Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1129/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2438/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6.5.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK).
Der am geborene Kläger war von 1965 bis 1968 als Metallarbeiter tätig und von 1969 bis 1999 - unterbrochen durch den Besuch einer Landwirtschaftsschule - bei der Gemeindeverwaltung H. als Waldarbeiter. Seit dem Jahr 2000 ist er dort im Bauhof der Gemeinde mit gärtnerischen Aufgaben betraut.
Mit Schreiben vom 11.10.2000 wies der Kläger die Beklagte auf das bei ihm bestehende chronische Lumbalsyndrom hin und bat um Überprüfung, ob es sich hierbei um eine BK handle. Aufgrund der Angaben des Klägers kam der Präventionsdienst der Beklagten im Bericht vom 12.06.2001 zu der Einschätzung, beim Kläger ergebe sich ein Wert des Gesamtbelastungsgrades, der die 100 %-Grenze erreiche bzw. überschreite.
Die Beklagte holte Befundberichte bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. (erste Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden 1981) und bei dem Orthopäden Dr. R. (erste Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden 1992 - CT der unteren LWS: kleinerer links- paramedianer Diskusprolaps bei L4/L5 -) ein.
Am 10.12.2001 erstattete Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Querschnittsgelähmte, Orthopädie und Rehabilitationsmedizin an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er war der Auffassung, eine BK Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) liege nicht vor. Beim Kläger liege ein paramedianer Diskusprolaps L4/5 bei Spondylose und Spondylarthrose L4/5 vor, außerdem bestünden im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und der Halswirbelsäule ebenfalls erhebliche degenerative Veränderungen mit ventraler Spangenbildung und Verminderung der Bandscheibenräume. Diese anlagebedingten Veränderungen seien die rechtlich wesentliche Ursache der Bandscheibenerkrankung. Es handle sich hier um anlagebedingte Veränderungen.
Mit Bescheid vom 13.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 5.4.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV sowie die Gewährung von Leistungen ab.
Dagegen hat der Kläger am 25.4.2002 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und sich zur Begründung auch auf seinen behandelnden Unfallchirurgen Dr. B. berufen, der die schwere Osteochondrose bei L4/L5 mit Bandscheibenvorfall als eine BK nach Nr. 2108 ansehe.
Das Sozialgericht hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört, der darauf hingewiesen hat, dass die monosegmentale, schwere Osteochondrose L4/5 mit Bandscheibenvorfall in diesem Bereich bei leichter Osteochondrose an der übrigen Wirbelsäule für das Vorliegen einer BK 2108 der Anlage zur BKV spreche.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H., mit ergänzender Stellungnahme auf vom Kläger vorgelegte Einwände des Dr. B. eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege im Bereich der Lendenwirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung (Degeneration L4/L5) vor, die zur Zeit jedoch keine wesentlichen Funktionseinschränkungen bedinge. Allerdings lägen keine, wie für eine Berufserkrankung typisch, von cranial nach kaudal zunehmenden regressiven Veränderungen der Bandscheibenstrukturen vor und auch kein typisches Verteilungsmuster degenerativer Aufbrauchserscheinungen im Bereich der Facettengelenke. Das am meisten belastete präsakrale Wirbelsäulensegment sei unauffällig. Zudem seien die degenerativen Veränderungen im unteren Brustwirbelbereich sowie im unteren Halswirbelsäulenbereich deutlicher ausgeprägt als diejenigen im Bereich der unteren Wirbelsäule. Eine berufsbedingte Erkrankung sei damit äußerst unwahrscheinlich. Es handle sich eher um eine schicksalhafte globale Störung der gesamten Wirbelsäule.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Priv.-Doz. Dr. E., Oberarzt an der chirurgischen Universitätsklinik U., am 19.8.2003 ein Gutachten erstattet und eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS für die Segmente L3/4, L4/5 und L5/S1 diagnostiziert, jedoch das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV verneint und darauf hingewiesen, dass beim Kläger ein erhebliches degeneratives Veränderungsmuster im Bereich der Brustwirbelsäule vorliege, das anlagebedingt sei. Das degenerative Veränderungsmuster in der HWS übersteige das Ausmaß gegenüber belasteten wie auch unbelasteten Gleichaltrigen nicht. Bei einem multifokalen anlagebedingten Veränderungsmuster im Bereich der gesamten Wirbelsäule könne das Vorliegen einer BK nicht bejaht werden.
Mit Urteil vom 6.5.2004 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, beim Kläger liege zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, jedoch sei ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Bandscheibenerkrankung des Klägers nicht gegeben. Dies folge aus den übereinstimmenden Ausführungen der medizinischen Gutachter Prof. Dr. W., Prof. Dr. Dr. H. und Priv.-Doz. Dr. E ... Den Ausführungen von Dr. B. könne nicht gefolgt werden, zumal inzwischen die von ihm geforderte kernspintomographische Untersuchung der Wirbelsäule durch Priv.-Doz. Dr. E. vorgenommen worden sei und auch zu keiner anderen Beurteilung geführt habe.
Gegen das am 17.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.06.2004 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht die Mitreaktion der Halswirbelsäule könne nicht als Grund für die Ablehnung einer BK gelten. Er berufe sich hierzu auf eine Veröffentlichung von Prof. Dr. K. Er regt an, eine weitere Sachaufklärung zu der Frage durchzuführen, ob die Berufsbelastung nicht zumindest gleichwertige Bedingung für die Verschlimmerung der Wirbelsäulenerkrankung gewesen sei.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6.5.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.4.2002 aufzuheben und festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, hilfsweise, ein chirurgisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV liegen nicht vor.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des schriftlich gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O.).
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, warum im vorliegenden Fall die Anerkennung als Berufskrankheit nicht erfolgen kann. Der Senat schließt sich dem unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren nach eigener Überprüfung an und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils insoweit von einer weiteren Darstellung weitgehend ab. Ergänzend ist zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren auszuführen, dass sowohl Prof. Dr. Dr. H. als auch Priv.-Doz. Dr. E. vom Sozialgericht ausdrücklich im Gutachtensauftrag gefragt worden sind, ob eine etwa vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch schädigende Einwirkungen der Erwerbstätigkeit wesentlich verschlimmert worden ist. Beide haben eine wesentliche Verschlimmerung verneint.
Soweit sich der Kläger auf die Ausführungen von Prof. Dr. K. et al. in der Zeitschrift Unfallchirurg 2003, S. 306 ff. zum Thema "Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule als Kausalitätskriterium in der Begutachtung bandscheibenbedingter Erkrankungen gemäß BeKV 2108" beruft, ist darauf hinzuweisen, dass Priv. Doz. Dr. E. gerade diese Arbeit seinem Gutachten und damit seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat.
Die Einholung eines weiteren chirurgischen Gutachtens hält der Senat nicht für erforderlich, da bereits die Gerichtsgutachter Prof. Dr. Dr. H. und Priv. Doz. Dr. E. für den Senat überzeugend dargelegt haben, dass beim Kläger keine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt. Der diesbezügliche Beweisantrag des Klägers wird abgelehnt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gibt es keinen Erfahrungssatz, wonach bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen eine BK 2108 schon dann zu bejahen ist, wenn die Veränderungen an der LWS den alterstypischen Veränderungen vorauseilen. Hinweise dafür, dass die berufliche Belastung des Klägers zumindest gleichwertige Bedingung für die Bandscheibenerkrankung der LWS ist, ist den Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Priv. Doz. Dr. E. nicht zu entnehmen. Die Überlegung des Klägers weist lediglich auf eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs hin. Er übersieht aber, dass die Gutachter ihre Beurteilung auf den Zustand der Wirbelsäule insgesamt stützen, der ein degeneratives Geschehen belegt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK).
