L 16 R 1523/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 RA 6530/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1523/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von Regelaltersrente.

Der am 1923 in Prag geborene Kläger gehört als Jude zum Personenkreis der rassisch Verfolgten im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz. Er lebt seit 1968 in den N und besitzt seit 1974 die n Staatsbürgerschaft. Er besuchte nach seinen Angaben bis 1941 die Schule, bevor er aufgrund der nationalsozialistischen Einflussnahme gezwungen gewesen sei, im so genannten Protektorat B und M in der Landwirtschaft zu arbeiten. Vom 27. November 1942 bis zum 18. Dezember 1943 habe er sich im Ghetto Theresienstadt (Terezin), vom 18. Dezember 1943 bis zum 01. Juli 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und vom 01. Juli 1944 bis zum 15. April 1945 im Konzentrationslager Schwarzheide aufgehalten (vgl. Fragebogen des Klägers bei der Claims Conference – CC – vom 03. Februar 1993 und Auskunft des Internationalen Suchdienstes – ITS - vom 19. März 2004). Am 08. Mai 1945 wurde der Kläger in Theresienstadt befreit.

Im Juni 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) und machte dabei eine Beitragszeit im Ghetto Theresienstadt vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 geltend. Er sei in dem angegebenen Zeitraum durchschnittlich 12 Stunden täglich in der Landwirtschaft, als Transporthilfe, an Schießständen und beim Anlegen eines Feuerlöschteiches für die deutsche Armee beschäftigt gewesen; die Entlohnung sei durch Lebensmittel und "Ghettogeld" erfolgt.

Der - bis August 1968 in der früheren Tschechoslowakei lebende - Kläger bezieht vom Sozialversicherungsträger der Tschechischen Republik seit dem 01. Mai 1993 eine Altersrente, der als Versicherungszeiten auch die Zeiten vom 30. November 1942 bis zum 05. Mai 1945 als "Widerstandstätigkeit" zugrunde liegen (Auskunft des tschechischen Sozialversicherungsträgers vom 09. März 2004).

Mit Bescheid vom 22. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 lehnte die Beklagte eine "Zahlung" von Altersrente nach dem ZRBG ab mit der Begründung, dass für die geltend gemachte Zeit im Ghetto Theresienstadt bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit, nämlich vom tschechischen Versicherungsträger, erbracht werde. Ob die geltend gemachte Beitragszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anrechenbar sei, könne dahinstehen, weil selbst bei einer entsprechenden Berücksichtigung mangels Vorliegens von Bundesgebiets-Beitragszeiten eine Zahlung der Rente ins Ausland nicht in Betracht komme.

Mit seiner Klage hat der Kläger eine Auskunft des tschechischen Ministeriums für Arbeit und Soziales vom 01. Juni 2004 vorgelegt. Das Ministerium teilt darin mit, dass die Berücksichtigung der in Rede stehenden "Widerstandstätigkeit" auf der gemäß dem Gesetz Nr. 255/1946 ausgestellten Bescheinigung des Verteidigungsministeriums beruht, auf deren Erteilung allerdings kein einklagbarer Anspruch bestehe. Die Zeiten der "Widerstandstätigkeit" hätten im Rahmen der Rentenversicherung den Charakter von "Ersatzzeiten" bzw. "Ersatzzeiten der Rentenversicherung", vergleichbar beispielsweise den Zeiten der Wehrdienste in den am Befreiungskampf beteiligten Streitkräften. Ob während dieser Zeiten irgendeine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei, sei deshalb unerheblich. Die sich hieraus für die Begünstigten ergebenden Rentenvorteile würden keine Rentenansprüche "in reiner Gestalt" darstellen, sondern hätten den Charakter einer Entschädigungsleistung.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 15. August 2005 die auf Zahlung von Altersrente gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Regelaltersrente gegen die Beklagte, weil er keine Bundesgebiets-Beitragszeiten zurückgelegt habe. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf Anerkennung der in Rede stehenden Zeit vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 als Beitragszeit nach dem ZRBG. Dieses Gesetz sei auf ihn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG schon deshalb nicht anwendbar, weil für die geltend gemachten Zeiten bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werde. Die in Rede stehende Zeit habe schon der tschechische Versicherungsträger im Rahmen der seit 1993 an den Kläger gewährten Rente als Ersatzzeit berücksichtigt. Die tschechische Rentenversicherung sei ein System der sozialen Sicherheit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 ZRBG. Die in Rede stehende Zeit sei als Zeit der "Widerstandstätigkeit" in Gestalt einer Ersatzzeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden (§ 9 Abs. 1c des tschechoslowakischen Gesetzes Nr. 100/1988 über die Soziale Sicherung). Dass der Kläger auf die vom Verteidigungsministerium auszustellende Bescheinigung keinen Rechtsanspruch gehabt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Widerstandszeit sei bei ihm tatsächlich anerkannt und im Rahmen der Rentenberechnung auch berücksichtigt worden. Auch eine Ersatzzeit stelle eine Zeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZRBG dar. Es reiche hierfür aus, wenn die geltend gemachte Ghetto-Beitragszeit auf die Rentenberechnung Einfluss genommen habe. Dem ZRBG sei nicht zu entnehmen, dass diese Ausschlusswirkung nur dann eingreife, wenn die geltend gemachten Ghetto-Beitragszeiten auch in dem anderen System der sozialen Sicherung als Beitragszeiten abgegolten würden. Dies folge auch aus der Gesetzesbegründung. Danach sollten Leistungen aufgrund des ZRBG nicht gezahlt werden, wenn die Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto bereits in einer Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Staates enthalten seien. Damit solle eine Doppelleistung für denselben Sachverhalt ausgeschlossen werden (Verweis auf BT-Drucks 14/8583 Besonderer Teil zu § 1). Hieraus folge, dass jegliche Berücksichtigung von Ghetto-Zeiten im Ausland einer Leistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entgegenstehe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG komme die beschriebene Ausschlusswirkung in § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZRBG nur dann zum Tragen, wenn die Ghetto-Zeit bereits in einem anderen System der sozialen Sicherheit als Beitragszeit berücksichtigt werde. Die bloße Anerkennung von Ersatzzeiten reiche insoweit für eine Abgeltung der Ghetto-Beitragszeiten nicht aus. Im Übrigen verstoße es gegen Regelungen des zwischenstaatlichen Rechts, wenn die "schwachen" tschechischen Widerstands- und Ersatzzeiten die "starken" deutschen Ghetto-Beitragszeiten verdrängen würden. Er sei im Ghetto Theresienstadt auch entgeltlich und aufgrund eines freien Willensentschlusses beschäftigt gewesen. Der Kläger hat ferner ein im Auftrag des SG Hamburg erstelltes historisches Sachverständigengutachten zum Ghetto Theresienstadt von Prof. Dr. G vom 26. April 2006 vorgelegt; hierauf wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ab 01. Juli 1997 Regelaltersrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Im Übrigen seien die vom Kläger in Bezug genommenen zwischenstaatlichen Vorschriften der Europäischen Union (EU) vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger Bundesgebiets-Beitragszeiten gar nicht zurückgelegt habe.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 153, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Regelaltersrente für die Zeit ab 01. Juli 1997 (vgl. zum frühesten Rentenbeginn § 3 Abs. 1 Satz 1 ZRBG). Er hat keine in das Ausland zahlbaren rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt.

Da der Kläger keine Beitragszeiten zurückgelegt hat, für die Beiträge nach Bundesrecht nach dem 08. Mai 1945 gezahlt worden sind bzw. auch keine diesen im Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) gleichgestellten Beitragszeiten (Bundesgebiets-Beitragszeiten; vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), kommt nach den Auslandszahlungsvorschriften (vgl. § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) die Zahlung einer Regelaltersrente an den Kläger von vornherein nur in Betracht, wenn er die in Rede stehenden Ghetto-Beitragszeiten vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 zurückgelegt hätte. Denn Ghetto-Beitragszeiten sind auch als Nicht-Bundesgebiets-Beitragszeiten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG in das Ausland zahlbar; die genannte Vorschrift hebt die in § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vorgesehene Auslandszahlungssperre für den besonderen Personenkreis der Verfolgten des Nationalsozialismus, die unter den Bedingungen eines Ghettos beschäftigt waren, auf (vgl. BSG, Urteil vom 03. Mai 2005 – B 13 RJ 34/04 R – veröffentlicht in juris). Mit den ZRBG sollten die im Rentenversicherungsrecht durch nationalsozialistisches Unrecht eingetretenen Schäden insoweit ausgeglichen werden, als der typischerweise im Ausland lebende betroffene Personenkreis in Zukunft unabhängig von seinem Wohnsitz über die ihm zustehenden Leistungen auch verfügen können sollte (vgl. BSG aaO).

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Ghetto-Beitragszeit des Klägers in dem geltend gemachten Zeitraum vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens aber nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. § 1 Abs. 2 ZRBG i. V. mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung – WGSVG -) feststellbar. Damit kann auch dahinstehen, ob der Kläger, der am 08. Mai 1988 sein 65. Lebensjahr vollendet hatte, unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten im Sinne von § 250 SGB VI die Wartezeit von fünf Jahren für einen Anspruch auf Regelaltersrente nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt. Denn nur mit (etwaigen) Ersatzzeiten besteht kein Rentenanspruch, wenn nicht zumindest eine Beitragszeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 13 RJ 59/03 R = SozR 4-5050 § 15 Nr. 1 mit weiteren Nachweisen).

Nach § 1 Abs. 1 ZRBG gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten – wie den Kläger - in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird. Das Gesetz knüpft damit erkennbar an die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Dies ergibt sich auch aus der hierzu vorliegenden Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/8583, S. 1, 6; 14/8602, S. 1, 5), wonach dieses Gesetz ausdrücklich in Reaktion und Akzeptanz der Rechtsprechung des BSG verabschiedet worden ist, um die daraus resultierenden Rentenansprüche ins Ausland zahlbar zu machen (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 RJ 66/95 = BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; BSG, Urteil vom 21. April 1999 – B 5 RJ 48/98 R = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; BSG, Urteil vom 23. August 2001 – B 13 RJ 59/00 R = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17). Es reicht dabei nicht aus, wenn überhaupt ein irgendwie geartetes und sei es noch so geringes Entgelt gezahlt worden ist. Vielmehr muss neben der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung ein Entgelt mindestens in der Höhe gezahlt worden sein, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen konnte (vgl. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 13 RJ 59/03 R –). Eine Entgeltlichkeit der von dem Kläger behaupteten Beschäftigung vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 im Ghetto Theresienstadt war im vorgenannten Sinne nicht feststellbar. Der Kläger hat zwar in seinem Antrag auf Gewährung von Rente nach Maßgabe des ZRBG vorgetragen, die Entlohnung sei durch Lebensmittel und "Ghettogeld" erfolgt. Dies alleine rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines hinreichenden, d. h. angemessenen Entgeltes für die geleistete Arbeit. Angemessen kann auch unter den Verhältnissen des Ghettos nur ein Entgelt gewesen sein, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen konnte, d. h. keine geringfügigen Entlohnungen, die lediglich zur minimalen Überlebenssicherung geeignet waren und somit letztlich als freie Unterhaltsgewährung anzusehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004 – B 13 RJ 59/03 R –). Der Kläger hat zu Art und Höhe des von ihm bezogenen "Ghettogeldes" keine weitergehenden Angaben gemacht, sondern lediglich auf das von ihm vorgelegte Gutachten von Dr. G vom 26. April 2006 verwiesen. Dieses Gutachten mag zwar die allgemeinen und historisch belegten Lebens- und Arbeitsverhältnisse im Ghetto Theresienstadt erhellen, ersetzt jedoch nicht die Glaubhaftmachung im konkreten Einzelfall, dass der Kläger tatsächlich für die von ihm benannten Arbeitseinsätze ein Entgelt bezogen hatte, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung hätte begründen können. Aus dem Gutachten ergibt sich zudem, dass im Ghetto Theresienstadt in den ersten eineinhalb Jahren des Bestehens des Ghettos die unmittelbare Gegenleistung für geleistete Arbeit lediglich in einer Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs bestand. Erst im Mai 1943 kam das so genannte Ghettogeld in Form von Quittungsscheinen in Umlauf. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G blieb aber auch nach Einführung der Quittungsscheine das Bezugsscheinsystem erhalten, während mit dem so genannten Ghettogeld allein nur in sehr geringem Umfang "etwas gekauft" werden konnte. Die Angabe des Klägers zum Ghettogeld im Antragsformular, in dem der Begriff des "Ghettogeldes" bereits vordruckmäßig enthalten ist, vermag jedenfalls die Entgeltlichkeit seiner Arbeitseinsätze schon deshalb nicht hinreichend glaubhaft zu machen, weil dieses – nicht substantiierte – Vorbringen mit den tatsächlichen Verhältnissen im Ghetto Theresienstadt in dem gesamten streitigen Zeitraum von Dezember 1942 bis Dezember 1943 nicht in Einklang zu bringen ist.

Unabhängig davon, ob die in Rede stehenden Arbeitseinsätze des Klägers im Ghetto Theresienstadt gegen Entgelt ausgeübt wurden, ist überdies bereits nicht glaubhaft gemacht, dass die jeweiligen Arbeitseinsätze Ausfluss von auf dem freien Willensentschluss des Klägers beruhenden zweiseitigen und auf den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeit gegen Entgelt) gerichteten Vereinbarungen waren. Allein die Verrichtung von Arbeitseinsätzen im Ghetto reicht hierfür nicht aus. Vielmehr ist die Frage, ob im Einzelfall ein freies oder unfreies Beschäftigungsverhältnis begründet worden ist, nicht nach den sonstigen Lebensumständen im Ghetto, unter denen der Beschäftigte leben musste, zu beantworten, sondern danach, ob es "frei" im Sinne eines aus eigenem Antrieb begründeten Vertragsschlusses war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 RJ 66/95 –; Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 RJ 68/95 = ZfS 1998, 19). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lassen sich indes keine hinreichenden Feststellungen dahingehend treffen, dass die von dem Kläger angeführten Arbeitseinsätze im Ghetto Theresienstadt Ausfluss "freier" Beschäftigungsverhältnisse im dargelegten Sinne waren. Eine Entschädigungsakte existiert für den Kläger nicht. Seine Angaben gegenüber der CC vom 03. Februar 1993 ergeben diesbezüglich nichts Sachdienliches; vielmehr spricht der Kläger hier von "Zwangsarbeit" (forced labour) im Ghetto Theresienstadt. Weitere Beweismittel, die Aufschluss über Art und Begleitumstände der vom Kläger geltend gemachten Beschäftigungen im Ghetto Theresienstadt hätten bringen können, liegen nicht vor. Dass dem Kläger, wie von ihm vorgetragen wird, die Arbeitseinsätze durch den jüdischen Ältestenrat des Ghettos vermittelt wurden, reicht nicht aus, um auf eigenem Willensentschluss beruhende Beschäftigungen bejahen zu können, zumal auch der Gutachter Dr. G einen "Arbeitszwang" im Ghetto Theresienstadt beschreibt, bei dem die Bewohner formal keine Entscheidungsfreiheit über die Arbeitsaufnahme hatten. Die Wahlfreiheit im Bezug auf die Art der auszuführenden Arbeitseinsätze war nach den Ausführungen in diesem Gutachten ebenfalls sehr eingeschränkt.

Ungeachtet dessen, dass eine Beschäftigung des Klägers im dargelegten Sinne im Ghetto Theresienstadt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht feststellbar war, steht einer Anwendung des ZRBG im Übrigen entgegen, dass der Kläger für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erhält (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG). Als System der sozialen Sicherheit ist jedes System anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen wurden, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen zu sichern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ZRBG). Der Kläger bezieht vom tschechischen Sozialversicherungsträger seit dem 01. Mai 1993 laufend eine Altersrente, deren Wert sich u. a. aus den für den vorliegend streitigen Zeitraum anerkannten Ersatzzeiten errechnet. Bei dem tschechischen Rentenversicherungssystem handelt es sich um ein System der sozialen Sicherheit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 ZRBG. Es beruht auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit und sieht wiederkehrende Leistungen für den Fall des Alters vor. Die Zeit vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 liegt der tschechischen Altersrente des Klägers als so genannte Widerstandstätigkeit zugrunde (Auskunft des tschechischen Sozialversicherungsträgers vom 09. März 2004), und zwar nach § 9 Abs. 1c des tschechoslowakischen Gesetzes Nr. 100 vom 16. Juni 1988 über die Soziale Sicherung. Nach der genannten Vorschrift wurden bei einer mindestens einjährigen Beschäftigungsdauer Zeiten der Widerstandstätigkeit einschließlich der Haft (Internierung) aus politischen, nationalen oder rassischen Gründen als Ersatzzeit berücksichtigt. Zu den Zeiten der Widerstandstätigkeit und der Inhaftierung gehören u. a. Zeiten in nationalsozialistischen Gefängnissen, Zuchthäusern oder Konzentrationslagern in der Zeit vom 01. Oktober 1938 bis zum 05. Mai 1945 sowie allgemein Zeiten der Gefangenschaft im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen (vgl. § 5 Abs. 1 f und h der Kundmachung Nr. 149/1988). Der Kläger war auch im Besitz einer nach dem tschechoslowakischen Gesetz Nr. 255/1946 ausgestellten Bescheinigung über die "Widerstandstätigkeit". Die genannten Vorschriften sind bei der tschechischen Rentenberechnung angewendet worden, weil die dortige Rente des Klägers vor dem 01. Januar 1996 begann. Die insoweit vom tschechischen Rentenversicherungsträger berücksichtigten Ersatzzeiten wirken auch rentensteigernd (vgl. § 10 des Gesetzes Nr. 100/1988). Ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf die Bescheinigung seiner "Widerstandstätigkeit" nach dem Gesetz Nr. 255/1946 hatte, ist ohne Belang. Denn er hat diese Bescheinigung tatsächlich erhalten und die vorliegend streitgegenständliche Zeit ist tatsächlich auch als Ersatzzeit bei der Berechnung seiner tschechischen Regelaltersrente berücksichtigt worden. Damit ist eine zusätzliche Berücksichtigung als Ghetto-Beitragszeit im Sinne des ZRBG nicht möglich, weil durch die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZRBG Doppelleistungen für denselben Sachverhalt ausgeschlossen werden sollten (vgl. so auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/8583, Besonderer Teil zu § 1 ZRBG). Somit kommt ein Leistungsausschluss nicht nur dann zum Tragen, wenn die Ghetto-Zeiten in einem anderen System der sozialen Sicherheit bereits als Beitragszeit berücksichtigt worden sind, sondern schlechterdings in jedem Fall, in dem diese Zeiten in einem anderen Sozialversicherungssystem bereits leistungsrechtlich abgegolten werden. Folgerichtig spricht § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZRBG nicht von Beitragszeiten, sondern allgemein von "Zeiten" bei denen es sich nur um die Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, wie sie im Eingangssatz der Vorschrift genannt sind, handeln kann. Das eine Berücksichtigung als deutsche Beitragszeit wirtschaftlich günstiger wäre, ist dabei unerheblich. Denn auf eine Günstigkeits- oder Vergleichsberechnung stellt das ZRBG, das letztlich eine Lücke im Recht der Wiedergutmachung schließen wollte, ersichtlich nicht ab. Auch aus den vom Kläger in Bezug genommenen zwischenstaatlichen, insbesondere europarechtlichen, Vorschriften kann schon deshalb keine andere Beurteilung folgen, weil diese zwischenstaatlichen Vorschriften regelmäßig voraussetzen, dass der Kläger in Deutschland Versicherungszeiten zurückgelegt hat. Dies ist aber – wie dargelegt – gerade nicht der Fall. Von den deutschen Zeiten sind nach zwischenstaatlichem Recht nur Beitrags-, Kindererziehungs- und Ersatzzeiten im Rahmen von Artikel 45 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, verwertbar. Die vom Kläger in Bezug genommenen Verdrängungsregeln setzen gerade das Vorhandensein derartiger Zeiten in Deutschland voraus, über die der Kläger jedoch nicht verfügt.

Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Zeit als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit gemäß den §§ 15, 16 FRG scheidet ungeachtet dessen, dass diese Zeiten mangels Vorliegens einer Bundesgebiets-Beitragszeit ohnehin nicht in das Ausland zahlbar wären, bereits deshalb aus, weil eine Beschäftigung bzw. Beschäftigungen des Klägers in der Zeit vom 01. Dezember 1942 bis zum 18. Dezember 1943 – wie ausgeführt – nicht glaubhaft gemacht sind. Das Vorliegen einer Reichsgebiets-Beitragszeit (vgl. § 254d Abs. 1 Nrn. 5 – 7 SGB VI) ist schon deshalb nicht möglich, weil die von dem Kläger behaupteten Beschäftigungen im Ghetto Theresienstadt nicht unter Geltung von Reichsrecht ausgeführt wurden. Da das Ghetto Theresienstadt im so genannten Protektorat B und M lag, scheidet eine Beitragszahlung an einen deutschen Rentenversicherungsträger schon deshalb aus, weil in den Gebieten des "Protektorats" anders als im eingegliederten Sudetenland die Reichsversicherungsgesetze nicht galten, außer bei Bediensteten der Behörden und Dienststellen des Reichs (Verordnung vom 30. August 1939 – RGBl. I S. 1737) bzw. bei deutschen Staatsangehörigen (Verordnung vom 04. August 1941 – RGBl. I S. 486). Der Kläger zählt nicht zu diesem Personenkreis.

Da für den Kläger somit im Ergebnis keine auf die erforderliche Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten vorliegen, scheiden sowohl ein Anspruch auf Regelaltersrente dem Grunde nach als auch dessen Zahlbarmachung in das Ausland aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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