Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1945/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4966/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.9.2006 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Sozialgericht Heilbronn zurückverwiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Absenkung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes sowie der vollständigen Kosten seiner Unterkunft. Bei der Beklagten entstanden Zweifel am Arbeitsvermögen des Klägers, weswegen sie im März 2005 ihren ärztlichen Dienst mit einer Begutachtung des Klägers beauftragte. In der Folgezeit erschien der Kläger mehrfach nicht zu Meldeterminen bei der Beklagten. Stattdessen erhob er am 23.5.2006 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) gegen die Einladungsschreiben der Beklagten. Nachdem der Kläger weiteren Einladungen der Beklagten zur Vorsprache und schließlich einer Einladung zur Vorsprache und ärztlichen Untersuchung am 3.8.2006 nicht nachgekommen war, erließ die Beklagte noch am 3.8.2006 mehrere Absenkungsbescheide nach § 31 SGB II, deren kumulierte Wirkung ein Absenkung der Regelleistung in Höhe von 80 vom Hundert für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 war.
Der Kläger hat Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 28.8.2006 stellte die Beklagte unter anderem die dem Kläger monatlich zustehende Leistung in Höhe von lediglich insgesamt 338 EUR für die Zeit vom 1.10.2006 bis zum 30.11.2006 fest. Auch hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Das SG hat am 4.9.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem lediglich der Kläger erschienen ist. Das SG wies den Kläger darauf hin, dass die Klage seiner Auffassung nach unzulässig sei und teilte mit, dass es ab dem 18.9.2006 eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtige.
Am 14.9.2006 erließ die Beklagte einen "Bescheid", mit dem sie die Widersprüche des Klägers vom 5.8.2006 und vom 3.9.2006 zurückwies. Die Sanktionen seien zu Recht festgestellt worden, weil der Kläger den betreffenden Meldeterminen unentschuldigt ferngeblieben sei. Dieser "Bescheid" enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der die Klage zum SG zulässig sei. Außerdem ist die Aufgabe des Schriftstücks zur Post am 15.9.2006 vermerkt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.9.2006 als unzulässig abgewiesen, weil das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 20.9.2006 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 29.9.2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit der er unter anderem auch Verfahrensfehler des SG geltend macht. Insbesondere könnten nicht Vorgänge Gegenstand des Verfahrens sein, die nach seiner Klageerhebung am 23.5.2006 vorgefallen seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.9.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3.8.2006 und vom 28.8.2006 in der Gestalt des Bescheides vom 14.9.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Der Gerichtsbescheid des SG ist aufzuheben, da das SG die Klage als unzulässig abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wobei die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Das SG hat bei seiner Entscheidung nicht den "Bescheid" der Beklagten vom 14.9.2006 beachtet, mit dem die Widersprüche des Klägers zurückgewiesen worden sind. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen Widerspruchsbescheid im Sinne von § 78 SGG. Der Bescheid, der am 15.9.2006 zur Post aufgegeben worden ist, gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Bei dieser Zugangsfiktion ist es für die Bestimmung des dritten Tages nach der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post nicht entscheidend, ob der dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag ist; die Drei-Tages-Frist läuft kalendermäßig ab (vgl. Engelmann in SGB X, 5. Aufl. 2005, § 37 Rdnr. 12). Damit war der Widerspruchsbescheid der Beklagten dem Kläger auch vor dem Erlass des Gerichtsbescheides bekannt gegeben und damit wirksam geworden.
Auch wenn das SG aufgrund der zeitlichen Überschneidung und der fehlenden rechtzeitigen Benachrichtigung seitens der Beklagten nichts von diesem Widerspruchsbescheid wusste, stellt dies einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von §§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG dar und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Offen bleiben kann, ob auch nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG eine Zurückverweisung hätte erfolgen können. Auf den Vortrag des Klägers, das SG habe nicht Vorfälle zum Gegenstand machen dürfen, die sich nach der Klageerhebung zum SG ereignet hätten, kommt es insofern für die Entscheidung über die vorliegende Berufung ebenfalls nicht mehr an.
Nachdem die Berufung im Sinne der Zurückverweisung begründet ist, ist auf den Rechtsstreit zwischen den Beteiligten in der Sache nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 159 Rdnr. 5 d).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Das Verfahren wird an das Sozialgericht Heilbronn zurückverwiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Absenkung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes sowie der vollständigen Kosten seiner Unterkunft. Bei der Beklagten entstanden Zweifel am Arbeitsvermögen des Klägers, weswegen sie im März 2005 ihren ärztlichen Dienst mit einer Begutachtung des Klägers beauftragte. In der Folgezeit erschien der Kläger mehrfach nicht zu Meldeterminen bei der Beklagten. Stattdessen erhob er am 23.5.2006 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) gegen die Einladungsschreiben der Beklagten. Nachdem der Kläger weiteren Einladungen der Beklagten zur Vorsprache und schließlich einer Einladung zur Vorsprache und ärztlichen Untersuchung am 3.8.2006 nicht nachgekommen war, erließ die Beklagte noch am 3.8.2006 mehrere Absenkungsbescheide nach § 31 SGB II, deren kumulierte Wirkung ein Absenkung der Regelleistung in Höhe von 80 vom Hundert für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 war.
Der Kläger hat Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 28.8.2006 stellte die Beklagte unter anderem die dem Kläger monatlich zustehende Leistung in Höhe von lediglich insgesamt 338 EUR für die Zeit vom 1.10.2006 bis zum 30.11.2006 fest. Auch hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Das SG hat am 4.9.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem lediglich der Kläger erschienen ist. Das SG wies den Kläger darauf hin, dass die Klage seiner Auffassung nach unzulässig sei und teilte mit, dass es ab dem 18.9.2006 eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtige.
Am 14.9.2006 erließ die Beklagte einen "Bescheid", mit dem sie die Widersprüche des Klägers vom 5.8.2006 und vom 3.9.2006 zurückwies. Die Sanktionen seien zu Recht festgestellt worden, weil der Kläger den betreffenden Meldeterminen unentschuldigt ferngeblieben sei. Dieser "Bescheid" enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der die Klage zum SG zulässig sei. Außerdem ist die Aufgabe des Schriftstücks zur Post am 15.9.2006 vermerkt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.9.2006 als unzulässig abgewiesen, weil das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 20.9.2006 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 29.9.2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit der er unter anderem auch Verfahrensfehler des SG geltend macht. Insbesondere könnten nicht Vorgänge Gegenstand des Verfahrens sein, die nach seiner Klageerhebung am 23.5.2006 vorgefallen seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.9.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3.8.2006 und vom 28.8.2006 in der Gestalt des Bescheides vom 14.9.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Der Gerichtsbescheid des SG ist aufzuheben, da das SG die Klage als unzulässig abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wobei die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Das SG hat bei seiner Entscheidung nicht den "Bescheid" der Beklagten vom 14.9.2006 beachtet, mit dem die Widersprüche des Klägers zurückgewiesen worden sind. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen Widerspruchsbescheid im Sinne von § 78 SGG. Der Bescheid, der am 15.9.2006 zur Post aufgegeben worden ist, gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Bei dieser Zugangsfiktion ist es für die Bestimmung des dritten Tages nach der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post nicht entscheidend, ob der dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag ist; die Drei-Tages-Frist läuft kalendermäßig ab (vgl. Engelmann in SGB X, 5. Aufl. 2005, § 37 Rdnr. 12). Damit war der Widerspruchsbescheid der Beklagten dem Kläger auch vor dem Erlass des Gerichtsbescheides bekannt gegeben und damit wirksam geworden.
Auch wenn das SG aufgrund der zeitlichen Überschneidung und der fehlenden rechtzeitigen Benachrichtigung seitens der Beklagten nichts von diesem Widerspruchsbescheid wusste, stellt dies einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von §§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG dar und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Offen bleiben kann, ob auch nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG eine Zurückverweisung hätte erfolgen können. Auf den Vortrag des Klägers, das SG habe nicht Vorfälle zum Gegenstand machen dürfen, die sich nach der Klageerhebung zum SG ereignet hätten, kommt es insofern für die Entscheidung über die vorliegende Berufung ebenfalls nicht mehr an.
Nachdem die Berufung im Sinne der Zurückverweisung begründet ist, ist auf den Rechtsstreit zwischen den Beteiligten in der Sache nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 159 Rdnr. 5 d).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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