L 6 U 5415/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2173/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5415/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Oktober 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen des Ereignisses vom 31. Dezember 2001 Anspruch auf Verletztenrente hat.

Der 1940 geborene Kläger rutschte am 31. Dezember 2001 während seiner beruflichen Tätigkeit auf einer Eisplatte aus und verletzte sich dabei an seinem linken Handgelenk und seiner linken Schulter. Am 1. Januar 2002 stellte er sich in der Chirurgie des Kreiskrankenhauses S. vor, wo an der linken Schulter keine äußeren Verletzungszeichen, ein Druckschmerz laterodorsal über dem Humeruskopf mit schmerzhaft aufgehobener Beweglichkeit, insbesondere bei Abduktion und Anteversion und im linken Handgelenk und in der linken Handwurzel ein Druck- und Bewegungsschmerz über der Handwurzel radial streckseitig ohne Gefühlsstörung des linken Armes befundet wurde. Die Röntgenuntersuchung ergab keinen Hinweis für eine frische Fraktur der linken Schulter und der linken Handwurzel. Diagnostiziert wurde eine Prellung der linken Schulter und Handwurzel. Des Weiteren wurden im Durchgangsarztbericht vom 2. Januar 2002 seit ca. sechs Monaten rezidivierende Schulterbeschwerden beidseits sowie eine Gonarthrose beidseits aufgeführt. Der Kläger stellte sich erneut am 4. Januar 2002 vor. Im Zwischenbericht vom 11. Februar 2002 wurde ausgeführt, sonographisch sei die Rotatorenmanschette ohne Hinweis auf eine traumatische Ruptur darstellbar gewesen. In dem aufgrund der Untersuchung vom 11. Februar 2002 erstellten Nachschaubericht wurde mitgeteilt, eine Besserung der Schulterbeweglichkeit links sei nicht eingetreten, sodass die Möglichkeit einer Rotatorenmanschettenläsion gesehen wurde. Am 12. Februar 2002 ließ der Kläger eine Magnetresonanztomographie seiner linken Schulter durchführen. Dr. Dr. M. gelangte in seinem Befundbericht vom 12. Februar 2002 zu der Beurteilung "Ruptur des M. supraspinatus, subtotale Ruptur des M. subscapularis, Humeruskopfhochstand, Ruptur der langen Bizepssehne, Impingementsyndrom". Vom 10. Januar bis zum 11. Februar 2002 durchlief der Kläger in der F.klinik B. B. eine von der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg bewilligte Rehabilitationsmaßnahme. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 21. Februar 2002 führten die Orthopäden Dr. H./Dr. O. aus, der Kläger klage seit ca. zwei Jahren über Schulterschmerzen beidseits, die bewegungsabhängig aufgetreten seien. Seit dem Ereignis vom 31. Dezember 2001 Klage er über Schmerzen im Bereich der linken Schulter mit deutlicher Kraftminderung. Die Röntgenuntersuchung der rechten Schulter und die Mitbetrachtung der Fremdaufnahmen der linken Schulter habe "arthrotische Veränderung am re. AC-Gelenk, subacromiale Spornbildung re., Verkürzung der Acromiohumeraldistanz bds., appositionelle Verknöcherung am Tuberculum majus bds. als Hinweis auf eine mögliche Insertionstendopathie des Supraspinatus" ergeben, was als "Zeichen knöcherner Enge, Supraspinatustendinose bds." beurteilt wurde. Die am 5. Februar 2002 durchgeführte Sonographie der Schultergelenke wurde mit einem Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur links beurteilt.

In dem von ihm am 1. März 2002 ausgefüllten Fragebogen gab der Kläger an, bereits früher gelegentliche Beschwerden an seinen Schultern gehabt zu haben, und führte zum Unfallereignis aus, dass er sich bei seinem Sturz nicht festgehalten habe und seitlich zuerst mit der Hand auf den Boden aufgekommen sei.

Vom 24. Februar bis zum 7. März 2002 befand sich der Kläger stationär in der Chirurgie des Kreiskrankenhauses B. S., wo am 25. Februar 2002 operativ eine Naht der Rotatorenmanschette seiner linken Schulter durchgeführt wurde. Dr. S./OA L. führten in ihrem Zwischenbericht vom 30. April 2002 aus, zwar hätten beim Kläger bereits vor dem Unfall vom 31. Dezember 2001 länger anhaltende Schultergelenksbeschwerden bestanden, er habe jedoch glaubhaft angegeben, dass das Schultergelenk zu diesem Zeitpunkt noch voll beweglich gewesen sei, er insbesondere den Arm - zwar mit Schmerzen - aber doch aktiv über die Horizontale habe hoch heben können. Die Bewegungseinschränkung mit der Unmöglichkeit, die Schulter vorne oder seitlich hochzuheben, sei aufgrund des Unfalls neu aufgetreten, sodass man annehmen müsse, dass eine vorgeschädigte Rotatorenmanschette gerissen sei. Aufgrund der Vorschädigung habe wohl auch eine weniger starke und nicht so typische Krafteinwirkung ausgereicht, um die Ruptur zu verursachen, weshalb die Verletzung bisher als primär unfallbedingt angesehen worden sei. In ihrem Zwischenbericht vom 17. Juni 2002 führten sie aus, der Sturz stelle keine Gelegenheitsursache oder eine alltägliche Belastung dar. Es sei gut möglich, dass die Hauptursache für die vorhandene Ruptur in den degenerativen Veränderungen zu suchen sei. Nur von einer Prellung zu sprechen, sei bei dem vorliegenden Unfall jedoch sicher nicht adäquat. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe vom Unfalltag bis zum 31. Mai 2002 vorgelegen. In ihrem Zwischenbericht vom 3. Juli 2002 erläuterten sie, diese schwere Prellung eines Schultergelenkes könne erfahrungsgemäß auch ohne Begleitverletzungen an Knochen, Gelenkkapsel oder Sehnen zu einer ca. 6 bis 8-wöchigen Arbeitsunfähigkeit führen. Nur aufgrund einer Prellung wäre Arbeitsunfähigkeit vom 1. Januar bis zum 25. Februar 2002 anzunehmen.

Die Beklagte holte das Leistungsverzeichnis der IKK S. vom 1. Juli 1976 bis zum 29. Februar 2000 und von der S. BKK A. vom 1. März 2000 bis zum 14. Februar 2002 ein.

Mit Bescheid vom 13. August 2002 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 31. Dezember 2001 ab. Die über den 24. Februar 2002 hinaus bestehende Beschwerdesymptomatik stehe in keinem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit diesem Unfall.

Hiergegen legte der Kläger am 26. August 2002 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2002 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 20. November 2002 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Mit der Klage verfolge er seine Ansprüche auf Feststellung des Arbeitsunfalls und seine daraus folgenden Ansprüche auf Entschädigung. Vor dem fraglichen Unfall habe er im Bereich der linken Schulter bzw. des Armes keinerlei Beschwerden gehabt.

Das SG holte auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das unfallchirurgische Gutachten von Dr. E. von der Abteilung für Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums U. vom 22. Juli 2003 ein. Der Sachverständige fügte seinem Gutachten den Befundbericht von Prof. Dr. B. über die am 14. Juli 2003 durchgeführte Magnetresonanztomographie der rechten Schulter bei, welche mit "leichte Ohmarthrose rechts, Tendinose der Supraspinatussehne, keine Partial- oder Komplettruptur" beurteilt wurde. Zum Unfallhergang wurde im Gutachten von Dr. E. angegeben, der Kläger sei auf glattem Untergrund ausgerutscht und nach hinten gefallen. Dabei habe sich der Kläger mit dem linken ausgestreckten Arm abfangen wollen. Er sei auf das linke Handgelenk und schließlich auf die linke Schulter gefallen. Er habe unter Schmerzen weitergearbeitet. Ab dem Unfall sei eine Abduktion des linken Armes nicht mehr möglich gewesen. Dr. E. gelangte zu der Einschätzung, die konstant verminderte Abduktionsschwäche des rechten (gemeint: linken) Armes, welche sich im Bewegungsumfang mit fehlender Kraftentfaltung äußere, erscheine aufgrund der intakten Rotatorenmanschette auf der rechten Seite unfallbedingt zu sein. Es habe ein Unfallmechanismus stattgefunden, welcher für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur durchaus ursächlich sein könne. Entscheidend für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Rotatorenmanschettenruptur sei der initiale Funktionsverlust. Der Mechanismus mit nach hinten ausgestreckten Arm habe sich retrospektiv aufgrund der Durchführung der Röntgenuntersuchung des Handgelenks durchaus nachvollziehen lassen. Wenn der Kläger primär auf die Schulter gefallen wäre, wäre eine Röntgenuntersuchung des linken Handgelenks nicht veranlasst worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 100 vom Hundert (v. H.) ab dem Unfallereignis bis zum Ablauf eines halben Jahres, 50 v. H. bis zum Abschluss des ersten Folgejahres und 20 v. H. ab dem 31. Dezember 2002.

