L 1 Kr 242/91

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 Kr 1315/88
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 242/91
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts über den Leistungsort und die Gefahrtragung bei Zahlung von Geldschulden gelten für die Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen entsprechend (Anschluß an BSG, Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 40/85 –).
2. Wird ein Verrechnungsscheck aus dem Hausbriefkasten einer Krankenkasse entwendet, trägt hierfür allein der Schuldner (hier der Arbeitgeber) das Verlustrisiko.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 1991 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeträgen durch Einwurf eines Schecks in den Hausbriefkasten der Beklagten.

Die Klägerin ist Inhaberin eines Betriebes für M.- und N. werk. Für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer waren an die Beklagte für den Monat Januar 1988 insgesamt 23.625,54 DM Gesamtsozialversicherungsbeiträge abzuführen.

Am 24. Februar 1988 (laut Aktenvermerk in der Beklagtenakte) stellte die Beklagte nach Durchsicht der per 22. Februar 1988 vom Rechenzentrum gelieferten Saldenliste für Januar fest, daß für die Klägerin kein Eingang von Beitragszahlungen zu verzeichnen war. Eine daraufhin veranlaßte telefonische Nachfrage ergab, daß der Geschäftsführer der Klägerin, Herr L., persönlich einen Scheck nebst Beitragsnachweisung in einem an die Beklagte adressierten und verschlossenen Umschlag in den Briefkasten der Geschäftsstelle H. eingeworfen habe, der der Klägerin nach Auskunft der kontoführenden Bezirkssparkasse H. inzwischen am 19. Februar 1988 (Wertstellung 17. Februar 1988) auf deren Konto belastet worden war. Der Gegenwert des Schecks wurde einem kurz zuvor eingerichteten Konto bei der R. bank M. e.G. "K. O., Import-Export, 1800 GX A.” gutgeschrieben und ausgezahlt. Die Klägerin vertrat gegenüber der Beklagten die Auffassung, daß sie durch Einwurf des Verrechnungsschecks in den Geschäftsstellenbriefkasten am Donnerstag, den 11. Februar 1988, die geforderte Zahlung geleistet habe. Der spätere Diebstahl des Umschlags mit dem Scheck sei nicht von ihr zu vertreten.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1988 forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 23.625,54 DM auf. Da der ausgestellte und später entwendete Scheck nicht von ihr habe eingelöst werden können, sei die Forderung nicht erfüllt und bestehe weiter.

Hiergegen legte die Klägerin am 27. Juli 1988 Widerspruch ein. Sie zahle die monatlichen Beiträge seit Jahren per Scheck. Hiermit und mit dem Einwurf von Schecks in den Hausbriefkasten habe sich die Beklagte einverstanden erklärt. Zum Zeitpunkt des Diebstahls habe sich der Verrechnungsscheck für Januar 1988 in der alleinigen Verfügungsgewalt der Beklagten befunden, die deshalb das Verlustrisiko zu tragen habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1988 zurück. Da Geldschulden Bringschulden seien, müsse sie der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr auf seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz übermitteln. Der Briefkasten bei der Auskunftsstelle H. sei weder vom Anbringungsort noch von seiner Beschaffenheit dazu geeignet, Wertsachen einzuwerfen. Die Verlustgefahr sei mit dem Einwerfen des Schecks nicht auf sie übergegangen. Folglich sei nicht ihr, sondern der Klägerin, der Scheck entwendet worden.

Am 4. November 1988 hat die Klägerin beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Der von ihr ausgestellte Scheck sei aus dem an der Außenwand des Hauses der Geschäftsstelle befindlichen Briefkasten der Beklagten gestohlen worden, vom Dieb bei der R. M. e.G. eingereicht und von der bezogenen Bezirkssparkasse H. zulasten ihres Kontos eingelöst worden. Das auf dem Scheck vorgesehene Empfängerfeld habe der Dieb zuvor mittels eines Negativstempels "K. O. Import-Export” überstempelt. Auf diese Art und Weise seien nach ihren Informationen auch von anderen Beitragszahlern Schecks entwendet und manipuliert worden. Da bei natürlichem Verlauf der Dinge nur die Beklagte nach Einwurf in den Briefkasten eine Zugriffsmöglichkeit auf den Scheck gehabt habe, sei der spätere Diebstahl in ihrer Sphäre erfolgt. Wer jahrelang eine bestimmte Leistungshandlung des Schuldners anstandslos akzeptiere, könne sich später nicht auf sein fehlendes Einverständnis berufen. Erst nach dem fraglichen Vorfall sei der Einwurfschlitz für den Briefkasten der Beklagten unzugänglich gemacht worden, so daß in diesen nichts mehr hineingeworfen werden könne. Im übrigen wäre bei einer rechtzeitigen Information der Beklagten über den Diebstahl noch eine Schecksperre möglich gewesen.

