L 12 RA 123/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 3395/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 123/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Während eines "Europäischen Freiwilligendienstes" besteht kein Anspruch auf Waisenrente
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin die Zahlung einer Hinterbliebenenrente für die Zeit von August 2003 bis August 2004 beanspruchen kann.

Die Beklagte gewährte der 1983 geborenen Klägerin nach dem Tod ihres bei der Beklagten versicherten, 2001 verstorbenen Vaters mit Bescheid vom 17. April 2002 Halbwaisenrente für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Juli 2003 in Höhe von 237,81 EUR monatlich; die Befristung beruhte auf der Annahme, dass die Klägerin bis zum Juli 2003 die Schule (Gymnasium) besuchen werde.

Nach einem Hinweis der Beklagten vom 9. Juli 2003, dass sie die Zahlung der Waisenrente mit Ende Juli 2003 vorerst aufgrund der Beendigung der Schulausbildung eingestellt habe, über-sandte die Klägerin eine Bescheinigung der S "B" des D R K, wonach sie vom 1. September 2003 bis voraussichtlich zum 31. August 2004 "im Rahmen des EU-Aktionsprogramms JUGEND-Aktion 2 einen Europäischen Freiwilligendienst" ableisten werde. Entsendeorganisation sei die D "B" in B, Aufnahmeorganisation das B R K in L.

Nachdem die Beklagte daraufhin mit Brief vom 1. August 2003 mitgeteilt hatte, dass während der Teilnahme am "Europäischen Freiwilligendienst für junge Menschen" kein Anspruch auf Waisenrente bestehe, erwiderte die Klägerin, dass sie umgehend "Leistungsklage sowie beglei-tend einen Antrag auf Halbwaisenrente stellen (werde)", falls die Beklagte nicht bis zum 25. August 2003 mitteile, ob sie ihrer Leistungspflicht nachkommen werde. Sie bitte um eine bal-dige rechtsbehelfsfähige Entscheidung. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. September 2003 die Gewährung einer Waisenrente über den 31. Juli 2003 hinaus ab, da die Klägerin kein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr ableiste.

2003 schloss die Klägerin mit der S "B" des D R K eine Vereinbarung über die Ableistung eines Europäischen Freiwilligendienstes, wonach sich die Klägerin bereit erklärte, in der Zeit vom 1. September 2003 bis 31. August 2004 einen anerkannten Europäischen Freiwilligendienst abzuleisten, für dessen Durchführung die Bestimmungen für das EU-Aktionsprogramm in seiner jeweiligen Fassung gelten würden. Den am 30. September 2003 bei ihr eingegangenen Widerspruch der Klägerin gegen die Entscheidung vom 4. September 2003, zu dessen Begründung die Klägerin ausführte, dass ihre Tätigkeit für den Europäischen Freiwilligendienst für junge Menschen dem freiwilligen sozialen Jahr gleichzustellen sei, wies die Beklagte, der die S"B" des DR K fernmündlich mitgeteilt hatte, "dass doch jeder (wisse), dass es sich beim Europäischen Freiwilligendienst nicht um ein freiwilliges soziales Jahr handele", mit – der Klägerin in E bekanntgegebenem – Widerspruchsbescheid vom 11. März 2004 zurück.

Die Klägerin hat am 9. Juni 2004 Klage erhoben.

Die S "B" des D R K hat dem Sozialgericht mitgeteilt, dass die Klägerin einen Europäischen Freiwilligendienst leiste, der ein ähnlicher Dienst wie das freiwillige soziale Jahr sei, allerdings "über die EU und nicht über das BM/FSFJ gefördert (werde)".

Durch Urteil vom 15. November 2004 hat das Sozialgericht die Beklagte "unter Aufhebung des Bescheides vom 4. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2004 verurteilt, der Klägerin für August 2003 bis August 2004 Halbwaisenrente zu gewähren"; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit weder eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert noch ein freiwilliges ökologisches Jahr geleistet habe. Bei dem Europäischen Freiwilligendienst handele es sich auch nicht um ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, wie sich eindeutig aus der Antwort der S "B" des D R K vom 5. Juli 2004 ergebe. Jedoch sei die Kammer der Ansicht, dass die Ähnlichkeit zwischen dem Europäischen Freiwilligendienst einerseits und dem freiwilligen sozialen Jahr andererseits so ausgeprägt sei, dass es gerechtfertigt erscheine, im Lichte einer verfassungskonformen Auslegung des § 48 Abs. 4 Nr. 2a des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VI) davon auszugehen, dass auch der Europäische Freiwilligendienst zu einer Verlängerung der Bezugsdauer von Halbwaisenrente führe. Vor dem Hindergrund des Beschlusses Nr. 1686/98/EG des Europäischen Parlamentes vom 20. Juli 1998 sei die Kammer davon überzeugt, dass § 48 Abs. 4 Nr. 2a SGB VI eine planwidrige Lücke enthalte, soweit er den Europäischen Freiwilligendienst nicht erwähne. Diese könne im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift dahin geschlossen werden, dass auch dieser Dienst unter den Anwendungsbereich der Vorschrift subsumiert werde. Für die Zeiträume ab September 2004 sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin weiter die Voraussetzungen für die Gewährung einer Halbwaisenrente erfülle; sofern sich das Begehren der Klägerin auch auf diese Zeiträume erstrecken sollte (wovon die Kammer ausgegangen sei), sei die Klage abzuweisen.

Gegen das ihr am 23. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Dezember 2004 eingelegte Berufung der Beklagten, die zur Begründung ausführt, dass eine vom Gesetzgeber nicht gewollte gesetzliche Lücke nicht anzunehmen sei. Durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 sei der Europäische Freiwilligendienst für das Einkommensteuerrecht und das Kindergeldrecht dem freiwilligen sozialen und dem freiwilligen ökologischen Jahr ausdrücklich gleichgestellt worden. Danach könne nicht von einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgegangen werden, so dass eine entsprechende Anwendung des § 48 Abs. 4 Nr. 2a SGB VI auf eine Waise, die einen Europäischen Freiwilligendienst leiste, ausscheide. Auch bei der Neufassung des § 48 Abs. 4 SGB VI durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung sei der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht auf Teilnehmer am Europäischen Freiwilligendienst erweitert worden. Im Übrigen bestünden zwischen diesem Dienst und dem freiwilligen sozialen und dem freiwilligen ökologischen Jahr Unterschiede; insbesondere seien die Helfer im freiwilligen sozialen oder freiwilligen ökologischen Jahr im Gegensatz zu den Teilnehmern eines Europäischen Freiwilligendienstes versicherungspflichtig in der Rentenversicherung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet. Durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 sei der Europäische Freiwilligendienst dem freiwilligen sozialen Jahr gleichgestellt worden. Dass dabei die Waisenrente nicht ausdrücklich genannt worden sei, stelle eben jene "nicht gewollte Lücke" dar, die das Sozialgericht festgestellt habe.

Beide Beteiligte haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte (3 Bände), die Gegenstand der Beratung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligte erklärt haben, dass sie damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 SGG) Berufung der Beklagten, über die anstelle des nicht mehr bestehenden Landessozialgerichts Berlin das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat, auf das das Verfahren gemäß Artikel 28 des Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, indem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist, ist begründet.

Die Klägerin kann von der – seit dem 1. Oktober 2005 unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung Bund" fortgeführten (§ 1 Satz 1 des als Artikel 82 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung [RVOrgG] vom 9. Dezember 2004 [BGBl. I S. 3242] verkündeten Gesetzes zur Errichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) – Beklagten die Gewährung einer Halbwaisenrente für die Zeit von August 2003 bis August 2004 nicht verlangen.

Sowohl nach der bis zum 31. Juli 2004 wie auch nach der ab dem 1. August 2004 geltenden Fassung des § 48 Abs. 4 SGB VI hat Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente (nur), wer sich nach Vollendung des 18. Lebensjahres, aber vor Beginn des 28. Lebensjahres in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leistet oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten oder – nach der ab dem 1. August 2004 geltenden Fassung – sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet. All diese Voraussetzungen sind – wie auch das Sozialgericht zutreffend erkannt hat und auch die Klägerin einräumt – hier nicht erfüllt.

Insbesondere hat die Klägerin kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes über die Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) geleistet. Zwar erscheint vor dem Hintergrund, dass ein freiwilliges soziales Jahr auch im Ausland geleistet werden kann (§ 3 Abs. 1 FSJG) denkbar, dass sie die von ihr ausgeübte Tätigkeit auch als freiwilliges soziales Jahr hätte leisten können; geschehen ist dies allerdings nicht, wobei der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu klären hat, worauf dies zurückzuführen ist.

Jedenfalls hat die Klägerin ihre Tätigkeit im Rahmen und in der Form des "Europäischen Freiwilligendienstes" erbracht. Grundlage dieses Dienstes ist der Beschluss Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend" (ABl. Nr. L 117 vom 18 Mai 2000, S. 1), der – anders als das Gesetz zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres – keine oder nur wenig detaillierte Bestimmungen insbesondere über die Durchführung des Dienstes und begleitende pädagogische Bildungsmaßnahmen (vgl. §§ 2 Abs. 3 und 3 Abs. 2 FSJG) oder Träger (vgl. § 5 FSJG) enthält. Regelungen über die (Weiter-)Leistung einer Hinterbliebenenrente trifft dieser – ohnehin rechtlich unverbindliche – Beschluss gleichfalls nicht, der lediglich vorsieht, "dass die jungen Freiwilligen einer Krankenversicherung wie auch anderen einschlägigen Versicherungen angeschlossen sind" (Anhang, Aktion 2). Angesichts der unterschiedlichen Grundlagen und – zumindest teilweisen – Ausgestaltung ist es ausgeschlossen, den Europäischen Freiwilligendienst in ein freiwilliges soziales Jahr "umzudeuten".

Der Umstand, dass der von der Klägerin geleistete "Europäische Freiwilligendienst" einem freiwilligen sozialen Jahr im Sinne des Gesetzes über die Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres "ähnlich" ist – und sie womöglich die von ihr ausgeübte Tätigkeit auch als freiwilliges soziales Jahr hätte leisten können – führt nicht dazu, dass dieser Dienst für den Anspruch auf Waisenrente einem freiwilligen sozialen Jahr i.S.d. § 48 Abs. 4 SGB VI gleichsteht oder mittels einer "lückenausfüllenden Auslegung" gleichzustellen ist. Insbesondere ist nicht erkennbar – und vom Sozialgericht nicht begründet worden –, weshalb die (vermeintliche) Lücke "planwidrig" wäre. Gegen die Annahme einer "planwidrigen" Lücke, die das Gericht ausfüllen dürfte, spricht die ausdrückliche Beschränkung auf die freiwilligen Jahre "im Sinne des (jeweils einschlägigen) Gesetzes" (und in offensichtlicher Kenntnis, dass es daneben weitere Freiwilligendienste gibt) sowie insbesondere die Entscheidung des Gesetzgebers, durch das Gesetz zur Förderung der Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2552; s. auch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 [BGBl. I S. 2074]) u.a. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes (EStG) dahin neu zu fassen, dass nunmehr für die Gewährung von Kindergeld auch ein Kind berücksichtigt wird, das einen Europäischen Freiwilligendienst leistet.

Es ist nicht ohne weiteres zu unterstellen – und spricht auch nichts dafür –, dass der Gesetzgeber dabei die Regelungen über die Voraussetzungen für die Gewährung von Waisenrenten "übersehen" haben könnte, die gleichfalls Gegenstand rechtspolitischer Erörterungen bzw. Forderungen waren (vgl. dazu die auf eine Tagung des Zentrums für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen im April 1999 zurückgehenden Beiträge von R. Schuler, Der arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Status von Teilnehmern am Europäischen Freiwilligendienst für Jugendliche, ZFSH/SGB 1999, 717 [721, 723]; H.-G. Wicke, Zur Situation des Europäischen Freiwilligendienstes in der Bundesrepublik Deutschland, sowie R. Schuler, Der arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Status von Teilnehmern am Europäischen Freiwilligendienst für Jugendliche, beide in: K. Sieveking [Hrsg.], Europäischer Freiwilligendienst für Jugendliche: Statusfragen und rechtspolitische Probleme [2000], S. 77 bzw. 154 bzw. dies., On the Situation of European Voluntary Service in the Federal Republic of Germany, und Concept of European Voluntary Service and the Status of Young Volunteers in Terms of Labour, Social and Tax Law, in: K. Sieveking (ed.), European Voluntary Service for Young People: Questions of Status and Problems of Legal Policy [2001], pp. 126 and 208; K. Sieveking, Der Europä-ische Freiwilligendienst – eine neue Statuspassage zwischen Schule, Ausbildung und Beruf, RdJB 2000, 203 [212 f.]).

Vielmehr sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ohnehin weiter als die für die Gewährung von Waisenrenten. So wird Kindergeld auch für ein Kind gewährt, das das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat und arbeitslos ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG); Anspruch auf Waisenrente besteht in diesen Fällen nicht! Der Gesetzgeber ist auch nicht von Verfassung wegen verpflichtet, entsprechende Regelungen im Rentenrecht einzuführen (vgl. bereits Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. März 1981 – 11 RA 12/80).

Diese unterschiedlichen Regelungen lassen sich auf die unterschiedlichen Funktionen von Kindergeld und Waisenrente zurückführen. Während das Kindergeld neben der Entlastung der El-tern bei der Gewährung des von ihnen zu leistenden Unterhalts auch zur "Familienförderung" beitragen soll, dient die Waisenrente nicht der Förderung der Ausbildung junger Menschen oder anderer sozial wertvoller Beschäftigungen und Tätigkeiten, sondern soll den Unterhalt (teilweise) ersetzen, den sonst der verstorbene Versicherte geleistet hätte bzw. hätte leisten müssen. Einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterhalt gegen ihren Vater für die Zeit ihres Freiwilligendienstes hätte die volljährige Klägerin aber nicht gehabt (so zum freiwilligen sozialen Jahr OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. März 1994 – 5 UF 210/91 –, NJW-RR 1994, 1225), sofern angesichts dessen, dass der Klägerin während ihres Freiwilligendienstes augenscheinlich freie Unterkunft und Verpflegung gewährt wurde und sie auch ein Taschengeld erhielt, überhaupt ein Unterhaltsbedarf bestanden haben sollte. Deshalb ist auch kein Unterhalt durch Gewährung einer Waisenrente zu ersetzen.

Dass – über die eigentliche Funktion der Waisenrente hinausgehend und ungeachtet dessen, dass in diesen Fällen ein Unterhaltsbedarf nicht bestehen dürfte – Waisenrente auch an Waisen für die Zeit eines freiwilligen sozialen oder freiwilligen ökologischen Jahr geleistet wird, ist eine nicht gebotene, aber von seiner Gestaltungsfreiheit gedeckte Entscheidung des Gesetzgebers, der dadurch aber – auch von Verfassung wegen – nicht verpflichtet ist, diese Vergünstigung auf andere Personen, die "freiwillig" im eigentlichen Wortsinn, d.h. aufgrund eines eigenen Entschlusses, einen "ähnlichen", aber eben "anderen" Dienst leisten, zu erstrecken (so bereits zum Kindergeld vor der Änderung durch das Gesetz zur Familienförderung Hessisches FG, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 K 4079/96 –, EFG 1998, 374 sowie FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. August 2001 – 2 K 2933/00 –).

Bislang hat auch – soweit ersichtlich – mit Ausnahme des Vordergerichts kein (anderes) Gericht entschieden, dass nach der geltenden Rechtslage Waisenrente auch für die Zeit eines "Europäischen Freiwilligendienstes" zu leisten wäre (ablehnend SG Duisburg, Urteil vom 29. Juli 2004 – S 10 RA 5/03 – sowie SG Aachen, Urteil vom 9. Dezember 2005 – S 8 R 126/05 –). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum nicht vertreten, sondern – lediglich – als rechtspolitische Forderung erhoben, wobei überwiegend die Anerkennung des Freiwilligendienstes als "Verlängerungstatbestand" erwogen wird (vgl. die oben [S. 7] angeführten Nachweise).

Im Bereich der "gewährenden" Verwaltung steht es weitgehend im Ermessen des Gesetzgebers, inwieweit er freiwillige, wenngleich sozial wertvolle, vor allem aber auch der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit dienende Beschäftigungen oder Tätigkeiten durch die Gewährung von Sozialleistungen fördert.

Die Gewährung von Waisenrente für die Zeit nach August 2004 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da die Klägerin gegen das ihre Klage insoweit abweisende Urteil des Sozialgerichts keine Berufung eingelegt hat.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist allein aufgrund der ansonsten in Rechtsprechung und Schrifttum nicht geteilten Rechtsansicht des Vordergerichts, dessen "Begründung" nicht erkennen lässt, wie, wodurch und weshalb welche Bestimmung "der Verfassung" verletzt sein könnte, nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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