L 14 R 517/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 R 1297/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 517/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1943 geborene, in Serbien lebende Kläger hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Er war in Deutschland zwischen 1970 und 1975 als Bauhilfsarbeiter, Heizungshelfer sowie als angelernter Arbeiter im Metallbereich versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend arbeitete er in Österreich im Straßenbau sowie im Schlossereibereich.

Ein erster, im Jahre 1997 gestellter Rentenantrag blieb erfolglos (ablehnender Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle S. , vom 09.12.1997; ablehnender Bescheid der Beklagten vom 22.01.1998); ebenso hatte der am 18.01.2000 gestellte zweite Rentenantrag keinen Erfolg (Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 17.04.2000, Bescheid der Beklagten vom 13.06.2000). Auf den am 30.05.2000 gestellten weiteren Rentenantrag gewährte die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit Bescheid vom 15.05.2002 vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 01.06.2000. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Auswertung der vom österreichischen Versicherungsträger übersandten ärztlichen Unterlagen mit Bescheid vom 28.10.2002 ab, weil der Kläger nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen noch täglich sechs Stunden und mehr erwerbstätig sein könne.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger u.a. vor, er sei hauptsächlich als Hilfsarbeiter und als angelernter Arbeiter im Baugewerbe sowie im Metallbereich mit Schweißer- und Schlosserarbeiten tätig gewesen. Auf Rückfragen der Beklagten teilte die Firma Bauschlosserei P. P. , St. J. mit, der Kläger sei vom 30.08.1999 bis 11.03.2002 als Hilfsarbeiter in der Schlosserei beschäftigt gewesen, die Firma d. in O. bestätigte für Zeiten zwischen dem 21.09.1998 und 10.12.1998 Tätigkeiten des Klägers als Metallhelfer.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2003 unter Hinweis auf ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts aus wechselnder Ausgangslage ohne Zwangshaltungen zurückgewiesen.

Mit der Klage zum Sozialgericht (SG) verwies der Kläger auf seine in Österreich gewährte Rente wegen verminderter Arbeitsfähigkeit und berief sich darauf, als angelernter Schlosser tätig gewesen zu sein und Facharbeitertätigkeiten verrichtet zu haben.

Das SG holte eine weitere Arbeitsauskunft des letzten Arbeitgebers, Firma P. P. , vom 26.11.2003 (Hilfsarbeiter: diverse Helfertätigkeiten in der Schlosserei) ein, ferner einen Behandlungsbericht der Allgemeinärztin Dr.S. vom 28.03.2004 (u.a. "essentielle Hypertonie, rezidivierende Lumboischialgie bei Diskusprotrusionen L1 bis L5, Periarthritis humero scapularis rechts, rezidivierende Arthritis rechter Vorfuß"). Es beauftragte den Orthopäden und Arzt für Allgemeinmedizin Dr.W. mit der Erstellung eines Fachgutachtens auf beiden Gebieten. Das Gutachten vom 20.07.2004 wurde wegen der zwischenzeitlich erfolgten Rückkehr des Klägers in seine Heimat nach Aktenlage erstattet. Dr.W. erhob folgende seit Mai 2000 bestehende Gesundheitsstörungen: 1. Degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit mittelgradiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule und Belastungsbeschwerden bei ausgeprägter lumbosakraler Arthrose, lumbosakraler Chondrose und geringgradiger Listhesis L5/S1.

2. Rotatorenmanschettensyndrom des rechten Schultergelenkes mit Funktionsbehinderungen des rechten Armes oberhalb der Horizontalen.

3. Beginnende Kniegelenksarthrose ohne Bewegungseinschränkung, Spreizfußdeformität und Hallux-valgus-Fehlstellung.

4. Bluthochdruckleiden ohne Hinweis für Herzleistungsminderung.

Eine Verschlechterung im Gesundheitszustand gegenüber den letzten Untersuchungen im Rentenverfahren (beigezogene österreichische Unterlagen) konnte der Gutachter nicht feststellen. Er vertrat die Auffassung, der Kläger könne seit Mai 2000 mit Rücksicht auf die bestehenden Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses als Arbeiter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichten; zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten über 20 kg sowie "allzu häufiges" Bücken. Weitere fachärztliche Begutachtungen hielt er nicht für erforderlich.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27.01.2005 ab. Es seien weder die Voraussetzungen des § 43 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch des § 44 Abs.2 SGB VI in der hier noch anzuwendenden, bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne der Kläger noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei er verweisbar, da er lediglich als Schlosserhelfer tätig gewesen sei. Es bestehe insoweit kein Anlass, an der Arbeitgeberauskunft vom 26.11.2003 zu zweifeln.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Er trägt vor, die vom Erstgericht bzw. im zugrunde liegenden Gutachten aufgeführten Diagnosen seien nicht vollständig. Insbesondere fehle eine Feststellung der massiven Facettenarthrose rechts und deutlichen Facettenarthrose links bei Winkelasymmetrie laut Befund des Dr.M. vom 11.06.2001. Im Übrigen habe er als Schlosser und Schweißer, nicht aber als Helfer gearbeitet und habe Facharbeiterlohn erhalten.

Der zunächst zuständige 5. Senat veranlasste eine Begutachtung des Klägers nach persönlicher Untersuchung durch den Arzt für Orthopädie Dr.K ... Der Kläger klagte bei der Untersuchung über zunehmende Beschwerden an der Hals- und Lendenwirbelsäule seit fünf Jahren, seit 1986 im Zusammenhang mit einer seinerzeitigen Blutvergiftung auch über sich stetig intensivierende Schmerzen am rechten Schultergelenk, ferner über Schmerzen an beiden Kniegelenken seit fünf Jahren. Der Gutachter diagnostizierte einen deutlichen HWS-Verschleiß mit Muskelreizerscheinungen, fortgeschrittene Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenbeteiligung (Spondyloosteochondroe L1/2, Osteochondrose L4 bis S1, Spondylarthrose L4/5 rechts und L5/S1 beidseits), einen deutlichen Schulterverschleiß rechts bei chronischer Muskelreizung mit Defektbildung und Verkalkungsfiguren, einen beginnenden Kniegelenksverschleiß rechts mit Ergussbildung sowie einen Senk-Spreizfuß beidseits (Gutachten vom 12.11.2005).

Nach den Ausführungen des Gutachters sind aufgrund der deutlichen Aufbraucherscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der verminderten Belastbarkeit des rechten Armes nur mehr leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Ausgangslage mit der Möglichkeit zum selbstbestimmten Positionswechsel und ohne Zwangshaltungen möglich. Wegen der Aufbraucherscheinungen an der Lendenwirbelsäule sind Arbeiten mit Lasten über 5 kg sowie in Rumpfbeugehaltung zu vermeiden. Im Hinblick auf die Schäden an der rechten Schulter können ferner Arbeiten über Schulterhöhe sowie grob manuelle Arbeiten nicht mehr abverlangt werden. Im Übrigen seien Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses acht Stunden täglich möglich, eine quantitative Einschränkung der beruflichen Leistungsbreite sei trotz der bestehenden deutlichen Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der rechten Schulter nicht gegeben.

Der Gutachter verwies im Übrigen auf eine beim Kläger vorliegende lediglich medikamentös behandelte Blutdruckerkrankung sowie eine Erkrankung beider Nieren mit Zystenbildung, wobei Dekompensationszeichen nicht festzustellen seien.

Der Kläger hat in seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten im Wesentlichen die Auffassung vertreten, es werde darin bestätigt, dass er als Schweißer berufsunfähig sei. Anfragen des Senats bezüglich Behandlung bzw. ärztliche Unterlagen einer Erkrankung auf internistischem oder nierenfachärztlichem Gebiet beantwortete er nicht. Mit Schreiben vom 19.05.2006 wies der Senat außerdem darauf hin, dass auch die österreichischen Gutachter im seinerzeitigen dortigen Rentenverfahren ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen für leichtere körperliche Arbeiten festgestellt hätten, ferner, dass sich aus den Aktenunterlagen keinerlei Anhaltspunkte für von ihm verrichtete Tätigkeiten mit Facharbeiterqualität ergäben. Auch die Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Entscheidung des Berufungsverfahrens durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung blieb unbeantwortet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27.01.2005 sowie des Bescheides vom 28.10.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2003 zu verpflichten, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Erstgericht entschieden, dass ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, der sich wegen des Zeitpunkts der Antragstellung im Mai 2000 noch nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht richtet, nicht besteht.