Der am geborene Kläger war von 1965 bis 1968 als Metallarbeiter tätig und von 1969 bis 1999 - unterbrochen durch den Besuch einer Landwirtschaftsschule - bei der Gemeindeverwaltung H. als Waldarbeiter. Seit dem Jahr 2000 ist er dort im Bauhof der Gemeinde mit gärtnerischen Aufgaben betraut.
Mit Schreiben vom 11.10.2000 wies der Kläger die Beklagte auf das bei ihm bestehende chronische Lumbalsyndrom hin und bat um Überprüfung, ob es sich hierbei um eine BK handle. Aufgrund der Angaben des Klägers kam der Präventionsdienst der Beklagten im Bericht vom 12.06.2001 zu der Einschätzung, beim Kläger ergebe sich ein Wert des Gesamtbelastungsgrades, der die 100 %-Grenze erreiche bzw. überschreite.
Die Beklagte holte Befundberichte bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. (erste Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden 1981) und bei dem Orthopäden Dr. R. (erste Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden 1992 - CT der unteren LWS: kleinerer links- paramedianer Diskusprolaps bei L4/L5 -) ein.
Am 10.12.2001 erstattete Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Querschnittsgelähmte, Orthopädie und Rehabilitationsmedizin an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er war der Auffassung, eine BK Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) liege nicht vor. Beim Kläger liege ein paramedianer Diskusprolaps L4/5 bei Spondylose und Spondylarthrose L4/5 vor, außerdem bestünden im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und der Halswirbelsäule ebenfalls erhebliche degenerative Veränderungen mit ventraler Spangenbildung und Verminderung der Bandscheibenräume. Diese anlagebedingten Veränderungen seien die rechtlich wesentliche Ursache der Bandscheibenerkrankung. Es handle sich hier um anlagebedingte Veränderungen.
Mit Bescheid vom 13.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 5.4.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV sowie die Gewährung von Leistungen ab.
Dagegen hat der Kläger am 25.4.2002 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und sich zur Begründung auch auf seinen behandelnden Unfallchirurgen Dr. B. berufen, der die schwere Osteochondrose bei L4/L5 mit Bandscheibenvorfall als eine BK nach Nr. 2108 ansehe.
Das Sozialgericht hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört, der darauf hingewiesen hat, dass die monosegmentale, schwere Osteochondrose L4/5 mit Bandscheibenvorfall in diesem Bereich bei leichter Osteochondrose an der übrigen Wirbelsäule für das Vorliegen einer BK 2108 der Anlage zur BKV spreche.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H., mit ergänzender Stellungnahme auf vom Kläger vorgelegte Einwände des Dr. B. eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege im Bereich der Lendenwirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung (Degeneration L4/L5) vor, die zur Zeit jedoch keine wesentlichen Funktionseinschränkungen bedinge. Allerdings lägen keine, wie für eine Berufserkrankung typisch, von cranial nach kaudal zunehmenden regressiven Veränderungen der Bandscheibenstrukturen vor und auch kein typisches Verteilungsmuster degenerativer Aufbrauchserscheinungen im Bereich der Facettengelenke. Das am meisten belastete präsakrale Wirbelsäulensegment sei unauffällig. Zudem seien die degenerativen Veränderungen im unteren Brustwirbelbereich sowie im unteren Halswirbelsäulenbereich deutlicher ausgeprägt als diejenigen im Bereich der unteren Wirbelsäule. Eine berufsbedingte Erkrankung sei damit äußerst unwahrscheinlich. Es handle sich eher um eine schicksalhafte globale Störung der gesamten Wirbelsäule.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Priv.-Doz. Dr. E., Oberarzt an der chirurgischen Universitätsklinik U., am 19.8.2003 ein Gutachten erstattet und eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS für die Segmente L3/4, L4/5 und L5/S1 diagnostiziert, jedoch das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV verneint und darauf hingewiesen, dass beim Kläger ein erhebliches degeneratives Veränderungsmuster im Bereich der Brustwirbelsäule vorliege, das anlagebedingt sei. Das degenerative Veränderungsmuster in der HWS übersteige das Ausmaß gegenüber belasteten wie auch unbelasteten Gleichaltrigen nicht. Bei einem multifokalen anlagebedingten Veränderungsmuster im Bereich der gesamten Wirbelsäule könne das Vorliegen einer BK nicht bejaht werden.
