L 9 AS 57/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 32 (5, 38) AS 89/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 57/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11b AS 9/07 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24.07.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung höherer Regelsatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2005.

Die seit 1997 verheirateten Kläger zu 1) und 2) leben mit den Klägern zu 3) und 4), der am 00.00.1997 geborenen Tochter T L und dem am 00.00.2000 geborenen Sohn U L, gemeinsam in einer Wohnung. Die Klägerin zu 1) bezog bis zum 07.01.2004 Arbeitslosengeld. Anschließend erhielt sie bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Der Kläger zu 2) erzielte im streitigen Zeitraum (Januar bis April 2005) ein Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von monatlich 853,32 Euro netto. Für die Wohnung waren 383,99 Euro Grundmiete, 129,35 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 76,00 Euro Heizkosten monatlich zu zahlen.

Am 08.11.2004 beantragten die Kläger mit einem von der Klägerin zu 1) unterschriebenen Antragsformular Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Die Beklagte bewilligte den Klägern zu 1) bis 4) mit an die Klägerin zu 1) adressiertem Bescheid vom 02.12.2004 diese Leistungen in Höhe von 716,88 Euro monatlich für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2005. Da die Klägerin zu 1) die Leistungen beantragt habe, werde vermutet, dass sie die Vertretung der Bedarfsgemeinschaft übernommen habe. Den Klägern zu 1) und 2) erkannte die Beklagte je 311,00 Euro Regelbedarf, den Klägern zu 3) und 4) je 207,00 Euro Sozialgeld zu. Diesem Bedarf rechnete sie 572,66 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) hinzu, was einen Gesamtbedarf von 1608,66 Euro ergab. Hiervon zog die Beklagte bei den Klägern zu 3) und 4) je 154,00 Euro Kindergeld ab. Ferner setzte sie 583,78 Euro vom Einkommen des Klägers zu 2) ab, was die bewilligten 716,88 Euro ergab.

Hiergegen legten die Kläger mit am 31.01.2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Sie erhoben verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Leistungen. Die von den Klägern zu 1) und 2) in die Arbeitslosenversicherung eingezahlten Beiträge schlügen sich nunmehr bei Eintritt des Risikos nicht in entsprechenden Leistungen von entsprechender Dauer nieder. Auch würden die Kläger mit denjenigen gleichgestellt, die nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hätten. Die durch das SGB II bewirkten massiven Verschlechterungen verstießen gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip. Auch müssten jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft originäre und nicht bloß akzessorische Ansprüche zustehen. Ferner treffe der angefochtene Bescheid keine Vorsorge für atypische Fälle und Härtefälle. Die Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro sei zu gering. Schon gar nicht tragbar sei die Absenkung der Regelleistung auf 90 % (311,00 Euro) für den Haushaltsvorstand. Zudem verstoße die in § 27 SGB II enthaltene Verordnungsermächtigung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Grundgesetz (GG). Überdies enthalte der Bescheid keine nachvollziehbare Begründung. Die Berücksichtigung der Unterkunfts- und Heizkosten sei nicht nachzuvollziehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2005, zugestellt am 04.03.2005, wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger mit am 01.04.2005 beim Sozialgericht (SG) Dortmund eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben und sich weiterhin gegen die Absenkung der monatlichen Regelleistung auf 90 % (311,00 Euro) bei Bedarfsgemeinschaften gewandt. Dieser Betrag stelle eine Unterschreitung des von Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorgegebenen Mindestleistungsniveaus dar.

Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, auch nach dem SGB II werde jedenfalls das Existenzminimum gewährleistet. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im weiteren hat sie die Berechnung der KdU und des anrechenbaren Einkommens des Klägers zu 2) erläutert. Sie ist zu einem anrechenbaren Einkommen von nur noch 563,09 Euro gekommen. Nach erfolgter Überprüfung der Bescheide habe sich für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.07.2005 ein Nachzahlungsbetrag von 114,58 Euro ergeben, der in Kürze überwiesen werde. Daraufhin haben die Kläger erklärt, sie griffen die Kosten der Unterkunft und die Einkommensanrechnung nicht mehr an, sofern dieser Betrag überwiesen werde.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.07.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe die der Klägerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu gewährenden Leistungen zutreffend berechnet. Dabei habe sie der Klägerin und deren Ehemann gemäß § 20 Abs. 2 und 3 S. 1 SGB II einen Eckregelsatz in Höhe von 311,00 Euro zuerkannt und den Kindern jeweils Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 207,00 Euro bewilligt. Die gesetzliche Festsetzung der Eckregelsätze sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese trage dem sozialstaatlichen Gebot der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins aus Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Dem Sozialstaatsgrundsatz lasse sich wegen seiner Weite und Unbestimmtheit kein Gebot entnehmen, Sozialleistungen in einer bestimmten Höhe zu gewähren. Der Gesetzgeber habe lediglich zwingend zu beachten, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schaffen müsse. Bei der Einschätzung dieser Mindestvoraussetzungen könne der Gesetzgeber auch die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen. Dabei sei es grundsätzlich zulässig, den Bedarf gruppenbezogen zu erfassen und eine vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung vorzunehmen. Im Rahmen einer solchen Typisierung sei das Existenzminimum allerdings grundsätzlich so zu bemessen, dass es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdecke. An diese Vorgaben habe sich der Gesetzgeber gehalten. Ebenso wie der Regelsatz nach § 20 Abs. 2 SGB II unterlägen auch die auf 90 und 80 % verminderten Regelleistungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierbei habe sich der Gesetzgeber erkennbar an die Vorschriften der früheren Regelsatzverordnung angelehnt. Dort sei allerdings vorgesehen, dass der Haushaltsvorstand 100 % des Regelsatzes und Angehörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres 80 % und bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 % erhalten. Mit der Festlegung auf jeweils 90 % des Regelsatzes für erwachsene Haushaltsangehörige habe der Gesetzgeber lediglich die schon in der Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entwickelte Konzeption des Mischregelsatzes übernommen, die immer dann zur Anwendung komme, wenn nicht festgestellt werden könne, wer als Haushaltsvorstand anzusehen sei. Der verminderte Regelsatz volljähriger Partner und minderjähriger Angehöriger verstoße nicht gegen das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, sondern beruhe auf der zutreffenden Wertung, dass durch eine gemeinsame Haushaltsführung, insbesondere durch die gemeinsame Nutzung der Energieversorgung und der Haushaltsgeräte, ein deutlich sparsameres Wirtschaften möglich sei und dass minderjährige Angehörige im Gegensatz zu Erwachsenen einen geringeren Bedarf hätten. Auch im Übrigen sei die von der Beklagten getroffene Entscheidung rechtmäßig.

Gegen das am 23.08.2006 zugestellte Urteil haben die Kläger mit am 22.09.2006 beim SG eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sowohl die Höhe der Regelleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II als auch die Höhe des Sozialgeldes (§ 28 SGB II) seien mit dem Grundgesetz unvereinbar. Nach dem bis Ende 2004 geltenden Leistungsniveau hätte der Regelsatz für Kinder zwischen 7 und 14 Jahren 229,00 Euro betragen müssen, während er nach dem SGB II nur 207,00 Euro betrage, was zu einer Schlechterstellung der Schulkinder und ihrer Eltern führe. Soweit sich der Gesetzgeber insoweit auf eine wissenschaftliche Untersuchung des statistischen Bundesamtes stütze, überzeuge dies nicht. Denn dort seien nicht die Altersgruppen von 7 - 14 Jahren und 15 - 18 Jahren, sondern der Bedarf in den Altersgruppen von 6 - 12 Jahren und 12 - 18 Jahren untersucht worden. Dies habe orientiert an Durchschnittshaushalten ergeben, dass die Kosten für Kinder von 6 - 12 Jahren knapp 20 % über denen für Kinder bis zu 6 Jahren lägen. Die Bundesregierung habe sich nicht an diesen Ergebnissen orientiert, sondern Absenkungen vorgenommen. Entgegen der Rechtslage vor "Hartz IV" seien die höheren Ausgaben von Schulkindern gerade nicht anerkannt worden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24.07.2006 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2005 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2005 höhere Regelsatzleistungen nach dem SGB II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Terminsladung sind die Beteiligten auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 zu Az.: B 7 b AS 8/06 R mit den prozessualen Folgen (Bedarfsgemeinschaft) aufmerksam gemacht worden.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat daraufhin angeregt, die Kläger zu 1) bis 4) im Rubrum aufzunehmen.

In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 01.02.2007 haben die Kläger klargestellt, dass es lediglich um die höhere Regelsatzleistung gehe. Die Kosten der Unterkunft seien nicht mehr im Streit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand von Klage und Berufung sind Ansprüche der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger zu 1) - 4) gegen die Beklagte nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2005. Kläger sind damit alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 (Az.: B 7 b AS 8/06 R) sind nämlich Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, weil das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht mit einer eigenen Klage die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgen kann. Dies gilt auch für den Kläger zu 2), obwohl sein Einkommen zur Deckung seines Bedarfs ausreichen dürfte (BSG, a. a. O., Rn. 13). Nach § 38 SGB II ist davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) den Leistungsantrag am 08.11.2004 für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, also auch für die Kläger zu 2) - 4), gestellt hat. Über ihren Wortlaut hinaus muss diese Norm dahin ausgelegt werden, dass die vermutete Bevollmächtigung alle Verfahrenshandlungen umfasst, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Antrags dienen, also insbesondere die Einlegung des Widerspruchs (BSG, a. a. O., Rn. 29). Damit ist davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) den Widerspruch mit Wirkung auch für die Kläger 2) - 4) eingelegt hat. Schließlich mangelt es für die Kläger zu 2) - 4) auch nicht an einem Widerspruchsverfahren (§ 78 SGG), da sich die Beklagte erkennbar mit den Ansprüchen der Kläger zu 1) - 4) in den angefochtenen Bescheiden auseinander gesetzt hat (BSG, a. a. O., Rn. 28). Ferner ist der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a. a. O., Rn. 24 und 28) folgend davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte Klage und Berufung zulässigerweise für die Kläger zu 1) - 4) eingelegt hat (§§ 153 Abs. 1, 73 Sozialgerichtsgesetz/SGG). Zwar ist die Vollmacht nur von der Klägerin zu 1) unterschrieben. Jedoch kann nach § 73 Abs. 2 S. 2 SGG bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie eine Bevollmächtigung des anderen Ehegatten bzw. der Kindsmutter zur Führung des Prozesses unterstellt werden.

Die auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Sie richtet sich allein gegen die Höhe der Regelsatzleistungen nach § 20 Abs. 3 SGB II und die Höhe des Sozialgeldes nach § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II. Insbesondere hat der Senat nicht mehr über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu befinden, da die Kläger diesen Punkt ausdrücklich außer Streit gestellt haben. Dies haben sie mit entsprechender Erklärung in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 01.02.2007 nochmals klargestellt. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Höhe der Regelleistung ist zulässig. Denn bei der Verfügung über Unterkunfts- und Heizungskosten handelt es sich um eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch/SGB X) des Gesamtbescheides, der fähig ist, alleiniger Streitgegenstand zu seien (BSG, a. a. O., Rn. 18). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese Verfügung zulässigerweise auch außer Streit gestellt werden kann.

