S 1 AS 798/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 798/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2006 und gegen den Bescheid vom 24. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Absenkung der Leistung wegen der Weigerung eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen und weiter die Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt.

Der Kläger, geboren 1948, bezog seit 2002 Sozialhilfeleistungen von der Stadt K., nachdem er aus freiberuflicher Tätigkeit als Texter und Lektor für technische Dokumente seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten konnte. Seit Januar 2005 bezieht er entsprechend Arbeitslosengeld II.

Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags, die Eingliederung des Hilfebedürftigen zu dem nach § 2 Abs. 2 SGB II gebotenen Eigenengagement zu fördern (§§ 14 ff. SGB II), bot die Beklagte am 20.11.2005 den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung an, was der Kläger trotz des Hinweises auf eine daraus resultierende Leistungsabsenkung verweigerte.

Mit Bescheid vom 24.01.2006 ersetzte daraufhin die Beklagte die Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt und senkte mit weiterem Bescheid vom 22.02.2006 das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.06.2006 um 30 v.H. ab.

Nochmals bei der Vorsprache vom 24.11.2006 hatte sich der Kläger geweigert, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er wolle als Einzelperson behandelt werden und stelle sich weiter (primär) eine Vermittlung als Werbetexter vor.

Im Weiteren legte der Kläger am 22.02.2006 und 20.03.2006 gegen die Bescheide Widerspruch ein im Wessentlichen unter Bezug auf das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl nach Artikel 12 Grundgesetz (GG).

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2006 und 05.09.2006 zurück.

Dagegen legte der Kläger am 02.10.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein im Wesentlichen unter Wiederholung seiner Begründung aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Beteiligten wurden vom Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.01.2007 ordnungsgemäß benachrichtigt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das Arbeitslosengeld II wird in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, es sei denn, es besteht ein wichtiger Grund für dieses Verhalten (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 a SGB II).

Der Kläger war - auch nach eigener Einlassung - über die Rechtsfolgen seiner Weigerung belehrt. Er hat sich auch eindeutig geweigert die angebotene Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er hatte für sein Verhalten keinen wichtigen Grund. Das Grundrecht des Artikel 12 GG, auf das sich der Kläger beruft, ist kein tragfähiger Grund. Artikel 12 GG sichert das Recht, einen Beruf frei zu wählen und auszuüben. Es sichert aber kein "Recht", sich zeitlich unbegrenzt von anderen Bürgern (die ebenfalls das Grundrecht des Artikel 12 haben) über deren Steuerabgaben aus Erwerbstätigkeit finanzieren zu lassen, wenn der gewählte Beruf keine Existenzsicherung bietet. Es ist dann von der Rechtsordnung geboten, die eigene Existenzsicherung aus anderen, gegebenenfalls einfacheren, Erwerbstätigkeiten zu suchen. Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entspricht, für die er ausgebildet ist oder die er ausgeübt hat (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 SGB II). Entsprechendes ergibt sich z.B. aus der Regelung des § 121 Abs. 3 SGB III. Der erwerbsfähige Hildfebedürftige muss alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Die Beklagte hat somit ohne Rechtsfehler die Absenkung der Leistung entschieden.

Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erfolgen (§ 15 Abs. 1 Satz 8 SGB II). Bezüglich der Eingliederungsvereinbarung ist zwischenzeitlich eine Erledigung eingetreten, weil die durch Verwaltungsakt ersetzte Eingliederungsvereinbarung auf die Zeit bis 31.10.2006 begrenzt war. Die Beklagte war aber gemäß § 15 Abs. 1 Satz 8 SGB II zum Erlass des Verwaltungsaktes berechtigt gewesen. Der Zwang, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen ist als solche nicht verfassungswidrig. Artikel 2 Abs. 1 GG gewährleistet keine vorbehaltslose und letztlich vorstaatliche Privatautonomie. Es besteht kein Zweifel, dass die Verpflichtung, als Empfänger einer steuerfinanzierten Leistung eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, als solche vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinzunehmen ist (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, Kommentar SGB II § 2 RdNr. 9).

Der Gesetzgeber war der Meinung, dass eine der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gerecht werdende Steuerung der Eingliederungsleistungen sich besser in Kooperation mit diesem bewerkstelligen lasse. Er erhoffte sich dadurch eine passgenauere und situationsangemessenere Steuerung der Eingliederung in Arbeit, als durch einen Verwaltungsakt. Deswegen wurde die Regelung durch Verwaltungsakt nur hilfsweise eingeführt. Die Ziele des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich legitim (Ricksen in Eicher/Spellbrink § 15 RdNr. 16).

Damit war die Klage unter jedem Gesichtspunkt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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