L 7 AL 1983/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 2698/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 1983/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig unter den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer der Ortsabwesenheit des Klägers vom 2. August - 23. August 2003.

Der am 1953 geborene Kläger war ab 16. Oktober 1993 als Geschäftsführer einer Sparkasse bis 30. Juni 2003 befristet beschäftigt. Er meldete sich mit Wirkung ab 1. Juli 2003 arbeitslos. Antragsgemäß bewilligte ihm die Beklagte durch Bescheid vom 30. Juli 2003 Alg ab 1. Juli 2003.

Am 21. Juli 2003 suchte der Kläger bei der Beklagten um die Zustimmung zur Ortsabwesenheit für die Zeit von Samstag, dem 2. August bis zum 23. August 2003 nach. Er gab an, der Urlaub sei bereits gebucht; seine Frau sei Lehrerin und an die Ferien gebunden. Er sei telefonisch erreichbar und ein Nachsendeantrag sei erteilt. Die Ortsabwesenheit wurde nicht genehmigt; der Kläger gab an, den Urlaub nicht antreten zu wollen, weil er auf Leistungen nicht verzichten könne.

Die Arbeitsmarktinspektion (AMI) der Beklagten konnte den Kläger am Montag, dem 4. August 2003 unter seiner Wohnanschrift nicht antreffen. Ihm wurde daraufhin die Aufforderung, am Mittwoch, dem 6. August 2003 an einer Veranstaltung teilzunehmen, in den Briefkasten geworfen. Hierüber von den Schwiegereltern des Klägers informiert, meldete sich seine Frau am Dienstag, dem 5. August 2003 telefonisch bei der Beklagten und gab an, der Kläger habe sie sonntags nach Frankreich gefahren. Er habe dienstags wieder zurückfahren wollen, sei jedoch erkrankt. Ein Arzt habe festgestellt, dass er nicht reisefähig sei und in Frankreich bleiben müsse. Hierzu ging am 11. August 2003 die Bescheinigung des Arztes im Praktikum (AiP) R. vom 5. August 2003 ein. Darin wird dem Kläger bescheinigt, dass er seit 4. August 2003 wegen bestehender Kreislaufschwäche mit Kollapsneigung nicht reisefähig sei.

Durch Bescheid vom 4. August 2003 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 2. August 2003 auf, weil die Arbeitslosigkeit wegen fehlender Beschäftigungssuche auf Grund von Ortsabwesenheit entfallen sei.

Am 25. August 2003 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und erhob Widerspruch. Er trug vor, er habe seine Frau sonntags nach Frankreich gefahren und habe montags zurückfahren wollen. In der Nacht von Sonntag, den 3. August 2003 auf Montag, den 4. August 2003 habe er Herz- und Kreislaufprobleme bekommen. Dies sei auch durch einen deutschen Arzt, der in der Nachbarschaft Urlaub gemacht habe, bescheinigt worden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger antragsgemäß Alg wieder ab 25. August 2003 und wies durch Widerspruchsbescheid vom 11. September 2003 den Widerspruch zurück.

Am 13. Oktober 2003 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben mit der Begründung, ihm sei zu Unrecht die Zustimmung zu dem beantragten Urlaub versagt worden. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit dürfe die Beklagte die Zustimmung zum Urlaub nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen. Dies setze aber eine Prüfung des Sachverhaltes voraus, an den sich eine Ermessensentscheidung anzuschließen habe. Die Beklagte habe weder überprüft, ob ein Ausnahmefall im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 2 der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vorliege noch habe sie eine Ermessensentscheidung getroffen; sie hätte sonst die Zustimmung erteilen müssen. Er sei mit einer Lehrerin verheiratet, die nur während der Ferienzeit Urlaub machen könne. Es sei nicht zumutbar, getrennt Urlaub zu machen, nur weil die Arbeitslosigkeit noch keine drei Monate dauere. Während der Zeit der Abwesenheit sei die Vermittlung auch nicht beeinträchtigt gewesen. Schließlich habe er sich auch an die Vorgaben der Beklagten gehalten. Seine Vermittlerin Frau W. habe erklärt, sie könne zwar Urlaub nicht genehmigen, er könne aber seine Ehefrau samstags nach Frankreich fahren, wenn er Sonntagabend wieder zurückkehre. Daraufhin habe er seine Frau am Sonntag, den 3. August 2003 in den Urlaubsort nach Frankreich gefahren. Wegen seiner Erkrankung habe seine Frau sofort montags versucht, die Beklagte zu erreichen, was ihr nicht gelungen sei. Von den Herz- und Kreislaufproblemen habe er sich nur langsam erholt. Er sei bis zum 23. August 2003 nicht reisefähig gewesen. Ergänzend hat der Kläger eine Erklärung des AiP R. vom 24. Januar 2004 vorgelegt. Danach wurde der Kläger am Dienstag, dem 5. August 2003 gegen 18.00 Uhr wegen eines Kreislaufkollaps erstmalig behandelt. Er - AiP R. - habe dem Kläger Effortil-Tropfen gegeben, ihm empfohlen, sich zu schonen und auf größere Unternehmungen zu verzichten. Bis zur eigenen Abreise am 17. August 2003 habe er den Kläger noch zwei bis drei Mal gesehen, dessen Zustand sich bezüglich der Reisefähigkeit nicht gebessert habe. Er habe dem Kläger empfohlen, einen internistischen Kollegen vor Ort aufzusuchen.

Hierzu hat der Kläger ergänzend ausgeführt, die Art der Behandlung mit Effortil-Tropfen sei ausreichend und eine weitere Behandlung in Frankreich nicht notwendig gewesen. Er sei bis einschließlich 17. August 2003 nicht reisefähig gewesen. Als Ursache der lang anhaltenden Kreislaufschwäche vermute er einen schon damals bestehenden Diabetes, der erst im Februar 2004 festgestellt worden sei und zu einen Krankenhausaufenthalt geführt habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger noch angegeben, er habe den Nachsendeauftrag nicht kurzfristig wieder zurückziehen können, nachdem der Urlaub von der Beklagten wider Erwarten nicht genehmigt worden sei. Dies habe er erst nach seiner Rückkehr aus Frankreich tun wollen, aber infolge seiner Erkrankung nicht durchführen können. Nach Durchsicht aller Unterlagen habe er auch richtig zu stellen, dass er seine Frau tatsächlich samstags und nicht am Sonntag, dem Tag der geplanten Rückfahrt, nach Frankreich gefahren habe.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat ergänzend auf die dienstliche Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin W. vom 15. Oktober 2004 verwiesen, wonach sie die vom Kläger behauptete Genehmigung, die Ehefrau zum Urlaubsort in Frankreich zu bringen, üblicherweise nicht erteile. Hätte sie eingewilligt, hätte sie dies sicher in einem entsprechenden Vermerk in den Bewerberdaten festgehalten. In diesem Falle hätte sie auch keinen Grund gehabt, die AMI einzuschalten. Sie habe allerdings den Verdacht auf Leistungsmissbrauch gehegt.

Mit Urteil vom 23. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zu Recht habe die Beklagte für die Zeit vom 2. August 2003 (bis zum 24. August 2003) die Bewilligung des Alg aufgehoben; während des Aufhebungszeitraumes könne der Kläger Alg nicht beanspruchen. Die angefochtene Entscheidung beruhe verfahrensrechtlich auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des Alg-Bewilligungsbescheides sei durch die Ortsabwesenheit des Klägers eingetreten. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei wesentlich, weil der Anspruch auf Alg nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III voraussetze, dass der Arbeitnehmer arbeitslos ist. Arbeitslos sei nach § 118 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, Nr. 1) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche, Nr. 2). Zur Beschäftigungssuche gehöre die Verfügbarkeit, die gegeben sei, wenn der Arbeitslose arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit sei (§119 Abs. 2 SGB III). Arbeitsfähig sei, wer u. a. Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten könne (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Wann dies der Fall sei, konkretisiere § 1 Abs. 1 EAO vom 23. Oktober 1997 in der hier anzuwendenden, ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Danach habe der Arbeitslose, um bestimmte Mitwirkungshandlungen vornehmen zu können, sicherzustellen, dass ihn das Arbeitsamt persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Während seines Frankreichaufenthaltes sei der Kläger nicht arbeitsfähig im Sinne von § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III und damit nicht verfügbar und nicht arbeitslos gewesen, weshalb er Leistungen nicht mehr beanspruchen könne.

Die Ortsabwesenheit stünde allerdings der Verfügbarkeit des Klägers nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt hierzu seine Zustimmung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EAO erteilt hätte. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit solle das Arbeitsamt die Zustimmung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EAO). Die Zustimmung dürfe jeweils nur erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt werde (§ 3 Abs. 1 Satz 3 EAO). Eine solche Zustimmung sei dem Kläger hier nicht erteilt worden, was er auch gar nicht behaupte. Entgegen seiner Auffassung könne sich die Beklagte auch auf die fehlende Zustimmung berufen. Sie sei nämlich nicht gehalten, die Zustimmung auf Grund besonderer Umstände hier zu erteilen. Den hier umstrittenen Urlaub habe der Kläger antreten wollen, nachdem er erst knapp einen Monat arbeitslos gewesen sei. Damals seien mehrere Bewerbungen des Klägers gelaufen; die Ortsabwesenheit konnte demnach das vorrangige Ziel einer schnellstmögliche Vermittlung in Arbeit gefährden. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung richtig gestellt, dass er - anders als zunächst vorgetragen - keinen Urlaub gebucht hatte, sondern dass er ein Haus in Frankreich besitze. Demnach stünden die finanziellen Auswirkungen eines Reisevertrages nicht zur Diskussion, die wegen der absehbaren Arbeitslosigkeit nach Ablauf des befristeten letzten Arbeitsverhältnisses keinen Ausnahmefall begründet hätten. Der allein noch geltend gemachte Umstand, dass die Ehefrau des Klägers Lehrerin sei und deshalb Urlaub nur während der Schulferien machen könne, begründe ebenfalls keinen Ausnahmefall. Die Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass danach alle Eltern schulpflichtiger Kinder, alle Ehegatten von Lehrern oder von Arbeitnehmern in Betrieben mit feststehenden Urlaubsterminen, wie z.B. Betriebsferien gleichermaßen betroffen wären. Deshalb und im Hinblick auf ihre Häufigkeit und Dauer vermochten Schulferien noch keinen Sachverhalt von besonderem Gewicht zu begründen, der die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertige. Die Beklagte berufe sich demnach zu Recht auf die fehlende Zustimmung zur Ortsabwesenheit.

Der BewA-Vermerk der Arbeitsvermittlerin W. vom 29. Juli 2003 sowie die von ihr veranlasste Einschaltung der AMI vom 4. August 2003 bestätigten ihre dienstliche Äußerung, wonach dem Kläger eine Ortsabwesenheit auch nicht am Samstag, dem 2. August 2003 und dem nachfolgenden Sonntag genehmigt worden sei. Nach den Gesamtumständen gehe die Kammer davon aus, dass der Kläger die Entscheidung der Arbeitsvermittlerin W. nicht akzeptiert und - seiner unveränderten Planung entsprechend - seinen dreiwöchigen Urlaub am ersten Augustwochenende angetreten und in Frankreich verbracht habe. Der Kläger habe die Postnachsendung nach Frankreich veranlasst. Den Auftrag habe er auch nach dem Gespräch mit seiner Arbeitsvermittlerin am Dienstag, dem 29. Juli 2003 nicht geändert, was zeitlich ohne Weiteres zu bewerkstelligen und im Hinblick auf die postalische Erreichbarkeit bereits ab 4. August 2003 geboten gewesen wäre. Seine Angaben zum Zeitpunkt der Fahrt nach Frankreich und der geplanten Rückreise seien widersprüchlich. Nach seinen zeitnahen Angaben vom 25. August 2003 im Widerspruchsverfahren und nach dem Vortrag seiner Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift vom 10. Oktober 2003 sei der Kläger am Sonntag, dem 3. August 2003 nach Frankreich gefahren, um - wie er behauptet habe - montags zurückzukehren. Dieses Vorbringen habe er "nach Durchsicht aller Unterlagen" in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2005 "korrigiert" und nunmehr ausgeführt, er sei am 2. August 2003 nach Frankreich gefahren, um am Sonntag, dem 3. August 2003 zurückzufahren. Bei langen Fahrstrecken komme dem Umstand, ob sie samstags/sonntags oder montags zurückgelegt werden, wegen des Verkehrsaufkommens große Bedeutung zu; der Reisetag sei in der Regel wohl überlegt. Ein Irrtum des Klägers über den Anfahrtstag und den Tag der geplanten Rückkehr bei seinen zeitnahen Angaben sei deshalb nicht plausibel. Danach könne schon der Tag nicht festgestellt werden, an dem der Kläger nach Frankreich gefahren sei und erst Recht nicht der Sonntag als Tag der geplanten Rückkehr, was wenigstens Voraussetzung für einen rechtmäßigen Bezug von Alg bis zu diesem Zeitpunkt wäre. Schließlich sei auch eine spätestens am Sonntag, dem 3. August 2003 eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht feststellbar. Eine Ortsabwesenheit stehe dem Anspruch auf Alg nicht entgegen, wenn die Vorausetzungen des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt seien. Ein Arbeitsloser verliere nämlich dann nicht seinen Anspruch auf Alg, wenn er während des - rechtmäßigen - Bezugs von Alg infolge Krankheit arbeitsunfähig werde, ohne dass ihn ein Verschulden treffe. Auch zum Zeitpunkt des Auftretens einer Kreislaufschwäche habe der Kläger divergierende Angaben gemacht. Am 25. August 2003 habe er noch von Herz- und Kreislaufbeschwerden "in der Nacht von Sonntag auf Montag" berichtet. 19 Monate später habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Schwindel seien erstmals am Sonntagmorgen nach dem Genuss von zwei Tassen Kaffee aufgetreten. Er habe dienstags AiP R. zugezogen und - dessen Empfehlung folgend - Effortil-Tropfen eingenommen. AiP R. habe aber angegeben, am Dienstag gegen 18.00 Uhr wegen einer Synkope aus nicht geklärter Ursache zum Kläger gerufen worden zu sein und ihn "mit allen Anzeichen eines Kreislaufkollapses" vorgefunden zu haben. Danach bestätige AiP R. eine plötzlich auftretende (passagere) Kreislaufinsuffizienz, für die eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung symptomatisch sei. Sei diese Beschreibung des Zustandes des Klägers aufgrund einer körperlichen Untersuchung (ohne technische Hilfsmittel) zutreffend, müsse die Synkope unmittelbar zuvor aufgetreten sein. Dagegen sei nicht nachvollziehbar, dass Stunden oder gar Tage nach Auftreten einer Synkope noch "alle Anzeichen eines Kreislaufkollapses" zu finden sein könnten. Schon ein über Stunden und erst recht ein seit Sonntag (so der Kläger) bzw. seit Montag (so AiP R. ) bestehender Zustand "mit allen Anzeichen eines Kreislaufkollapses" hätte sicher nicht nur den Kläger, sondern vor allem AiP R. zu anderen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen veranlasst als zur Einnahme bzw. Verabreichung von Effortil-Tropfen. Die Einlassung des Klägers, er habe die Behandlung mit Effortil-Tropfen für genügend erachtet, weil sich die mindestens zwei Wochen andauernden Schwindelerscheinungen zwar nicht gebessert, aber auch nicht verschlechtert hätten, überzeuge die Kammer nicht. Eine bereits am 18. August 2003 und damit vor der tatsächlichen Rückreise aus Frankreich eingetretene Reisefähigkeit habe den Kläger nicht veranlasst, unverzüglich heimzufahren und sich bei der Beklagten zu melden. Er habe seine Urlaubspläne umgesetzt, was dafür spreche dass er dies von Anfang an und ungeachtet der Beurteilung seines Urlaubs durch die Beklagte beabsichtigt habe. Selbst wenn den Äußerungen von AiP R. mehr Bedeutung zukäme als einem Gefälligkeitsattest, belegten sie eine Arbeitsunfähigkeit infolge einer akuten Kreislaufschwäche frühestens am Dienstag(-abend). Zu diesem Zeitpunkt sei der Bezug von Alg auf Grund der Ortsabwesenheit nicht mehr rechtmäßig gewesen, weshalb die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht erfüllt seien. Der Kläger sei auch durch das Merkblatt für Arbeitslose und durch seine Arbeitsvermittlerin über die leistungsrechtlichen Folgen einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit ausreichend belehrt worden, was er auch nicht in Abrede stelle. Er habe gewusst, jedenfalls aber wissen müssen, dass ihm Leistungen nicht zustünden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Kläger am 16. April 2005 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 17. Mai 2005 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit welcher der Kläger sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat und ergänzend ausführt, die Beklagte hätte die Zustimmung zur Ortsabwesenheit nach § 3 Abs. 2 EAO erteilen müssen. Dies setze zwingend eine Prüfung des Sachverhalts und eine Ermessensentscheidung voraus, die vorliegend nicht ergangen sei. Die Arbeitsvermittlerin des Klägerin habe vielmehr das Gesuch des Klägers ohne Prüfung von Ausnahmetatbeständen abgelehnt. Von der Beklagten seien während der Ortsabwesenheit der Klägerin keine Vermittlungsbemühungen ausgegangen. Die Arbeitsvermittlerin Frau W. habe dem Kläger aber gestattet, seine Ehefrau an den Urlaubsort zu fahren. Ihm sei damit eine Ortsabwesenheit am 2. August und am 3. August 2003 gestattet worden. Dies könne seine Ehefrau bezeugen, die das Telefongespräch zwischen dem Kläger und der Arbeitsvermittlerin mit verfolgt habe. Er sei dann am 3. August 2003 erkrankt und danach reiseunfähig gewesen, wie dies auch der AiP R. bestätigt habe. Damit lägen die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. März 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 4. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2003 zu verurteilen, ihm antragsgemäß Arbeitslosengeld für die Zeit vom 2. August bis 23. August 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das ergangene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend und führt dazu aus, die zuständige Arbeitsvermittlerin habe gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EAO nach zutreffender Ablehnung eines begründeten Ausnahmefalls die Zustimmung zur Ortsabwesenheit ausdrücklich verweigert. Dies habe der Kläger auch explizit akzeptiert, indem er geäußert habe, dass er auf das Geld nicht verzichten könne und dann eben nicht in Urlaub fahre. Die Beklagte habe in der maßgeblichen Zeit Vermittlungsbemühungen unternommen, indem sie dem Kläger am 21. Juli 2003 ein schriftliches Vermittlungsangebot für die Fa. Bauprojekt K. AG ausgehändigt habe. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger es auf sich nehme, innerhalb von zwei Tagen ca. 2000 km fahre, alleine um seine Ehefrau an den Urlaubsort zu bringen, um sie dann - drei Wochen später - unter Zurücklegung weiterer 2000 km wieder abholen zu müssen. Es stehe außer Frage, dass der Kläger dies zu keinem Zeitpunkt vorhatte, sondern sich bewusst über die Urlaubsablehnung hinweggesetzt habe. Verwunderlich sei auch, dass die Schwiegereltern des Klägers am Montag, den 4. August 2003 den Briefkasten des Klägers geleert hätten, obwohl ein Nachsendeauftrag gestellt worden war und der Kläger angeblich schon wieder am Sonntag zurückkehren wollte.

Der Senat hat am 16. November 2006 durch den Berichterstatter einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur Beweisaufnahme durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,- Euro überschreitet; vorliegend im Streit ist die Aufhebung der Alg-Bewilligung für drei Wochen in Höhe von insgesamt 1164,- Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist aber unbegründet.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Beklagte für die streitbefangene Zeit vom 2. August 2003 bis zum 24. August 2003 die Bewilligung des Alg zu Recht aufgehoben hat. Denn der Kläger war auch nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts ab 2. August 2003 in diesen drei Wochen nicht mehr erreichbar, weshalb er in dieser Zeit keinen Anspruch auf Alg (mehr) hatte. Diesen Anspruch hat nur, wer u. a. arbeitslos ist (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1 , 118 SGB III). Arbeitslos ist danach nur, wer eine Beschäftigung sucht (§ 119 Abs. 1 SGB III ), d. h. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den - hier vorhandenen - Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Merkmale der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die entsprechende Arbeitsbereitschaft (§ 119 Abs. 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u. a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund der Ermächtigung des § 152 Nr. 2 SGB III Näheres in der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom 23.10.1997 (AMBA 1997, 1685) bestimmt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EAO muss der Arbeitslose u. a. in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen und mit einem möglichen Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in Verbindung zu treten; deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Eine Erreichbarkeit in diesem Sinne war vorliegend ab 2. August 2003 nicht mehr gewährleistet, ohne dass die Beklagte nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EAO die Zustimmung zur Ortsabwesenheit des Klägers erteilt hatte. Eine solche Zustimmung wird - jedenfalls was den Aufenthalt für drei Wochen in Frankreich anbelangt - auch von der Kläger-Seite nicht behauptet. Soweit die Kläger-Seite insoweit eine Ermessensentscheidung der Beklagten vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche nach der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 EAO, der eine gebundene Entscheidung in Gestalt einer Soll-Vorschrift darstellt, auch nicht veranlasst war. Zudem vermag das Gericht - wie bereits das SG - keine Anhaltspunkte für einen begründeten Ausnahmefall im Sinne dieser Bestimmung zu erkennen; allein der Lehrerberuf der Ehefrau des Kläger und das "Angewiesensein" auf Reisen in den Schulferien genügen dafür nicht. Aufgrund der - auch mit Blick auf konkrete Vermittlungsbemühungen der Beklagten - somit zu Recht versagten Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit in den streitigen drei Wochen fehlte es somit an der Erreichbarkeit und damit an der objektiven, also faktischen Verfügbarkeit des Klägers (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juni 2005 - B 7a/7 AL 98/04 R und vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R (juris)).

Die fehlende faktische Verfügbarkeit wird vorliegend auch nicht gemäß § 126 Abs. 1 SGB III ersetzt. Danach verliert ein Arbeitsloser, der während des Bezugs von Alg infolge Krankheit arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, dadurch nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Diese Voraussetzungen liegen indessen nach der Überzeugung des Gerichts hier nicht vor. Die vom Kläger behauptete "Abmachung" mit der Arbeitsvermittlerin über eine jedenfalls kurzzeitige Ortsabwesenheit von Samstag, 2. August 2003 bis Sonntag, 3. August 2003 ist nach der Aktenlage und der dienstlichen Erklärung von Frau W. vom 15. Oktober 2004 wenig glaubhaft. Unabhängig davon kommt es hierauf auch nicht entscheidend an. Denn selbst unter Zugrundelegung einer solchen "Abmachung" hielt sich der Kläger nicht an deren Inhalt bzw. war offenbar hierzu von Vornherein nicht bereit, hat er doch im Rahmen seiner (zeitnahen) Widerspruchsbegründung vom 25. August 2003 (Bl. 25 d. A.) selber angegeben, er habe seine Frau am 3. August 2003, also am Sonntag, in den Urlaub gefahren und es sei geplant gewesen, dass er montags zurückfahre; seine Ehefrau sprach in ihrer telefonischen Erklärung am 5. August 2003 (Bl. 19 d. A.) sogar von einer geplanten Rückkehr für den Dienstag, den 5. August 2003. Unter diesen Umständen fiel die behauptete Erkrankung des Klägers in Frankreich, die nach der Widerspruchsbegründung vom 25. August 2003 in Frankreich in der Nacht von Sonntag auf Montag eingetreten sein soll - in der Anhörung vor dem SG wurde als Erkrankungszeitpunkt dann der Sonntagmorgen angegeben -, schon nicht in den Zeitraum der genehmigten Ortsabwesenheit von Samstag bis Sonntag und damit nicht in die Zeit des - nach behaupteter Zustimmungserteilung - noch rechtmäßigen Alg-Bezugs (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Juni 2005 - L 8 AL 217/04 -).

Hinsichtlich der weiteren Begründung wird, auch was Art und Schwere der Erkrankung und die daraus folgende Reiseunfähigkeit - für drei Wochen - anbelangt, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), weshalb das erkennende Gericht von einer weiter gehenden Darstellung absehen kann. Die diesbezügliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung des SG wird indessen nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts dadurch unterstrichen, dass der Kläger nach seinen Angaben im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats in den ganzen drei Wochen seines Aufenthalts in Frankreich trotz der behaupteten Schwere und Nachhaltigkeit der Erkrankung nur seinen Bekannten, einen deutschen Arzt (im Praktikum), der zufällig am gleichen Ort Urlaub machte, konsultierte, der ihn mit Kreislauftropfen behandelte, aber keinen ortsansässigen (Fach-) Arzt aufsuchte bzw. weiter gehende medizinische bzw. medikamentöse Hilfe in Anspruch nahm. Die hierfür gegebene Begründung, man habe in der Vergangenheit insoweit sehr schlechte Erfahrungen gemacht, ist nicht geeignet, dieses Verhalten nachvollziehbar zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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