Die gemäß § 20 Abs. 3 SGB II für die Kläger zu 1) und 2) nur zu jeweils 90 % auszuzahlende Regelleistung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da bei zwei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft ein Wirtschaften "aus einem Topf" zu Kostenersparnissen führt, ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dies typisierend berücksichtigt (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 03.07.2006 - 1 BvR 2383/04 - § 22 b Abs. 3 Fremdrentengesetz). Die Kostenersparnis bei gemeinsamer Haushaltsführung war schon der Grund für die gestaffelten Eckregelleistungen nach dem BSHG (BSG, Urteil vom 23.11.2006, Az.: B 11 b AS 1/06 R, Rn. 54).

Die Höhe dieser auf 90 % abgesenkten Regelleistung, die unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 1 SGB II 311,00 Euro beträgt, ist ebenso wenig zu beanstanden. Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II mit 345,00 Euro, die Ausgangspunkt der Berechnung der Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II ist.

Hierbei folgt der Senat nach eigener Überprüfung dem bereits zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.11.2006 (Az.: B 11 b 1/06 R, Rn. 49 ff.). Danach ist die vom Gesetzgeber gewählte Art der Bedarfsermittlung und deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist grundsätzlich zulässig, Bedarfe gruppenbezogen zu erfassen und eine Typisierung bei Massenverfahren vorzunehmen. Die Art der vorgenommenen Typisierung ist ebenso wenig zu beanstanden. Grundsätzliche Einwände gegen die Festsetzung der Regelleistungen sind nicht erkennbar. Wie schon bei der Sozialhilfe hat der Gesetzgeber bei der Ermittlung der typisierten Bedarfe nach dem SGB II auf das Statistikmodell zurückgegriffen, wobei erkennbarer Bezugspunkt für die Bemessung der Regelleistung mit 345,00 Euro die Höhe der bis dahin geltenden Regelsätze (ca. 297,00 Euro) zuzüglich eines an der damaligen Bewilligungspraxis bezüglich einmaliger Leistungen gemessenen Anteils in Höhe von 16 % war.

Auch im Übrigen widerspricht die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II nicht höherrangigem Recht. Denn der Bestimmung der Regelleistung liegen ausreichende Erfahrungswerte zugrunde. Zudem hat der Gesetzgeber den ihm zuzubilligendem Einschätzungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten. Im Rahmen dieser Vertretbarkeitsprüfung ist zu bedenken, dass die gegenwärtige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in breiten Bevölkerungskreisen geprägt ist, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebots maßgebliche Bedeutung zukommen muss. Diesem Gebot entspricht, dass in der Konsequenz der Festlegung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 SGB II der Hilfeempfänger weniger konsumieren kann, als die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte ohne Einbeziehung der Hilfeempfänger. Zudem ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beachten, dass der Gesetzgeber des SGB II den Hilfebedürftigen nicht nur die Regelleistung, sondern in nicht unwesentlichem Umfang weitere Leistungen zur Verfügung stellt (vgl. u. a. §§ 16, 21, 22, 23 SGB II).

Der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend vermag der erkennende Senat eine Unvertretbarkeit der Höhe der Regelleistung nicht zu erkennen.

Auch die Festsetzung der Höhe des Sozialgeldes für Kinder bis zu Vollendung des 14. Lebensjahres auf 60 vom Hundert der Regelleistung (207,00 Euro) gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Soweit nunmehr geltend gemacht wird, mit der Beschränkung des Sozialgeldes auf 60 % der Regelleistung komme es zu einer verfassungwidrigen Schlechterstellung der Kinder gegenüber dem früheren Rechtszustand nach den Eckregelsätzen des BSHG, vermag dies für den am 10.01.2000 geborenen Kläger zu 4) schon rein tatsächlich nicht zu überzeugen. Der Kläger zu 4) vollendete im streitigen Zeitraum erst das 5. Lebensjahr. Nach dem BSHG standen aber Haushaltsangehörigen bis zu Vollendung des 7. Lebensjahres nur 50 bzw. 55 % des Eckregelsatzes und damit geringere Leistungen als nach den Regelungen des SGB II zu. Die materielle Situation des Klägers zu 4) hat sich somit nach dem neuen System des Sozialgeldes gerade verbessert. Eine Verfassungswidrigkeit ist hierin nicht zu erkennen.