Mit Urteil vom 6.5.2004 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, beim Kläger liege zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor, jedoch sei ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Bandscheibenerkrankung des Klägers nicht gegeben. Dies folge aus den übereinstimmenden Ausführungen der medizinischen Gutachter Prof. Dr. W., Prof. Dr. Dr. H. und Priv.-Doz. Dr. E ... Den Ausführungen von Dr. B. könne nicht gefolgt werden, zumal inzwischen die von ihm geforderte kernspintomographische Untersuchung der Wirbelsäule durch Priv.-Doz. Dr. E. vorgenommen worden sei und auch zu keiner anderen Beurteilung geführt habe.
Gegen das am 17.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.06.2004 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht die Mitreaktion der Halswirbelsäule könne nicht als Grund für die Ablehnung einer BK gelten. Er berufe sich hierzu auf eine Veröffentlichung von Prof. Dr. K. Er regt an, eine weitere Sachaufklärung zu der Frage durchzuführen, ob die Berufsbelastung nicht zumindest gleichwertige Bedingung für die Verschlimmerung der Wirbelsäulenerkrankung gewesen sei.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6.5.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.4.2002 aufzuheben und festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt, hilfsweise, ein chirurgisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV liegen nicht vor.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des schriftlich gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O.).
Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, warum im vorliegenden Fall die Anerkennung als Berufskrankheit nicht erfolgen kann. Der Senat schließt sich dem unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren nach eigener Überprüfung an und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils insoweit von einer weiteren Darstellung weitgehend ab. Ergänzend ist zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren auszuführen, dass sowohl Prof. Dr. Dr. H. als auch Priv.-Doz. Dr. E. vom Sozialgericht ausdrücklich im Gutachtensauftrag gefragt worden sind, ob eine etwa vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch schädigende Einwirkungen der Erwerbstätigkeit wesentlich verschlimmert worden ist. Beide haben eine wesentliche Verschlimmerung verneint.
Soweit sich der Kläger auf die Ausführungen von Prof. Dr. K. et al. in der Zeitschrift Unfallchirurg 2003, S. 306 ff. zum Thema "Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule als Kausalitätskriterium in der Begutachtung bandscheibenbedingter Erkrankungen gemäß BeKV 2108" beruft, ist darauf hinzuweisen, dass Priv. Doz. Dr. E. gerade diese Arbeit seinem Gutachten und damit seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat.
Die Einholung eines weiteren chirurgischen Gutachtens hält der Senat nicht für erforderlich, da bereits die Gerichtsgutachter Prof. Dr. Dr. H. und Priv. Doz. Dr. E. für den Senat überzeugend dargelegt haben, dass beim Kläger keine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt. Der diesbezügliche Beweisantrag des Klägers wird abgelehnt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gibt es keinen Erfahrungssatz, wonach bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen eine BK 2108 schon dann zu bejahen ist, wenn die Veränderungen an der LWS den alterstypischen Veränderungen vorauseilen. Hinweise dafür, dass die berufliche Belastung des Klägers zumindest gleichwertige Bedingung für die Bandscheibenerkrankung der LWS ist, ist den Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Priv. Doz. Dr. E. nicht zu entnehmen. Die Überlegung des Klägers weist lediglich auf eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs hin. Er übersieht aber, dass die Gutachter ihre Beurteilung auf den Zustand der Wirbelsäule insgesamt stützen, der ein degeneratives Geschehen belegt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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