L 5 B 564/06 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 4140/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 564/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29.05.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 480,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob das Begehren der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheids vom Sozialgericht zu Recht abgelehnt worden ist.

Mitarbeitern der Antragstellerin wurden bei Abschluss eines eigenen Bausparvertrags von der Bausparkasse S. die Abschlussgebühr in Höhe von 1 % der Bausparsumme erlassen, was zu 0,8 % zu Lasten der Antragstellerin ging. Die Antragsgegnerin forderte deswegen mit Bescheid vom 11.07.2002/Widerspruchs- bescheid vom 11.02.2003 für den Zeitraum vom 01.12.1997 bis 31.12.2000 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.450,84 Euro nach. Begründet wurde dies damit, der geldwerte Vorteil der Arbeitnehmer sei Arbeitsentgelt im Sinn des § 14 SGB IV. Klage dagegen ist seit 14.03.2003 anhängig.

Am 09.05.2006 hat die Antragstellerin angesichts der langen Verfahrensdauer die Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide und im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes die Rückerstattung der bereits im August 2002 bezahlten Beiträge beantragt.

Das Sozialgericht Würzburg hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 29.05.2006 als unbegründet abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 14 SGB IV und der Mitwirkung der Antragstellerin als Arbeitgeberin bei dem Erlass der Abschlussgebühr nicht. Auch sei keine besondere Härte erkennbar, die der Antragstellerin als solventer Bank über den Vollzug hinaus entstehe. Gegen den am 01.06.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 30.06.2006 Beschwerde eingelegt und auf die fehlende Würdigung der Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 16.12.2004 in einer Parallelsache hingewiesen. Danach könne der Erlass einer Abschlussgebühr nur dann Arbeitsentgelt sein, wenn sie sich als sogenannte unechte Lohnzahlung eines Dritten darstelle, was vorliegend sicherlich nicht der Fall sei. Dass die Antragstellerin und die Bausparkasse Mitglied im genossenschaftlichen Finanzverbund seien, sei vom Sozialgericht zu Unrecht als relevant erachtet worden. Selbst wenn die Bescheide rechtmäßig wären, wären sie bereits deshalb aufzuheben, weil eine Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren in einer Gerichtsinstanz nach einem Beschluss des 4. Senats des Bundessozialgerichts ein Akt der Verweigerung des effektiven Rechtsschutzes darstelle. Nur im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes könne die Belastungswirkung zumindest teilweise beseitigt werden. Hierauf sei das Sozialgericht nicht eingegangen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 30.05.2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 und die Aufhebung der Vollziehung der Bescheide anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat sich bislang nicht geäußert.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29.05.2006 ist nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheides vom 11.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003.

Gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1, Abs.3 SGG in der Fassung des 6.SGG-Änderungsgesetzes kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 86a Abs.3 SGG durch Beschluss die Aussetzung der Vollziehung anordnen. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG regelt in diesem Zusammenhang, dass die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Aufgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt. Über die Aussetzung der Vollziehung entscheidet das zuständige Gericht nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung. In die Abwägung wird einbezogen, ob und wieweit durch die Vollziehung irreparable Folgen entstehen. Noch größeres Gewicht kommt hingegegen den Erfolgsaussichten der Klage zu (ebenso Keller in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8.Aufl., § 86b Rz.12c). In den Fällen des § 86a Abs.2 SGG hat der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst einmal angeordnet. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Dies kann vorliegend nicht erkannt werden. Richtig ist, dass selbstverständlich auch vermögenden Prozessparteien wie der Antragstellerin ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zusteht. Und ebenso klar ist, dass eine Verfahrensdauer wie im anhängigen Hauptsacheverfahren von über drei Jahren unerträglich ist, leider aber auch durch dieses Eilverfahren verlängert wird. Die lange Verfahrensdauer belastet aber nicht nur die Antragstellerin, sondern auch die Antragsgegnerin, die im Unterliegensfall Zinsforderungen ausgesetzt ist, ohne diese gegenfinanzieren zu können. Beiträge der umlagefinanzierten Sozialversicherung sind kein Anlagekapital. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Versichertengemeinschaft dafür einstehen sollte, dass kein effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht. In dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Beschluss des 4. Senats des Bundessozialgerichts wird lediglich gefolgert, dass mit dem Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze regelmäßig ein Revisionsgrund gegeben ist. Welche Rechtsfolgen sich darüber hinaus für das justizgewährende Land ergeben, wird offen gelassen. Keinesfalls wird darin eine Verlagerung der gesetzlich vorgegebenen Interessenschwerpunkte zwischen den Beteiligten postuliert, wie sie in § 86a Abs.2 SGG vorgesehen ist. Der Senat hat nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide. Abgesehen davon, dass der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Arbeitsentgelts mit dem steuerrechtlichen nicht identisch ist, sie einander lediglich weitgehend angeglichen sind, hat das Finanzgericht Köln in seiner Entscheidung vom 16.12.2004 ausdrücklich offen gelassen, ob der für die Arbeitnehmer unstreitig vorliegende Vorteil Arbeitslohn ist. Im Übrigen wird von einer weiteren der Gründe Darstellung angesichts der zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Würzburg Abstand genommen (§ 142 Abs.2 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1, 2 VwGO; danach trägt die Antragstellerin die Kosten.

Die Streitwertfeststellung folgt der des Sozialgerichts (§§ 52 Abs.3, 47 Abs.2 GVG).
Rechtskraft
Aus
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