Eine - prozentuale - Verschlechterung ist allerdings für die am 00.00.1997 geborene Klägerin zu 3) eingetreten. Die Klägerin zu 3) hatte am 29.03.2004 das 8. Lebensjahr begonnen. Nach den Regelungen des BSHG aber erhielten Haushaltsangehörige vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 65 % des Eckregelsatzes.

Aus dieser für die Klägerin zu 3) eingetretenen Verschlechterung ihrer materiellen Situation gegenüber den Regelungen des BSHG zum Eckregelsatz ergibt sich jedoch keine Verfassungswidrigkeit des § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II. Auch insoweit ist es zulässig, Bedarfe gruppenbezogen zu erfassen und eine Typisierung beim Massenverfahren vorzunehmen. Ebenfalls ist dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Höhe des Sozialgeldes für bis zu 14-jährige Kinder ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen, den er allerdings nicht in unvertretbarer Weise überschreiten darf. Da es sich bei dem Sozialgeld um eine Leistung handelt, die an die Hilfebedürftigkeit eines erwerbsfähigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft anknüpft (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB II), sind auch diejenigen Grundsätze maßgeblich, nach denen sich die Leistungsgewährung an einen hilfebedürftigen Erwerbsfähigen richtet. Für einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen liegt es aber wie gezeigt in der Konsequenz der Festlegung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II, dass er weniger konsumieren kann, als die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte ohne Einbeziehung der Hilfeempfänger. Gleiches muss auch ür den Empfänger von Sozialgeld gelten. Entgegen der Meinung der Kläger ist es daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das Sozialgeld nicht in Höhe der Ausgaben von Kindern in Haushalten mit Durchschnittseinkommen gewährt, sondern hiervon einen erheblichen Abschlag vorgenommen hat.

Ebenso wenig war der Gesetzgeber gehalten, sich bei der Bemessung des Sozialgeldes für Kinder strikt an die Altersstufungen nach der für das BSHG geltenden Regelsatzverordnung zu halten (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres: 50 bzw. 55 % vom Eckregelsatz; von Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 65 % des Eckregelsatzes; von Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres: 90 % des Eckregelsatzes). Vielmehr ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Gesetzgeber (BT-Drs. 15/1516, Begründung zu § 28 SGB II) bei der Bemessung der Regelleistung für nicht erwerbsfähige Angehörige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres an den Festlegungen der Regelsatzverordnung zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres orientiert hat. Nach dessen § 3 Abs. 2 Nr. 1 beträgt der Regelsatz für sonstige Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 von Hundert des Eckregelsatzes. Diese Festlegung konnte der Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II übernehmen, ohne höherrangiges Recht zu verletzen. Denn er hat damit eine Bestimmung für Kinder von Leistungsempfängern nach dem SGB XII auf Kinder von Leistungsempfängern nach dem SGB II übertragen, die gemäß § 28 Abs. 3 S. 4 SGB XII ihre Grundlage in einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe hat sowie nach § 28 Abs. 4 SGB XII gewährleistet, dass bei Haushaltsgemeinschaften von Ehepaaren sogar mit drei Kindern die staatlichen Leistungen unter den erzielten monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen unterer Lohn- und Gehaltsgruppen mit einer alleinerziehenden vollzeitbeschäftigten Person bleiben. Damit aber dient auch die Regelung in § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II der Wahrung des Lohnabstandsgebotes. Hierbei handelt es sich um ein Gebot, das der Gesetzgeber auch bei der Festlegung von Leistungen nach dem SGB II zu beachten hat (BSG, Urteil vom 23.11.2006, Az ... B 11b AS 1/06 R, Rn. 53).

Zusammenfassend trägt der Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II den mit zunehmendem Alter der Kinder wachsenden Bedürfnissen in vertretbarer und damit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandener Weise Rechnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Sozialgeldes grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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