Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 270/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 44/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 206/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.10.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 17.643,98 EUR (34.508,63 DM).
Die 1940 geborene Arbeitnehmerin J. B. (im Folgenden: B) war vom 09.01.1978 bis 31.08.1997 bei der Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Klägerin sprach mit Schreiben vom 03.01.1997 eine Änderungskündigung zum 31.08.1997 aus. Auf Grund einer betrieblichen Umstrukturierung entfalle der Arbeitsplatz der B im Filialbetrieb Bad W ... Gleichzeitig werde ihr ein vergleichbarer Arbeitsplatz im Hauptbetrieb der Klägerin in R. angeboten. Dies lehnte B ab und erhob Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das arbeitsgerichtliche Verfahren fand sein Ende durch gerichtlichen Vergleich vom 16.09.1997. Die Klägerin und B waren sich einig darüber, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung zum 31.08.1997 aufgelöst worden sei und die Klägerin an B als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß § 3 Nr 9 Einkommensteuergesetz einen Betrag in Höhe von 12.000,00 DM zahle.
Zuvor hatte sich ein Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen eines Telefonats mit dem Bevollmächtigten der Klägerin dahingehend geäußert, dass für den Fall der Ablehnung einer Änderungskündigung, deren Annahme dem Mitarbeiter zumutbar sei, mit keinen Sanktionen des Arbeitgebers gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu rechnen sei.
B meldete sich am 22.12.1997 arbeitslos und erhielt ab 01.01.1998 Alg von der Beklagten. Ab dem 01.03.2000 bezog B Altersrente für Schwerbehinderte.
Nach Anhörung forderte die Beklagte mit den Bescheiden vom 02.03.1999 von der Klägerin die Erstattung der in der Zeit vom 20.02.1998 bis 19.05.1998 und 20.05.1998 bis 19.11.1998 an B erbrachten Leistungen (Alg und Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 19.292,14 DM).
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsvertrages nicht vorliege und B es in der Hand gehabt habe, die zumutbare Änderungskündigung anzunehmen und den Arbeitsplatz zu erhalten.
Unter Berücksichtigung der Anzahl der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer (nicht mehr als 60) reduzierte die Beklagte die Erstattungsquote um ein Drittel und änderte mit Bescheid vom 21.12.1999 die Bescheide vom 02.03.1999 ab. Nunmehr seien für die Zeit vom 20.02.1998 bis 19.11.1999 12.861,33 DM zu erstatten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2000 zurück. Das Arbeitsverhältnis sei durch den vor dem Arbeitsgericht am 16.09.1997 geschlossenen Vergleich durch ordentliche betriebsbedingte, in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung zum 31.08.1997 beendet worden. Bei einem Aufhebungsvertrag lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG nicht vor.
Während des Klageverfahrens - die Klägerin hatte am 06.04.1000 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und sich zur Begründung hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezogen - forderte die Beklagte mit den Bescheiden vom 09.05.2000 (Leistungszeitraum 20.11.1998 bis 04.05.1999 und 11.05.2001 (Leistungszeitraum 05.05.1999 bis 17.02.2000) die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 21.647,30 DM.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2002 abgewiesen. Die Klägerin könne sich nicht auf eine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG berufen, da das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund einer Kündigung der B oder einer sozial gerechtfertigten Kündigung der Klägerin sondern durch den Vertrag vom 16.09.1997 beendet worden sei. Im Rahmen des geführten Telefonats habe die Beklagte mangels Schriftform eine rechtsverbindliche Zusage, einen Erstattungsbescheid nicht zu erlassen, nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin zum Bayer. Landessozialgericht. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch den Vergleich vom 16.09.1997 sondern durch die ordentliche Änderungskündigung aufgelöst worden, weil B das zumutbare Änderungsangebot nicht angenommen habe. Im Vergleich sei ausdrücklich festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 03.01.1997 beendet worden sei. Der Vergleich habe lediglich der Abwicklung des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses gedient. Zu dieser vertraglichen Einigung sei es erst gekommen, nachdem das Arbeitsgericht im Verhandlungstermin darauf hingewiesen habe, dass es die Änderungskündigung als gerechtfertigt ansehe und nur noch über die Höhe einer Abfindung zu reden sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 10.10.2002 und die Bescheide vom 02.03.1999 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2000 sowie die Bescheide vom 09.05.2000 und 11.05.