L 3 U 275/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 222/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 275/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.04.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die vom Kläger geltend gemachte Wesensveränderung als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 26.08.1991 anzuerkennen ist.

Der 1951 geborene Kläger arbeitete zum Zeitpunkt seines Unfalles am 26.08.1991 als Gewerkschaftssekretär. Die Beklagte erkannte den Unfall mit Bescheid vom 08.02.1994 als Arbeitsunfall mit den Folgen: "Schwindelgefühl nach schneller Kopfdrehung, belastungsabhängige Kopfschmerzen, anteilige Schallleitungs-Schwerhörigkeit rechts in Verbindung mit Ohrgeräuschen links nach Schädelbruch rechts und epiduralem Hämatom (Bluterguss zwischen harter Hirnhaut und Schädeldach) rechts" an und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 20 v.H.

Am 29.11.2000 machte der Kläger telefonisch eine Wesensveränderung als weitere Unfallfolge geltend.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die medizinischen Unterlagen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr.K. vom 02.08.2001 ein und lehnte die Anerkennung einer weiteren Unfallfolge mit Bescheid vom 21.03.2001 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2002 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2002 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2001 zu verurteilen, eine Wesensveränderung als weitere Unfallfolge anzuerkennen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mehr als 20 % zu bewerten. Das SG hat Befundberichte von Dr.S. L. sowie Dr.S. eingeholt und Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Psychiaters Dr.V. vom 30.01.2003 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eines weiteren Gutachtens des Nervenarztes Dr.S. vom 11.08.2003. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 06.04.2004 ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 26.08.1991 und der Wesensveränderung des Klägers sei nicht nachgewiesen. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Sachverständigengutachten des Dr.V. und des Dr.S ... Es gebe keine fassbaren Hinweise dafür, dass bereits nach dem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma eine psychiatrische Symptomatik auftrat. Vielmehr trat die chronisch-rezidivierende depressive Entwicklung sowie die Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren, schizoiden und depedenten Zügen erst später im Zusammenhang mit der familiären Konfliktsituation auf.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Störung der Impulskontrolle sei nur wenige Monate nach dem Unfall eingetreten und ein Indiz für die Unfallkausalität. Außerdem habe er bereits unmittelbar bzw. wenige Monate nach dem Unfall erhebliche Merk-, Konzentrations- bzw. Gedächtnisdefizite gehabt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.04.2004 sowie den Bescheid vom 21.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Wesensänderung des Klägers als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 26.08.1991 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen zwei Bände der Beklagtenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Entgegen seiner Rechtsauffassung hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der Wesensänderung als weitere Unfallfolge.

Neben den im bestandskräftigen Bescheid vom 08.02.1994 anerkannten Unfallfolgen können weitere Unfallfolgen mit der Konsequenz einer höheren MdE nur im Rahmen von § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) anerkannt werden. Dies setzt voraus, dass im Einzelfall bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwies und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Davon kann zur Überzeugung des Senats nicht ausgegangen werden. Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Wesensänderung des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles vom 26.08.1991 nicht vorliegen. Diese Wesensänderung ist keine wesentlich durch den Unfall verursachte Gesundheitsstörung, sondern sie beruht auf unfallunabhängigen Umständen. Die chronisch-rezidivierende depressive Entwicklung wie auch die Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren, schizoiden und depedenten Zügen lässt sich nicht kausal auf den Unfall zurückführen, da es keine fassbaren Hinweise dafür gibt, dass sich bereits nach dem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma eine psychiatrische Symptomatik entwickelte. Vielmehr entstand diese erst später im Jahre 1992 im Zusammenhang mit familiären Konfliktsituationen. So ist einem Befundbericht von Dr.N. vom 11.09.1991 zu entnehmen, dass der psychiatrische Status unauffällig war. Dies gilt auch für die Untersuchung im März 1992. Bei einer stationären psychotherapeutischen Behandlung im Jahre 1994 wurde hinsichtlich der depressiven Reaktion auf die schwierige Familiensituation und auf die Reaktivierung neurotischer Grundkonflikte hingewiesen. Im Wesentlichen sind die psychischen Erkrankungen des Klägers auf die durchgemachte Ehekrise und den damit inhaltlich zusammenhängenden Arbeitsplatzverlust zurückzuführen. Insoweit folgt der Senat den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr.V. , der einen Kausalzusammenhang zwischen der feststellbaren depressiven Symptomatik und dem unfallbedingten Schädel-Hirn-Trauma auch aufgrund der testpsychologischen Ergebnisse ausschließt. Der vom Kläger vorgeschlagene Sachverständige Dr.S. bestätigt dieses Ergebnis und weist darauf hin, dass sich eine hirnorganische Schädigung als Ursache der Wesensänderung nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit belegen lasse. Insbesondere gebe es keine eindeutigen neurologischen oder psychiatrischen Brückensymptome, die einen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen mittelbar oder unmittelbar ausreichend wahrscheinlich machen würden. Der Senat hält diese beiden Gutachten für schlüssig und nachvollziehbar, zumal beim Kläger auch eine genetische Disposition für eine psychische Erkrankung naheliegend ist. Aus der Anamnese ergibt sich, dass die Großmutter väterlicherseits nach dem Zweiten Weltkrieg Selbstmord verübte.

Im Ergebnis ist die psychische Wesensveränderung des Klägers also nicht auf das von der Beklagten als Wegeunfall anerkannte Unfallereignis am 26.08.1991 zurückzuführen. Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 44 SGB X sind nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund im Sinne von § 160 Abs.2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved