L 27 R 2033/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 2045/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 2033/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Gewährung Heilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation.

Der. 1958 geborene Kläger, der zuletzt als Friedhofsarbeiter beschäftigt war, beantragte bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin im Jahr 2004 die Bewilligung "einer Kur", um am Erwerbsleben wieder teilnehmen zu können. Er bezieht seit dem 01. September 2003 von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 01. September 2004 hat die LVA Berlin einen Antrag des Klägers vom 18. August 2004 auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die gesetzliche Rentenversicherung nach dem Sechsten und Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI, IX) abgelehnt. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2004 hat die LVA Berlin seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. September 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Heilbehandlung lägen weiterhin nicht vor. Darüber hinaus sei der Widerspruchsausschuss unter Berücksichtigung aller für eine Ermessensentscheidung wesentlichen sachlichen Gesichtspunkte und unter gerechter billiger Abwägung des öffentlichen und seines Einzelinteresses (§ 39 des Sozialgesetzbuches - Erstes Buch - SGB I) zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ablehnung einer Heilbehandlung nicht zu beanstanden sei (Gerichtsakte vorgeheftet). Mit dem 14. Oktober 2004 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger auf seinen Kurantrag Bezug genommen. Zur Begründung wurde auf verschiedene Mordversuche hingewiesen. Er meinte, ihm stünde aufgrund verschiedener von ihm dargestellter Stresssituationen eine Kur einfach zu. Er würde gerne am Erwerbsleben wieder teilnehmen.

Das SG ist davon ausgegangen, der Kläger wolle beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2004 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Heilbehandlung vom 30. Juli 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG holte einen Befundbericht der behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S, ein und zog medizinische Unterlagen vom Arbeitsamt Berlin-Süd bei.

Mit Gerichtsbescheid vom 01. Dezember 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit dem am 27. Dezember 2005 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger seinen Anspruch auf Heilbehandlung (Kur) weiter verfolgt. Zur Begründung hat er insbesondere erneut auf verschiedene Mordversuche an ihm hingewiesen. Er meint, die Beklagte spare die Rente dann bis auf Weiteres, da er nach Beendigung der Kur wieder arbeiten könne. Er verwies auf ein Gutachten von Frau Dr ...

Das Gericht legt als Antrag des Klägers zugrunde,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 01. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Heilbehandlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Im Berufungsverfahren wurde ein Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S eingeholt. Dort war der Kläger zuletzt am 30. Oktober 2003 in Behandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten, den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten zur Versicherungsnummer und den Inhalt der Akten der Agentur für Arbeit Berlin-Süd zur Geschäftsnummer , die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Das SG hat zutreffender Weise die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe.

Nach § 9 SGB VI bringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um

1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern.

Die Leistungen nach Abs. 1 können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, § 9 Abs.2 SGB VI. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kommen unter diesen Voraussetzungen nach § 15 SGB VI in Betracht. Nach § 9 Abs. 2 SGB VI können diese Leistungen erbracht werden, so dass die Rehabilitationsleistungen Ermessensleistungen sind, bei denen lediglich ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass dem Versicherungsträger Ermessen hinsichtlich der Bestimmung des "wie" der Rehabilitation eingeräumt ist, nicht auch für die Eingangsprüfung, "ob" er überhaupt leisten muss (§ 9 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 10 und 11 SGB VI).

Die persönlichen Voraussetzungen sind in § 10 SGB VI umschrieben. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben. § 10 SGB VI Abs. 1 besagt: Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und

2. a) bei denen voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederherstellt oder hier durch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweise Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers weder abwenden noch wesentlich bessern oder wiederherstellen, noch kann eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden.

Bereits die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W hat am 14. August 2003 anlässlich ihrer Untersuchung des Klägers die Diagnose einer Paranoiden Schizophrenie gestellt und dazu die sozialmedizinische Beurteilung abgegeben, beim Kläger seien typische Symptome einer chronifizierten paranoiden Psychose mit massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen nachweisbar. Er wirke wegen seiner Störungen nicht integrierbar in irgendeinen Arbeitsprozess, er würde selbst die Arbeitsabläufe in einer Behindertenwerkstatt erheblich stören. Schulungsfähigkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Veränderung sei auf absehbare Zeit (also über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus) nicht anzunehmen.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H hat anlässlich der Untersuchung des Klägers vom 10. Februar 2004 die Diagnose einer gemischten schizo-affektiven Störung gestellt mit erheblichen formalen und inhaltlichen Denkstörungen und wahnhafter Symptomatik. Angesichts des psychopathologischen Befundes bestehe kein ausreichendes Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei bestehender Störung des Kritikvermögens und der Realitätsprüfung mit erheblicher Überschätzung seiner Möglichkeiten. Die Prognose zur Wiedererlangung eines ausreichenden beruflichen Leistungsvermögens schätzte er als ungünstig ein, eine Besserung unwahrscheinlich. Die Frage, welche Leistungen zur Teilhabe zur Besserung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Leistungsfähigkeit oder zur Erhaltung des Arbeitsplatzes vorgeschlagen wird, insbesondere, ob Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vorschlage, beantwortete er mit nein.

Anlässlich der Begutachtung im VKlinikum N durch einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie wurde am 10. Juli 2006 zur Therapie lediglich Einnahme von Medikamenten vorgeschlagen. Als Befund wurde dort u. a auch ein systematisiertes Wahnerleben erhoben, so dass eine Veränderung auch anlässlich des stationären Aufenthalt im V-Klinikum vom 02. Dezember bis 08. Dezember 2005 nicht erfolgt ist.

Nach allem muss die Berufung erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved