Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2282/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4439/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Bewilligung einer operativen Verkleinerung des Magens (Gastric-Banding-Operation).
Der am 1948 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger weist (Stand Anfang 2006) bei einer Körpergröße von 168 cm ein Körpergewicht von 136 kg und damit einen Body-Mass-Index (BMI) von 48,2 kg/m² auf. Nach dem Schwerbehindertenrecht (letzter Bescheid des Landratsamts R. vom 09. Februar 2006) steht ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zu wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Polyneuropathie, chronisches Schmerzsyndrom, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Beinverkürzung rechts, Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs, operierte arterielle Verschlusskrankheit, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Zuckerkrankheit und Bluthochdruck. Im September 2005 beantragte der Kläger die Bewilligung der hier streitigen Operation. Sein behandelnder Internist Dr. H. führte in einer schriftlichen Stellungnahme aus, die zahlreichen Erkrankungen enthielten offenkundige Risikofaktoren für Infarkt oder Schlaganfall und damit die Lebenserwartung. Versuche der Gewichtsreduzierung seien erfolglos gewesen. Der Antrag wurde unterstützt von einer gutachtlichen Stellungnahme des Oberarztes Dr. Ho. von der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Unfallchirurgie des Krankenhauses Bad C. vom 20. September 2005. Der Kläger habe an zahlreichen Diät- und Ernährungsberatungskursen teilgenommen und treibe im Rahmen der ihm verbleibenden Möglichkeiten bestmöglich Sport. Nur mit der begehrten operativen Maßnahme werde es dem Kläger möglich sein, sein extremes Übergewicht, für das hormonelle Ursachen ausgeschlossen seien, rasch und dauerhaft zu reduzieren und somit eine einigermaßen normale Lebenserwartung zu erlangen. Die Beklagte erhob das Sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) - Dr. M. - vom 06. Oktober 2005. Das Konzept einer Kalorienbeschränkung sowie einer intensiven langfristig angelegten Ernährungsberatung und Schulung in Verbindung mit einem verhaltenstherapeutischen Konzept sei hier nicht ersichtlich; Esstagebücher würden nicht geführt. Pathologisches Essverhalten könne nicht als Therapieversagen gewertet werden. Auf die Eröffnung des Gutachtensergebnisses mit dem Angebot, ein Gesamtbehandlungskonzept einzuleiten (Schreiben der Beklagten vom 13. Oktober 2005), übersandte der Kläger Bescheinigungen, wonach er regelmäßig an "Gymnastik bei Diabetes" bei der Herz- und Versehrtensportgruppe sowie an einem Behandlungs- und Schulungsprogramm für intensivierte Insulintherapie teilgenommen habe, und verwies auf Teilnahmen an Ernährungsberatungen in einer Kurklinik im Jahre 1992 sowie in den Jahren 1996 und 1999. Gutachter Dr. Sch. vom MDK verblieb unter dem 21. November 2005 dabei, es müsse ein integratives Gesamtbehandlungskonzept (Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie) konsequent und langanhaltend durchgeführt werden; hierzu gehörten zu überprüfende Esstagebücher. Hiermit könne eine einschneidende und langanhaltende Gewichtsabnahme erzielt werden. Mit Verweis auf diese Empfehlung lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme einer Gastric-Banding-Operation ab (Bescheid vom 05. Dezember 2005). Der Kläger erhob Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf das Schreiben des Oberarztes Dr. Ho. vom 19. Januar 2006. Der Kläger gehöre zu den schwerstübergewichtigen Patienten. Es sei seit 25 Jahren vielfach mit stationären Aufenthalten, Diäten, Teilnahme an Gruppensportarten und Diät- und Ernährungsberatung möglich gewesen, das Gewicht zu reduzieren. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich gewesen, diesen Erfolg auf Dauer zu halten. Es gebe kaum geeignete Verhaltenstherapeuten. Der Arzt legte in Kenntnis vergleichbarer Streitigkeiten aktuelle Stellungnahmen bei (Chefarzt Dr. W. vom Krankenhaus Barmherzige Brüder M.en vom 24. April 2002; Aufsatz von Heidelmann in CHAZ 2003, Seite 30 ff.; Bericht über ein Symposium vom 26./27. Mai 2003 in CHAZ 2003, Seite 324 ff.; Beitrag zu laparoskopischer Adipositas-Chirurgie in Chirurgische Gastroenterologie 1998; 14, 336). Gutachter Dr. Sch. vom MDK vermochte in der weiteren Stellungnahme nach Aktenlage vom 01. Februar 2006 keine neuen Gesichtspunkte zu erkennen; es handele sich offenkundig um eine Verhaltensproblematik. Der Kläger war am 14. März 2006 bei der Ernährungsberatung der Beklagten. Diese empfahl eine längerfristige Ernährungsberatung mit Ernährungsumstellung und auch regelmäßige Bewegung drei- bis viermal pro Woche. Der Kläger wollte ein Ernährungsprotokoll führen und wurde zur DMP Schongymnastik ab 22. Juni 2006 angemeldet. Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten unter Verweis auf die übereinstimmenden Darlegungen der Gutachter des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2006).
