L 16 R 1071/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 KN 44/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1071/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Altersrente (AR) wegen Arbeitslosigkeit ohne Absenkung des Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der AR nach Maßgabe der nach dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vorgesehenen Abschläge sowie höhere Entgeltpunkte (EP) für "bergmännische" Beitragszeiten.

Der am 1943 geborene Kläger war ab 10. Mai 1965 in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Volkseigenen Betrieb (VEB) B L bzw. beim VEB B L als Schichtleiter bzw. Maschinist versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar auch in dem Nachfolgeunternehmen Braunkohlenveredelung GmbH L bis zur betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1994. Tätigkeiten unter Tage verrichtete der Kläger dabei nicht. Im Sozialversicherungsausweis ist vermerkt, dass der Kläger vom 1. Juli 1968 bis zum 31. Dezember 1989 "bergmännisch tätig § 41 (i)" war. Er gehört zum Personenkreis, der aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt wurde, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden war (Schreiben der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH vom 10. September 1998).

Auf den Antrag des Klägers vom Februar 2003 bewilligte ihm die Beklagte AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 1. Juni 2003 (monatlicher Zahlbetrag = 1.300 EUR; 47,5726 EP). Für die vorzeitige Inanspruchnahme der AR wurde der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,024 (8 Kalendermonate mal 0,003) vermindert, so dass die persönlichen EP mit 47,1437 (47,5726 mal 0,976) festgestellt wurden (Bescheid vom 29. April 2003). Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Gewährung seiner AR ohne Absenkung des Zugangsfaktors begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. März 2004).

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Gewährung der Rente "ohne Abzüge" gerichtete Klage mit Urteil vom 28. Juni 2006 unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf seine Schriftsätze vom 20. Juli 2006, 6. September 2006 und 18. September 2006 wird Bezug genommen.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom 2. März 2004 zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 2003 Altersrente wegen Ar- beitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ohne Abschläge und unter Berücksichtigung eines Leistungszuschlages für bergmännische Beschäftigungen vom 1. Juli 1968 bis zum 31. Dezember 1989 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte ab 1. Juni 2003 keinen Anspruch auf AR wegen Arbeitslosigkeit mit einem unverminderten Zugangsfaktor von 1,0 und mit höheren EP für eine Untertagetätigkeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung vom 1. Juli 1968 bis zum 31. Dezember 1989.

Gemäß § 237 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf AR, wenn sie vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet haben und - wie der Kläger - nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren. Nach § 237 Abs. 3 SGB VI wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren für diese Rente für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme der AR möglich ist (§ 237 Abs. 3 Satz 2 SGB VI); die Anhebung der Altersgrenze und die vorzeitige Inanspruchnahme bestimmen sich nach Anlage 19 (§ 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI), und zwar in der vorliegend noch anwendbaren Fassung dieser Anlage bis zum 31. Dezember 2005. Danach ergäbe sich für den im 1943 geborenen Kläger eine Anhebung der Altersgrenze für die AR wegen Arbeitslosigkeit um 60 Monate. Zu seinen Gunsten greift aber die Ausnahmeregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ein. Nach dieser Vorschrift wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei der AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchstabe b EGKS-V, die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind, nach der dortigen Tabelle angehoben, d. h. für den im 1943 geborenen Kläger (nur) um acht Monate.

Diese Anhebung entspricht den Regelungen des am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261). Mit dem RRG 1992 wurden die Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren stufenweise auf die Vollendung des 65. Lebensjahres angehoben. Ein vorzeitiger Rentenbeginn blieb möglich, hatte aber je Kalendermonat einen dauerhaften Abschlag von 0,003 zur Folge (§ 41 Abs. 1, 2 und 3 i.V.m. § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1992). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anhebung der Altergrenzen durch das RRG 1992 sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu und zur Rechtsentwicklung insgesamt: BSG, Urteil vom 5. August 2004 - B 13 RJ 40/03 R = SozR 4 – 2600 § 74 Nr 1). Der - gewährleistete - Vertrauensschutz des Klägers kann daher von vornherein nicht in verfassungswidriger Weise tangiert sein, weil seine durch das RRG 1992 geschaffene Rechtsposition ungeschmälert geblieben ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf zusätzliche EP für seine im Sozialversicherungsausweis als "bergmännische Tätigkeiten" bezeichneten Beschäftigungen in der Braunkohleveredelung. Gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erhalten Versicherte nach sechs Jahren "ständiger Arbeiten unter Tage" für jedes volle Jahr mit solchen Arbeiten zusätzliche EP (Leistungszuschlag), gestaffelt nach der Anzahl der Jahre mit solchen Tätigkeiten. "Ständige Arbeiten unter Tage" sind nach § 61 Abs. 1 SGB VI solche Arbeiten nach dem 31. Dezember 1967, die ihrer Natur nach ausschließlich unter Tage ausgeübt wurden. Der Kläger hat - unstreitig - zu keiner Zeit ausschließlich unter Tage gearbeitet, so dass die Voraussetzungen der genannten Vorschriften in seiner Person nicht erfüllt sind. Dies gilt auch für die Regelung in § 254a SGB VI. Nach dieser Vorschrift, die eine Sonderregelung zu § 61 SGB VI darstellt, sind im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 überwiegend unter Tage ausgeübte Arbeiten "ständige Arbeiten unter Tage". Die Gleichstellung überwiegend unter Tage ausgeübter Arbeiten mit "ständigen Arbeiten unter Tage" in dieser Vorschrift ist auf tatsächlich überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten beschränkt und umfasst nicht die in Artikel 2 § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) umschriebenen "Untertagetätigkeiten", deren Definition im Wesentlichen dem modifizierten DDR-Recht (vgl. § 41 Abs. 1 Buchst. a –i Erste Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung-DDR – 1.DB-RVO-DDR - vom 23. November 1979 – GBl. I S.413 -) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 - B 8 KN 10/00 R - veröffentlicht in juris). Der Kläger hatte aber zu keiner Zeit unter Tage gearbeitet, sondern war Maschinist und hatte "bergmännische Tätigkeiten" im Sinne von § 41 Abs. 1 Buchst. i 1.DB-RVO-DDR verrichtet. Diese Tätigkeiten können bundesrechtlich, wie dargelegt, nicht mit tatsächlich überwiegend unter Tage ausgeübten Beschäftigungen gleichgestellt werden.

Ein Anspruch des Klägers auf Rente nach Artikel 2 RÜG scheidet im Übrigen deshalb aus, weil die Rente des Klägers nicht in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 begonnen hat (vgl. Artikel 2 § 1 Abs. 1 RÜG). Lediglich in der genannten Übergangszeit waren bei Eintritt eines Leistungsfalles Bestandsschutzgarantien des Einigungsvertrages bzw. des Gesetzgebers zu beachten. Die Rente des Klägers ist aber ausschließlich nach Maßgabe der SGB VI-Vorschriften zu berechnen gewesen. Danach kann der Kläger zusätzliche EP für ständige Arbeiten unter Tage nicht erhalten. Die Beklagte hat die monatlichen Einzelansprüche aus seinem Recht auf AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 1. Juni 2003 vielmehr beanstandungsfrei festgesetzt.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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