L 11 B 739/06 SO PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 SO 277/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 739/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin U. S. , F. , beigeordnet.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Leistungen nach dem Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) anwendbar ist.

Die Klägerin erhielt vom 01.08.2004 bis 31.12.2004 laufende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Am 15.04.2005 beantragte sie die Überprüfung der diesbezüglichen Bewilligungsbescheide, denn das bezogene Kindergeld sei zu Unrecht bei ihr als Einkommen berücksichtigt worden. Diesen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 ab. § 44 SGB X sei auf das Grundsicherungsgesetz nicht anwendbar.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und am 18.01.2006 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Das SG hat die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 02.06.2006 abgewiesen.

Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat es mit Beschluss vom 24.05.2006 abgelehnt. § 44 SGB X sei für Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz nicht anwendbar. Art 48 Abs 1 Satz 1 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) führe zu keiner anderen Entscheidung. Die Beklagte habe nämlich unter Berücksichtigung ihrer weiteren Bescheide zu erkennen gegeben, dass sie ein entsprechendes Ermessen bezüglich einer Aufhebung der Bewilligung für die Zeit vom 01.08.2004 bis 31.12.2004 ausgeübt habe.

Gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Rahmen der Entscheidung über die Bewilligung von PKH sei allein auf die Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Hinreichende Erfolgsaussicht habe zu diesem Zeitpunkt bestanden, insbesondere nachdem das SG erst nach intensiver Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Rechtsfrage die Erfolgsaussicht verneint habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte, wie vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs 2 ZPO).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin bot und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Für die Annahme einer solchen genügt bereits eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; der Erfolg braucht nicht mit Sicherheit festzustehen (Keller/ Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage, § 73a Rdnr 7 ff). Das Wort "hinreichend" kennzeichnet dabei, dass das Gericht sich mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen darf und muss. Der Erfolg braucht nicht gewiss zu sein, er muss aber immerhin nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht notwendig. Der Standpunkt des Antragstellers muss zumindest objektiv vertretbar sein (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51.Auflage, § 114 Rdnr 80; Keller/Leitherer aaO). Bei der Beurteilung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden; die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern; die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (vgl. Keller/ Leitherer aaO Rdnr 7). War eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH bewilligt werden (Keller/Leitherer aaO Rdnr 7b). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl. Keller/Leitherer aaO Rdnr 7c).

Vorliegend war eine Rechtsfrage aufgeworfen worden, die auch klärungsbedürftig war und noch klärungsbedürftig ist. Dabei war der von der Klägerin eingenommene Standpunkt zumindest vertretbar. Zwar hat das SG die Klage letztendlich abgewiesen, jedoch bedurfte es hierfür einer ausführlichen und ins Einzelne gehenden Begründung. Diese Begründung hat das SG in das PKH-Bewilligungsverfahren vorgezogen.

Es steht dem SG frei, in welcher Ausführlichkeit es die Erfolgsaussicht im Rahmen des PKH-Bewilligungsverfahrens prüfen will, und der Senat sieht auch keinen Anlass, im Regelfall eine rechtskräftige Entscheidung des SG im Rahmen einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH zu überprüfen. Vorliegend ist jedoch von einem Ausnahmefall auszugehen, nachdem hier allein eine Rechtsfrage zu klären war, bezüglich der von verschiedenen Gerichten unterschiedliche Auffassungen vertreten wurden und ggf. noch werden und nachdem über den Antrag auf Bewilligung von PKH erst kurz vor der mündlichen Verhandlung und Entscheidung vom SG entschieden worden war, obwohl einer rechtzeitigen Entscheidung über den PKH-Antrag nichts im Wege stand. Die Frage der Bewilligung von PKH hätte dann auch rechtzeitig im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens abschließend geklärt werden können (vgl. hier Keller/Leitherer aaO Rdnr 11a).

Es ist somit von einer hinreichenden Erfolgsaussicht auszugehen. Die Vertretung durch einen Anwalt ist auch erforderlich. Es handelt sich um eine nicht ganz einfach gelagerte Rechtsfrage.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bewilligung von PKH liegen vor. Die Klägerin erhält Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Nach alledem ist der Klägerin PKH für das Verfahren vor dem SG zu bewilligen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved