L 3 AS 4176/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 4650/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4176/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2006 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig befristet bis zum Abschluss des beim Sozialgericht Stuttgart in der Hauptsache anhängigen Klageverfahrens (S 22 AS 122/07) Arbeitslosengeld II in Höhe von 70 vom Hundert der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang auch begründet.

Unter welchen generellen Voraussetzungen der Erlass einer hier angesichts der Versagung von Arbeitslosengeld (Alg) II über den 30.06.2006 hinaus allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung zu bewirken ist, hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend dargestellt, weshalb hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann. Entgegen dessen Ansicht sind nach hier vertretener Auffassung die Voraussetzungen für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz auch weitgehend erfüllt.

Die Grundproblematik des inzwischen in einer Vielzahl von Verfahren gerichtlicher und außergerichtlicher Art ausufernden Falles ist offensichtlich das Anliegen des Antragstellers, dem Kreis der Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anstelle der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zugeordnet zu werden. Die für die Zuteilung maßgebliche Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Arbeitssuchenden ist durch den - im Streitfall auch vorleistungspflichtigen - Antragsgegner zu treffen (vgl. § 44a SGB II), der sich im konkreten Fall durch die Weigerung des Antragstellers, wiederholt ergangenen Einbestellungen Folge zu leisten, an der Klärung dieser Zuständigkeitsfrage gehindert sieht. Dass trotz dieses Verhaltens des Antragstellers das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist, begründet der Senat mit nachfolgenden Erwägungen:

Die Versagung von Alg II an den Antragsteller, wie vom Antragsgegner ausgesprochen, kommt nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich, aber insbesondere auch vor dem Hintergrund der fraglos gegebenen Hilfebedürftigkeit und nur noch von Feststellungen zur Frage der Erwerbsfähigkeit abhängigen Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers allenfalls dann in Betracht, wenn ungeachtet der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers sämtliche sonstigen Erkenntnismöglichkeiten zur Klärung dieser Frage ergebnislos ausgeschöpft sind. Das ist hier nach Ansicht des Senats nicht der Fall.

Schon Form und Inhalt der an den Antragsgegner, sonstige Stellen und Gerichte adressierten Schreiben des Antragstellers allein erwecken auch bei einem medizinischen Laien den Eindruck einer gravierenden Verhaltens- und Persönlichkeitsstörung. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb, wie aus den Akten zu ersehen, aufgrund entsprechender Informationen des Antragsgegners und auf Empfehlung des Sozialpsychologischen Dienstes Stuttgart-Birkach das Amt für Öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart schon im März 2005 beim zuständigen Vormundschaftsgericht die Errichtung einer Vermögensbetreuung angeregt hat, was ebenfalls nur wegen der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft des Antragstellers gescheitert ist (vgl. Beschluss des Notariats Stuttgart-Sillenbuch vom 03.06.2005 - I GRN Nr. 90/05 -). Es bietet sich an, dem im anhängigen Hauptsacheverfahren wegen der im erwähnten Notariatsbeschluss noch verneinten, jetzt aber auf der Hand liegenden Selbstgefährdung des Antragstellers erneut nachzugehen und erforderlichenfalls zu versuchen, anhand eines medizinischen Gutachtens nach Lage der Akten die Frage der Erwerbsfähigkeit auf diese Weise zu klären.

Die Beschränkung auf 70 v.H. der Regelleistung hält der Senat für angebracht, um für den Antragsteller auch weiterhin einen Anreiz zu bieten, aus freien Stücken an der in seinem existenziellen Interesse liegenden Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und berücksichtigt den Umstand, dass die Beschwerde im Wesentlichen Erfolg hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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