L 9 KR 122/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1010/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 122/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2003 (bezeichnet als "26. Juli 2003") wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine bei seiner Ehefrau durchgeführten medizinischen Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger und seine im Jahre 1967 geborene, bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenversicherte Ehefrau unterzogen sich in den Monaten Februar und März des Jahres 2000 einer Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft der Ehefrau. Dabei wurden Behandlung sowohl am Körper des Ehemannes als auch im und am Körper der Ehefrau sowie außerhalb des Körpers der Eheleute vorgenommen. Die Behandlungen zur Durchführung dieser intrazytoplasmatischen Spermieninjektion bestanden aus ambu-lanten ärztlichen Behandlungen und aus der Verabreichung von Arzneimitteln. Die privatärztlichen Rechnungen, die die Behandlung der Ehefrau betrafen, sowie die Verordnungen für Arzneimittel für die Ehefrau waren jeweils an die Ehefrau selbst adressiert. Die Begleichung der Kosten erfolgte durch den Kläger, das private Krankenversicherungsunternehmen, bei dem die Ehefrau versichert war, lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, die Ehefrau selbst sei gesund.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2000 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers, ihm die Kosten für die intrazytoplasmatische Spermieninjektion zu erstatten, mit der Begründung ab, diese Methode der künstlichen Befruchtung sei aufgrund eines Beschlusses des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattungsfähig. Am 17. April 2001 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und beantragt unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtssprechung des Bundessozialgerichts wiederum die Kostenübernahme für die durchgeführten Behandlungen. Mit Bescheid vom 16. Mai 2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Ehefrau des Klägers sei zum Zeitpunkt der Behandlungen (Februar und März 2000) nicht bei der Beklagten versichert gewesen, weshalb eine Leistungspflicht der Beklagten ausscheide. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erkannte die Beklagte durch Bescheide vom 29. August 2001 und vom 22. November 2001 die Kostenübernahme für weitere Kosten an, die auf Behandlungen am Kläger selbst bzw. außerhalb des Körpers des Klägers und seiner Ehefrau entfallen waren. Hierdurch sowie durch eine Teilkostenerstattung seitens seiner privaten Zusatz-Krankenversicherung erhielt der Kläger im Ergebnis eine Kostenerstattung für alle diejenigen Behandlungen, die an seinem Körper und außerhalb der Körper der Eheleute vorgenommen worden waren. Hinsichtlich der übrigen, allein die Behandlung der Ehefrau betreffenden Kosten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 zurück: Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts sei bei der Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion zu unterscheiden zwischen Maßnahmen, die unmit-telbar und ausschließlich am Körper des Versicherten, und solchen Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des anderen, nicht bei der beklagten Krankenkasse versicherten Ehegatte ausgeführt würden. Dementsprechend seien die Kosten nicht zu erstatten, die auf die Behandlung der Ehefrau entfallen seien.

Die hiergegen erhobene Klage, gerichtet auf die Erstattung von Kosten in Höhe von 1.289,44 EUR für die Behandlungen am und im Körper der Ehefrau nebst dazugehörigen Arzneimitteln, hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 26. Juli 2003 unter Bezugnahme auf die Begründun-gen des Widerspruchsbescheides abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 1. September 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Oktober 2003 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er macht geltend, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine lückenlose Kostenübernahme für die Gewährung der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion gewährleistet sein müsse. Die von dem Bundessozialgericht entschiedenen Fälle hätten allerdings nur solche Fallkonstellationen betroffen, in denen beide Ehegatten Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen gewesen seien. Für diesen Fall habe des Bundessozialgericht entschieden, dass auch der eigentlich gesunde Ehegatte gegenüber seiner Krankenkasse einen Leistungsanspruch für die Behandlungen habe, die an seinem eigenen Körper oder in diesem vorgenommen würden. In Fällen wie dem Vorliegenden, in denen ein Ehegatte privat krankenversichert sei und deswegen keine Leistungen für eine Behandlung seines gesunden Körpers verlangen könne, müsse die Krankenkasse des anderen Ehegatten für sämtliche Behandlungen einstehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2001 in der Fassung der Bescheide vom 29. August und vom 22. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Behandlung seiner Ehefrau weitere 1.289,44 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz zu erstatten. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und die anstehenden Rechtsfragen für durch die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts abschließend geklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit dem Berichterstatter vom 9. Juni 2006 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis rechtmäßig, dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsbetrag nicht zu.

Die Voraussetzungen des hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift hat eine Krankenkasse einem Versicherten Kosten zu erstatten, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung hierdurch Kosten erst entstanden sind. Zunächst fehlt es vorliegend bereits an Kosten, die dem Kläger, dem Versi-cherten der Beklagten, entstanden sind. Denn alle Arztrechnungen sowie Medikamentenrechnungen aufgrund ärztlicher Verordnung betreffen die Ehefrau des Klägers und nicht den Kläger selbst. Diese schuldete gegenüber den in Anspruch genommenen Ärzten und Apotheken die jeweiligen Geldbeträge, es handelte sich indessen nicht um rechtliche Verbindlichkeiten des Klägers. Auch wenn der Kläger auf die Schuldverpflichtungen seiner Ehefrau geleistet hat, führt dies nicht dazu, dass er selbst mit Kosten belastet worden ist, denn eine rechtliche Inan-spruchnahme drohte ihm nicht.

Darüber hinaus fehlte es auch an der vom Gesetz vorausgesetzten Kausalbeziehung zwischen der Leistungsablehnung einerseits und der Kostenentstehung andererseits, denn die Kosten sind nicht durch die Leistungsablehnung entstanden, wie es das Gesetz verlangt. Vielmehr sind die Kosten durch die Behandlungen in den Monaten Februar und März 2000 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte aber noch keine Leistungsablehnung ausgesprochen. Eine solche Leistungsablehnung erfolgte am 16. Mai 2000. Auch die vorliegend streitbefangene Leistungsablehnung vom 16. Mai 2001, die von der Beklagten als Entscheidung über einen Erstantrag und nicht als Überprüfungsbescheid hinsichtlich der Leistungsablehnung vom 16. Mai 2000 formuliert worden ist, erfolgte zeitlich erst weit nach der tatsächlich durchgeführten Selbstbeschaffung der Leistungen. Zu keinem Zeitpunkt hat die Beklagte durch eine Leistungsablehnung die Kostenentstehung im Sinne einer Kausalbeziehung verursacht. Auch dies schließt bereits für sich genommen einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus.

Darüber hinaus und vor allem jedoch hat die Beklagte die vom Kläger begehrte Leistung im hier noch streitbefangen Umfang, d. h. ausschließlich die Behandlungen am und im Körper der Ehefrau betreffend, nicht zu Unrecht abgelehnt im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V. Zwar bestand grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen zur Durchführung der künstlichen Befruchtung. Dies folgt daraus, dass durch Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vor-schriften vom 26. Juni 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 1211) rückwirkend zum 1. Januar 1989 § 27 a in das Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) eingefügt und damit der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung um Leistungen zur künstlichen Befruchtung ergänzt worden ist. Nach § 27 a Abs. 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen, die im Gesetz im Einzelnen geregelt und durch Richtlinien des damaligen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bzw. des heutigen Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisiert worden sind (hierzu im Einzelnen Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 11/03 R, zitiert nach juris). Zu den Leistungen im Sinne von § 27 a Abs. 1 SGB V gehören im Grundsatz auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Wege der künstlichen Befruchtung mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion. Allerdings erstreckt sich die Leistungspflicht einer Krankenkasse gemäß § 27 a Abs. 3 SGB V nur auf solche Maßnahmen, die jeweils bei ihrem Versicherten vorzunehmen sind (BSG a. a. O.). Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung lassen sich im Wesentlichen in drei Behandlungsbereiche einteilen; nämlich (1.) in Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau, (2.) Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes und (3.) extrakorporale Maß-nahmen. Dabei hat der jeweilige Versicherte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch hinsichtlich aller Maßnahmen, die unmittelbar an bzw. in seinem eigenen Körper erforderlich sind, sowie darüber hinaus auf alle die Maßnahmen, die nicht unmittelbar bei ihm selbst oder bei seinem Ehegatten, d. h. unmittelbar an bzw. in dessen Körper durchzuführen sind. Die Krankenkasse darf ihrem Versicherten insoweit nicht entgegen halten, die Kosten dieser extrakorporalen Maßnahmen seien von der Versicherung des anderen Ehegatten zu tragen (BSG a. a. O. RdNr. 17 – 19 m. w. Nachw.).

Dem gegenüber ist eine Krankenkasse ihrem Versicherten nicht Leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des nicht bei ihr versicherten Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden (BSG a. a. O. RdNR. 20). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Bundessozialgericht im Übrigen auch bereits die Fallkonstellation mit entschieden, in der der andere Ehegatte nicht bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist. Hierzu hat das Bundessozialgericht a. a. O. RdNR. 20 ausgeführt, es sei dann gegebe-nenfalls Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse bzw. privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die private Krankenversicherung des anderen Ehegatten eine Leistungspflicht – zu Recht oder zu Unrecht – verneint hat, denn insoweit sieht § 27 a SGB V keine Leistungsausweitung vor. Sinn dieses Gesetzes ist es, den Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen für eigene Erkrankungen bzw. für eigene Maßnahmen zur extrakopuralen Befruchtung Leistungen zu gewähren. Dies geschieht hinsichtlich der Leistungen am und im Körper des Versicherten selbst sowie – wie bereits ausgeführt – für extrakorporale Maßnahmen. Es ist hingegen nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, Leistungsausschlüsse von privaten Krankenversicherungsunternehmen gegenüber deren eigenen Versicherten dadurch auszugleichen, dass auch Leistungen für Behandlung am oder im Körper der Menschen zu tragen sind, die selbst nicht bei der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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