L 28 B 130/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 748/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 130/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. Dezember 2006 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Gericht hat den Antrag des Antragstellers vom 25. Oktober 2006, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die laufen-den "Stromkosten und Kosten für die Warmwasseraufbereitung sofort" zu übernehmen, zu Recht abgelehnt hat. Es fehlt an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Absatz 2 SGG notwendigen Anordnungsgrund.

1.) Schon für die Gewährung von Leistungen ab Antragseingang bei dem Sozialgericht Neuruppin bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren fehlt es an einem Anordnungsgrund, denn insoweit besteht keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde. Der Antragsteller hat – auch nach Erhalt der Entscheidung des Sozialgerichts, die unter anderem auf das Fehlen des Anordnungs-grundes gestützt war – keine Umstände vorgetragen, die einen Anordnungsgrund begründen können.

In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslie-ferung 2005, § 123 RdNrn. 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der La-ge wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dring-lichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände hat der Antragsteller jedoch nicht vorgetragen, sie sind auch nicht sonst ersichtlich. Dies bedeutet gleichzeitig, dass insoweit effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren erlangt und dem Antragsteller ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden kann.

2.) Auch für die Zeit nach der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsgrund. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist auch für diesen Zeitraum nicht nötig, weil nicht ersichtlich ist, dass dem Antragsteller durch die Versagung der begehrten einstweiligen Anordnung unmittelbar wesentliche Nachteile drohen. Er muss sich deshalb zunächst auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen. Vor diesem Hintergrund kann der Senat offen lassen, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf Über-nahme der gesamten Stromkosten hat, da er mit Frau J W zumindest in einer Haushaltsgemeinschaft wohnt.

Der Antragsteller begehrt im Übrigen im Kern eine gerichtliche Entscheidung über die seines Erachtens ungeklärte Rechtsfrage, ob die Regelleistung nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende - auch die Kosten für die Haus-haltsenergie umfasst oder ob diese Kosten, wie er meint, im Rahmen der Erstattung von Heizkosten nach § 22 SGB II berücksichtigt werden müssen. Abgesehen davon, dass das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 30. August 2005 – L 12 AS 2023/05 - (zitiert nach Juris) das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Mai 2005 – S 9 AS 507/05 - (zi-tiert nach Juris), nach dem "Stromkosten und die Kosten für warmes Wasser" zu den nach § 22 SGB II zu erstattenden Leistungen für Unterkunft und Heizung gehören und auf das sich der Antragsteller wiederholt beruft, aufgehoben und die entsprechende Klage abgewiesen hat, ist durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl, S. 1706) in § 20 Abs. 1 SGB II mit Wirkung zum 1. August 2006 klargestellt worden, dass der Regelsatz auch Leistungen für "Haushaltsenergie ohne die auf die Hei-zung entfallenden Anteile" umfasst (vgl. Brünner in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 20 RdNr. 3).

3.) Soweit das Sozialgericht schließlich entschieden hat, dass nach dem SGB II kein Anspruch auf Übernahme von Energiekostenrückständen bestehe, kann der Senat diese Frage offen lassen (vgl. zum Streitstand Berlit in LPK-SGB II, a. a. O., § 22 RdNr. 116 m. w. Nachw.). Denn jedenfalls hat der Antragsteller im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ein solches Begehren weder geltend noch gar glaubhaft gemacht und die Antragsgegnerin hat über eine Übernahme entsprechender Schulden nach Aktenlage auch nicht entschieden. Dem An-tragsteller steht es frei, einen entsprechenden Antrag nachzuholen und eine Entscheidung des Antragsgegners herbeizuführen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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