Mit der am 03. April 2006 zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage trug der Kläger vor, das Übergewicht, durch das bereits erhebliche Einschränkungen des Bewegungsapparates bestünden, sei therapieresistent. Neben vier stationären Aufenthalten in verschiedenen Kurkliniken habe er regelmäßig durch Ernährungsberatung und Anleitungen zu Diäten bislang erfolglos eine Gewichtsreduktion herbeizuführen versucht. Er nehme ständig an entsprechenden Veranstaltungen teil. Es handle sich bei ihm nicht um eine psychische Störung. Er sei an einer Steigerung seiner Lebenserwartung interessiert. Das Operationsrisiko sei tolerabel und die Operation die einzige Möglichkeit, den Zustand zu erleichtern. Ein geeigneter Verhaltenstherapeut habe nicht ausfindig gemacht werden können. Die Beklagte trat unter Hinweis auf die Gutachtensergebnisse der Klage entgegen. Durch Urteil vom 26. Juli 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, hormonelle Ursachen für die Erkrankung seien ausgeschlossen worden. Die konservativen Therapieansätze insbesondere mit Blick auf eine Verhaltensänderung seien nicht völlig ausgeschöpft. Sowohl hinsichtlich einer konsequenten Ernährungsberatung als auch der gesteigerten Bewegungstherapie bleibe zunächst abzuwarten, ob bei Durchführung über ein Jahr ein Erfolg hinsichtlich der Gewichtsreduktion zu erzielen sei. Ein integratives, auf Dauer angelegtes Gesamttherapiekonzept, auch mit einer Überwachung des Essverhaltens, sei nicht angegangen worden. Eine unmittelbar drohende Gefahr für Leib oder Leben, die nur durch die operative Intervention beseitigt werden könnte, liege ersichtlich nicht vor.
Gegen das am 01. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. August 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er verweist auf sein bisheriges Vorbringen. Der Gesundheitszustand verschlechtere sich zunehmend. Eine dauerhafte und nachhaltige Gewichtsreduktion könne allenfalls nach einer sehr langen und intensiven Schulung und Begleitung erreicht werden. Kurzfristig könne allenfalls eine minimale Gewichtsreduktion erreicht werden. Die zahlreichen Erkrankungen machten es außerstande, ein Programm zur dauerhaften Gewichtsreduktion zu absolvieren. Insbesondere ließen die Veränderungen des Bewegungsapparates eine Gewichtsreduktion durch Bewegung aussichtslos erscheinen. Eine über die bereits in Anspruch genommenen vielfachen Beratungen hinausgehende Verhaltenstherapie könne keinen weiteren Erfolg erzielen. Er sei durch den erheblichen Leidensdruck ohnehin psychisch belastet. Die vier stationären Aufenthalte seien wegen seiner erheblichen Probleme mit dem Bewegungsapparat, die auf Grund seiner Tätigkeit auf dem Bau aufgetreten seien, motiviert gewesen. Unrichtig sei, dass er durch diese stationären Aufenthalte versucht habe, sein extremes Übergewicht zu reduzieren.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Gastric-Banding-Operation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Kassenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 26. Juli 2006 zutreffend entschieden, dass die Beklagte in ihren Bescheiden die Bewilligung einer operativen Maßnahme zur Verringerung des Magenvolumens in Form einer Gastric-Banding-Operation zu Recht abgelehnt hat.
Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Behandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung u.a. auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Der Adipositas als solcher kommt Krankheitswert zu. Einigkeit besteht in der Medizin darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI von 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht (vgl. Nrn. 1 und 2.1 der von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin herausgegebenen "Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas" (Version 2006, Leitlinie 2006); www.adipositas-gesellschaft.de/leitlinien.php). Erfordert die Adipositas mithin eine ärztliche Behandlung, so belegt dies zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. Urteile vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 14/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4 - 2500 § 137 c Nr. 1 - und B 1 KR 1/02 R), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung des Patienten durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mit umfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz jedoch eingeschränkt, wenn durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht. In diesem Fall bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG a.a.O., m.w.N.).
Eine chirurgische Behandlung der extremen Adipositas kann demnach eine Leistung der Krankenversicherung sein. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob bei dem jeweiligen Patienten die Indikation für eine solche Therapie gegeben ist. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zunächst zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich ist (§ 12 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Sodann muss untersucht werden, ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für eine chirurgische Intervention gegeben sind. Die Implantation eines Magenbandes kommt nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI &8805; 40 oder &8805; 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmethoden; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u. a.) erfüllen (BSG a.a.O.). Dies bedeutet insbesondere, dass vor einer Operation zunächst sämtliche konservativen Behandlungsalternativen in einem ärztlich geleiteten Gesamtkonzept konsequent als Langzeitbehandlung erfolglos durchzuführen sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27. Oktober 2006, L 4 KR 434/06; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Dezember 2004, L 11 KR 1905/04). Dies ergibt sich auch aus der zuvor bereits genannten von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin herausgegebenen Evidenzbasierten Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas (Version 2006, Leitlinie 2006), die den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft dokumentiert. Nach Nr. 6.4.7 der Leitlinie 2006 kann die Indikation für eine chirurgische Intervention nach Scheitern aller konservativen Therapie bei Patienten mit Adipositas Grad III (BMI &8805; 40) oder Adipositas Grad II (BMI &8805; 35) mit erheblichen Komorbiditäten (z.B. Diabetes mellitus Typ II) gestellt werden. Vor der Stellung der Indikation sollte wenigstens eine sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattfinden. Bestandteile der Therapie sind dabei als Grundlage ein Basisprogramm, das die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie umfasst (Nr. 6.4.1 der Leitlinie 2006), eine Ernährungstherapie in verschiedenen Stufen (Nr. 6.4.2 der Leitlinie 2006), eine Bewegungstherapie (Nr. 6.4.3 der Leit¬linie 2006), eine Verhaltenstherapie (Nr. 6.4.4 der Leitlinie 2006), Gewichtsreduktionsprogramme (Nr. 6.4.5 der Leitlinie 2006) und bei entsprechender Indikation eine adjuvante medikamentöse Therapie (Nr. 6.4.6 der Leitlinie 2006).
Der Senat vermag im Fall des Klägers nicht festzustellen, dass eine vollstationäre chirurgische Behandlung in einem Vertragskrankenhaus unter Berücksichtigung der konservativen Behandlungsalternativen und der maßgebenden Leitlinie als ultima ratio im Sinne der §§ 12 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V notwendig und wirtschaftlich ist. Der Kläger hat nicht sämtliche ambulante Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Weder der Inhalt der vorliegenden Akten noch der Vortrag des Klägers lässt ein über einen längeren Zeitraum andauerndes und zielgerichtetes Behandlungskonzept erkennen. So ist eine Überwachung des Essverhaltens des Klägers jedenfalls nicht vor der Antragstellung bei der Beklagten im September 2005 angegangen worden, sondern erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens im März 2006. Nach der internen E-Mail der Beklagten vom 15. März 2006 (Blatt 65 der Verwaltungsakte) ist davon auszugehen, dass eine solche Überwachung erstmals nach der am 14. März 2006 bei der Beklagten in Anspruch genommenen Ernährungsberatung erfolgte. Nach der dem Sozialgericht vorgelegten Bescheinigung der Beklagten nahm der Kläger drei Termine bei der Ernährungsberatung wahr (14. März, 31. März und 28. April 2006). Weitere Teilnahmen an Termine bei der Ernährungsberatung sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich und auch nicht behauptet. Der Kläger hat zwar vorgetragen, er habe mehrmals versucht, sein Gewicht zu reduzieren. Nach den Stellungnahmen des Dr. Ho. vom 20. September 2005 und 19. Januar 2006 waren auch mehrmals Gewichtsreduktionen möglich, ohne allerdings den Erfolg auf Dauer halten zu können. Die Gründe hierfür ergeben sich aus diesen Stellungnahmen und auch aus dem Vortrag des Klägers nicht. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Essverhalten in der Vergangenheit überwacht wurde, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr behauptet, die früheren stationären Aufenthalte hätten nicht zur Gewichtsreduktion, sondern zur Behandlung von Beschwerden des Bewegungsapparates gedient. Auch wenn der Kläger grundsätzlich motiviert ist und in der Vergangenheit nach seinem Vortrag verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, sein Gewicht zu reduzieren, ist jedenfalls ein Gesamttherapiekonzept mit kombinierter und multidisziplinärer Behandlung über eine längerfristigen Zeitraum nicht erfolgt. Ein erster Ansatz hierzu erfolgte erst im März 2006. Auch eine psychotherapeutische Intervention in Form einer Verhaltenstherapie hat bislang nicht stattgefunden. Wenn der Kläger früher erreichte Gewichtsreduktionen nicht halten konnte, spricht vieles dafür, dass ein Problem des Klägers darin liegt, erforderliche veränderte Ernährungsgewohnheiten beizubehalten.
Dass ambulante konservative Behandlungsalternativen noch zur Verfügung stehen, haben auch Dres. M. und Sch., MDK, in ihren Gutachten vom 06. Oktober 2005, 21. November 2005 und 1. Februar 2006, die der Senat urkundenbeweislich verwertet, dargelegt.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat nicht gedrängt, eine weitere Beweiserhebung durchzuführen, insbesondere ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Bewilligung einer operativen Verkleinerung des Magens (Gastric-Banding-Operation).
Der am 1948 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger weist (Stand Anfang 2006) bei einer Körpergröße von 168 cm ein Körpergewicht von 136 kg und damit einen Body-Mass-Index (BMI) von 48,2 kg/m² auf. Nach dem Schwerbehindertenrecht (letzter Bescheid des Landratsamts R. vom 09. Februar 2006) steht ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zu wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Polyneuropathie, chronisches Schmerzsyndrom, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Beinverkürzung rechts, Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs, operierte arterielle Verschlusskrankheit, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Zuckerkrankheit und Bluthochdruck. Im September 2005 beantragte der Kläger die Bewilligung der hier streitigen Operation. Sein behandelnder Internist Dr. H. führte in einer schriftlichen Stellungnahme aus, die zahlreichen Erkrankungen enthielten offenkundige Risikofaktoren für Infarkt oder Schlaganfall und damit die Lebenserwartung. Versuche der Gewichtsreduzierung seien erfolglos gewesen. Der Antrag wurde unterstützt von einer gutachtlichen Stellungnahme des Oberarztes Dr. Ho. von der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Unfallchirurgie des Krankenhauses Bad C. vom 20. September 2005. Der Kläger habe an zahlreichen Diät- und Ernährungsberatungskursen teilgenommen und treibe im Rahmen der ihm verbleibenden Möglichkeiten bestmöglich Sport. Nur mit der begehrten operativen Maßnahme werde es dem Kläger möglich sein, sein extremes Übergewicht, für das hormonelle Ursachen ausgeschlossen seien, rasch und dauerhaft zu reduzieren und somit eine einigermaßen normale Lebenserwartung zu erlangen. Die Beklagte erhob das Sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) - Dr. M. - vom 06. Oktober 2005. Das Konzept einer Kalorienbeschränkung sowie einer intensiven langfristig angelegten Ernährungsberatung und Schulung in Verbindung mit einem verhaltenstherapeutischen Konzept sei hier nicht ersichtlich; Esstagebücher würden nicht geführt. Pathologisches Essverhalten könne nicht als Therapieversagen gewertet werden. Auf die Eröffnung des Gutachtensergebnisses mit dem Angebot, ein Gesamtbehandlungskonzept einzuleiten (Schreiben der Beklagten vom 13. Oktober 2005), übersandte der Kläger Bescheinigungen, wonach er regelmäßig an "Gymnastik bei Diabetes" bei der Herz- und Versehrtensportgruppe sowie an einem Behandlungs- und Schulungsprogramm für intensivierte Insulintherapie teilgenommen habe, und verwies auf Teilnahmen an Ernährungsberatungen in einer Kurklinik im Jahre 1992 sowie in den Jahren 1996 und 1999. Gutachter Dr. Sch. vom MDK verblieb unter dem 21. November 2005 dabei, es müsse ein integratives Gesamtbehandlungskonzept (Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie) konsequent und langanhaltend durchgeführt werden; hierzu gehörten zu überprüfende Esstagebücher. Hiermit könne eine einschneidende und langanhaltende Gewichtsabnahme erzielt werden. Mit Verweis auf diese Empfehlung lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme einer Gastric-Banding-Operation ab (Bescheid vom 05. Dezember 2005). Der Kläger erhob Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf das Schreiben des Oberarztes Dr. Ho. vom 19. Januar 2006. Der Kläger gehöre zu den schwerstübergewichtigen Patienten. Es sei seit 25 Jahren vielfach mit stationären Aufenthalten, Diäten, Teilnahme an Gruppensportarten und Diät- und Ernährungsberatung möglich gewesen, das Gewicht zu reduzieren. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich gewesen, diesen Erfolg auf Dauer zu halten. Es gebe kaum geeignete Verhaltenstherapeuten. Der Arzt legte in Kenntnis vergleichbarer Streitigkeiten aktuelle Stellungnahmen bei (Chefarzt Dr. W. vom Krankenhaus Barmherzige Brüder M.en vom 24. April 2002; Aufsatz von Heidelmann in CHAZ 2003, Seite 30 ff.; Bericht über ein Symposium vom 26./27. Mai 2003 in CHAZ 2003, Seite 324 ff.; Beitrag zu laparoskopischer Adipositas-Chirurgie in Chirurgische Gastroenterologie 1998; 14, 336). Gutachter Dr. Sch. vom MDK vermochte in der weiteren Stellungnahme nach Aktenlage vom 01. Februar 2006 keine neuen Gesichtspunkte zu erkennen; es handele sich offenkundig um eine Verhaltensproblematik. Der Kläger war am 14. März 2006 bei der Ernährungsberatung der Beklagten. Diese empfahl eine längerfristige Ernährungsberatung mit Ernährungsumstellung und auch regelmäßige Bewegung drei- bis viermal pro Woche. Der Kläger wollte ein Ernährungsprotokoll führen und wurde zur DMP Schongymnastik ab 22. Juni 2006 angemeldet. Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten unter Verweis auf die übereinstimmenden Darlegungen der Gutachter des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2006).
Mit der am 03. April 2006 zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage trug der Kläger vor, das Übergewicht, durch das bereits erhebliche Einschränkungen des Bewegungsapparates bestünden, sei therapieresistent. Neben vier stationären Aufenthalten in verschiedenen Kurkliniken habe er regelmäßig durch Ernährungsberatung und Anleitungen zu Diäten bislang erfolglos eine Gewichtsreduktion herbeizuführen versucht. Er nehme ständig an entsprechenden Veranstaltungen teil. Es handle sich bei ihm nicht um eine psychische Störung. Er sei an einer Steigerung seiner Lebenserwartung interessiert. Das Operationsrisiko sei tolerabel und die Operation die einzige Möglichkeit, den Zustand zu erleichtern. Ein geeigneter Verhaltenstherapeut habe nicht ausfindig gemacht werden können. Die Beklagte trat unter Hinweis auf die Gutachtensergebnisse der Klage entgegen. Durch Urteil vom 26. Juli 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, hormonelle Ursachen für die Erkrankung seien ausgeschlossen worden. Die konservativen Therapieansätze insbesondere mit Blick auf eine Verhaltensänderung seien nicht völlig ausgeschöpft. Sowohl hinsichtlich einer konsequenten Ernährungsberatung als auch der gesteigerten Bewegungstherapie bleibe zunächst abzuwarten, ob bei Durchführung über ein Jahr ein Erfolg hinsichtlich der Gewichtsreduktion zu erzielen sei. Ein integratives, auf Dauer angelegtes Gesamttherapiekonzept, auch mit einer Überwachung des Essverhaltens, sei nicht angegangen worden. Eine unmittelbar drohende Gefahr für Leib oder Leben, die nur durch die operative Intervention beseitigt werden könnte, liege ersichtlich nicht vor.
