu § 46). Der Kläger hatte lediglich eine Kapital- und Stimmenbeteiligung von 41,66 %, und konnte damit keine Entscheidungen durchsetzen, auch keine Entscheidungen der GmbH blockieren, nachdem keine Sperrminorität für bestimmte Angelegenheiten vorgesehen war mit der einzigen Ausnahme, dass nach § 14 des Gesellschaftsvertrages ausschüttungsfähige Gewinne den Gesellschaftern nur bei entsprechendem einstimmigen Beschluss vorenthalten werden durften. Allerdings hatte auch kein anderer Gesellschafter eine gesellschaftsvertraglich dominierende Stellung.

Die tatsächlichen Abläufe entsprachen nach der Schilderung der Zeugen den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen. Die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen wie die Festlegung der Einkaufspolitik aufgrund des Besuchs der Messen, die Bestellungen, die Festsetzung der Preise für die Möbel und sonstigen Waren, die Ein- und Ausstellung von Personal beim Auslieferungsteam, die Untervermietung von Flächen wurden gemeinsam getroffen. Dabei handelte es sich, nachdem die Gesellschafter ohnehin dauernd in Kontakt waren, um einen laufenden, nicht weiter formalisierten Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Daran, dass einer der Gesellschafter/Geschäftsführer einmal in einer wichtigen Angelegenheit "überstimmt" worden wäre, konnte sich weder der Zeuge H. noch der Zeuge R. erinnern. Koalitionen hat es nicht gegeben.

Die Beteiligten ziehen aus diesem Sachverhalt unterschiedliche Schlussfolgerungen. Nach Auffassung der Klageseite bedeutet die einvernehmliche laufende Entscheidungsfindung der drei Gesellschafter in allen wichtigen geschäftlichen Fragen, dass alle drei Gesellschafter "weisungsabhängig" von der Gesamtgesellschaft, also als Arbeitnehmer agierten. Die Beklagte hingegen meint, ein derartiges gleichberechtigtes Mitwirken an der laufenden Entscheidungsfindung in dem gegebenen Rahmen könne man nicht der "Weisungsunterworfenheit" eines Arbeitnehmers gleichsetzen.

Dem schließt sich der Senat an. Den Entscheidungen der Gesellschafter in ihrer Gesamtheit zu den wesentlichen betrieblichen bzw. unternehmerischen Fragen kommt im Hinblick auf dessen gleichberechtigtes laufendes Mitwirken an der Entscheidungsfindung jedenfalls gegenüber dem Kläger und dem Mit-Gesellschafter/Geschäftsführer H. unter den gegebenen Umständen kein "Weisungscharakter" (vgl. BSG vom 11.02.1993 USK 9347, S.221/225) zu. Dies einmal aufgrund der Art des Betriebes. Es handelte sich um einen kleineren, von den wirtschaftlichen Vorgängen her überschaubaren Betrieb, dessen Geschäftsanteil auf nur drei Personen verteilt waren, davon 83,32 % auf die beiden Gesellschafter/Geschäftsführer. Unter diesen Umständen erscheint es künstlich, hier das bloße Vorhandensein eines juristischen Unternehmers in Form der GmbH ohne persönlichen "Unternehmer" anzunehmen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Zeugen H. zwischen den nach dem Ausscheiden des W. in der GmbH verbliebenen drei Gesellschaftern aufgrund langjähriger Zusammenarbeit und gegenseitiger Kenntnis bereits aus einem vormaligen Ausbildungsbetrieb ein hohes Maß an Vertrauen sowie auch eine in etwa einheitliche Auffassung in der Geschäftspolitik bestanden habe, so dass eine einvernehmliche Entscheidungsfindung nicht nur angestrebt wurde, sondern auch keine Schwierigkeiten bot.

Der Senat meint daher, dass zumindest der Kläger und der Zeuge H. unter den gegebenen Umständen als Mitunternehmer angesehen werden müssen, wobei offen bleiben kann, ob der Zeuge R. im Hinblick auf dessen erheblich geringeren Kapitaleinsatz und seine formale Stellung als bloßer Prokurist auch so einzuordnen ist.

Der Annahme einer die Beitragspflicht ausschließenden Mitunternehmerschaft unter den gegebenen betrieblichen und persönlichen Umständen stehen die begrifflichen Eigenheiten der Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entgegen. Es handelt sich insoweit um eine spezielle Problematik (s. BSG vom 25.10.1989 USK 8998).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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