In seiner Stellungnahme vom 12. Dezember 2003 wies Dr. E. u. a. darauf hin, es sei üblicherweise so, dass selbst bei vorbestehender Arthrose in einem Gelenk die Anzahl der Rotatorenmanschettenrupturen (Spontanrupturen) durchaus selten sei. Der Unfallmechanismus, das akute Bewegungsverlustsyndrom, die Akutheit der Vorstellung beim Chirurgen und die sekundäre operative Versorgung der Rotatorenmanschette seien Beweis genug, dass es sich nicht um ein chronisches, sondern um ein akutes Geschehen handle. Denn auf der Gegenseite habe sich bis dato keine Rotatorenmanschettenruptur bzw. Funktionsstörung in einer ähnlichen Weise eingestellt. In seiner Stellungnahme vom 5. April 2004 führte Dr. E. aus, wenn der Kläger auf die linke Schulter und auf den linken Arm gefallen wäre, hätte er keine Verstauchung des linken Handgelenkes erlitten. Vielmehr sei der Sturz auf die dorsalflektierte Hand nach hinten gerichtet gewesen. Hierbei handle es sich um eine typische Auffangbewegung, die auch in den am Unfallfolgetag erstellten Röntgenaufnahmen zum Ausdruck komme.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2004 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2002, den Unfall vom 31. Dezember 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und "vom 11. bis zum 30. Juni 2002 mit einer MdE um 100 v. H., vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2002 mit einer MdE um 50 v. H. und ab 1. Januar 2003 mit einer MdE um 20 v. H. zu entschädigen".

Gegen den ihr am 4. November 2004 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Beklagte am 30. November 2004 Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat das fachorthopädische Gutachten von Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H., vom 21. Februar 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, für eine überwiegend traumatische Schädigungskomponente spreche, dass es sich bei dem geschilderten Unfallgeschehen nicht um ein Bagatelltrauma gehandelt habe, das Unfallgeschehen sofort zu erheblichen Beschwerdebildern geführt habe, die geschädigte linke Schulter bis auf leichte subjektive Beschwerdeangaben offensichtlich vor dem Unfall weitgehend symptomfrei gewesen sei und vor dem Unfallereignis von einer kompensierten klinischen Situation auszugehen sei. Gegen die Annahme einer echten traumatischen Rotatorenmanschettenruptur spreche, dass, wenn es im Rahmen eines Stauchungstraumas einer Schulter zu einer Rissbildung der Rotatorenmanschette ohne Begleitverletzungen der Kapsel, des Labrums oder des Oberarmkopfes komme, schwere degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette vorliegen müssten, beim Kläger Belege für eine degenerative Vorschädigung der Schulter gegeben seien, der kernspintomographische Befund vom 12. Februar 2002 eine schwer multilokuläre Schädigung der Rotatorenmanschette belege und auch ein schwerer degenerativer Schaden der rechten Rotatorenmanschette vorliege. Prof. Dr. H. ist zu dem Ergebnis gelangt, das Unfallgeschehen sei alleine mit Sicherheit nicht in der Lage, eine nicht erheblich vorgeschädigte Rotatorenmanschette zur Ruptur zu bringen. Die Rotatorenmanschette sei zum Unfallzeitpunkt mit Sicherheit schwerwiegend vorgeschädigt gewesen. Es habe allerdings ein kompensiertes klinisches Bild bestanden, so wie dies im Bereich der nicht traumatisch geschädigten rechten Schulter bestehe. Das Unfallgeschehen habe somit ein kompensiertes Bild zum Dekompensieren gebracht und schließlich ärztliche Behandlungsbedürftigkeit verursacht. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Unfallgeschehen als wesentlicher Teilfaktor zu werten sei, der zu einer Vorverlagerung einer wesentlichen klinischen Problematik geführt habe. Das Unfallgeschehen stelle auch kein Gelegenheitstrauma im Sinne eines Bagatelltraumas dar. Das Unfallgeschehen sei heftig gewesen und habe sicherlich zu einer nicht unerheblichen Stauchung der Schulter und auch Prellung der schulterumspannenden Weichteile geführt. Im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen sei eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit bei derartigen Verletzungen von sechs bis zwölf Wochen denkbar. Durch die bestehende degenerative Vorschädigung der Schulter sei eine prolongierte Behandlung sicherlich von Nöten gewesen. Die Tatsache der Rotatorenmanschettenruptur sei jedoch nicht als Unfallfolge zu werten. Die operative Behandlungsbedürftigkeit sowie die lange konservative postoperative Nachbehandlung seien somit im Wesentlichen als Folge der degenerativen Störung und nicht als Folge des Unfallgeschehens zu werten. Unter diesem Aspekt sei eine MdE rentenberechtigenden Grades über die 25. Woche hinaus auch nicht begründbar. Die Argumentationsführung von Dr. E. sei nicht zutreffend, da er von einer intakten rechtsseitigen Rotatorenmanschette ausgehe, was nicht zutreffe. Im Übrigen seien im Bereich des linken Handgelenkes und der Wirbelsäule keine Unfallfolgen verblieben.

Der Senat hat vom Kreiskrankenhaus B. S. den Operationsbericht von Oberarzt G. vom 25. Februar 2002, den histologischen Befundbericht von Dr. K. vom 4. März 2002 und den Arztbrief von Dr. S./Ass.Arzt G. vom 11. April 2002 beigezogen. Oberarzt G. hat beschrieben, dass die Bursa subdeltoida durchtrennt worden sei und sich nach Eröffnen der Gelenkkapsel ein sehr ausgeprägter Defekt der Rotatorenmanschette gefunden habe. Dr. K. hat das Narbengewebe als teils gering aufgelockertes, teils fibrosiertes, faserreicheres Bindegewebe mit Fibrofettgewebe, ebenfalls mit Fibrosierungen und zum Teil ausgeprägter granulierender Entzündung beschrieben und ausgeführt, dieser Befund spreche für reaktive narbige Veränderungen mit Ausbildung eines Granulationsgewebes.

Hierzu hat Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 31. August 2006 ausgeführt, diese Befunde deuteten eindeutig auf eine schwere degenerative Schädigung der Rotatorenmanschette hin. Verkalkungen seien nachweisbar. Der Eingriff sei acht Wochen nach dem Unfallgeschehen durchgeführt worden. Ein derartiger morphologischer Prozess beruhe nicht auf einer kürzlich zurückliegenden traumatischen Schädigung. Darüber hinaus würden keine traumatischen Veränderungen im Schultergelenk beschriebne (wie z. B. Limbuseinriss, Kapseleinriss). Vielmehr sei die Schultergelenkskapsel völlig unauffällig und lediglich die Rotatorenmanschette rupturiert gewesen. Auch dies spreche eher für eine degenerativ bedingte Ruptur der Rotatorenmanschette, da die Gelenkkapsel selbst als viel schwächeres schulterstabilisierendes Element unverletzt gewesen sei. Auch der histologische Befund lege die Annahme einer schweren degenerativen Schädigung mit bereits eingetretenen Gewebeumbauveränderungen nahe. Es fänden sich eine zum Teil granulierende Entzündung bei Rotatorenmanschettenruptur und auch reaktive narbige Veränderungen. Dies spreche durchaus für eine teilweise Traumatisierung. Die viel schwächere Gewebestruktur der Gelenkkapsel sei somit nicht verletzt, die viel stärkere Gewebesubstanz der Rotatorenmanschette aber schwerstgradig geschädigt gewesen. Hämosiderineinlagerungen (Abbauprodukte des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin) als Ausdruck einer stattgehabten Blutung und somit als Hinweis auf eine tatsächlich eingetretene traumatische Gewebezerreißung mit Verletzung von Gefäßen, seien nicht beschrieben. Auch dies spreche eher für eine vorwiegend degenerative Ursache der Rotatorenmanschettenruptur. Zusammenfassend hat Prof. Dr. H. ausgeführt, die traumatische Einwirkung im Rahmen des Unfallereignisses sei nicht als wesentlicher Faktor anzusehen. Wesentlich für die Ruptur der Rotatorenmanschette sei die deutliche degenerative Vorschädigung, die sich im Übrigen auch im gleichen Ausmaß kontralateral rechts nachweisen lasse.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.

Zwar handelt es sich bei dem Ereignis vom 31. Dezember 2001 um einen Arbeitsunfall. Dem Kläger steht aus Anlass dieses Ereignisses jedoch keine Verletztenrente zu.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d. h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG, Urteil vom 4. August 1955 - 2 RU 62/54 - BSGE 1, 174, 178; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 9b RU 38/84 - SozR 2200 § 581 Nr. 22).

Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht nachgewiesen, dass die unfallbedingte MdE über die 26. Woche nach dem Unfallereignis hinaus 20 v. H. beträgt.

Dabei stützt sich der Senat auf das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 21. Februar 2006 und seine Stellungnahme vom 31. August 2006. Danach wurde durch das Unfallereignis vom 31. Dezember 2001 lediglich ein degenerativer kompensierter Vorschaden im linken Schultergelenk vorübergehend verschlimmert, nicht aber die am 25. Februar 2002 operativ versorgte Rotatorenmanschettenveränderung wesentlich ursächlich herbeigeführt. Gegen einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Rotarorenmanschettenveränderung sprechen eine Vielzahl von Gründen. Zum Einen wurden in den zeitnah zum Unfallereignis erstellten Befundberichten keine Begleitverletzungen der Kapsel, des Labrums oder des Oberarmkopfes festgehalten. So ergab weder die im Durchgangsarztbericht vom 2. Januar 2002 beschriebene Röntgenuntersuchung noch die im Zwischenbericht vom 11. Februar 2002 beschriebene sonographische Untersuchung Hinweise für eine frische Fraktur. Dies und der im Befundbericht vom 12. Februar 2002 beschriebene magnetresonanztomographische Befund sprechen für degenerative und damit unfallunabhängige Veränderungen in beiden Schultergelenken. Für maßgeblich erachtet der Senat die von Prof. Dr. H. vorgenommene Auswertung des Operationsberichts vom 25. Februar 2002 und des histologischen Befundberichts vom 4. März 2002. Zutreffend hat der Sachverständige hierzu ausgeführt, dass der im Operationsbericht vom 25. Februar 2002 dargelegte Befund auf eine schwere degenerative Schädigung der Rotatorenmanschette hinweist. Denn dort wurden im linken Schultergelenk keine traumatischen Veränderungen beschrieben. Im histologischen Befundbericht vom 4. März 2002 wird von einem teils fibrosierten, faserreichen Bindegewebe mit Fibrofettgewebe gesprochen, was die Annahme einer schweren degenerativen Schädigung mit bereits eingetretenen Gewebeumbauveränderungen nahe legt. In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Fachliteratur (Empfehlungen zur Begutachtung von Schäden der Rotatorenmanschette, HVBG-Info 2002, S. 3147; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 8.2.5, S. 503-514) hält der Senat die Einschätzung von Prof. Dr. H. für in sich schlüssig und daher gut nachvollziehbar.

Demgegenüber war dem Gutachten von Dr. E. vom 22. Juli 2003 nicht zu folgen. Dieser Sachverständige hat im Wesentlichen mit der "konstant verminderten Abduktionsschwäche" des rechten Armes und einer Geeignetheit des Unfallmechanismus für eine Rotatorenmanschettenruptur argumentiert, ohne die bildgebenden Verfahren ausreichend zu würdigen. Im Übrigen lagen Dr. E. der Operationsbericht vom 25. Februar 2002 und der histologische Befundbericht vom 4. März 2002 - im Gegensatz zu Prof. Dr. H. - nicht vor.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Unfallereignisses vom 31. Dezember 2001.

Das SG hat daher die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine Verletztenrente zu gewähren. Da die Beklagte bereits mit Bescheid vom 13. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2002 das Ereignis vom 31. Dezember 2001 als Arbeitsunfall anerkannt hat, hat das SG die Beklagte auch zu Unrecht hierzu verurteilt. Der Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2004 war daher in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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