Nach Auffassung der Beklagten habe die Klägerin damit rechnen müssen, daß Unbefugte einen normalen, offensichtlich ungesicherten Briefkasten öffnen. Die Entwendung von Schriftstücken aus dem Briefkasten habe sie auch nicht sofort, sondern – wie bei anderen betroffenen Firmen – erst nach Feststellung der fehlenden Zahlungseingänge bemerken können. Zu diesem Zeitpunkt nach dem 22. Februar 1988 sei der Scheck aber bereits eingereicht und an den Täter in bar ausgezahlt (22. Februar 1988) worden. Die Klägerin habe sich selbst bei der Beklagten über den Eingang des Schecks rückversichern müssen. Bei dem dann früher festgestellten Verlust wäre es noch möglich gewesen, das Konto der Klägerin zu sperren. Sie könne sich nicht dagegen wehren, daß in ihren Briefkasten Schecks eingeworfen würden.

Ein von der Klägerin betriebenes Verfahren gegen die Sparkasse H. endete durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. September 1989, in dem festgestellt worden ist, daß die den Scheck einlösende Sparkasse entstandenen oder entstehenden Schaden hieraus zu zwei Dritteln zu ersetzen hat. Ein Drittel des Schadens müsse die Klägerin aber wegen Mitverschuldens selbst tragen, denn "wer nach Dienstschluß der gewollten Scheckempfängerin einen Verrechnungsscheck in einen Hausbriefkasten der Scheckempfängerin in Einfachstausführung einwirft, dessen Einwurfschlitz erkennbar gegen Manipulation Dritter nur mangelhaft gesichert ist, anstatt den Scheck während der Dienststunden zu übergeben oder mit der Post zu übersenden, läßt diejenige Sorgfalt außer Acht, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren”.

Durch Urteil vom 17. Januar 1991 hat das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1988 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß der Anspruch auf Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für Januar 1988 verwirkt sei. Zwischen der Klägerin und der Beklagten sei stillschweigend vereinbart worden, daß die Beitragsentrichtung durch Verrechnungsscheck erfolgen könne. Der Verrechnungsscheck der Klägerin sei so in die Verfügungsmacht der Beklagten gelangt, daß diese sich hieraus hätte befriedigen können. Die Klägerin habe durch Ausstellung eines Verrechnungsschecks alles getan, um einen Mißbrauch zu verhindern. Auch die Beklagte sei hiervon sicherlich ausgegangen, da sie ansonsten den Briefkasten für den Zahlungsverkehr gesperrt bzw. eine Einbruchssicherung am Briefkasten installiert hätte. Es widerspreche angesichts des bisherigen Verhaltens der Beklagten Treu und Glauben, sich nunmehr auf die Unzulänglichkeit des Hausbriefkastens zu berufen.

Gegen dieses dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Februar 1991 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 4. März 1991 – eingegangen bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 6. März 1991 – eingelegte Berufung, mit der sich die Beklagte unter Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Streitentscheidend sei allein die Frage, ob die Klägerin durch Einwurf eines Schecks in einen gewöhnlichen Hausbriefkasten alles getan habe, um die Erfüllung der gegen sie gerichteten Forderung zu bewirken. Da die Erfüllung unstreitig nicht eingetreten sei, gehe es nur um die Entscheidung, wer für den Verlust des Schecks die Übermittlungsgefahr zu tragen habe. Entgegen den Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts habe sie überhaupt nicht die Möglichkeit einer Befriedigung aus dem Scheck gehabt. Da der Verlust des Schecks zwischen Leistungsbewirkung und Erfüllung eingetreten sei, müsse die Klägerin diesen bei Schickschulden übernehmen. Der einfache Hausbriefkasten habe zu besonderer Vorsicht gemahnt. Da niemand auf die Idee käme, Bargeld in der hier streitigen Größenordnung in diesen Briefkasten zu werfen, sei aber ein höheres Vertrauen in einen Scheck nicht angebracht. Daß die Zahlungsmodalitäten zwischen den Beteiligten seit geraumer Zeit üblich gewesen seien, ändere hieran nichts.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe und ihr bisheriges Vorbringen. Der Scheck sei – entgegen der Darstellung der Beklagten – bereits am 11. Februar 1988 nach Dienstschluß gegen 17.00 Uhr in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergäbe sich, daß sie hierdurch mit befreiender Wirkung geleistet habe. Wer einen Briefkasten aufhänge, signalisiere, daß er Briefsachen über diesen Briefkasten entgegennehmen wolle. Es sei dann seine Sache, diesen ggf. gegen Diebstahl abzusichern. Für Verlust von Briefsendungen auf dem Postweg habe der Schuldner nicht einzustehen. Wäre die Auffassung der Beklagten richtig, daß der Verlust eines Verrechnungsschecks und eines Barbetrages hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen gleichzusetzen sei, wäre der Scheckverkehr zwischen Geschäftspartnern nicht mehr möglich.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt mußte aufgehoben werden, denn der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer im Januar 1988 ist bisher nicht erfüllt. Insbesondere ist mit dem Einwurf eines Verrechnungsschecks in den ungesicherten Hausbriefkasten der Beklagten das Verlustrisiko bei einem späteren Diebstahl nicht auf die Beklagte übergegangen.

Nach § 1396 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung (RVO a.F.) sind Beiträge versicherungspflichtiger Beschäftigter von dem Arbeitgeber zu entrichten. Dieser hat gemäß § 1399 Abs. 2 RVO a.F. die Beiträge grundsätzlich an die Krankenkasse, die für die Erhebung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zuständig ist, abzuführen.

Gesetzliche Bestimmungen über die Art und Weise der "Entrichtung” bzw. "Abführung” der Beiträge gibt es nicht. § 23 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) regelt lediglich deren Fälligkeit (vorliegend am 15. Februar 1988 nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i.V.m. der Satzung der Beklagten), § 25 SGB IV deren Verjährung.

Angesichts dessen muß auch für die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über Rechte und Pflichten bei der Erbringung von Leistungen, den Leistungsort bei der Zahlung von Geldschulden, usw. zurückgegriffen werden, da diese insoweit Ausdruck allgemeiner Rechtsüberzeugungen sind (BSG, Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 40/85).

Nach § 269 BGB ist Leistungsort der Wohnsitz des Schuldners bzw. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung, sofern – wie hier – nichts anderes bestimmt ist oder sich aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, ergibt. Das gilt auch für Geldschulden (§ 270 Abs. 4 BGB). § 270 Abs. 1 BGB regelt aber darüber hinaus, daß der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. Geldschulden sind demnach Schickschulden mit der Besonderheit, daß der Schuldner mit der Gefahrtragung, dem Risiko des Verlustes, belastet ist. Diese Auslegungsregel ist vorliegend maßgebend, da sich weder – wie ausgeführt – aus dem Gesetz noch nach einer anderweitigen Parteivereinbarung (ungeachtet ihrer Zulässigkeit) etwas anderes ergibt. Die Klägerin hat zwar Gesamtsozialversicherungsbeiträge schon seit Jahren ohne Widerspruch der Beklagten per Scheck bezahlt und sich hierbei des Hausbriefkastens der Beklagten für den in einem Umschlag nebst Beitragsnachweisung befindlichen Scheck bedient. Eine von § 270 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung über die Gefahrtragung ist hierdurch aber auch nicht stillschweigend zustande gekommen. Da über die Art der Übermittlung von Sozialversicherungsbeiträgen ebenfalls gesetzliche Bestimmungen bzw. Parteiabreden fehlen, ist diese von der Klägerin bestimmt worden, die sich regelmäßig für eine Tilgung der Schuld durch Scheck entschieden hat.

