L 4 R 3459/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1740/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3459/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger erhebt Anspruch auf Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Streitig ist die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren.

Der am 1931 in K. (Preußen) geborene Kläger besuchte dort bis zur Flucht im Jahr 1944 die Volksschule. Die Familie - der Vater befand sich in Gefangenschaft - gelangte nach R. in Thüringen. Am 30. September 1945 verstarb die Mutter. Laut Angabe im Vertriebenenausweis A des Landratsamts L. vom 31. Januar 1958 bestand seit Januar 1946 ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet. Gemäß Bestätigung der Landwirtin W. in W. (heute Niedersachsen) vom 17. Februar 1997 fand der Kläger vom November 1945 bis Oktober 1946 dort ein Unterkommen und machte sich im landwirtschaftlichen Betrieb nützlich. Sodann wird vom 28. Oktober 1946 bis 30. Juli 1948 der Besuch des M.-Gymnasiums L. bescheinigt (ebenfalls 17. Februar 1997). Ab August 1948 (Bestätigung M. K. vom 01. März 1997) bestand eine Beschäftigung bei der Mechanischen Werkstätte D. in L., wo laut Schreiben der Innungskrankenkasse Stuttgart (vom 10. November 1998) vom 05. Oktober 1948 bis 31. Januar 1949 Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden. Zum 01. Februar 1949 schloss der Kläger bei Feinkost B. den Lehrvertrag für eine kaufmännische Lehre, die drei Jahre dauern sollte. Diese wurde jedoch bereits zum 31. Oktober 1949 wegen Wohnsitzwechsels wieder beendet. Von Dezember 1949 bis Ostern 1950 hielt sich der Kläger als Privatschüler im bischöflichen Konvikt St. B. in B./B. auf, "um Anschluss an die hiesige Aufbauschule zu finden" (Zeugnis vom 12. November 1954); er habe sich zum Wiederaufbau des Hauses dem wechselnden Arbeitseinsatz als Maurer, Schreiner, Schlosser usw. bereitwillig zur Verfügung gestellt. Das Abschlusszeugnis der Unterprima vom 14. August 1951 weist einen Besuch der Realgymnasialen Aufbauschule für Mädchen in B. von Februar 1950 bis zum genannten Datum aus. Der Kläger verließ die Schule, um in die Bereitschaftspolizei in G. einzutreten, wo er vom 10. September 1951 bis 30. Juni 1953 als Unterwachtmeister diente.

Vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954 war der Kläger als Steueranwärter bei der Landesfinanzverwaltung in Stuttgart beschäftigt. Anschließend betätigte er sich vom 01. August bis 09. Dezember 1954 als Praktikant beim Jugenddorf S. (Bescheinigung vom letzten Tag). Vom 26. Januar bis 31. März 1955 leistete er ein Schulpraktikum im Fürsorgedienst des Landesgefängnisses ab; laut Vereinbarung vom 26. Januar 1955 wurde "eine Vergütung nicht gewährt". Nach einer Bescheinigung vom 07. Juli 1955 übernahm der Kläger in der Folgezeit die Inseratenwerbung für den Winterarbeitsplan des Jugendbildungswerkes F ... Nach eigenen Angaben besuchte er vom 12. Mai bis 30. Juli 1955 ein "Wohlfahrtspflegerseminar" in F ... Vom 01. August 1955 bis 14. März 1956 arbeitete er beim Caritasverband der Diözese R. als Wohlfahrtspfleger im Rahmen der Kindererholung und im Jugendwohnheim.

Bereits ab 01. Oktober 1955 war der Kläger Anwärter für den gehobenen Dienst der Bundesfinanzverwaltung bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, ab 01. November 1956 der Bundesvermögensverwaltung bei der Oberfinanzdirektion Stuttgart, wo er am 09. September 1959 die Inspektorenprüfung bestand. Vom 01. November 1959 bis 30. September 1961 war er Regierungsinspektor z.A., anschließend vom 01. Oktober bis 05. November 1962 außerplanmäßiger Regierungsinspektor beim Landesamt für Flurbereinigung und Siedlung in L ... Dort wurde er am 06. November 1962 zum Regierungsinspektor auf Lebenszeit, am 08. November 1963 zum Regierungsoberinspektor und schließlich am 07. September 1966 zum Regierungsamtmann befördert. Zum 31. Oktober 1978 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und erhält seit 01. November 1978 Versorgungsbezüge. Als ruhegehaltfähige Dienstzeit wurde zugrunde gelegt 21. Mai 1958 (27. Geburtstag) bis 31. Oktober 1978 (Mitteilung des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 08. Mai 2000). Die mit Schreiben vom 11. September 1961 anlässlich des Ausscheidens aus der Bundesfinanzverwaltung angekündigte Nachversicherung wurde aufgeschoben, weil der Kläger in eine andere versicherungsfreie Beschäftigung übergetreten war (Bescheid der Oberfinanzdirektion Stuttgart vom 10. Dezember 1962).

Am 11. November 1996 beantragte der Kläger Regelaltersrente. Er gab einen Zuzug aus Rudolstadt am 01. Dezember 1945 an und verwies auf die beizuziehenden Urkunden. Durch Bescheid vom 21. März 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da außer der Anrechnungszeit der Schulausbildung vom 21. Mai 1948 (17. Geburtstag) bis 30. Juli 1948 und vom 01. Februar 1950 bis 14. August 1951 keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt seien, insbesondere keine für die Wartezeit anrechenbaren Beitrags- oder Ersatzzeiten. Im hiergegen eingeleiteten Widerspruchsverfahren wurden weitere der o.g. Urkunden und Bescheinigungen beigezogen. Die Beklagte hielt zuletzt fest (Vermerk vom 17. Juli 2000), das Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis mit Anspruch auf Versorgung dürfte für den Dienstherrn Anlass sein, sich auf Verjährung zu berufen. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 02. November 2000). Eine Nachversicherung für die Zeiten vom 10. September 1951 bis 31. Juli 1954 und vom 01. Oktober 1955 bis 20. Mai 1958 komme wegen der Verjährung nicht in Betracht. Die übrigen geltend gemachten Zeiten (Ersatzzeit der Vertreibung von Oktober 1944 bis Juli 1945, Landhelfer von August 1945 bis Oktober 1946, Beschäftigungen und Lehrzeit von August 1948 bis Oktober 1949 und Praktikum von August 1954 bis September 1955) umfassten nur 54 Monate, so dass von weiterer Sachaufklärung abgesehen werde.

Das am 04. Dezember 2000 eingeleitete Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 3 RA 2880/00) wurde durch Beschluss vom 04. April 2001 zum Ruhen gebracht, um die Frage der Nachversicherung klären zu lassen.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung führte mit Schreiben vom 04. April 2001 aus, bei der Festsetzung der Versorgung mit Bescheid vom 02. Mai 1979 seien bis auf die Ausbildungszeit als Steueranwärter vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954, die nicht im Beamtenverhältnis abgeleistet worden sei, alle anderen Zeiten als ruhegehaltfähige Zeiten berücksichtigt worden; die genannte Zeit hätte auch bei entsprechendem Antrag abgelehnt werden müssen, da deren Ableistung für die Übernahme in den gehobenen Dienst nicht vorgeschrieben gewesen sei und auch zu keinem günstigeren Ergebnis geführt hätte, weil die Zeit vor Vollendung des 27. Lebensjahres gelegen habe. Ende die letzte versicherungsfreie Beschäftigung mit einer beamtenrechtlichen Versorgung, habe eine Nachversicherung für Vordienstzeiten zu unterbleiben, selbst wenn eine Zeit nicht oder nur teilweise berücksichtigt habe werden können (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen, Urteil vom 27. Februar 1976 - L 1 An 169/75). Letztlich würde sich der Dienstherr auf Verjährung berufen.

Die Beklagte rief das Klageverfahren S 3 RA 2880/00 mit Schriftsatz vom 03. Juli 2003 wieder an. Der Kläger legte das Schreiben der AOK L.-B. vom 29. Dezember 2003 vor, in dem diese erläuterte, die Angaben des Klägers über die Tätigkeiten in der Eisengießerei Barth vom 01. August bis 30. September 1948 und vom 05. Oktober 1948 bis 31. Januar 1949 könnten als glaubhaft angesehen werden. Dies wurde mit Schreiben vom 04. August 2004 für eine weitere Zeit vom 05. Mai bis 31. August 1947 ergänzt. Weiter legte der Kläger die Bescheinigung des Caritasverbands der Diözese R.-S. vom 20. März 2003 über die Tätigkeit als Wohlfahrtspfleger vom 01. August 1955 bis 14. März 1956 vor. Der Kläger trug im Weiteren vor, er habe von Januar bis Mai 1947 in R. gearbeitet. Für die gesamte Zeit bei der Eisengießerei B. seien Beiträge abgeführt worden, ebenso vom bischöflichen Konvikt in B. und für das Gefängnispraktikum von Januar bis März 1955. Von März bis Mai 1956 habe Versicherungspflicht beim Jugendbildungswerk bestanden. Schließlich sei nochmals die Frage der Nachversicherung zu prüfen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Von Mai 1945 bis Dezember 1946 sei die pauschale Ersatzzeit der Vertreibung anzuerkennen. Hinzu kämen die Zeiten von Oktober 1948 bis Oktober 1949 mit 13 Monaten und die Beschäftigung von August 1955 bis März 1956 mit acht Monaten, insgesamt 41 Monate. Für alle anderen Zeiten - soweit Beitragszeiten ernstlich in Betracht kämen - sei eine Beitragsentrichtung nicht glaubhaft gemacht und eine Nachversicherung komme nicht mehr in Betracht.

Durch Urteil vom 24. April 2006 wies das SG die Klage ab. Die Auffassung der Beklagten, mehr als 41 Kalendermonate seien nicht erreicht, treffe zu. Betreffend die Nachversicherung habe der Dienstherr deutlich gemacht, dass Verjährung geltend gemacht werde. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen. Für die weiteren geltend gemachten Beitragszeiten sei in keinem Fall die Zahlung von Beiträgen für die entsprechenden Beschäftigungen glaubhaft gemacht.

Gegen das am 14. Juni 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07. Juli 2006 beim LSG Berufung eingelegt. Zur Begründung verbleibt er dabei, er habe von Januar bis Mai 1947 in R. gearbeitet. Die Eisengießerei B. habe für die Beschäftigung von Mai bis August 1947 und von August bis September 1948 Beiträge abgeführt. Die Beschäftigung in B. von November 1949 bis Ostern 1950 sei ebenso beitragspflichtig gewesen wie das Gefängnispraktikum von Januar bis März 1955. Hinzu komme die Beschäftigung von März bis Mai 1956 beim Jugendbildungswerk F ... Schließlich dürfe sich der Dienstherr für die Zeiten vom 10. September 1951 bis 30. Juni 1953 und vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954 gegenüber einer Nachversicherung nicht auf Verjährung berufen. Die Versicherungspflicht der betreffenden Zeiten sei festzustellen. Hilfsweise werde Beitragserstattung geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2000 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung der weiteren geltend gemachten Beitragszeiten Regelaltersrente ab 01. November 1996 zu gewähren, die Zeiten vom 01. Januar 1947 bis 01. Mai 1947, vom 05. Mai 1947 bis 31. August 1947, vom 01. August 1948 bis 30. September 1948, vom 01. November 1949 bis Ostern 1950, vom 01. Oktober 1949 bis 30. Januar 1950, vom 16. Januar 1955 bis 31. März 1955, vom 12. Mai 1955 bis 31. Juli 1955, vom 15. März 1956 bis 31. Mai 1956, vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954 und vom 10. September 1951 bis 14. Juni 1953 als versicherungspflichtige Tätigkeiten anzuerkennen und auf die Wartezeit anzurechnen, hilfsweise festzustellen, dass seine Tätigkeit im Zeitraum vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954 und vom 10. September 1951 bis 14. Juli 1953 versicherungspflichtig war und hierfür Sozialversicherungsbeiträge in gesetzlicher Höhe zu entrichten sind, weiter hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, geleistete Sozialversicherungsbeiträge an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt dabei, weitere Beitragszeiten als die inzwischen 41 Kalendermonate seien nicht belegt.

Der Berichterstatter des Senats hat mit Schreiben vom 13. November, 14. Dezember und 20. Dezember 2006 Hinweise zur Sach- und Rechtslage erteilt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Rentenakten der Beklagten (23 210531 K 125) Bezug genommen.

II.

Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss entschieden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu (vgl. Satz 2 der Vorschrift) durch Schreiben des Berichterstatters des Senats vom 04. Januar 2007 gehört worden. Die mit Schriftsatz vom 15. Januar 2007 geäußerten Bedenken haben nicht veranlasst, von dieser gesetzlich eingeräumten Verfahrensform abzuweichen (vgl. nochmalige Hinweise vom 16. Januar 2007).

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Mangels Erfüllung der Wartezeit besteht kein Anspruch auf Altersrente.

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Regelaltersrente ab 01. November 1996 hat. Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 21. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2000 trifft allein hierzu eine Regelung. Die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Regelaltersrente erfasst auch die Prüfung, ob die hierfür erforderlichen rentenrechtlichen Zeiten vorliegen. Im Verfahren über einen Rentenanspruch ist die rechtsförmliche Feststellung rentenrechtlicher Zeiten - wie dies vom Kläger teilweise als Hilfsantrag formuliert worden ist - nicht vorgesehen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - seit BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr. 13); eine solche Feststellung ist nur in einem dem Rentenverfahren vorausgehenden Vormerkungsverfahren gefordert. Nicht zu entscheiden ist weiterhin über den vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Beiträgen. Insoweit fehlt es bereits an einer Entscheidung der Beklagten.

2. Gemäß § 35 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie (1.) das 65. Lebensjahr vollendet und (2.) die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die allgemeine Wartezeit für einen Anspruch auf Regelaltersrente beträgt fünf Jahre (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet (vgl. § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI). Ein Tatbestand der vorzeitigen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. im Einzelnen § 53 SGB VI) ist vorliegend nicht ersichtlich.

Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Beitragszeiten sind auch Zeiten, für die nach den Reichsversicherungsgesetzen (vorrangig Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - und Reichsversicherungsordnung - RVO -) Beiträge gezahlt worden sind (vgl. § 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Nach einem das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung seit jeher beherrschenden Grundsatz kommt es auch bei eindeutig bestehender Versicherungspflicht auf die tatsächliche Zahlung von Beiträgen an. Fiktive Beitragszeiten (vgl. hierzu § 55 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI) kommen vorliegend nicht in Betracht. Für Versicherungszeiten ab 01. Januar 1950 ist nach allgemeinen Regeln der Vollbeweis der Beitragszahlung gefordert; lediglich für Zeiten vor diesem Datum sind Zeiten als Beitragszeit anzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Versicherte eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat und dass dafür Beiträge gezahlt worden sind (vgl. § 286a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 10 Abs. 1 der vor 1992 geltenden Versicherungsunterlagen-Verordnung - VuVO - vom 03. März 1960, BGBl. I S. 137). Zu den Ersatzzeiten zählen Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden sind, mindestens aber die Zeit vom 01. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1946, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes gehören (vgl. § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI).

Ausgehend hiervon hat der Kläger aus den im Folgenden darzulegenden Gründen die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt.

Die nachgewiesenen Beitrags- und Ersatzzeiten erreichen 41 Kalendermonate. Es handelt sich (vgl. nochmals § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI) zunächst um die Ersatzzeit der Vertreibung vom 21. Mai 1945 (14. Geburtstag) bis 31. Dezember 1946, also 20 Monate. Hinzu kommen die vier Monate der Beschäftigung bei der Mechanischen Werkstätte D. in L. vom 05. Oktober 1948 bis 31. Januar 1949 (Bescheinigung der Innungskrankenkasse Stuttgart vom 10. November 1998). Weiter ist gesichert die Beitragsentrichtung während der Lehrzeit bei Feinkost B. vom 01. Februar bis 31. Oktober 1949, also neun Kalendermonate. Erwiesen ist schließlich eine Pflichtbeitragszeit aus der Berufstätigkeit als Wohlfahrtspfleger vom 01. August 1955 bis 14. März 1956 beim Caritasverband (vgl. Schreiben des Caritasverbands der Diözese R.-S. vom 29. März 2000), also acht Monate. Über die sich somit ergebenden 41 Monate hinaus werden, wie im Folgenden darzulegen ist, selbst bei großzügiger Unterstellung aller in Betracht kommenden Zeiten 60 Kalendermonate nicht erreicht, sondern lediglich 58 Kalendermonate.

Auf die Prüfung der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Helfer in W. von November 1945 bis Oktober 1946 kommt es nicht an, weil diese Zeit innerhalb der bereits gezählten pauschalen Ersatzzeit liegt. Die auch während des Berufungsverfahrens nochmals aufrechterhaltene Behauptung, im Jahr 1947 habe eine Beschäftigung in R./Thüringen stattgefunden, ist nicht zu glauben. Dort hat sich die Familie während der Flucht seit der Jahreswende 1944/1945 bis Herbst 1945 aufgehalten. Der Kläger ist sodann in die Westzonen übergewechselt; während die Bestätigung aus W. vom 17. Februar 1997 den Beginn der dortigen Tätigkeit im November 1945 nennt, wurde anlässlich der Ausstellung des Vertriebenenausweises A vom 31. Januar 1958 ein ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet seit Januar 1946 angegeben. Gemäß der Bescheinigung des M.-Gymnasiums L. vom 17. Februar 1997 hat der Kläger diese Schule - offenkundig durchgängig - vom 28. Oktober 1946 bis 30. Juli 1948 besucht; demgemäß ist die Zeit im Bescheid vom 21. März 1997 unbeanstandet als Anrechnungszeit der Schulausbildung vorgemerkt worden (Beginn mit dem 17. Geburtstag am 21. Mai 1948, vgl. jetzt § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI).

Soweit der Kläger geltend macht, vom 05. Mai bis 31. August 1947 und vom 01. August bis 30. September 1948 bei der Eisengießerei B. in L. gearbeitet zu haben, wurde eine Beitragszahlung im Schreiben des Geschäftsführers der AOK L.-B. vom 04. August 2004 als "glaubhaft" bezeichnet. Nachdem diese Zeit freilich in den Schulbesuch beim M.-Gymnasium in L. fällt, spricht alles dafür, dass die Beschäftigung als versicherungsfreie eines Schülers anzusehen ist. Selbst bei positivem Nachweis würden sich aber nur weitere sechs Kalendermonate ergeben.

Laut Zeugnis vom 12. November 1954 war der Kläger von Dezember 1949 bis Ostern (April) 1950 als "Privatschüler", der sich dem wechselnden Arbeitseinsatz beim Wiederaufbau zur Verfügung gestellt habe, beim Bischöflichen Konvikt St. B. in B./B. tätig. Es ist unwahrscheinlich, dass diese laut dem Abgangszeugnis vom 14. August 1951 bereits seit Februar 1950 die Schulausbildung begleitende Tätigkeit als versicherungspflichtig betrachtet wurde. Selbst im positiven Fall würden sich höchstens fünf weitere Monate ergeben.

Eine Beitragspflicht des Praktikums beim Jugenddorf Seckach vom 01. August bis 09. Dezember 1954 (Bescheinigung vom letzten Datum) ist in keiner Weise belegt. Während des Schulpraktikums im Fürsorgedienst des Landesgefängnisses L. vom 26. Januar bis 31. März 1955 wurde eine Vergütung "nicht gewährt" (Vereinbarung vom 26. Januar 1955); etwaige Aufwandsentschädigungen für Beteiligung an Transporten waren nicht versicherungspflichtig. Im Übrigen würden sich nur drei weitere Monate ergeben.

Die Teilnahme am Wohlfahrtspflegerseminar in Freiburg vom 12. Mai bis 30. Juli 1955 ist ebenso wenig als versicherungspflichtig belegt wie die offenkundig gleichzeitig übernommene Inseratenwerbung für das Jugendbildungswerk Freiburg (dortige Bescheinigung vom 07. Juli 1955). Schließlich ist die ohne aussagekräftige Unterlagen angegebene Beschäftigung beim Jugendbildungswerk Freiburg vom 15. März bis 31. Mai 1956 nicht mehr aufzuklären; es würde sich nur um weitere drei Monate handeln.

Weitere Zeiten kommen nicht in Betracht. Die vom 10. September 1951 bis zur Zurruhesetzung mit 31. Oktober 1978 im öffentlichen Dienst verbrachten Zeiten wurden mit Ausnahme der Ausbildungszeit als Steueranwärter vom 01. Juli 1953 bis 31. Juli 1954 bei der beamtenrechtlichen Versorgung als ruhegehaltfähige Dienstzeiten berücksichtigt (vgl. hierzu und zum Folgenden Schreiben des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 04. April 2001). Auch eine Berücksichtigung dieser Zeit hätte zu keinem günstigeren Ergebnis geführt und eine Nachversicherung für Vordienstzeiten hatte zu unterbleiben, selbst wenn eine Zeit bei der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht berücksichtigt werden konnte (so LSG Niedersachsen, Urteil vom 27. Februar 1976, L 1 An 169/75). Ob es unter diesen Umständen auf die Frage der Verjährung noch ankommt, kann unentschieden bleiben. Im Übrigen hat sich der Kläger offenkundig gegen die Darlegungen im Schreiben des Landesamts vom 04. April 2001 nicht gewandt; das allein deswegen zum Ruhen gebrachte Klageverfahren musste von der Beklagten mehr als zwei Jahre später, im Juli 2003 wieder angerufen werden. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, betreffend etwaiger Nachversicherungstatbestände ein neues Verfahren anzustoßen.

3. Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision bestanden nicht.
Rechtskraft
Aus
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