Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 KR 578/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 777/06 KR PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die 1975 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einem Lipödem und hat am 08.08.2005 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Hautkrankheiten, Phlebologie/Lymphologie Dr.C. bei der Beklagten die Kostenübernahme einer Liposuction beantragt. Dr.C. veranschlagte für die ambulante Operation einen Kostenaufwand von 12.037,20 EUR. Die Beklagte hat hierzu den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) angehört, der zu dem Ergebnis kam, die Behandlung sei vom Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht empfohlen worden. Auch nach Vorlage einer nervenärztlichen Bescheinigung vom 02.08.2005 des Arztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr.Z. , wonach sich alle Möglichkeiten, die zur möglichst dauerhaften Besserung des Lipödems beitragen könnten, auch psychisch günstig auswirken würden, blieb der MDK bei seiner Beurteilung. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die beim Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage, zu deren Begründung die Bevollmächtigten der Klägerin ausführen, alle bisherigen Therapien hätten keine signifikante Besserung erbracht. Einzig erfolgversprechende Therapie sei zur Verhinderung der Chronizität eine Liposuction. Auch die psychische Erkrankung wäre durch diese Behandlung zu verbessern.
Am 14.12.2005 ging der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht ein. Das Sozialgericht hat den Antrag nach Beiziehung von Befundberichten mit Beschluss vom 26.07.2006 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Bescheide der Beklagten unterlägen keinen rechtlichen Bedenken. Die Klägerin habe grundsätzlich gemäß § 27 SGB V auf die notwendige Krankenbehandlung einen Sachleistungsanspruch. Dieser Anspruch werde nach dem Gesetzesvorbehalt des § 135 Abs.1 SGB V i.V.m. den gemäß § 92 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V hierzu ergangenen Richtlinien mit normativer Wirkung konkretisiert auf einzelne ambulant zu erbringende Behandlungsmaßnahmen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, wonach für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode erst nach einer positiven Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen begründet werde. Hinsichtlich der Liposuction als anerkannte Therapie zur Behandlung von Lipo-/ Lymphödemen liege eine derartige positive Empfehlung nicht vor. Auch der Vertragsarzt Dr.C. habe in seinem Kostenvoranschlag eine Liquidation als privatärztliche Behandlung dargestellt und nicht eine Sachleistung. Ein Anspruch auf privatärztliche Behandlung bestehe nicht. Ein Ausnahmefall, wie er dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 zu Grunde liege, sei bei der Klägerin nicht gegeben. Auch soweit die Klägerin auf die psychische Stigmatisierung durch das Lymphödem hinweisen lasse, ergäbe sich hieraus kein Behandlungsanspruch. Das Bundessozialgericht habe bereits entschieden, dass psychische Krankheitsbilder nur entsprechende fachärztliche Behandlungsansprüche begründen, nicht jedoch operative Eingriffe, um hierdurch unter Umständen die therapeutische Erfolgswahrscheinlichkeit einer psychiatrischen Therapie zu erhöhen. Der Grundsatz des Ausschlusses von mittelbaren Behandlungsmaßnahmen gelte auch, soweit sich die Klägerin auf geplatzte Adern beziehe, die mit dem Lymphödem im Zusammenhang stehen. Soweit die behandelnden Ärzte Entstellungen bestätigten, seien diese nach herrschender Rechtsprechung nur dann als leistungsbegründend auslösender Versicherungstatbestand anerkannt, soweit die Entstellung im Gesichtsbereich bei den Versicherten vorliege.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bevollmächtigten der Klägerin vom 10.08.2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung wird ausgeführt, das Gericht habe die hinreichende Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint. Das präventive Verbot in § 135 SGB V diene allein dem Zweck der Qualitätssicherung. Da sich der Ausschuss bislang nicht mit der Anerkennung der Liposuction als Behandlungsmethode des Lipo-/Lymphödems beschäftigt habe, obliege es hier ersatzweise dem Gericht zu prüfen, ob die Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Es handele sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine sehr seltene. Der Wirksamkeitsnachweis sei deshalb innerhalb des Verfahrens nach § 135 SGB V offensichtlich weitaus schwieriger zu führen als bei weiter verbreiteten Erkrankungen. Das Sozialgericht hätte deshalb auf jeden Fall von einem offenem Verfahrensausgang ausgehen müssen. Erst im Rahmen einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten sei festzustellen, dass die Beklagte im Falle der Klägerin die Kosten für die beantragte Liposuction bereits aus dem Gesichtspunkt des Systemversagens übernehmen müsse. Der Verlauf der Erkrankung der Klägerin sei chronisch progredient.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Beigezogen sind die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 SGG).
Sie ist unbegründet, der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach § 114 ZPO, der wie alle Vorschriften über die Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG entsprechend auf das Sozialgerichtsverfahren anzuwenden ist, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Standpunkt der Klägerin auf Grund deren Angaben und der von ihr vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält. Das Sozialgericht hat hierzu im angefochtenen Beschluss ausführlich und zutreffend auf die rechtliche Problematik nicht anerkannter neuer Behandlungsmethoden hingewiesen. Dem schließt sich der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs.2 SGG an. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren, dass von einem Systemversagen auszugehen sei, ist nicht überzeugend. Es hätte hier dargelegt werden müssen, dass der Bundesausschuss (jetzt Gemeinsame Ausschuss) eine Überprüfung der beantragten Methode schuldhaft verzögert hätte. Ein entsprechender Sachverhalt ist nicht ersichtlich.
Die Entscheidung ist endgültig und unanfechtbar (§ 127 Abs.2 ZPO i.V.m. §§ 73a, 177 SGG).