Durch den Einwurf eines Umschlags mit einem Verrechnungsscheck in den Hausbriefkasten der Beklagten ist die Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung der Januarbeiträge freigeworden. Weder das geschuldete Geld noch der erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) ausgestellte Scheck sind bei der Beklagten eingegangen, da dieser zuvor von einem unbekannten Dritten aus dem Briefkasten der Beklagten entwendet worden ist. Die Beklagte hatte somit keine Gelegenheit, sich aus dem Scheck zu befriedigen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Verlust auf Gefahren beruhte, die aus der Sphäre der Beklagten stammen (Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl. 1991, § 270 Rdnr. 10). Wenn sich etwa ein Gläubiger Postsendungen an ein Postfach übermitteln läßt und der Verlust erst bei der Abholung eintritt, braucht der Schuldner hierfür nicht einzustehen (RGZ 69, 137 ff.). Vergleichbares dürfte gelten, wenn der in den Hausbriefkasten gelangte und von der Beklagten auch tatsächlich empfangene Scheck später von einem Mitarbeiter der Beklagten unterschlagen werden würde. Ein entsprechender Fall liegt aber hier nicht vor. Vielmehr hat sich durch den Eingriff des Diebes die typische Gefahr realisiert, die nach der Auslegungsregel des § 270 Abs. 1 BGB von der Klägerin zu tragen ist. Daran ändert weder die durch den Briefkasten eröffnete Möglichkeit des Einwurfs von Sendungen etwas noch die Tatsache, daß dieser Briefkasten – für jedermann erkennbar – völlig ungesichert war. Angesichts des breiten Einwurfschlitzes und der gegebenen Möglichkeit eines Eingriffs von außen mußte sich der Klägerin das Risiko eines Einwurfs von Wertsachen, zu denen auch Verrechnungsschecks gehören, geradezu aufdrängen. Das hat bereits das Landgericht Darmstadt in seinem rechtskräftigen Urteil vom 28. September 1989 festgestellt. An den sich aus § 270 Abs. 1 BGB ergebenden Rechtsfolgen ändert auch das von der Klägerin herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs (NJW 1969, 875 f.) nichts. Da in der Entscheidung nicht über die Gefahrtragung bei Verlust eines Schecks zu befinden war, sondern nur die Rechtzeitigkeit der Leistungsbewirkung bei Übergabe oder Einwerfen in den Briefkasten des Gläubigers im Streit stand, ist diese vorliegend nicht einschlägig.

Angesichts der klaren Risikoverteilung in § 270 Abs. 1 BGB und der fehlenden Einflußmöglichkeit der Beklagten auf die Art und Weise der Beitragsentrichtung sieht der Senat auch keine Veranlassung, auf eine Generalklausel wie Treu und Glauben zurückzugreifen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß bei außergewöhnlichen Störungen eine Teilung des Verlustes erfolgen kann. Entsprechende Entscheidungen sind im Zusammenhang mit steckengebliebenen Banküberweisungen im Verkehr zwischen den Westzonen (Bundesrepublik) und den ehemaligen Ostgebieten (spätere DDR) im Jahre 1945 vor Einmarsch der Russen ergangen (BGHZ 2, 218 ff.; 10, 319 ff.). Vergleichbare Umstände wie Post- und Kontensperre haben aber hier nicht vorgelegen. Es war allein Sache der Klägerin, das Risiko einzugehen, daß der ausgestellte und in den Briefkasten eingeworfene Verrechnungsscheck auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Beklagten gelangt, um ihr die Möglichkeit einer Befriedigung aus dem Scheck zu eröffnen. Gerade weil die Klägerin das Verlustrisiko zu tragen hatte, bestand auch für die Beklagte keine Veranlassung, für eingeworfene Schecks einen gesicherten Briefkasten vorzuhalten, bzw. auf die Risiken für Schuldner bei Diebstahl von Schriftgut hinzuweisen. Daß sie dennoch später entsprechende Warnhinweise auf dem Briefkasten angebracht hat, ändert jedenfalls an der Risikoverteilung im vorliegenden Fall nichts. Auch eine Abwendung des eingetretenen Schadens war der Beklagten nicht möglich. Zwar hätte bei rechtzeitiger Entdeckung des Diebstahls noch eine Schecksperre veranlaßt werden können, um die erfolgte Auszahlung an den Dieb zu verhindern. Die Beklagte war aber nicht dazu verpflichtet, bereits am Tag nach Fälligkeit der Beiträge zu ermitteln, ob alle zur Beitragsabführung verpflichteten Arbeitgeber auch tatsächlich gezahlt hatten. Die Klägerin ihrerseits hätte durch telefonische Rückfrage leichter feststellen können, ob der Scheck die Beklagte erreicht hat oder nicht.

Da somit eine Erfüllung des Anspruchs auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Januar 1988 noch nicht eingetreten ist, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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