Gegen das am 01. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. August 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er verweist auf sein bisheriges Vorbringen. Der Gesundheitszustand verschlechtere sich zunehmend. Eine dauerhafte und nachhaltige Gewichtsreduktion könne allenfalls nach einer sehr langen und intensiven Schulung und Begleitung erreicht werden. Kurzfristig könne allenfalls eine minimale Gewichtsreduktion erreicht werden. Die zahlreichen Erkrankungen machten es außerstande, ein Programm zur dauerhaften Gewichtsreduktion zu absolvieren. Insbesondere ließen die Veränderungen des Bewegungsapparates eine Gewichtsreduktion durch Bewegung aussichtslos erscheinen. Eine über die bereits in Anspruch genommenen vielfachen Beratungen hinausgehende Verhaltenstherapie könne keinen weiteren Erfolg erzielen. Er sei durch den erheblichen Leidensdruck ohnehin psychisch belastet. Die vier stationären Aufenthalte seien wegen seiner erheblichen Probleme mit dem Bewegungsapparat, die auf Grund seiner Tätigkeit auf dem Bau aufgetreten seien, motiviert gewesen. Unrichtig sei, dass er durch diese stationären Aufenthalte versucht habe, sein extremes Übergewicht zu reduzieren.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Gastric-Banding-Operation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Kassenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 26. Juli 2006 zutreffend entschieden, dass die Beklagte in ihren Bescheiden die Bewilligung einer operativen Maßnahme zur Verringerung des Magenvolumens in Form einer Gastric-Banding-Operation zu Recht abgelehnt hat.
Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Behandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung u.a. auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Der Adipositas als solcher kommt Krankheitswert zu. Einigkeit besteht in der Medizin darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI von 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht (vgl. Nrn. 1 und 2.1 der von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin herausgegebenen "Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas" (Version 2006, Leitlinie 2006); www.adipositas-gesellschaft.de/leitlinien.php). Erfordert die Adipositas mithin eine ärztliche Behandlung, so belegt dies zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. Urteile vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 14/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4 - 2500 § 137 c Nr. 1 - und B 1 KR 1/02 R), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung des Patienten durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mit umfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz jedoch eingeschränkt, wenn durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht. In diesem Fall bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG a.a.O., m.w.N.).
Eine chirurgische Behandlung der extremen Adipositas kann demnach eine Leistung der Krankenversicherung sein. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob bei dem jeweiligen Patienten die Indikation für eine solche Therapie gegeben ist. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zunächst zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich ist (§ 12 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Sodann muss untersucht werden, ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für eine chirurgische Intervention gegeben sind. Die Implantation eines Magenbandes kommt nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI &8805; 40 oder &8805; 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmethoden; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u. a.) erfüllen (BSG a.a.O.). Dies bedeutet insbesondere, dass vor einer Operation zunächst sämtliche konservativen Behandlungsalternativen in einem ärztlich geleiteten Gesamtkonzept konsequent als Langzeitbehandlung erfolglos durchzuführen sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27. Oktober 2006, L 4 KR 434/06; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Dezember 2004, L 11 KR 1905/04). Dies ergibt sich auch aus der zuvor bereits genannten von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin herausgegebenen Evidenzbasierten Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas (Version 2006, Leitlinie 2006), die den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft dokumentiert. Nach Nr. 6.4.7 der Leitlinie 2006 kann die Indikation für eine chirurgische Intervention nach Scheitern aller konservativen Therapie bei Patienten mit Adipositas Grad III (BMI &8805; 40) oder Adipositas Grad II (BMI &8805; 35) mit erheblichen Komorbiditäten (z.B. Diabetes mellitus Typ II) gestellt werden. Vor der Stellung der Indikation sollte wenigstens eine sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattfinden. Bestandteile der Therapie sind dabei als Grundlage ein Basisprogramm, das die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie umfasst (Nr. 6.4.1 der Leitlinie 2006), eine Ernährungstherapie in verschiedenen Stufen (Nr. 6.4.2 der Leitlinie 2006), eine Bewegungstherapie (Nr. 6.4.3 der Leit¬linie 2006), eine Verhaltenstherapie (Nr. 6.4.4 der Leitlinie 2006), Gewichtsreduktionsprogramme (Nr. 6.4.5 der Leitlinie 2006) und bei entsprechender Indikation eine adjuvante medikamentöse Therapie (Nr. 6.4.6 der Leitlinie 2006).
Der Senat vermag im Fall des Klägers nicht festzustellen, dass eine vollstationäre chirurgische Behandlung in einem Vertragskrankenhaus unter Berücksichtigung der konservativen Behandlungsalternativen und der maßgebenden Leitlinie als ultima ratio im Sinne der §§ 12 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V notwendig und wirtschaftlich ist. Der Kläger hat nicht sämtliche ambulante Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Weder der Inhalt der vorliegenden Akten noch der Vortrag des Klägers lässt ein über einen längeren Zeitraum andauerndes und zielgerichtetes Behandlungskonzept erkennen. So ist eine Überwachung des Essverhaltens des Klägers jedenfalls nicht vor der Antragstellung bei der Beklagten im September 2005 angegangen worden, sondern erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens im März 2006. Nach der internen E-Mail der Beklagten vom 15. März 2006 (Blatt 65 der Verwaltungsakte) ist davon auszugehen, dass eine solche Überwachung erstmals nach der am 14. März 2006 bei der Beklagten in Anspruch genommenen Ernährungsberatung erfolgte. Nach der dem Sozialgericht vorgelegten Bescheinigung der Beklagten nahm der Kläger drei Termine bei der Ernährungsberatung wahr (14. März, 31. März und 28. April 2006). Weitere Teilnahmen an Termine bei der Ernährungsberatung sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich und auch nicht behauptet. Der Kläger hat zwar vorgetragen, er habe mehrmals versucht, sein Gewicht zu reduzieren. Nach den Stellungnahmen des Dr. Ho. vom 20. September 2005 und 19. Januar 2006 waren auch mehrmals Gewichtsreduktionen möglich, ohne allerdings den Erfolg auf Dauer halten zu können. Die Gründe hierfür ergeben sich aus diesen Stellungnahmen und auch aus dem Vortrag des Klägers nicht. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Essverhalten in der Vergangenheit überwacht wurde, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr behauptet, die früheren stationären Aufenthalte hätten nicht zur Gewichtsreduktion, sondern zur Behandlung von Beschwerden des Bewegungsapparates gedient. Auch wenn der Kläger grundsätzlich motiviert ist und in der Vergangenheit nach seinem Vortrag verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, sein Gewicht zu reduzieren, ist jedenfalls ein Gesamttherapiekonzept mit kombinierter und multidisziplinärer Behandlung über eine längerfristigen Zeitraum nicht erfolgt. Ein erster Ansatz hierzu erfolgte erst im März 2006. Auch eine psychotherapeutische Intervention in Form einer Verhaltenstherapie hat bislang nicht stattgefunden. Wenn der Kläger früher erreichte Gewichtsreduktionen nicht halten konnte, spricht vieles dafür, dass ein Problem des Klägers darin liegt, erforderliche veränderte Ernährungsgewohnheiten beizubehalten.
Dass ambulante konservative Behandlungsalternativen noch zur Verfügung stehen, haben auch Dres. M. und Sch., MDK, in ihren Gutachten vom 06. Oktober 2005, 21. November 2005 und 1. Februar 2006, die der Senat urkundenbeweislich verwertet, dargelegt.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat nicht gedrängt, eine weitere Beweiserhebung durchzuführen, insbesondere ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved