S 6 KR 221/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 221/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
G e r i c h t s b e s c h e i d: I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die Klägerin in der Zeit vom 01.08.1978 bzw. 01.04.1990 bis zum 01.06.2004 in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in der Firma ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 3) tätig war oder nicht.

Am 25.06.2004 ging bei der Beklagten ein Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein, der von der Klägerin sowie ihrem Ehemann G.H. unterzeichnet wurde und der den Firmenstempel des Elektrofachgeschäftes G.H. in E. trug. In diesem Feststellungsbogen gab die Klägerin unter anderem an, dass

- sie seit 01.05.1978 in dem Betrieb des Ehemannes mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von sechs Stunden beschäftigt ist,

- ein Arbeitsvertrag besteht,

- sie in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist,

- ohne ihre Mitarbeit eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müsste, sie an die Weisungen ihres Ehemannes über die Ausführungen der Arbeit gebunden ist und das Weisungsrecht auch tatsächlich ausgeübt wird,

- sie ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten kann,

- sie an der Führung des Betriebes nicht mitwirkt,

- die Mitarbeit nicht durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Ehemann geprägt ist,

- ein Urlaubs- und ein Arbeitsentgeltfortzahlungsanspruch besteht,

- sie ein ortsübliches Gehalt erhält, das als Betriebsausgabe gebucht wird,

- sie am Betrieb nicht beteiligt ist.

Aufgrund dieser Angaben stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19.08.2004 seit 01.04.1990 (= Beginn der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten) Versicherungspflicht fest und leitete, da die Klägerin am 14.06.2004 für den Fall der Feststellung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung durch die Beklagte auch die Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit bzw. des örtlich zuständigen Arbeitsamtes zu dem Feststellungsbescheid beantragt hatte, den Antrag mit Schreiben vom 19.08.2004 an die Agentur für Arbeit in L. weiter. Mit Schreiben vom 01.09.2004 stimmte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit C., dem Bescheid der Beklagten vom 19.08.2004 nach § 336 SGB III zu.

Am 08.11.2004 ging bei der Beklagten erneut ein Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung, nämlich vom 14.10.2004, ein. Beigefügt war ein Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen, der am 14.10.2004 von der Klägerin sowie ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 3) unterzeichnet worden ist und der den Firmenstempel des Elektrofachgeschäftes G.H. trug. In diesem Feststellungsbogen hat die Klägerin unter anderem angegeben, dass

- sie in der Zeit vom 01.08.1978 bis 01.06.2004 als Büroleiterin im Betrieb ohne feste Arbeitszeit und mit unterschiedlichem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt beschäftigt ist,

- sie in dieser Zeit eine mündliche Handlungsvollmacht besaß, welche auch ausgeübt wurde,

- sie an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden war und tatsächlich auch kein Weisungsrecht ausgeübt wurde,

- sie ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten konnte,

- sie bei der Führung des Betriebes mitwirkte,

- die Mitarbeit durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt war,

- sie dem Betriebsinhaber Darlehen in Höhe von 374.000,00 DM gewährt hat und für den Betriebsinhaber Bürgschaften bzw. Sicherheiten in Höhe von 325.000,00 DM übernommen hat.

Dem Feststellungsbogen waren beigefügt ein Arbeitsvertrag zwischen Ehegatten, abgeschlossen am 01.07.1997, ein Darlehensvertrag vom 18.08.1980 über 115.000,00 DM, welcher sowohl die Klägerin als auch ihren Ehemann, den Beigeladenen zu 3) als Darlehensnehmer ausweist, einen Kreditvertrag vom 18.08.1980 über 30.000,00 DM, einen Kreditvertrag vom 18.03.1983 über 19.000,00 DM, einen Kreditvertrag vom 15.07.1981 über 20.000,00 DM sowie einen Kreditvertrag vom 22.07.1982 über 10.000,00 DM, wobei alle Verträge die Klägerin und ihren Ehemann, den Beigeladenen zu 3), als Kreditnehmer ausweisen, eine Zweckerklärung für Grundschulden vom 24.03.1983 über eine Grundschuld von 325.000,00 DM, unterzeichnet von der Klägerin und ihrem Ehemann als Miteigentümer zu je ½, Darlehensverträge vom 18.08.1980 und 12.09.1980 über jeweils 90.000,00 DM, wobei sowohl die Klägerin als auch deren Ehemann Darlehensnehmer waren, und eine Bestätigung des Beigeladenen zu 3) vom 14.10.2004, nach der die Klägerin in der Zeit vom 01.08.1978 bis 01.06.2004 eine mündliche Handlungsvollmacht besessen und diese in der Praxis auch definitiv ausgeübt habe.

In einem am 10.11.2004 von der Beklagten mit der Klägerin geführten Telefongespräch gab die Klägerin wörtlich an, dass sie doch seit Jahren bei ihrem Mann beschäftigt sei und auch laufend ihre Beiträge bezahle, sie übe keine selbstständige Tätigkeit aus, und könne nicht verstehen, wie die Beklagte überhaupt darauf komme.

Mit Anhörungsschreiben vom 01.12.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie seit 01.04.1990 aufgrund ihrer Beschäftigung in der Firma ihres Ehemannes bei der Beklagten versichert sei, dass der Antrag auf Mitgliedschaft damals geprüft wurde und wie auch jetzt Versicherungspflicht für diese Beschäftigung festgestellt wurde. Auch seien die Angaben in dem Antrag auf Überprüfung der Versicherungspflicht vom 14.06.2004, aus denen eindeutig ersichtlich sei, dass es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handele, völlig konträr zu den im Oktober 2004 gemachten Angaben. Auch sei auf Anfrage, welcher selbstständigen Tätigkeit die Klägerin, wie im Oktober 2004 angegeben, nachgehe, mitgeteilt worden, dass keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde. In Anbetracht all dieser Umstände verbleibe es bei der Feststellung vom 19.08.2004. Weiterhin wurde der Klägerin in diesem Schreiben mitgeteilt, dass die Beklagte die Zeit vom 01.08.1978 bis zum Eintritt der Klägerin bei ihr am 01.04.1990 mangels Mitgliedschaft nicht prüfen könne.

Mit Schreiben vom 14.12.2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass Versicherungspflicht nicht bestanden habe, weil keine Eingliederung vorgelegen habe, die Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt wurde und sie dem Unternehmen Darlehen gewährt habe und dass sie erst nachträglich Kenntnis von der Versicherungsfreiheit erlangt habe.

Mit Bescheid vom 21.12.2004 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab Beginn der Mitgliedschaft bei der Beklagten am 01.04.1990 bis heute bei ihrem Ehemann in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Angaben über die Gehaltszahlung, den Urlaubsanspruch und die Gehaltsfortzahlung eine Arbeitnehmereigenschaft belegen würden, und dass nach dem vorhandenen Arbeitsvertrag eine Arbeitszeit vereinbart und eine sonstige betriebliche Eingliederung beschrieben werde. Die eingereichten Darlehensunterlagen ließen nicht eindeutig auf eine Darlehensgebung der Klägerin an ihren Ehemann schließen. Auch liege eine erst nachträgliche Erkenntnis der Versicherungsfreiheit nicht vor, was sich eindeutig aus dem Inhalt des am 10.11.2004 geführten Telefongespräches ergebe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 03.01.2005 Widerspruch. Zur Begründung wurde voll inhaltlich auf den Antrag vom 14.10.2004, den Feststellungsbogen vom gleichen Tag sowie das Schreiben vom 14.12.2004 Bezug genommen.

Den Rechtsbehelf wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10.06.2005 zurück, weil in der Zeit vom Beginn der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten am 01.04.1990 (die Zeit vom 01.08.1978 bis 31.03.1990 könne mangels Mitgliedschaft und damit Zuständigkeit nicht beurteilt werden) bis heute ein abhängiges , sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei ihrem Ehemann bestanden habe und besteht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 eindeutige arbeitnehmertypische Regelungen, wie die Vereinbarung einer Arbeitszeit, eines feststehenden Monatsgehaltes, eines gesetzlichen Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsanspruches enthält. Weiterhin sei das Gehalt als Betriebsausgabe verbucht worden und die Klägerin konnte über dieses Gehalt frei verfügen. Außerdem habe die Klägerin eine andere (fremde) Arbeitskraft ersetzt. Der Vortrag, dass die Klägerin keinem Weisungsrecht unterlegen habe und gleichberechtigt im Betrieb ihres Ehemannes tätig war, sei aufgrund des Abschlusses des Ehegattenarbeitsvertrages nicht nachvollziehbar. Auch schließe der Umstand, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen aufgenommen habe, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht zwingend aus, zumal überwiegende Indizien für eine Arbeitnehmertätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sprechen würden. Ferner könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch die Beteiligten bislang von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgingen. So erhielt die Beklagte im Jahre 1990 durch den Arbeitgeber eine entsprechende Anmeldung der Klägerin als Arbeitnehmerin, wobei als Tätigkeitsschlüssel 781-Bürofachangestellte- angegeben wurde. Auch seien die Gesamtsozialversicherungsbeiträge stets ohne Widerspruch entrichtet worden.

Mit ihrer Klage vom 11.07.2005, eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am selben Tag, begehrte die Klägerin weiterhin die Feststellung, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit im ehelichen Betrieb seit dem 01.08.1978 bis zum 01.06.2004 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Zur Begründung führte sie aus, dass sie in ihrer Tätigkeit uneingeschränkt weisungsfrei und nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei. Auch dürfe darüber hinaus nicht außer Acht gelassen werden, dass sie im unternehmerischen Interesse ein erhebliches wirtschaftliches Risiko auf sich genommen habe. Das Sozialgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 31.10.2005 die Beigeladenen zu 1), 2) und 3) zum Verfahren beigeladen und bei der Beigeladenen zu 1) die Akten betreffend die Klägerin sowie beim Finanzamt L. die Einkommenssteuerbescheide betreffend die Klägerin für 1990, 1991 sowie 1993 bis 2004 beigezogen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2005 zur Feststellung zu verurteilen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im ehelichen Betrieb Firma G.H., seit dem 01.08.1978 bis zum 01.06.2004 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die mit Beschluss vom 31.10.2005 Beigeladenen zu 1), 2) und 3) stellen keinen Antrag. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, der Akte, betreffend die Klägerin, der Beigeladenen zu 1), der vom Finanzamt L. übersandten Einkommenssteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1990, 1991 sowie 1993 bis 2004 sowie der Sitzungsniederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 12.04.2006 Bezug genommen.

Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 18.07.2006, die Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 26.07.2006, die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 01.08.2006, die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2006 und der Beigeladene zu 3) mit Schreiben vom 07.09.2006 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG einverstanden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist gemäß §§ 51, 78, 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhoben worden.

Bezüglich der begehrten Feststellung für die Zeit vom 01.08.1978 bis 31.03.1990 ist sie unzulässig. Die Klägerin war in dieser Zeit nicht Mitglied der Beklagten, infolgedessen durfte die Beklagte über ihren sozialversicherungsrechtlichen Status in dieser Zeit nicht entscheiden, sie hat es ausweislich des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2005 auch nicht getan. Somit fehlt es für den genannten Zeitraum an einem belastenden Verwaltungsakt in der Gestalt eines belastenden Widerspruchsbescheides. Da somit für die Klägerin weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch eine Klagebefugnis bestand, war die Klage bezüglich des Zeitraumes vom 01.08.1978 bis 31.03.1990 als unzulässig abzuweisen.

Bezüglich der Zeit vom 01.04.1990 bis 01.06.2004 ist die Klage unbegründet, da die Klägerin im genannten Zeitraum beim Beigeladenen zu 3) abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, ab 01.01.1995 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung sowie gemäß § 168 AFG, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III der Versicherungspflicht im Recht der Arbeitsförderung.

Maßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist unter Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 04.06.1998, Az.: B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 12.02.2004, Az.: B 12 KR 26/02 R, USK 2400-25) die Merkmale einer Beschäftigung und diejenigen einer selbstständigen Tätigkeit sowie die Grundsätze, nach denen die festgestellten Tatsachen gegeneinander abzuwägen sind, entwickelt. Danach setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann -vornehmlich bei Diensten höherer Art- eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag.

Als weiteres Abgrenzungsmerkmal kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. Urteil vom 01.02.1979, Az.: 12 RK 7/77, SozR 2200 § 165 Nr. 36) die Frage in Betracht, ob in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich ein Beschäftigungsverhältnis oder der Abschluss eines Vertrages über eine selbstständige Dienstleistung allgemein üblich und sachlich berechtigt ist. Auch die steuerrechtliche Behandlung der erzielten Einkünfte ist zu würdigen. Zwar ist die Versicherungspflicht ausschließlich nach dem Sozialversicherungsrecht ohne rechtliche Bindung an die Verwaltungsakte der Finanzbehörden und die Entscheidung der Finanzgerichte zu beurteilen und der Sozialversicherungsträger oder das Sozialgericht ist nicht der selbstständigen Prüfung im Einzelfall enthoben, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. Urteil vom 31.07.1958, Az.: 3 RK 46/55, SozR RVO § 165 Bl. Aa 6 Nr. 8; Urteil vom 04.07.1962, Az.: 3 RK 23/58, SozR RVO § 165 Bl. Aa 44 Nr. 34) einen wichtigen Anhaltspunkt für die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit dar, indem die Veranlagung des Lohnes als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechen, während die Veranlagung des Lohnes als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf eine selbstständige Tätigkeit hindeuten.

Des Weiteren erfordert eine Beschäftigung unter Ehegatten die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. Urteil vom 30.01.1990, Az.: 11 RAr 47/88, SozR 3-2400 § 7 Nr. 1) grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird. Bei engen persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hängt die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und familienhafter Mitarbeit vor allem von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgebend ist. Auch wenn vielfach auf die familiäre oder persönliche Beziehung Rücksicht genommen wird, kann auf gewisse Mindestanforderungen an ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht verzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr entsprechenden Weise lediglich rechtsmissbräuchlich fingiert oder verneint werden kann. Daher ist neben der Eingliederung in den Betrieb und einem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht weiter erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, also über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinaus geht.

Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und den Beschäftigten zur freien Verfügung ausgezahlt wird und ob eine fremde Arbeitskraft ersetzt wird.

Nach der vorzunehmenden Gesamtabwägung sprechen die vorliegenden Umstände überwiegend für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin bei ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 3).

So wurde zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, wie auch in dem Tätigkeitsbereich der Klägerin als Büroangestellte allgemein üblich, ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen, nach dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sechs Stunden und das Bruttogehalt monatlich 650,00 DM (= 25,00 DM pro Stunde) betrug. Letzteres stellt nach Auffassung des Gerichtes ein mehr als angemessenes leistungsgerechtes Entgelt dar, vor allem wenn man berücksichtigt, dass nach dem in der Akte der Beigeladenen zu 1) enthaltenen Versicherungsverlauf noch höhere Bruttoentgelte erzielt wurden. Da dieses Arbeitsentgelt auf ein privates Girokonto, über das die Klägerin verfügungsberechtigt war, überwiesen wurde, und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wurde, spricht nach alledem ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei ihrem Ehemann in der Zeit vom 01.04.1990 an. Die Tatsache, dass in dem schriftlichen Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wurde, spricht nach Auffassung des Gerichtes zwingend für eine Eingliederung der Klägerin in den Betrieb ihres Ehemannes, zumal die Klägerin selbst im Feststellungsbogen, eingegangen bei der Beklagten am 25.06.2004, angegeben hat, wie eine fremde Arbeitskraft im Betrieb eingegliedert gewesen zu sein. Außerdem konnte sie nach ihren eigenen Angaben in dem genannten Feststellungsbogen ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten, ihre Mitarbeit war nicht durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber, ihren Ehemann, geprägt, und ohne ihre Mitarbeit hätte eine andere fremde Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Zur Überzeugung des Gerichtes war die Klägerin somit in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert und unterlag dabei einem, wenn auch möglicherweise abgeschwächten Weisungsrecht ihres Ehemannes bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung ihrer Tätigkeit. Damit liegt ein weiteres gewichtiges Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, zumal nach Überzeugung des Gerichtes die Angaben der Klägerin im Feststellungsbogen, eingegangen bei der Beklagten am 25.06.2004, einen höheren Beweiswert genießen als diejenigen im Feststellungsbogen vom 14.10.2004, da erstere völlig unbeeinflusst von dem am 14.10.2004 gleichzeitig mit eingeleiteten Beitragserstattungsverfahren erfolgt sind und von der Klägerin in dem am 10.11.2004 mit der Beklagten geführten Telefongespräch nochmals bestätigt wurden. Die Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin zur Beratungskompetenz der Steuerberater im Allgemeinen und hier des Steuerberaters H., C., und zur Versagung der Durchführung eines sozialversicherungsrechtlichen Statusverfahrens gehen völlig an der Sache vorbei. Der Steuerberater darf und soll, wie auch Steuerberater H. vorliegend verfahren ist, keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung abgeben, sondern anhand der ihm bekannten Daten, wie hier geschehen, den Feststellungsbogen ausfüllen, um so der Einzugsstelle die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zu ermöglichen. Dass die Klägerin diesen vom Steuerberater erstellten Feststellungsbogen, welcher bei der Beklagten am 25.06.2004 eingegangen ist, vor der Unterschrift nicht durchgelesen haben will, ist für das Gericht angesichts der Tatsache, dass die Klägerin unter anderem auch mit kaufmännischen Büroarbeiten beschäftigt war und es zu den Pflichten einer sorgfältigen kaufmännischen Büroangestellten gehört, sich vor Unterschrift über den Inhalt eines Schriftstückes klar zu werden, nicht glaubhaft, zumal durch die Bescheide der Beklagten vom 19.08.2004 und der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit C., vom 01.09.2004 zeitnah das Gegenteil von dem, was nunmehr begehrt wird und was angeblich nie so gelebt wurde, festgestellt wurde. Selbst wenn die Klägerin den Feststellungsbogen, eingegangen bei der Beklagten am 25.06.2004, unterschrieben hat, ohne vom Inhalt Kenntnis zu nehmen, hat sie sich diese Angaben in dem genannten Feststellungsbogen rechtlich als zutreffend zurechnen zu lassen, da sie diese Erklärung mangels Anfechtungsgrund nicht anfechten bzw. sonst irgendwie rückgängig machen kann.

Dass die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit einen Lohn-/Gehaltsfortzahlungsanspruch bis zu sechs Wochen hatte und nach ihren Angaben im Feststellungsbogen, eingegangen bei der Beklagten am 25.06.2004, auch einen Urlaubsanspruch hatte, spricht nach Überzeugung des Gerichtes zwingend für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine selbstständige Tätigkeit. Beim Anspruch auf Urlaub handelt es sich nämlich um ein Recht, das im Regelfall Arbeitnehmern vorbehalten ist. Selbstständigen räumt das Gesetz vergleichbare Ansprüche gegenüber ihrem Vertragspartner nur im Ausnahmefall der hier nicht vorliegenden arbeitnehmerähnlichen Personen ein (vgl. § 2 BUrlG), sodass ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist (vgl. BSG SozR 3-2400, § 7 Nr. 19 S. 71). Auch die Tatsache, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand, ist ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung, da es sich bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall um ein typischerweise Arbeitnehmern vorbehaltenes Recht handelt und das Gesetz Selbstständigen vergleichbare Ansprüche gegenüber ihren Vertragspartnern nicht einräumt.

Der Umstand, dass die Klägerin Darlehensverträge mit unterzeichnet sowie Bürgschaften mit übernommen hat, ist zwar arbeitnehmeruntypisch, doch ist nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 16.12.2003, Az.: L 1 KR 110/02, veröffentlicht in Juris) die Gewährung eines Darlehens vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall ist auch zu berücksichtigen, dass die oben genannten Verpflichtungen von der Klägerin alle in der Zeit vor dem 01.04.1990 eingegangen wurden, und dass es weit verbreitete Praxis im Bankwesen ist, bei Krediten Bürgschaften der Ehepartner zu verlangen oder als Darlehensnehmer neben dem Betriebsinhaber auch dessen Ehepartner zu verpflichten, sodass sich aus den eingegangenen Routineverpflichtungen kein oder allenfalls ein leichtes Indiz für eine Selbstständigkeit bzw. gegen eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ergeben.

Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit bzw. gegen eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin ist ferner die Tatsache, dass die Klägerin und ihr Ehegatte in Zugewinngemeinschaft leben, da selbst für den Fall der Gütergemeinschaft nach §§ 1415 ff BGB und für den Fall, dass der Betrieb zum Gesamtgut gehört, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend ausgeschlossen ist.

Auch dass die Klägerin nach den vom Finanzamt L. übersandten Einkommenssteuerbescheiden für 1990, 1991, 1993-2004 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielte und lediglich ihr Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb, stellt einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Klägerin ab 01.04.1990 bei ihrem Ehemann in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Für letzteres spricht auch, dass die Klägerin ausweislich der beigezogenen Akte der Beigeladenen zu 1) am 17.10.2005 im Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksich-tigungszeiten wegen Kindererziehung angegeben hat, dass sie nicht selbstständig tätig war.

Außerdem spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin in der Zeit vom 28.02.2002 bis 17.03.2002 arbeitsunfähig war und Krankengeld bezogen hat. Die Klägerin hat daher zu Lasten der Solidargemeinschaft Leistungen erhalten, die zur Voraussetzung hatten, dass sie als abhängig Beschäftigte beitragspflichtig zur gesetzlichen Krankenversicherung gewesen ist. Das Klageziel der Klägerin, für den streitgegenständlichen Zeitraum als Selbstständige beurteilt zu werden, das heißt auch für die Zeit vor dem Bezug des Krankengeldes, steht hierzu in einem krassen Widerspruch.

Auch die Tatsache, dass die Klägerin zum 01.04.1990 bei der Beklagten als Arbeitnehmerin mit dem Tätigkeitsschlüssel 781-Bürofachangestellte- angemeldet wurde und die aus dieser Anmeldung resultierenden monatlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge stets ohne Widerspruch entrichtet wurden, spricht eindeutig für ein abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei ihrem Ehemann.

Nach alledem überwiegen die Umstände, Anhaltspunkte, Merkmale und Indizien, die für eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin in der Zeit ab 01.04.1990 bei ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 3), sprechen, bei weitem die, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, sodass die Klage für die Zeit ab 01.04.1990 als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher gehört wurden.

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Rechtskraft
Aus
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