Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 100 AS 2358/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 417/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Der Antragsteller macht in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geltend.
Der am 1975 geborene Antragsteller verbüßte in der Zeit vom 20. Juli 2005 bis zum 7. Juli 2006 Haftstrafen im offenen Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) H. Als Vollstreckungsende war der 26. Februar 2007 vorgesehen gewesen. Er war im sogenannten Außenkommando tätig und erzielte dort im Februar 2006 Einkünfte in Höhe von 229,31 Euro netto. Davon wurden 131,03 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Im März 2006 wurde von den Einkünften in Höhe von 263,70 Euro netto ein Betrag von 61,04 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Der Antragsteller ist seit Oktober 2005 bei Frau S K, die Leistungen nach dem SGB II für sich und ihr minderjähriges Kind erhält, gemeldet. Diese teilte dem Antragsgegner am 13. Oktober 2005 mit, die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft habe sich ab dem 7. Oktober 2005 geändert, und der bei ihr eingezogene Antragsteller verfüge über kein eigenes Einkommen.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 15. November 2005 den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Der dagegen vom Antragsteller eingelegte Widerspruch wurde von dem Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, die Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung seien vollstationären Einrichtungen gleichgestellt und im Zeitpunkt der Einweisung des Antragstellers sei abzusehen gewesen, dass sein dortiger vollstationäre Aufenthalt länger als sechs Monate bestehen werde, weshalb ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestünde. Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben, die beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 100 AS 2358/06 I geführt wird.
Am 27. März 2006 beantragte der Antragssteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 271,41 Euro monatlich zugewähren, sowie ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er könne seinen Grundbedarf in Höhe von 345,- Euro mit seiner Tätigkeit im Außenkommando nicht decken. Aufgrund der Inhaftierung im offenen Vollzug stehe er dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. In diesem Fall handele es sich nicht um eine vollstationäre Einrichtung. Von dem ihm zustehenden Regelsatz von 345,- Euro seien 26,41 Euro für Frühstück und 47,18 Euro für Mittagessen abzuziehen. Es bestehe danach ein Gesamtbedarf von 271,41 Euro. Eigene Einkünfte seien nicht anzurechnen, da von diesen das Überbrückungsgeld, der Freibetrag von 90,- Euro und Kosten für ein Sozialticket in Abzug zu bringen seien und somit keine anrechenbaren Einkünfte verbleiben würden.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25. April 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass es vorliegend bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Eine besondere Dringlichkeit sei angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller die unabdingbaren Leistungen wie Verpflegung und Unterkunft durch die JVA erhalte, nicht zu erkennen. Darüber hinaus beziehe der Antragsteller aus seiner Tätigkeit im Außenkommando Einkünfte, wovon ihm nach Abzug von Haftkosten und Überbrückungsgeld noch ein Betrag für das Sozialticket und ein kleinerer Betrag für persönliche Bedürfnisse verbleiben würden. Mit weiterem Beschluss vom 25. April 2006 hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen und zur Begründung auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bezug genommen.
Gegen beide dem Antragsteller am 4. Mai 2006 zugestellten Beschlüsse richtet sich seine am 9. Mai 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das Sozialgericht habe die Anforderungen an die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes überspannt. Da nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen könne, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine, und es vorliegend um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehe, hätte geprüft werden müssen, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung zustehe. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass von den Einkünften des Antragstellers Haftkosten in Abzug gebracht worden seien. Ihm seien keine anrechenbaren Einkünfte verblieben und er sei nicht in der Lage gewesen, beispielsweise für seine Kleidung ohne Leistungen der Grundsicherung zu sorgen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufzuheben und ihm für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe zugewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Die Entlassung aus der Haft stelle eine Änderung der Verhältnisse des Antragstellers dar und habe zu einer Überprüfung des Fortbewilligungsbescheides der S K für den Bewilligungszeitraum 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 geführt.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Das Sozialgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zu Recht wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistung für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistung - ggf. vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen zwar im Allgemeinen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, so dass in der Regel ein Anspruchsteller nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann, weil bis zu einer Entscheidung sein Existenzminimum nicht gedeckt ist und ihm dadurch erhebliche Beeinträchtigungen, die nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden können, drohen. Derart erhebliche Beeinträchtigungen sind hier aber nicht ersichtlich, so dass eine Vorwegnahme der Hauptsache weder aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten noch aus sonstigen Gründen erforderlich ist.
Aufgrund der Unterbringung in der JVA war bis zum Zeitpunkt der Entlassung am 7. Juli 2006 der elementare Wohn- und Ernährungsbedarf des Antragstellers gedeckt. Es standen ihm zudem finanzielle Mittel in unterschiedlicher Höhe zur Deckung davon nicht erfasster Bedarfe zur Verfügung. Von den in den Abrechnungen ausgewiesenen Nettoeinkünften ist das Überbrückungsgeld nach § 51 Strafvollzugsgesetz in Abzug zu bringen, über das der Antragsteller im Abrechnungszeitraum nicht frei verfügen konnte. Dagegen handelt es sich bei dem in den Abrechnungen ausgewiesenen Hausgeld nach § 47 Strafvollzugsgesetz um einen Betrag, der dem Gefangenen für den Einkauf oder anderweitig zur Verfügung steht. Der Antragsteller verfügte daher im Februar 2006 über einen Betrag von 98,28 Euro und im März 2006 über einen Betrag von 153, 24 Euro.
Auch bei einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich mit seinem Begehren Erfolg haben wird. Es besteht daher kein Anlass, geringere Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes deshalb zu stellen, weil die begehrte Leistung dem Antragsteller offensichtlich zusteht und aufgrund dessen bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im einstweiligen Anordnungsverfahren denen des Antragstellers der Vorrang einzuräumen ist.
Der Senat geht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens davon aus, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 1. August 2006 geltenden Fassung für in einer stationären Einrichtung Untergebrachte grundsätzlich auch für Gefangene in einer JVA gilt, wenn der Aufenthalt dort länger als sechs Monate andauert. Der Begriff der stationären Einrichtung ist weder im Gesetz noch in der Begründung des Gesetzentwurfs konkretisiert worden. Nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung liegt eine stationäre Einrichtung im Sinne des Gesetzes im Allgemeinen dann vor, wenn der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Untergebrachten im Rahmen des Therapiekonzepts die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II § 7 Rdnr. 34, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - L 11 B 596/05 AS ER -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2006 - L 19 B 327/06 AS ER -). Dies trifft für Gefangene in einer JVA auch dann zu, wenn zu ihren Gunsten Lockerungen des Vollzugs im Sinne von § 11 Strafvollzugsgesetz angeordnet werden und sie außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen dürfen. Diese Vollzugslockerungen führen insbesondere nicht dazu, dass die JVA lediglich als "teilstationäre Einrichtung" anzusehen ist (so aber Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2006 - L 14 B 1307/05 AS ER -). Denn auch Lockerungen des Vollzugs ändern nichts daran, dass der JVA im Rahmen des Vollzugsplans (§ 7 Strafvollzugsgesetz) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Gefangenen verbleibt. Er unterliegt nicht etwa nur in den Zeiten, in denen er sich tatsächlich in der JVA aufhält, den Regelungen des Strafvollzugs, sondern diese bestimmen weitgehend auch seine Möglichkeiten außerhalb der Vollzugsanstalt. Dies wird bereits durch § 14 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz belegt, wonach der Anstaltsleiter dem Gefangenen für Lockerungen und Urlaub Weisungen erteilen kann.
Der Senat hält an seiner in dem Beschluss vom 16. Mai 2006 (- L 19 B 327/06 AS ER -) vertretenen Auffassung fest. Er vermochte nicht der Auffassung zu folgen, Justizvollzugsanstalten stellten keine vollstationären Einrichtungen im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II dar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2006 - L 7 AS 423/05 ER -). Gegen diese Auffassung spricht bereits die Entstehungsgeschichte der Norm. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf (BT-Dr 15/1516, 10) ohne nähere Begründung überhaupt keine Leistungen nach dem SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige vor, die stationär untergebracht sind. Gegen diese Regelung erhob sich erheblicher Widerstand mit Blickrichtung auf Personen, die sich nur vorübergehend z. B. in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in stationärer Krankenbehandlung oder in Untersuchungshaft befinden (vgl. Brühl in Münder Sozialgesetzbuch II § 7 Rdnr. 54). Diese Kritik führte zur Einführung der Sechsmonatsfrist in § 7 Abs. 4 SGB II. Hätte der Gesetzgeber Justizvollzugsanstalten nicht unter den Begriff "stationäre Einrichtungen" fassen wollen, hätte es aufgrund der genannten Kritik, die sich ausdrücklich auch auf Gefangene bezog, nahe gelegen, eine etwaige Einschränkung im Gesetz oder zumindest in der Gesetzesbegründung kenntlich zu machen. Da dies nicht geschehen ist, spricht nichts dafür, dass eine solche Einschränkung von Anfang an beabsichtigt war oder aber mit der Einführung der Sechsmonatsfrist in § 7 Abs. 4 SGB II auch der vom Gesetzgeber ursprünglich gewollte sachliche Anwendungsbereich der Norm eine Änderung erfahren hat. Mit dem am 1. August 2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I Seite 1706 ff) wurde § 7 Abs. 4 SGB II geändert und nunmehr ausdrücklich der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gleichgestellt.
Aufgrund der Dauer der Haftstrafen des Antragstellers war bei Antragstellung eine mehr als sechsmonatige Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung absehbar.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte daher keine Aussicht auf Erfolg, dem Antragsteller war daher zu Recht vom Sozialgericht keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Der Antragsteller macht in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geltend.
Der am 1975 geborene Antragsteller verbüßte in der Zeit vom 20. Juli 2005 bis zum 7. Juli 2006 Haftstrafen im offenen Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) H. Als Vollstreckungsende war der 26. Februar 2007 vorgesehen gewesen. Er war im sogenannten Außenkommando tätig und erzielte dort im Februar 2006 Einkünfte in Höhe von 229,31 Euro netto. Davon wurden 131,03 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Im März 2006 wurde von den Einkünften in Höhe von 263,70 Euro netto ein Betrag von 61,04 Euro als Überbrückungsgeld einbehalten. Der Antragsteller ist seit Oktober 2005 bei Frau S K, die Leistungen nach dem SGB II für sich und ihr minderjähriges Kind erhält, gemeldet. Diese teilte dem Antragsgegner am 13. Oktober 2005 mit, die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft habe sich ab dem 7. Oktober 2005 geändert, und der bei ihr eingezogene Antragsteller verfüge über kein eigenes Einkommen.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 15. November 2005 den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Der dagegen vom Antragsteller eingelegte Widerspruch wurde von dem Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, die Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung seien vollstationären Einrichtungen gleichgestellt und im Zeitpunkt der Einweisung des Antragstellers sei abzusehen gewesen, dass sein dortiger vollstationäre Aufenthalt länger als sechs Monate bestehen werde, weshalb ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestünde. Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben, die beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 100 AS 2358/06 I geführt wird.
Am 27. März 2006 beantragte der Antragssteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 271,41 Euro monatlich zugewähren, sowie ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er könne seinen Grundbedarf in Höhe von 345,- Euro mit seiner Tätigkeit im Außenkommando nicht decken. Aufgrund der Inhaftierung im offenen Vollzug stehe er dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. In diesem Fall handele es sich nicht um eine vollstationäre Einrichtung. Von dem ihm zustehenden Regelsatz von 345,- Euro seien 26,41 Euro für Frühstück und 47,18 Euro für Mittagessen abzuziehen. Es bestehe danach ein Gesamtbedarf von 271,41 Euro. Eigene Einkünfte seien nicht anzurechnen, da von diesen das Überbrückungsgeld, der Freibetrag von 90,- Euro und Kosten für ein Sozialticket in Abzug zu bringen seien und somit keine anrechenbaren Einkünfte verbleiben würden.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25. April 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass es vorliegend bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Eine besondere Dringlichkeit sei angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller die unabdingbaren Leistungen wie Verpflegung und Unterkunft durch die JVA erhalte, nicht zu erkennen. Darüber hinaus beziehe der Antragsteller aus seiner Tätigkeit im Außenkommando Einkünfte, wovon ihm nach Abzug von Haftkosten und Überbrückungsgeld noch ein Betrag für das Sozialticket und ein kleinerer Betrag für persönliche Bedürfnisse verbleiben würden. Mit weiterem Beschluss vom 25. April 2006 hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen und zur Begründung auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bezug genommen.
Gegen beide dem Antragsteller am 4. Mai 2006 zugestellten Beschlüsse richtet sich seine am 9. Mai 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das Sozialgericht habe die Anforderungen an die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes überspannt. Da nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen könne, wenn eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine, und es vorliegend um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehe, hätte geprüft werden müssen, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung zustehe. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass von den Einkünften des Antragstellers Haftkosten in Abzug gebracht worden seien. Ihm seien keine anrechenbaren Einkünfte verblieben und er sei nicht in der Lage gewesen, beispielsweise für seine Kleidung ohne Leistungen der Grundsicherung zu sorgen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufzuheben und ihm für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe zugewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Die Entlassung aus der Haft stelle eine Änderung der Verhältnisse des Antragstellers dar und habe zu einer Überprüfung des Fortbewilligungsbescheides der S K für den Bewilligungszeitraum 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 geführt.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Das Sozialgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zu Recht wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistung für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistung - ggf. vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen zwar im Allgemeinen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, so dass in der Regel ein Anspruchsteller nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann, weil bis zu einer Entscheidung sein Existenzminimum nicht gedeckt ist und ihm dadurch erhebliche Beeinträchtigungen, die nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden können, drohen. Derart erhebliche Beeinträchtigungen sind hier aber nicht ersichtlich, so dass eine Vorwegnahme der Hauptsache weder aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten noch aus sonstigen Gründen erforderlich ist.
Aufgrund der Unterbringung in der JVA war bis zum Zeitpunkt der Entlassung am 7. Juli 2006 der elementare Wohn- und Ernährungsbedarf des Antragstellers gedeckt. Es standen ihm zudem finanzielle Mittel in unterschiedlicher Höhe zur Deckung davon nicht erfasster Bedarfe zur Verfügung. Von den in den Abrechnungen ausgewiesenen Nettoeinkünften ist das Überbrückungsgeld nach § 51 Strafvollzugsgesetz in Abzug zu bringen, über das der Antragsteller im Abrechnungszeitraum nicht frei verfügen konnte. Dagegen handelt es sich bei dem in den Abrechnungen ausgewiesenen Hausgeld nach § 47 Strafvollzugsgesetz um einen Betrag, der dem Gefangenen für den Einkauf oder anderweitig zur Verfügung steht. Der Antragsteller verfügte daher im Februar 2006 über einen Betrag von 98,28 Euro und im März 2006 über einen Betrag von 153, 24 Euro.
Auch bei einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich mit seinem Begehren Erfolg haben wird. Es besteht daher kein Anlass, geringere Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes deshalb zu stellen, weil die begehrte Leistung dem Antragsteller offensichtlich zusteht und aufgrund dessen bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im einstweiligen Anordnungsverfahren denen des Antragstellers der Vorrang einzuräumen ist.
Der Senat geht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens davon aus, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 1. August 2006 geltenden Fassung für in einer stationären Einrichtung Untergebrachte grundsätzlich auch für Gefangene in einer JVA gilt, wenn der Aufenthalt dort länger als sechs Monate andauert. Der Begriff der stationären Einrichtung ist weder im Gesetz noch in der Begründung des Gesetzentwurfs konkretisiert worden. Nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung liegt eine stationäre Einrichtung im Sinne des Gesetzes im Allgemeinen dann vor, wenn der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Untergebrachten im Rahmen des Therapiekonzepts die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II § 7 Rdnr. 34, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - L 11 B 596/05 AS ER -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2006 - L 19 B 327/06 AS ER -). Dies trifft für Gefangene in einer JVA auch dann zu, wenn zu ihren Gunsten Lockerungen des Vollzugs im Sinne von § 11 Strafvollzugsgesetz angeordnet werden und sie außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen dürfen. Diese Vollzugslockerungen führen insbesondere nicht dazu, dass die JVA lediglich als "teilstationäre Einrichtung" anzusehen ist (so aber Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2006 - L 14 B 1307/05 AS ER -). Denn auch Lockerungen des Vollzugs ändern nichts daran, dass der JVA im Rahmen des Vollzugsplans (§ 7 Strafvollzugsgesetz) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Gefangenen verbleibt. Er unterliegt nicht etwa nur in den Zeiten, in denen er sich tatsächlich in der JVA aufhält, den Regelungen des Strafvollzugs, sondern diese bestimmen weitgehend auch seine Möglichkeiten außerhalb der Vollzugsanstalt. Dies wird bereits durch § 14 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz belegt, wonach der Anstaltsleiter dem Gefangenen für Lockerungen und Urlaub Weisungen erteilen kann.
Der Senat hält an seiner in dem Beschluss vom 16. Mai 2006 (- L 19 B 327/06 AS ER -) vertretenen Auffassung fest. Er vermochte nicht der Auffassung zu folgen, Justizvollzugsanstalten stellten keine vollstationären Einrichtungen im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II dar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2006 - L 7 AS 423/05 ER -). Gegen diese Auffassung spricht bereits die Entstehungsgeschichte der Norm. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf (BT-Dr 15/1516, 10) ohne nähere Begründung überhaupt keine Leistungen nach dem SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige vor, die stationär untergebracht sind. Gegen diese Regelung erhob sich erheblicher Widerstand mit Blickrichtung auf Personen, die sich nur vorübergehend z. B. in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in stationärer Krankenbehandlung oder in Untersuchungshaft befinden (vgl. Brühl in Münder Sozialgesetzbuch II § 7 Rdnr. 54). Diese Kritik führte zur Einführung der Sechsmonatsfrist in § 7 Abs. 4 SGB II. Hätte der Gesetzgeber Justizvollzugsanstalten nicht unter den Begriff "stationäre Einrichtungen" fassen wollen, hätte es aufgrund der genannten Kritik, die sich ausdrücklich auch auf Gefangene bezog, nahe gelegen, eine etwaige Einschränkung im Gesetz oder zumindest in der Gesetzesbegründung kenntlich zu machen. Da dies nicht geschehen ist, spricht nichts dafür, dass eine solche Einschränkung von Anfang an beabsichtigt war oder aber mit der Einführung der Sechsmonatsfrist in § 7 Abs. 4 SGB II auch der vom Gesetzgeber ursprünglich gewollte sachliche Anwendungsbereich der Norm eine Änderung erfahren hat. Mit dem am 1. August 2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I Seite 1706 ff) wurde § 7 Abs. 4 SGB II geändert und nunmehr ausdrücklich der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gleichgestellt.
Aufgrund der Dauer der Haftstrafen des Antragstellers war bei Antragstellung eine mehr als sechsmonatige Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung absehbar.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte daher keine Aussicht auf Erfolg, dem Antragsteller war daher zu Recht vom Sozialgericht keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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