Der Kläger ist nicht berufsunfähig oder erwerbsunfähig im Sinne von §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI a.F., deren Voraussetzungen das SG im Einzelnen dargelegt hat. Er kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - dem erstinstanzlichen Gutachten des Dr.W. auf orthopädischem und allgemeinärztlichem Fachgebiet nach Aktenlage, das durch das aufgrund persönlicher Untersuchung durch Dr.K. in zweiter Instanz erstellte Gutachten auf orthopädischem Gebiet im Wesentlichen bestätigt wird - noch leichte körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender Ausgangslage mit der Möglichkeit zum selbstbestimmten Positionswechsel ohne Zwangshaltungen verrichten. Eine zeitliche Leistungseinschränkung besteht bei Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen nach Dr.K. noch nicht.

Der Senat hält das nach gründlicher Untersuchung und sorgfältiger Berücksichtigung der vorhandenen Unterlagen erstellte Gutachten des Dr.K. für schlüssig und überzeugend. Er sieht keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen auf internistisch-nephrologischem Fachgebiet. Zum einen hatte bereits Dr.W. nach Aktenlage internistisch Stellung genommen und die insoweit dokumentierten Befunde berücksichtigt. Zum anderen hat der Kläger auf Rückfragen des Senats nichts vorgebracht, insbesondere keinerlei Befunde oder ärztliche Unterlagen vorgelegt, die eine weitere Überprüfung erforderlich gemacht hätten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass insoweit keine weiteren Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind.

Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen ist der Kläger nicht berufsunfähig. Dabei kommt es nicht darauf an, dass er die zuletzt ausgeübten, eher schweren körperlichen Arbeiten im Schlosserei- bzw. Metallbereich nicht mehr verrichten kann. Entscheidend ist, ob auch zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden können. Dies ist zu verneinen.

Nach dem vom Bundessozialgericht für die Prüfung von Berufsunfähigkeit entwickelten Berufsgruppenschema (Einteilung der Berufe der Versicherten nach der Qualität der verrichteten Arbeit in einem Mehrstufenschema) ist der Kläger nach den zuletzt verrichteten Tätigkeiten in die Gruppe der ungelernten oder allenfalls kurzfristig angelernten Arbeitnehmer einzustufen. Für höher qualifizierte Tätigkeiten ergibt sich entgegen seiner Darstellung keinerlei Anhalt. Selbst nach seinen eigenen früheren Angaben hat er überwiegend Helfertätigkeiten verrichtet, erst im Laufe des Verfahrens wurden von ihm "angelernte Facharbeitertätigkeiten" geltend gemacht. Diese Angaben werden von den befragten letzten Arbeitgebern nicht bestätigt. Als ungelernter bzw. allenfalls angelernter Arbeitnehmer des unteren Bereichs (mit einer Anlernzeit bis zu einem Jahr) ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. In diesem Bereich kann der Kläger alle seinem Leistungsvermögen entsprechenden leichten, überwiegend sitzenden Arbeiten vollschichtig verrichten (z.B. Pförtnertätigkeiten). Eine konkrete Tätigkeit muss ihm nicht benannt werden. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die wegen der Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts die Benennung einer konkreten noch in Betracht kommenden Tätigkeit erforderlich machen würden, liegen nicht vor. Die von den Gutachtern genannten qualitativen Einschränkungen werden durchweg bereits von der Beschränkung auf leichte Arbeiten erfasst und schränken den Arbeitsmarkt nicht darüber hinaus wesentlich ein.

Erst recht liegt bei noch vollschichtigem Restleistungsvermögen keine Erwerbsunfähigkeit vor, darüber hinaus aber auch keine teilweise oder sogar volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs.1 und 2 SGB VI n.F., bzw. teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI n.F. Die Gewährung einer "Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" durch den österreichischen Versicherungsträger hat auf diese Feststellung keinen Einfluss. Unterschiedliche Entscheidungen zu vorzeitigen Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in den verschiedenen Ländern beruhen auf unterschiedlichen Vorschriften mit jeweils anderen Voraussetzungen.

Dem Kläger verbleibt die Möglichkeit, rechtzeitig die Regelaltersrente des 65jährigen Versicherten zu beantragen.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung konnte durch Beschluss nach § 153 Abs.4 SGG ergehen, da der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielt und die Beteiligten dazu gehört wurden.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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