Gründe:
I.
Die 1975 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einem Lipödem und hat am 08.08.2005 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Hautkrankheiten, Phlebologie/Lymphologie Dr.C. bei der Beklagten die Kostenübernahme einer Liposuction beantragt. Dr.C. veranschlagte für die ambulante Operation einen Kostenaufwand von 12.037,20 EUR. Die Beklagte hat hierzu den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) angehört, der zu dem Ergebnis kam, die Behandlung sei vom Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht empfohlen worden. Auch nach Vorlage einer nervenärztlichen Bescheinigung vom 02.08.2005 des Arztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr.Z. , wonach sich alle Möglichkeiten, die zur möglichst dauerhaften Besserung des Lipödems beitragen könnten, auch psychisch günstig auswirken würden, blieb der MDK bei seiner Beurteilung. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die beim Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage, zu deren Begründung die Bevollmächtigten der Klägerin ausführen, alle bisherigen Therapien hätten keine signifikante Besserung erbracht. Einzig erfolgversprechende Therapie sei zur Verhinderung der Chronizität eine Liposuction. Auch die psychische Erkrankung wäre durch diese Behandlung zu verbessern.
Am 14.12.2005 ging der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht ein. Das Sozialgericht hat den Antrag nach Beiziehung von Befundberichten mit Beschluss vom 26.07.2006 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Bescheide der Beklagten unterlägen keinen rechtlichen Bedenken. Die Klägerin habe grundsätzlich gemäß § 27 SGB V auf die notwendige Krankenbehandlung einen Sachleistungsanspruch. Dieser Anspruch werde nach dem Gesetzesvorbehalt des § 135 Abs.1 SGB V i.V.m. den gemäß § 92 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V hierzu ergangenen Richtlinien mit normativer Wirkung konkretisiert auf einzelne ambulant zu erbringende Behandlungsmaßnahmen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, wonach für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode erst nach einer positiven Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen begründet werde. Hinsichtlich der Liposuction als anerkannte Therapie zur Behandlung von Lipo-/ Lymphödemen liege eine derartige positive Empfehlung nicht vor. Auch der Vertragsarzt Dr.C. habe in seinem Kostenvoranschlag eine Liquidation als privatärztliche Behandlung dargestellt und nicht eine Sachleistung. Ein Anspruch auf privatärztliche Behandlung bestehe nicht. Ein Ausnahmefall, wie er dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 zu Grunde liege, sei bei der Klägerin nicht gegeben. Auch soweit die Klägerin auf die psychische Stigmatisierung durch das Lymphödem hinweisen lasse, ergäbe sich hieraus kein Behandlungsanspruch. Das Bundessozialgericht habe bereits entschieden, dass psychische Krankheitsbilder nur entsprechende fachärztliche Behandlungsansprüche begründen, nicht jedoch operative Eingriffe, um hierdurch unter Umständen die therapeutische Erfolgswahrscheinlichkeit einer psychiatrischen Therapie zu erhöhen. Der Grundsatz des Ausschlusses von mittelbaren Behandlungsmaßnahmen gelte auch, soweit sich die Klägerin auf geplatzte Adern beziehe, die mit dem Lymphödem im Zusammenhang stehen. Soweit die behandelnden Ärzte Entstellungen bestätigten, seien diese nach herrschender Rechtsprechung nur dann als leistungsbegründend auslösender Versicherungstatbestand anerkannt, soweit die Entstellung im Gesichtsbereich bei den Versicherten vorliege.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bevollmächtigten der Klägerin vom 10.08.2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung wird ausgeführt, das Gericht habe die hinreichende Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint. Das präventive Verbot in § 135 SGB V diene allein dem Zweck der Qualitätssicherung. Da sich der Ausschuss bislang nicht mit der Anerkennung der Liposuction als Behandlungsmethode des Lipo-/Lymphödems beschäftigt habe, obliege es hier ersatzweise dem Gericht zu prüfen, ob die Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Es handele sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine sehr seltene. Der Wirksamkeitsnachweis sei deshalb innerhalb des Verfahrens nach § 135 SGB V offensichtlich weitaus schwieriger zu führen als bei weiter verbreiteten Erkrankungen. Das Sozialgericht hätte deshalb auf jeden Fall von einem offenem Verfahrensausgang ausgehen müssen. Erst im Rahmen einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten sei festzustellen, dass die Beklagte im Falle der Klägerin die Kosten für die beantragte Liposuction bereits aus dem Gesichtspunkt des Systemversagens übernehmen müsse. Der Verlauf der Erkrankung der Klägerin sei chronisch progredient.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Beigezogen sind die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 SGG).
Sie ist unbegründet, der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach § 114 ZPO, der wie alle Vorschriften über die Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG entsprechend auf das Sozialgerichtsverfahren anzuwenden ist, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Standpunkt der Klägerin auf Grund deren Angaben und der von ihr vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält. Das Sozialgericht hat hierzu im angefochtenen Beschluss ausführlich und zutreffend auf die rechtliche Problematik nicht anerkannter neuer Behandlungsmethoden hingewiesen. Dem schließt sich der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs.2 SGG an. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren, dass von einem Systemversagen auszugehen sei, ist nicht überzeugend. Es hätte hier dargelegt werden müssen, dass der Bundesausschuss (jetzt Gemeinsame Ausschuss) eine Überprüfung der beantragten Methode schuldhaft verzögert hätte. Ein entsprechender Sachverhalt ist nicht ersichtlich.
Die Entscheidung ist endgültig und unanfechtbar (§ 127 Abs.2 ZPO i.V.m. §§ 73a, 177 SGG).
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