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Vergleich vom 16.09.1997 habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt. Selbst wenn im Vergleich von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung die Rede sei, liege deshalb noch keine sozial gerechtfertigte Kündigung vor. Das Arbeitsverhältnis sei lediglich unter Bezugnahme auf die ausgesprochene Kündigung gegen eine vorher in Aussicht gestellte Abfindung und ohne weitere Prüfung der Voraussetzungen für eine soziale Rechtfertigung, insbesondere der Sozialauswahl, beendet worden. Demzufolge sei die Beendigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen des "gegenseitigen Gebens und Nehmens" auch tatsächlich als Vergleich anzusehen und damit einem Aufhebungsvertrag gleichzustellen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide vom 02.03.1999 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.1999 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2000 sowie die Bescheide vom 09.05.2000 und 11.05.2001, die Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Erstattungspflicht der Klägerin für Leistungen der Beklagten an B - Alg und Beiträge zur Sozialversicherung - in Höhe von insgesamt 17.643,98 EUR ergibt sich aus § 128 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1992, der nach § 431 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 242x Abs 6 AFG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) vierteljährlich das Alg - unter Einschluss der hierauf entfallenden Beiträge - für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Die 1940 geborene B war bei der Klägerin von 1978 bis 31.08.1997 versicherungspflichtig beschäftigt. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das nach Vollendung des 58. Lebensjahres der B vom 20.02.1998 bis 17.02.2000 gewährte Alg und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Auch die Höchstdauer des Erstattungszeitraums von 624 Tagen, verlängert nach § 431 Abs 1 Satz 2 SGB III auf 728 Tage, ist nicht überschritten.
Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nicht auf den hier einzig in Betracht kommenden Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berufen kann. Nach dieser Vorschrift tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Dieser Befreiungstatbestand greift nicht im Falle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliche Beendigungstatbestände. Dies gilt selbst dann, wenn materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben sollten (BSG NZA-RR 2002, 328), denn im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG kommt es maßgebend auf die äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Ein solches Abstellen auf die äußere Form der Aufhebung entspricht der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, nach der gerade in der Wahl bestimmter "Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer" ein Indiz dafür zu sehen ist, dass die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt (BVerfG SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Demgegenüber würde eine materielle, in erster Linie auf die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrundeliegende Interessenslage abstellende Sichtweis dazu führen, die Erstattunsregelung des § 128 AFG praktisch zu entwerten (BSG aaO).
Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit B nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet, denn das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die mit Schreiben vom 03.01.1997 ausgesprochenen Kündigung sondern durch den gerichtlichen Vergleich vom 16.09.1997 im Sinne eines Aufhebungsvertrages beendet worden. Die Klägerin und B haben sich in diesem Vergleich kraft übereinstimmenden Willens über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1997 und über die Zahlung einer Abfindung geeinigt. Ein Vergleich stellt nicht nur eine Prozesshandlung zur Beendigung des Rechtsstreits dar, sondern ist zugleich ein materiell-rechtlicher Vertrag. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass der Streit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Zwar lautet es im Text des Vergleiches vom 16.09.1997, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung aufgelöst worden sei. Allerdings stellt die Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses inhaltlich nur einen Teil des Vergleichsvertrages dar. Hinzu kommt die Vereinbarung über die Abfindungszahlung in Höhe von 12.000,00 DM. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es der Arbeitnehmerin B auch auf die - erstmalig angebotene - Zahlung einer Abfindung angekommen ist. Sie hat nicht der ursprünglich ausgesprochenen Kündigung sondern der Beendigung des Arbeitsvertrages unter Zahlung einer Abfindung zugestimmt. Demnach sollte im Wege eines gegenseitigen Nachgebens, der Zahlung einer Abfindung gegenüber der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ohne weitere Prüfung deren sozialer Rechtfertigung, der Vergleich und nicht die zuvor ausgesprochene Kündigung Rechtsgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Ein Abwicklungsvertrag, wie die Klägerin meint, kann darin nicht gesehen werden, da Gegenstand des Vergleiches nicht die Folgen einer rechtlich fortbestehenden Kündigung sondern die Ersetzung der vorhergehenden Kündigung durch eine vertragliche Regelung war.
Selbst wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Arbeitnehmerin B der Änderungskündigung nicht zugestimmt und diese den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (unter geänderten Bedingungen) in ihrer Hand gehabt hat, besteht für eine entsprechende bzw. erweiternde Auslegung der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG geregelten Ausnahmetatbestände kein Raum. Diese Tatbestände knüpfen ausschließlich an äußere Merkmale an, die ihrerseits den Schluss darauf zulassen, dass der Arbeitgeber das Ausscheiden nicht initiiert oder zumindest nicht gefördert hat. Darüberhinaus schließt jeder ursächliche Beitrag des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Vorliegen dieser Tatbestände aus, da eine andere Sichtweise die Erstattungsregelung des § 128 AFG (jetzt § 147a SGB III) praktisch entwerten würde (vgl Urteil des BSG vom 27.01.2005, Az: B 7a/7 AL 32/04 R). Ein solcher ursächlicher Beitrag ist hier dann zu sehen, dass die Klägerin mit der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden war. Sie hat daher an der Auflösung wesentlich mitgewirkt. Mithin fällt die eingetretene Arbeitslosigkeit auch in den Verantwortungsbereich der Klägerin, so dass diese die Leistungen der Beklagten zu erstatten hat.
Auf eine Zusicherung der Beklagten, die Erstattung nicht zu fordern, kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Die Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten bezog sich nicht auf den Fall einer Beendigung des Arbeitsvertrages durch Vergleich. Als Zusage hätte sie auch zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedurft (§ 34 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-).
Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung des Erstattungsbetrages liegen nicht vor.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 17.643,98 EUR (34.508,63 DM).
Die 1940 geborene Arbeitnehmerin J. B. (im Folgenden: B) war vom 09.01.1978 bis 31.08.1997 bei der Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Klägerin sprach mit Schreiben vom 03.01.1997 eine Änderungskündigung zum 31.08.1997 aus. Auf Grund einer betrieblichen Umstrukturierung entfalle der Arbeitsplatz der B im Filialbetrieb Bad W ... Gleichzeitig werde ihr ein vergleichbarer Arbeitsplatz im Hauptbetrieb der Klägerin in R. angeboten. Dies lehnte B ab und erhob Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das arbeitsgerichtliche Verfahren fand sein Ende durch gerichtlichen Vergleich vom 16.09.1997. Die Klägerin und B waren sich einig darüber, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung zum 31.08.1997 aufgelöst worden sei und die Klägerin an B als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß § 3 Nr 9 Einkommensteuergesetz einen Betrag in Höhe von 12.000,00 DM zahle.
Zuvor hatte sich ein Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen eines Telefonats mit dem Bevollmächtigten der Klägerin dahingehend geäußert, dass für den Fall der Ablehnung einer Änderungskündigung, deren Annahme dem Mitarbeiter zumutbar sei, mit keinen Sanktionen des Arbeitgebers gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu rechnen sei.
B meldete sich am 22.12.1997 arbeitslos und erhielt ab 01.01.1998 Alg von der Beklagten. Ab dem 01.03.2000 bezog B Altersrente für Schwerbehinderte.
Nach Anhörung forderte die Beklagte mit den Bescheiden vom 02.03.1999 von der Klägerin die Erstattung der in der Zeit vom 20.02.1998 bis 19.05.1998 und 20.05.1998 bis 19.11.1998 an B erbrachten Leistungen (Alg und Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 19.292,14 DM).
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsvertrages nicht vorliege und B es in der Hand gehabt habe, die zumutbare Änderungskündigung anzunehmen und den Arbeitsplatz zu erhalten.
Unter Berücksichtigung der Anzahl der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer (nicht mehr als 60) reduzierte die Beklagte die Erstattungsquote um ein Drittel und änderte mit Bescheid vom 21.12.1999 die Bescheide vom 02.03.1999 ab. Nunmehr seien für die Zeit vom 20.02.1998 bis 19.11.1999 12.861,33 DM zu erstatten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2000 zurück. Das Arbeitsverhältnis sei durch den vor dem Arbeitsgericht am 16.09.1997 geschlossenen Vergleich durch ordentliche betriebsbedingte, in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung zum 31.08.1997 beendet worden. Bei einem Aufhebungsvertrag lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG nicht vor.
Während des Klageverfahrens - die Klägerin hatte am 06.04.1000 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und sich zur Begründung hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezogen - forderte die Beklagte mit den Bescheiden vom 09.05.2000 (Leistungszeitraum 20.11.1998 bis 04.05.1999 und 11.05.2001 (Leistungszeitraum 05.05.1999 bis 17.02.2000) die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 21.647,30 DM.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2002 abgewiesen. Die Klägerin könne sich nicht auf eine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG berufen, da das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund einer Kündigung der B oder einer sozial gerechtfertigten Kündigung der Klägerin sondern durch den Vertrag vom 16.09.1997 beendet worden sei. Im Rahmen des geführten Telefonats habe die Beklagte mangels Schriftform eine rechtsverbindliche Zusage, einen Erstattungsbescheid nicht zu erlassen, nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin zum Bayer. Landessozialgericht. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch den Vergleich vom 16.09.1997 sondern durch die ordentliche Änderungskündigung aufgelöst worden, weil B das zumutbare Änderungsangebot nicht angenommen habe. Im Vergleich sei ausdrücklich festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 03.01.1997 beendet worden sei. Der Vergleich habe lediglich der Abwicklung des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses gedient. Zu dieser vertraglichen Einigung sei es erst gekommen, nachdem das Arbeitsgericht im Verhandlungstermin darauf hingewiesen habe, dass es die Änderungskündigung als gerechtfertigt ansehe und nur noch über die Höhe einer Abfindung zu reden sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 10.10.2002 und die Bescheide vom 02.03.1999 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2000 sowie die Bescheide vom 09.05.2000 und 11.05.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Vergleich vom 16.09.1997 habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt. Selbst wenn im Vergleich von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung die Rede sei, liege deshalb noch keine sozial gerechtfertigte Kündigung vor. Das Arbeitsverhältnis sei lediglich unter Bezugnahme auf die ausgesprochene Kündigung gegen eine vorher in Aussicht gestellte Abfindung und ohne weitere Prüfung der Voraussetzungen für eine soziale Rechtfertigung, insbesondere der Sozialauswahl, beendet worden. Demzufolge sei die Beendigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen des "gegenseitigen Gebens und Nehmens" auch tatsächlich als Vergleich anzusehen und damit einem Aufhebungsvertrag gleichzustellen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide vom 02.03.1999 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.1999 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2000 sowie die Bescheide vom 09.05.2000 und 11.05.2001, die Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Erstattungspflicht der Klägerin für Leistungen der Beklagten an B - Alg und Beiträge zur Sozialversicherung - in Höhe von insgesamt 17.643,98 EUR ergibt sich aus § 128 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1992, der nach § 431 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 242x Abs 6 AFG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) vierteljährlich das Alg - unter Einschluss der hierauf entfallenden Beiträge - für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Die 1940 geborene B war bei der Klägerin von 1978 bis 31.08.1997 versicherungspflichtig beschäftigt. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das nach Vollendung des 58. Lebensjahres der B vom 20.02.1998 bis 17.02.2000 gewährte Alg und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Auch die Höchstdauer des Erstattungszeitraums von 624 Tagen, verlängert nach § 431 Abs 1 Satz 2 SGB III auf 728 Tage, ist nicht überschritten.
Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nicht auf den hier einzig in Betracht kommenden Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berufen kann. Nach dieser Vorschrift tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Dieser Befreiungstatbestand greift nicht im Falle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliche Beendigungstatbestände. Dies gilt selbst dann, wenn materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben sollten (BSG NZA-RR 2002, 328), denn im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG kommt es maßgebend auf die äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Ein solches Abstellen auf die äußere Form der Aufhebung entspricht der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, nach der gerade in der Wahl bestimmter "Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer" ein Indiz dafür zu sehen ist, dass die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt (BVerfG SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Demgegenüber würde eine materielle, in erster Linie auf die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrundeliegende Interessenslage abstellende Sichtweis dazu führen, die Erstattunsregelung des § 128 AFG praktisch zu entwerten (BSG aaO).
Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit B nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet, denn das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die mit Schreiben vom 03.01.1997 ausgesprochenen Kündigung sondern durch den gerichtlichen Vergleich vom 16.09.1997 im Sinne eines Aufhebungsvertrages beendet worden. Die Klägerin und B haben sich in diesem Vergleich kraft übereinstimmenden Willens über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1997 und über die Zahlung einer Abfindung geeinigt. Ein Vergleich stellt nicht nur eine Prozesshandlung zur Beendigung des Rechtsstreits dar, sondern ist zugleich ein materiell-rechtlicher Vertrag. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass der Streit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Zwar lautet es im Text des Vergleiches vom 16.09.1997, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte in der Änderungskündigung vom 03.01.1997 enthaltene Beendigungskündigung aufgelöst worden sei. Allerdings stellt die Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses inhaltlich nur einen Teil des Vergleichsvertrages dar. Hinzu kommt die Vereinbarung über die Abfindungszahlung in Höhe von 12.000,00 DM. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es der Arbeitnehmerin B auch auf die - erstmalig angebotene - Zahlung einer Abfindung angekommen ist. Sie hat nicht der ursprünglich ausgesprochenen Kündigung sondern der Beendigung des Arbeitsvertrages unter Zahlung einer Abfindung zugestimmt. Demnach sollte im Wege eines gegenseitigen Nachgebens, der Zahlung einer Abfindung gegenüber der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ohne weitere Prüfung deren sozialer Rechtfertigung, der Vergleich und nicht die zuvor ausgesprochene Kündigung Rechtsgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Ein Abwicklungsvertrag, wie die Klägerin meint, kann darin nicht gesehen werden, da Gegenstand des Vergleiches nicht die Folgen einer rechtlich fortbestehenden Kündigung sondern die Ersetzung der vorhergehenden Kündigung durch eine vertragliche Regelung war.
Selbst wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Arbeitnehmerin B der Änderungskündigung nicht zugestimmt und diese den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (unter geänderten Bedingungen) in ihrer Hand gehabt hat, besteht für eine entsprechende bzw. erweiternde Auslegung der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 AFG geregelten Ausnahmetatbestände kein Raum. Diese Tatbestände knüpfen ausschließlich an äußere Merkmale an, die ihrerseits den Schluss darauf zulassen, dass der Arbeitgeber das Ausscheiden nicht initiiert oder zumindest nicht gefördert hat. Darüberhinaus schließt jeder ursächliche Beitrag des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Vorliegen dieser Tatbestände aus, da eine andere Sichtweise die Erstattungsregelung des § 128 AFG (jetzt § 147a SGB III) praktisch entwerten würde (vgl Urteil des BSG vom 27.01.2005, Az: B 7a/7 AL 32/04 R). Ein solcher ursächlicher Beitrag ist hier dann zu sehen, dass die Klägerin mit der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden war. Sie hat daher an der Auflösung wesentlich mitgewirkt. Mithin fällt die eingetretene Arbeitslosigkeit auch in den Verantwortungsbereich der Klägerin, so dass diese die Leistungen der Beklagten zu erstatten hat.
Auf eine Zusicherung der Beklagten, die Erstattung nicht zu fordern, kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Die Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten bezog sich nicht auf den Fall einer Beendigung des Arbeitsvertrages durch Vergleich. Als Zusage hätte sie auch zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedurft (§ 34 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-).
Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung des Erstattungsbetrages liegen nicht vor.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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