L 11 B 679/06 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 108/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 679/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 23.08.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Antragsgegner (Ag) ein Darlehen zur Begleichung einer Heizölrechnung und Hilfe zum Lebensunterhalt zu erbringen hat.

Dem Antragsteller (ASt) wurden keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch den Ag bewilligt (bestandskräftiger Bescheid vom 29.03.2006). Hilfebedürftigkeit liege nicht vor.

Mit Schreiben vom 17.02.2005, 01.03.2006 und 28.06.2006 beantragte der ASt bei dem Ag die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung einer Heizölrechnung sowie "Leistungen der Sozialhilfe" und "finanzielle Hilfe in besonderer Lebenslage". Diese Anträge lehnte der Ag mit Bescheid vom 24.07.2006 ab. Der ASt und seine Ehefrau seien erwerbsfähig und gehörten damit zum Personenkreis der Leistungsberechtigten i.S. des § 7 SGB II. Damit seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgeschlossen (§ 5 Abs 2 Satz 1 SGB II). Auch Leistungen gemäß § 34 SGB XII seien bezüglich der Heizölrechnung nicht zu erbringen, denn es sei weder nachgewiesen, dass diese Rechnung nicht bezahlt worden sei noch habe sich aus der Nichtbezahlung eine Notlage ergeben. Gegen diesen Bescheid legte der ASt Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist.

Am 11.08.2006 hat der ASt beim Sozialgericht Bayreuth (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Einen konkreten Antrag hat er nicht gestellt. Mit Beschluss vom 23.08.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsanspruch, denn der ASt habe den Nachweis der Bedürftigkeit nicht erbracht, zumal bereits Leistungen nach dem SGB II wegen eigenen Einkommens des ASt abgelehnt worden seien. Auch eine Eilbedürftigkeit sei nicht zu erkennen.

Hiergegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Ihm sei kein rechtliches Gehör vor dem SG Bayreuth gewährt worden und er sei im Stich gelassen worden. Er beantragt die Feststellung, dass der Ag zuständiger Leistungsträger für ihn sei, dass seine Bitte um Überwindung sozialer Schwierigkeiten legitim und berechtigt sei, dass das SG Bayreuth gegen verfassungsrechtliche Grundlagen verstoßen habe, dass die Angelegenheit des "Im-Stich-Lassens" und die Sachlage zum Amtsmissbrauch an dafür zuständige Behörden weitergeleitet werde und dass der Beschluss des SG Amtsmissbrauch durch Vorteilsgewährung sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung -ZPO-; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).

Hinsichtlich der vom ASt konkret gestellten Anträge auf Feststellung fehlt es sowohl am Vorliegen eines Anordnungsgrundes als auch eines Anordnungsanspruches. Für den Senat ist die Eilbedürftigkeit der begehrten Feststellungen nicht zu erkennen. Eine Weiterleitung der Angelegenheit des "Im-Stich-Lassens" durch den Senat erfolgt nicht. Diesbezüglich muss sich der ASt an die von ihm für zuständig gehaltenen Behörden wenden.

Sollte der ASt sinngemäß die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und dabei auch die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen bezüglich der Heizölrechnung gemäß § 34 SGB XII begehren, so fehlt es diesbezüglich ebenfalls sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch.

Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ist dem ASt, der - was zwischen dem Ag und der ARGE unstreitig ist - erwerbsfähig ist, nicht zu bewilligen. Zuständig für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist damit gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II allein die ARGE. Diese hat aber bereits bestandskräftig über die vom ASt erhobenen Ansprüche entschieden. Allein für evtl. vorhandene Schulden käme eine Zuständigkeit des Ag gemäß § 34 Abs 1 SGB XII i.V.m. § 5 Abs 2 Satz 2 SGB II in Betracht. Die Übernahme solcher Schulden hat der Ag jedoch mit dem angegriffenen Bescheid vom 24.07.2006 deswegen abgelehnt, weil der ASt weder die Schulden selbst noch die sich daraus ergebende Notlage nachgewiesen habe. Dies hat er auch bisher nicht getan, so dass die Voraussetzungen für eine Übernahme der Schulden, die im Ermessen des Ag steht, nicht vorliegen. Es fehlt somit an einem Anordnungsanspruch wie auch an einem Anordnungsgrund.

Hinsichtlich der vom ASt begehrten Feststellung, sein Verlangen nach Hilfe zur Überwindung besonderer Schwierigkeiten sei legitim und berechtigt, fehlt es - auch wenn dieses Feststellungsbegehren als Leistungsbegehren angesehen wird - an der Darlegung der hierfür erforderlichen besonderen Lebensverhältnisse (vgl. Schoenfeld in Grube/Warendorf, SGB XII, § 67 Rdnr 5; Roscher in LPK - SGB XII, § 67 Rdnr 4 ff). Für ein Vorliegen solcher besonderer Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Der ASt hat Wohnraum zur Verfügung und hat Anschluss an das übliche Sozialleistungssystem, wobei Leistungen nach dem SGB II wegen vorhandenen Einkommens versagt worden sind. Besondere Lebensverhältnisse i.S. des § 67 SGB XII sind daher nicht zu erkennen. Auch diesbezüglich fehlt es somit an einem Anordnungsanspruch.

Rechtliches Gehör ist dem ASt im gesamten Verfahren und insbesondere vom SG nicht versagt worden. Seine Schriftsätze sind berücksichtigt worden und das SG hat seine Ausführungen im Rahmen des Beschlusses vom 23.08.2006 im erforderlichen Umfang berücksichtigt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich (§ 124 Abs 3 SGG).

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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