S 27 AS 289/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 289/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 29 AS 89/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 13.06.2005 verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 11.05.2005 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Vermögen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – für die Zeit vom 23. Mai 2005 bis zum 31. Juli 2005. Streitig ist insbesondere die Frage, ob der Kläger über verwertbares Vermögen in Form einer Lebensversicherung verfügt.

Der am 17. August 1949 geborene Kläger beantragte am 11. Mai 2005 für sich und seine am 19. Januar 1954 geborene Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Auf dem Antragsformular gab er an, bis zum 22. Mai 2005 Arbeitslosengeld nach dem SGB III in Höhe von täglich 36,32 EUR erhalten zu haben. Als Unterkunfts- und Heizkosten gab er insgesamt einen Betrag in Höhe von 420,44 EUR unter Vorlage einer entsprechenden Vermieterbescheinigung an. Monatliche Einkünfte seien nicht vorhanden. Auf dem Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens nannte der Kläger folgende Beträge: Girokonto 2160,76 EUR Bargeld 200,00 EUR Kapitallebensversicherung/ Rückkaufswert 27401,00 EUR Bausparvertrag 4548,59 EUR.

Auf das Antragsformular einschließlich Anlagen wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Bei einem zu berücksichtigenden Vermögen von insgesamt 35.431,35 EUR, das den Grundfreibetrag in Höhe von 24200,- EUR übersteige, sei der Kläger nicht hilfebedürftig. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Mit seinem Widerspruch vom 06. Juni 2005 führte der Kläger aus, in die Berechnungen des verwertbaren Vermögens sei eine Lebensversicherung eingerechnet, die als zusätzliche Altersvorsorge eingeplant gewesen sei. Bedingt durch die Arbeitslosigkeit sei er nicht mehr in der Lage gewesen, den monatlichen Betrag in Höhe von 293,18 EUR zu zahlen und habe deshalb die Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung umgewandelt. Dadurch habe er bereits einen erheblichen Verlust erlitten. Eine Beleihung sei unwirtschaftlich. Auf den Widerspruch im Übrigen wird Bezug genommen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2005 als unbegründet zurück. Auf den Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage bezieht sich der Kläger auf den Inhalt seines Widerspruchs. Ergänzend trägt er vor, seine Altersrente werde nach einer Berechnung der LVA Rheinland prognostiziert auf Grundlage der heutigen Gesetzeslage lediglich 1148,04 EUR betragen. Die Lebensversicherung stelle also eine sehr bescheidene Aufbesserung des zu erwartenden Lebensstandards dar. Um diese Möglichkeit werde er gebracht, wenn er die Versicherung bereits jetzt verwerten müsse. Den Bausparvertrag habe zur Sicherung seines derzeitigen Lebensunterhaltes kapitalisiert.

Nach dem das Gericht den Kläger mit Schreiben vom 05. August 2005 auf § 12 Abs 2 Nr SGB II hingewiesen hat, hat der Kläger unter dem 29. August 2005 einen Verwertungsausschluss gemäß § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz mit seinem Lebensversicherungsträger vereinbart.

Zur Klagebegründung ergänzend führt er anschließend aus, er habe bereits bei Antragstellung am 11. Mai 2005, spätestens jedoch innerhalb des Widerspruchsverfahrens auf § 12 Abs 2 Nr SGB II hingewiesen werden müssen. Soweit ihm am 11.05.2005 die entsprechenden Bestimmungen bekannt gewesen seien, hätte er sich zum damaligen Zeitpunkt um eine entsprechende Vereinbarung mit seinem Lebensversicherungsträger bemüht. Wenn er von der Beklagten die gleiche Mitteilung wie später durch das Gericht erhalten hätte, hätte seinem Widerspruch nach entsprechender Vorlage einer Vereinbarung stattgegeben und Leistungen gewährt werden müssen. Ein entsprechender Hinweis bei der Antragstellung hätte das gesamte Verfahren überflüssig gemacht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne Anrechnung von Vermögen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides. Es sei allein Angelegenheit des Klägers, vertragsspezifische Angelegenheiten mit seiner Versicherung zu klären. Diese sei in der Beratungspflicht. Entsprechende Beratungspflichten träfen nicht den Leistungsträger. Selbst wenn bei Antragstellung ein entsprechender Hinweis gegeben worden wäre, hätte dies nicht zu einer Leistungsgewährung geführt, da die Vermögensverhältnisse des Klägers bei Antragstellung als Faktum vorlagen. Auch unter den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ließe sich kein Leistungsanspruch des Klägers begründen, da Änderungen in der Versicherungspolice sich der Verfügungsmacht der Beklagten entzögen.

Ab dem 29. August 2005 hat die Beklagte Leistungen bewilligt. Auf den Bewilligungsbescheid vom 08. Februar 2006 wird Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09. Juni 2006 angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in seinen Rechten.

Der Kläger und seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II – Alg II – nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne Berücksichtigung von Vermögenswerten.

Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen befristeten Zuschlag. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatten weder der Kläger noch seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau noch der wohl mit ihm in Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB II lebende volljährige Sohn eigenes Einkommen, das nach Maßgabe des § 11 SGB II zu berücksichtigen gewesen wäre. Da die Beklagte jedoch in dem Bewilligungsbescheid vom 08. Februar 2006 sonstiges Einkommen in Höhe von 125,65 EUR berücksichtigt hat, was nicht zum Wegfall des Anspruchs dem Grunde nach geführt hat, wird sie zu überprüfen haben, ab wann dieses Einkommen vorgelegen hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten, verfügen der Kläger und seine Ehefrau auch nicht über zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Abzusetzen sind nach Absatz 2 der Vorschrift ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4100,- EUR; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000,- EUR nicht übersteigen. Nach § 12 Abs 2 Nr 4 ist ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen vom Vermögen abzusetzen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich - wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2005 zutreffend ausgeführt hat – ein Freibetrag für den Kläger und seine Ehefrau in Höhe von insgesamt 22.700,- EUR.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein weiterer Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr SGB II zu berücksichtigen. Danach sind vom Vermögen geldwerte Ansprüche abzusetzen, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seinen Partners, höchstens jedoch jeweils 13000,- EUR nicht übersteigt. Nach dem Lebensalter des Klägers und seiner Ehefrau ergibt sich hieraus ein weiterer Freibetrag in Höhe von insgesamt 21.200,- EUR für die Eheleute.

Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 31.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2005 die Vorschrift des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II ersichtlich nicht geprüft und auch nicht in den Gründen der Bescheide angeführt. Zwar geht sie im Ergebnis zutreffend davon aus, dass bei Antragstellung die entsprechenden Freibeträge nach dieser Vorschrift noch nicht vorlagen, da der Kläger mit seinem Versicherungsträger noch keinen Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz – VVG – geschlossen hatte und auch keine anderweitigen vertraglichen Vereinbarungen zur Nichtverwertbarkeit der Versicherung vorlagen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung eines weiteren Freibetrags nach § 12 Abs 2 Nr SGB II und damit ein Anspruch auf Leistungen jedoch nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Voraussetzung dieses Anspruchs ist eine Pflichtversetzung eines Leistungsträgers, die zu einem rechtlichen Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen, insbesondere Leistungen, geführt haben, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zu Gute kommen sollen (Seewald in Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band I, vor §§ 38 ff. Rz 30 mwN). Die vom Kläger begehrten zusätzlichen Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr SGB II sind zweifelsohne solche sozialrechtlich vorgesehenen Begünstigungen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – kann ein Versicherter in bestimmten Fällen trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen im Wege des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen, so gestellt zu werden, als lägen die Voraussetzungen vor – hier also der frühzeitig vereinbarte Verwertungsausschluss - , wenn es sich um Gestaltungen handelt, die gesetzlich zulässig sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsverlust darauf zurückzuführen ist, dass der Versicherungsträger eine sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebende Nebenpflicht zur Auskunft, Beratung und verständnisvollen Förderung des Versicherten (§ 14 SGB I) verletzt hat, weil er sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestand, nicht oder nicht ausreichend erfüllt hat. Zu den Nebenpflichten, die die Beklagte treffen, gehört auch die "verständnisvolle Förderung" der Versicherten. Diese - letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden - Pflichten sind verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Anlass zu einer Auskunft oder Beratung ist dabei nicht erst dann gegeben, wenn der Versicherte darum nachsucht, sondern bereits dann, wenn sich in einem laufenden Verfahren klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten zeigen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sind, dass sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde. In einem solchen Fall ist der Versicherungsträger von Amts wegen verpflichtet, den Versicherten auf diese Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Verletzung solcher Betreuungspflichten führt zum Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn sich der Versicherungsträger pflichtgemäß verhalten hätte (vgl zB BSG, Urteil vom 29.09.1987, 7 R Ar 23/86 in Juris mwN; Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 44/82 in juris mwN).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die Gestaltungsmöglichkeit die der Kläger aus ihrer Sicht hätte nutzen müssen – den Verwertungsausschluss mit seiner Versicherung nach § 165 VVG zu vereinbaren – außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegt. Unabhängig hiervon sieht § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II gerade für einen solchen zivilrechtlich vereinbarten Verwertungsausschluss eine Privilegierung von Altersvorsorgevermögen vor und § 165 Abs 3 VVG, der die Vereinbarung eines solchen Verwertungsausschluss erst ermöglicht hat, wurde durch Art 35c des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführt, um den Anwendungsbereich des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II zu eröffnen (vgl Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 12 Rz 48). Bei einer solchen Fallgestaltung, bei der zivilrechtliche Normen und darauf beruhende Vereinbarungen ausschließlich den Zweck erfüllen, sozialrechtliche Ansprüche zu ermöglichen, besteht nach Auffassung des Gerichts eine so große Sachnähe zwischen den zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und den sozialrechtlichen Ansprüchen, dass sich entsprechende Beratungspflichten des Sozialleistungsträgers auch auf diese Gestaltungsmöglichkeiten beziehen.

Unabhängig hiervon sieht der Wortlaut des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II nur einen Verwertungsausschluss aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung vor. Ein solcher Ausschluss hätte unter Umständen auch durch Abtretung der Versicherung an die Beklagte erreicht werden können. Zudem hätte die Beklagte – wenn sie den Kläger bei Antragstellung zutreffend beraten hätte – die Leistungsbewilligung auch unter der Bedingung (iSd § 32 SGB X) aussprechen können, dass der Kläger innerhalb einer bestimmten Frist einen Verwertungsausschluss mit seinem Versicherungsträger vereinbart und dies gegenüber der Beklagten nachweist.

Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt weder in den Antragsformularen noch mit dem ablehnenden Bescheid vom 31. Mai 2005 und auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2005 auf die Vorschrift des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II hingewiesen. Ein solcher Hinweis wäre ihr ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand möglich gewesen. Dies zumal deshalb, da der Kläger mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Mai 2005 darauf hingewiesen hat, dass die Versicherung der Altersvorsorge dienen soll. Aus welchem Grund die Beklagte dann in dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2005 zahlreiche Vorschriften nennt, die zu einer Privilegierung von Vermögen führen und hier offensichtlich nicht einschlägig sind, jedoch den § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II mit keinem Wort erwähnt, erschließt sich dem Gericht nicht.

Der Kläger hat auf die gerichtliche Anfrage vom 05. August 2005, abgesandt am 09. August 2005 innerhalb einer Frist von unter drei Wochen reagiert und den Verwertungsausschluss mit seiner Versicherung vereinbart. Zutreffend weist er im Klageverfahren darauf hin, dass er bei einem entsprechenden Hinweis durch die Beklagte ebenfalls unverzüglich einen solchen Verwertungsausschluss hätte vereinbaren können. Soweit ihm bei Antragstellung am 11. Mai 2005 ein entsprechender Hinweis – schon im Antragsformular oder gegebenenfalls mit einem ausgehändigten Merkblatt - erteilt worden wäre, wäre es ihm möglich gewesen noch vor Ablauf des Arbeitslosengeldbezuges am 22. Mai 2005 und damit vor Einsetzen der möglichen Leistungen nach dem SGB II einen entsprechenden Verwertungsausschluss mit seiner Versicherung zu vereinbaren.

Hieran ändert auch nichts, dass der Kläger wohl von seiner Versicherung einen entsprechenden Hinweis erhalten hat. Insoweit waren die Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.06.2006 jedoch so gravierend, dass nicht klar war, ob der Kläger tatsächlich einen entsprechenden Hinweis durch seine Versicherung erhalten hat. Selbst wenn ein solcher Hinweis erteilt worden sein sollte, bedeutet dies nicht, dass die Beklagte nicht ebenfalls verpflichtet ist auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen und gerade bei Lebensversicherungen, die bei Menschen im rentennahen Alter voraussichtlich der Altersvorsorge dienen sollen, entsprechende Hinweise zu erteilen. Ein solcher Hinweis könnte bereits auf dem Antragsvordruck enthalten sein.

Als Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist grundsätzlich der Zustand herbeizuführen, der bei ordnungsgemäßer Beratung bestanden hätte. Ein Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bei richtiger Beratung eingetreten wäre, kann jedoch nur dann entstehen, wenn erstens der Berechtigte sich diesem Rat entsprechend verhalten hätte und zweitens die Wiederherstellung im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses möglich ist und nicht die Korrektur von außerhalb des Verwaltungsverfahrens eingetretenen Tatsachen erfordert. In solchen Fällen kommen nur Schadensersatzansprüche in Betracht, die vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen sind (BSG Beschluss vom 5.03.1989, 11 RAr 1/89 in juris).

Dass sich der Kläger bei ausreichender Beratung durch die Beklagte entsprechend verhalten und einen Verwertungsausschluss mit der Versicherung vereinbart hätte, hat er durch sein Verhalten im gerichtlichen Verfahren dokumentiert, indem er binnen einer Frist von unter drei Wochen nach Zugang des gerichtlichen Hinweis zu § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II einen Verwertungsausschluss mit seiner Versicherung vereinbart hat.

Auch ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts die Herstellung im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses möglich. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Vereinbarung nach § 165 Abs 3 VVG grundsätzlich außerhalb des Sozialrechtsverhältnis liegt. § 165 Abs 3 VVG hat jedoch – wie oben bereits ausgeführt – allein den Sinn, den Anwendungsbereich des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II zu eröffnen und damit eine unmittelbare Sachnähe zum Sozialrechtsverhältnis. Darüber hinaus wirkt die zum 29. August 2006 geschlossene Vereinbarung zumindest faktisch zurück. Der Kläger kann auch im Nachhinein für die hier streitige Zeit vom 23. Mai 2005 bis zum 31. Juli 2005 (ab dem 01. August 2006 erfolgte eine kurzzeitige Arbeitsaufnahme) die Versicherung aufgrund der Vereinbarung nach § 165 Abs 3 VVG nicht mehr verwerten.

Zudem hätte der Kläger die Versicherung auch an die Beklagte abtreten können, um die Rechtsfolgen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II herbeizuführen. Eine solche Abtretung läge ebenso wie die bereits oben angesprochene Bedingung innerhalb des Sozialrechtsverhältnis, so dass auch die begehrte Rechtsfolge – die Anerkennung des zusätzlichen Freibetrags iHv 21.200,- EUR nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II innerhalb des Sozialrechtsverhältnis liegt.

Mit dem weiteren Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II liegen die Beträge, die dem Kläger bei Antragstellung zur Verfügung standen, unter dem Gesamtfreibetrag in Höhe von 43900,- EUR, so dass Bedürftigkeit vorlag. Das im März 2005 noch bezogene Arbeitslosengeld lag unter dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, so dass auch kein Anspruchsausschluss für März wegen zu berücksichtigendem Einkommen besteht.

Das Gericht hat die Berufung vorsorglich wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, wobei die Berufungssumme auch ohne Berufungszulassung erreicht sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved